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Wolfgang Sander

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Beschreibung

Gregorij Jefimowitsch Rasputin hat zweifelsohne ein Stück russischer Geschichte des verflossenen Jahrhunderts mitgeschrieben, zumindest aber auf seine Weise beeinflusst. Er war eine der schillerndsten Gestalten im Kampf um Macht und Einfluss am Zarenhof des Riesenreiches Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die schillernde Gestalt des Gregorij Jefimowitsch Rasputin kann nicht eindeutig in die Legende eingeordnet werden, denn Dichtung und Wahrheit sind nicht immer scharf voneinander zu trennen. Fest steht nur eins: Der Mann war ein Phänomen, das mit normalen menschlichen Maßstäben nicht zu messen ist. Seine beinahe übersinnlichen Fähigkeiten sind dokumentiert und demzufolge kaum anzuzweifeln. Auch die von ihm ausgehende suggestive Wirkung auf seine Mitmenschen und Anhänger kann wohl nicht angezweifelt werden. Die menschliche Seite aber, sein Aussehen, seine Kleidung, sein Benehmen, seine Gier nach Alkohol, Frauen und Macht um jeden Preis lassen ihn jedoch als einen charakterlich minderwertigen Menschen erscheinen, der das "Maß aller Dinge" verloren hatte. Er war es, von dem Dostojewski einmal sagte, es werde ein einfacher Mensch, ein Muschik, kommen, der bis an den Zarenthron gelangen und Einfluss auf den Herrscher bekommen sollte. Dieser Muschik war Rasputin!

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Der sibirische Bauer Rasputin in seiner typischen segnenden Pose Entstanden um 1910

Die Hauptstadt Russlands hieß bis 1918 Petersburg, im Russischen Sankt Petersburg. Mit Beginn des ersten Weltkrieges wurde sie in Petrograd „umbenannt“. Seit 1924 hieß sie Leningrad. 1991 bekam die Stadt wieder ihren alten Namen.

Der Einfachheit halber wird sie im Text nur als St. Petersburg ausgewiesen.

Inhalt

Vorwort

I Der Mensch Rasputin

1. Herkunft und der Versuch einer persönlichen Analyse

2. Das Phänomen Rasputin

3. Ankunft in St.Petersburg und erste Kontakte

II Sektentum in Russland

1. Entstehung der Sekten und des Starzentums

2. Über die Chlystensekten

a) Ihr Ursprung

b) Ihre Verbreitung

c) Die Organisation

d) Die Lehre

III Über die politische Lage am Zarenhof Anfang des 20.Jahrhunderts

1. Der Zar

2. Die Zarin Alexandra

3. Seelenverwandtschaft

4. Der Zarewitsch

5. Die Zarenfamilie zieht sich zurück

IV Rasputin in seinem Umfeld

1. Höfisches Intrigenspiel

2. Gesellschaftlicher Aufstieg

3. Der Gottesmann als Erotomane

4. Rasputins Macht wächst

5. Undurchsichtige Verstrickungen und schwindendes Ansehen

6. Fronten der Feindseligkeit

7. Attentate auf Rasputin

8. Vor dem Kriegsausbruch

9. Die ersten Kriegsjahre

V Das tragische Ende

1. Begegnungen und Kontakte zwischen Jussupow und Rasputin

2. Vorbereitung des Mordes

3. Der Mord

4. Untersuchungen und Ermittlungen

VI Der Untergang der kaiserlichen Familie

VII Epilog

Stammbaum

Literaturverzeichnis

Personenregister

Vorwort

Es ist äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, ein objektives Bild des Mannes zu vermitteln, der zweifelsohne ein Stück russischer Geschichte des verflossenen Jahrhunderts mitgeschrieben, zumindest aber auf seine Weise beeinflusst hat. Ein Phänomen war Rasputin bereits zu Lebzeiten. Er war eine der schillerndsten Gestalten im Kampf um Macht und Einfluss am Zarenhof des Riesenreiches Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Allein schon aus der Zahl der Veröffentlichungen, die in die Hunderte gehen, ist zu ersehen, mit welch zwielichtiger Gestalt wir es zu tun haben, mit einem Menschen, der von manchen als Heiliger verehrt, von den meisten aber als das Böse schlechthin dargestellt wird. Unter die Letztgenannten fallen Politiker aller Schattierungen, darunter auch Diplomaten, Militärs, Kirchenmänner, auch Anhänger des Royalismus und Presseleute. Selbst viele Angehörige des Romanow-Clans gehörten dazu. Sie alle hatten mehr oder weniger gute Gründe, gegen den Gottesmann vorzugehen, zu intrigrieren, das Absurdeste und Abstruse in allen möglichen Schattierungen zu ihrem Vorteil herauszustellen und den sibirischen Prediger zu verteufeln. Inwieweit alle diese Darstellungen und Meinungen, Aussagen und Berichte auf objektiver Wahrheitsfindung beruhen, mag dahingestellt sein.

Immer wieder ist festzustellen und hervorzuheben, dass die schillernde Gestalt des Gregori Jefimowitsch Rasputin nicht eindeutig in die Legende eingeordnet werden kann, denn Dichtung und Wahrheit sind nicht immer scharf voneinander zu trennen.

Fest steht nur eins: Der Mann war ein Phänomen, das mit normalen menschlichen Maßstäben nicht zu messen ist. Seine beinahe übersinnlichen Fähigkeiten, die er in vielen Situationen anwandte (herausragendes Beispiel Zarewitsch), sind dokumentiert und demzufolge kaum anzuzweifeln. Auch die von ihm ausgehende suggestive Wirkung auf seine Mitmenschen und Anhänger kann wohl nicht angezweifelt werden.

Die menschliche Seite aber, sein Aussehen, seine Kleidung, sein Benehmen, seine Gier nach Alkohol, Frauen und Macht um jeden Preis lassen ihn jedoch als einen charakterlich minderwertigen Menschen erscheinen, der das „Maß aller Dinge“ verloren hatte.

Diese unsere Meinung wird nach dem Studium über russische Sekten erhärtet, hier besonders die der Chlysten, deren Mitglied und Anhänger Rasputin nach eigenen Aussagen war, denn nach Einblick in die Gepflogenheiten der Chlystensekten, in ihre Messen und Andachten, kommt der Betrachter nicht umhin, das Abscheuliche ihrer Rituale an den Pranger zu stellen, wobei allerdings gesagt werden muss, dass die Rituale heutzutage – wenn überhaupt noch – in abgeschwächter Form vollzogen werden.

So sind die Ausführungen des Verfassers über das Phänomen Rasputin auch subjektiv zu sehen. Sein gelebtes Leben zeigt sich in einer Doppelbödigkeit, die er geschickt verbarg hinter religiös übertriebener Ergriffenheit, gepaart mit einer – zugegebenermaßen – wirkungsvollen Rhetorik. Da hat Objektivität keinen Raum, wenn das Bild des merkwürdigen, düsteren Mannes, dessen Verhaltensweisen sich möglicherweise unserer Vorstellungskraft entziehen, gezeichnet werden soll.

Rasputin war – anders kann es nicht ausgedrückt werden – ein Mann der Gegensätze: Er war fromm und lasziv, gutmütig und hilfsbereit, dumm und sehr klug, ungebildet, aber bildete sich „seine“ Welt. Er war sexbesessen, aber ein guter Familienvater; er besaß Willenskraft, gegen die andere sich kaum behaupten konnten. Er verfügte über hypnotische und magnetische Kräfte, die lindernde Wirkung hervorriefen.

Sein Weitblick in der Innen- und Außenpolitik war bemerkenswert, auch seine Warnungen vor dem Krieg und einem unheilvollen Ende.

Er war es, von dem Dostojewski einmal sagte, es werde ein einfacher Mensch, ein Muschik, kommen, der bis an den Zarenthron gelangen und Einfluss auf den Herrscher bekommen sollte.

Dieser Muschik war Rasputin!

Bergen, im Januar 2007

Wolfgang Sander

Der Mensch Rasputin

Herkunft und der Versuch einer persönlichen Analyse

Rasputin – was war das für ein Mann, wo kam er her, wie konnte es kommen, dass er solch starken Einfluss auf die Zarenfamilie, auf den gesamten Hofstaat hatte, und es ihm darüber hinaus gelang, die Regierungspolitik enorm zu beeinflussen?

Wie schon im Vorwort angedeutet, gestaltet es sich äußerst schwierig, eine auch nur annähernd genaue Analyse zu geben, denn vorliegende Quellen, gleich welcher Art sie auch sein mögen, ob Erzählungen, Berichte, Romane, Beschreibungen weisen in die verschiedensten Richtungen, da sie alle mehr oder weniger subjektiv zu sehen sind. Da tritt oft an Stelle der Vernunft das Gefühl oder es werden Eindrücke als Tatsachen wiedergegeben. In reißerischer Absicht und aus anderen Beweggründen kamen Verleumdungen auf, die nicht selten übertrieben wurden. Deshalb ist es nur allzu verständlich, wenn die Tochter Rasputins, Maria, sich gegen solche Unterstellungen in ihren Büchern wehrt. Es muss aber auch gesagt werden, dass die Ausführungen über ihren Vater an vielen Stellen romanhaft übertrieben erscheinen. Der Leser spürt, Maria Rasputin war bestrebt, ihrem Vater nur ein gutes Zeugnis auszustellen.

Versuchen wir eine vorsichtige Analyse des Menschen Rasputin.

Im Januar des Jahres 1869 [nach alter russischer Zeitrechnung] wurde Gregorij Jefimowitsch Rasputin in dem kleinen sibirischen Dorf Pokrowskoje am Rande des Ural geboren. Niemand vermutete bei seiner Geburt, dass der Bauernjunge in späteren Jahren einmal eine überaus einflussreiche Rolle spielen sollte in Russland, dass seine Ermordung den Sturz der Zarenfamilie beschleunigen und der Ausbruch der Revolution von 1917 zumindest in einer mittelbaren Beziehung zu seinem Tod stehen würde.

Das Dorf hatte zur damaligen Zeit weniger als eineinhalb tausend Einwohner, die nicht nur vom Fischfang, der Jagd und Landwirtschaft lebten, auch Pelz-und Lederverarbeitung wurden betrieben. Alle Produkte und Erzeugnisse verkauften die Bauern in der kleinen, hundert Kilometer entfernten Stadt Tjumen, wofür sie oft tagelang unterwegs waren.

Seine Eltern, Vater Jefim Jakowitsch, Mutter Anna Wassiljewna, waren Bauern mit etwas Land und einigen Kühen und Pferden. Zwei Geschwister hatte Rasputin noch: den Bruder Lawrentij, der ganz jung an einer Lungenentzündung starb, die er sich beim Spielen der beiden Jungen im Fluss Tura zuzog. Rasputin selbst überlebte nach einer lang andauernden Krankheitsphase mit hoher Fiebrigkeit, in der er Visionen hatte, Visionen von einer „schönen Dame“, die ihm eine Aufgabe anvertraute. Eine Aufgabe, die ihn oft aus seinem Dorf hinaustrieb, um in seinen Wanderjahren zu lernen, der „schönen Dame“ zu dienen und ein Starez zu werden. Von dieser Aufgabe hielt ihn auch seine Heirat mit einem Mädchen aus einem Nachbardorf nicht ab.

Seine Schwester Maria ertrank beim Wäschewaschen im Fluss Tura nach einem epileptischen Anfall.

In sehr jungen Jahren verlor er seine Mutter, weshalb er auch keine große Erinnerung an sie besaß. Seine Schulbildung kann nur als äußerst begrenzt bezeichnet werden, ein Pope erteilte den Dorfkindern Unterricht, der im Auswendiglernen von frommen Sprüchen und Bibeltexten bestand.

Erst viel später lernte Rasputin ein wenig Lesen und Schreiben, und das hauptsächlich von seinen eigenen Kindern. Er war ein Einzelgänger, der keine Freunde hatte. An körperlicher Arbeit zeigte der Heranwachsende nur geringes Interesse. Dafür besaß er aber seit frühester Kindheit eine Fähigkeit, die als das „zweite Gesicht“ bezeichnet wird: Er konnte bestimmte Dinge vorhersehen.

Folgende Begebenheit ist überliefert: Einem Nachbarn wird ein Pferd gestohlen. Um die Lage zu besprechen, versammeln sich einige Dorfbewohner in seinem Vaterhaus. Mitten in die hitzige Debatte betritt Rasputin den Raum, zeigt auf einen Bauern und bezichtigt ihn des Diebstahls. Verwirrung herrscht unter den Anwesenden. Als er auch noch das Versteck des Pferdes vorhersagt und das Pferd dort tatsächlich gefunden wird, ist das Erstaunen und Wundern über diese ungewöhnliche Eigenschaft groß. Manchen Dieb erkannte er mit seiner hellseherischen Fähigkeit, wurde aber auch selbst beim Stehlen oft erwischt. Mit diesen Gegensätzen entzweite er schon als Junge die Einwohner seines Dorfes. Wer nicht für ihn war, war gegen ihn.

Rasputin wuchs in der weiten sibirischen Landschaft auf, diese Örtlichkeit und das in jeder echten russischen Seele Schlummernde des Geheimnisvollen, Urwüchsigen formte von Kindheit an seine Seele: gutmütig und fromm, grübelnd, grausam und zu allen möglichen Untaten bereit. Diese Merkmale des russischen Charakters waren bei ihm besonders ausgeprägt und kamen immer wieder zum Vorschein. Er versuchte auch gar nicht, diese in ihm angelegte Urwüchsigkeit zu verbergen und redete sich bei gegebenen Anlässen nicht immer zur Zufriedenheit seiner Mitmenschen heraus: „Wir sind ja alle nur sündige Menschen. Die Sünde ist über mich gekommen.“

Wenig schmeichelhaft, ja sogar herablassend, nannten ihn Dorfbewohner „Grischa“, eine abwertende Form von Grigorij Jefimowitsch. Rasputins Wesen zeichnete sich durch einen zwiespältigen Charakter aus: Einerseits trank er wüst und stellte den Mädchen nach, mit siebzehn wurde er polizeibekannt. Mädchenschändung, Diebstahl und Trunksucht, so lauteten die Anzeigen. Andererseits hat er oft nächtelang „auf Knien gelegen und um Erleuchtung und Erkenntnis gebetet.“ Er war ein Sonderling, der einerseits über Gott und die Welt nachdachte, den Drang hatte, diese ihm unbekannte Welt zu sehen und ihre Geheimnisse aufzuspüren, um gleich darauf wieder in Liederlichkeit und Faulheit zu verfallen. Dieser Zwiespältigkeit in seinem Wesen war er sein ganzes Leben lang unterworfen. Trotzdem: Rasputin entwickelte sich bis zu seinem 17. Lebensjahr zu einem kräftigen jungen Mann, der selbstbewusster war als die anderen „Muschiks“ seines Standes.

Es gibt Auffassungen, die ihm unterstellen, er sei immer bestrebt gewesen, ein besserer Mensch zu werden. Noch als Jugendlicher verließ er sein Dorf, nachdem ihm angeblich Maria, die „schöne Dame“, erschienen sei und ihn ersucht habe, den Christusglauben im Lande zu verbreiten. Die „Erleuchtung“ nahm er an und begab sich auf Wanderschaft.

Schon in Jugendjahren an Nichtstun gewöhnt, trieb er sich lieber in Klöstern herum. Durch den Kontakt mit Pilgern und Mönchen, ihren Erzählungen und religiösen Einstellungen, gelangte er zu einer gewissen theologischen Bildung, die er dem praktischen Leben gleichzusetzen versuchte. Der Kontakt zu den Mönchen vermittelte ihm auch eine nicht unbedeutende Menschenkenntnis, die es ihm ermöglichte, die Schwächen und Eigenarten der Menschen weitgehend zu erkennen und sie für seine Ziele auszunutzen.

Allerdings konnte er seine ausschweifende sexuelle Gier in den Klöstern nicht ausleben, dazu engten ihn die Klostermauern zu stark ein. Aus dieser Erkenntnis heraus verlegte er sich auf eine naiv-göttliche Besessenheit, die die Leidenschaft aus den Menschen heraustreiben sollte. Er wollte zum Beispiel absichtlich ungepflegt sein, um damit den einfachen Bauern herauszukehren, Haar und Bart ungekämmt und verzottelt, um damit den Naturmenschen zu betonen, der sich um äußere Formen überhaupt nicht kümmerte. Er kehrte sein Ungebildetsein heraus, konnte jedoch andererseits in schönen Bildern sprechen. „Er war Pharisäer und Fanatiker zugleich, Heiliger und Sünder, Asket und Frauenjäger.“ Durch sein theatralisches Getue erweckte er Neugier, die er geschickt in Einflussnahme und Erfolge umsetzte.

Als unruhiger Geist hielt er es niemals lange in seinem Dorf aus, ständig war er auf Wanderschaft, und wenn er zurückkam, erschien er den Dorfbewohnern noch frommer als vorher. Oft betete er in der Dorfkirche so intensiv inbrünstig, dass er wie in Trance mit der Stirn auf die Steinfliesen der Kirche schlug, bis seine Haut platzte und sie zu bluten begann. Er sprach dann nicht mehr in zusammenhängenden Sätzen, sondern nur in Sentenzen, rätselhaft, abgebrochen: Sie ähnelten dann Aussprüchen von Propheten.

Nach Monaten des Ausbleibens und erster Kontakte zu Klöstern und Mönchen kam er nach Pokrowskoje zurück, heiratete im Februar 1887 ein Mädchen aus einem Nachbardorf, ging dann aber wieder auf Wanderschaft, die ihn weit im Lande herumführte. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, „neue religiöse Erkenntnisse“ zu suchen, seine Heilkräfte zu intensivieren und die telepathischen Fähigkeiten auszubauen.

Er versuchte, die Vertreibung seiner Leidenschaften auf seine Weise und mit seinen Mitteln „anzugehen.“ Dazu versammelte er Leute um sich, das waren insbesondere infolge ihrer Sensibilität Frauen und junge Mädchen. Er schlüpfte in die Rolle eines Einsiedlers, ging in die Wälder, kletterte auf Bäume und steckte Kreuze in die Baumkronen und Baumspitzen. Durch die Intensität seiner „Bemühungen“ glaubten die jungen Bauernmädchen an ihn und seine falschen Gebete, die er in aller Eindringlichkeit so lange ausdehnte, bis die Mädchen hingebungsvoll seine leidenschaftlichen Umarmungen verzückt duldeten und alles über sich ergehen ließen.

Sehr bald liefen Klagen bei den Behörden über den „Mädchenverführer“ ein und darüber, dass nicht wenige Mädchen Kinder von ihm zur Welt brachten. Erstaunlicherweise schmälerte das sein Ansehen nicht, es steigerte im Gegenteil seinen „Ruhm“ noch.

Zwischendurch kam er immer wieder in sein Heimatdorf zurück. Er zeugte zwei Kinder, der Sohn Dimitrij wurde 1895 geboren, die Tochter Maria 1897. Einige Jahre später kam noch das Nesthäkchen Warwara dazu. Ständig jedoch trieb ihn die Unrast weiter, nie hielt er es lange bei seiner Familie aus.

Allerdings stimmen alle ernsthaften Autoren, die über Rasputin geschrieben haben, darin überein, dass er ein liebevoller Familienvater war. Seine Töchter ließ er – als er zu Ansehen und „Ruhm“ gekommen war - nach Petersburg kommen, mietete eine große Wohnung, war fürsorglich und rücksichtsvoll zu ihnen und bestrebt, vor ihnen seine dunklen Seiten möglichst verborgen zu halten. Er ermöglichte seinen Töchtern, das Gymnasium zu besuchen.

Auch seine Ehe schien durchaus harmonisch gewesen zu sein, wenn auch seine Frau einiges schlucken musste, was seine amourösen Abenteuer anlangte. Die schienen sie jedoch absolut nicht zu stören, denn darüber äußerte sie sich einmal mit echt russischer Schicksalsergebenheit: „Er kann tun, was er will. Es reicht bei ihm für alle hin.“

Seine Wanderjahre führten ihn weit herum, er war monatelang unterwegs, manchmal sogar jahrelang. In dem Kloster Werchoturje begegnete ihm der Mönchspriester Makarij, der ihn äußerst stark beeinflusste und ihm empfahl, noch das Kloster Athos aufzusuchen. Rasputin nahm den Rat an, und seine ausgedehnten Wanderungen brachten ihn auch zum heiligen Berg Athos in Griechenland, wo er zahlreiche Gespräche mit den Mönchen in den Klöstern, mit Popen und anderen Geistlichen führte, über religiöse Fragen diskutierte und dadurch sein Wissen bereicherte.

Der Einsiedler Makarij in Werchoturje beruhigte Rasputin, als der vom Kloster Athos zurückkam und über bestimmte Vorfälle dort äußerst ungehalten und empört war. Makarij erteilte ihm den Rat, er solle sein Seelenheil, wenn nicht im Kloster, so doch in der Welt suchen, auch wenn damit viel Unduldsamkeit und Leid verbunden seien. Und Rasputin hielt sich an diesen Rat.

Rasputin mit seinen Kindern Maria, Warwara und Dimitrij (v.l.n.r.) auf seinem bäuerlichen Anwesen in Pokrowskoje

Auf seinen Wanderfahrten machte Rasputin sich seine auf Frauen anziehende Wirkung zunutze, und fast alle unterwarfen sich seiner Dominanz in jeglicher Hinsicht. Begehrte er eine Frau, redete er ihr ein, die körperlichen Begierden „seien ein Dämon“, dem man mit erfüllter Liebe beikommen müsse.

Er bekam die Frauen, die er haben wollte, und sprach zu ihnen von einer „seelischen Reinigung“. Er nahm sie mit in die Sauna, um sich „von ihnen seinen Körper waschen zu lassen.“ Das hielt ihn aber nicht davon ab, sie alle dumm zu nennen, denn sie waren wie besessen von ihm, weil sie „von ihrem Dämon“ befreit werden wollten.

Äußerlich und innerlich verändert kam Rasputin nach Pokrowskoje zurück, seine Pilgerfahrten hatten sein weltliches und religiöses Bild geformt. Er wagte es sogar, die Kirche im Allgemeinen und die geistige Kompetenz der Mönche und Priester im Besonderen anzugreifen.

Dieses Wissen und seine zweifelsohne stark ausgeprägte Erzählweise ließen Rasputin zunächst in seinem Dorf Pokrowskoje, dann aber darüber hinaus in einem weiten Umkreis bekannt werden. Er besaß immerhin einen gewissen Scharfsinn und die Fähigkeit, die Gemüts- und Seelenlage der Menschen zu erfassen und sie zu deuten. Dieser Tatsache hatte er es zu verdanken, dass es nicht lange dauerte, bis er in den Augen vieler Menschen als Hellseher galt. Beflügelt durch den Erfolg, verließ er seine Familie wieder und ging quer durch Russland auf Wanderschaft.

Bei einem seiner längeren Aufenthalte in seinem Dorf gewann er durch seine geschickten Predigten und kleinere Wunderheilungen etliche Anhänger, die ihn in seinem Bestreben unterstützten, in „seinem Haus einen kleinen unterirdischen Andachtsraum zu bauen“ und darin zu predigen.

Nach der Fertigstellung einer winzigen Kapelle unter der Scheune hielt Rasputin zunächst allein nur mit seiner Familie seine Andachten ab, denn der Dorfpope hatte ihm mit kirchlichen Konsequenzen gedroht. Erst durch das „Heilen“ eines wild gewordenen Hengstes konnte er andere Dorfbewohner davon überzeugen, ein Starez mit heilender Wirkung auf andere zu sein. Nach und nach kamen nun die Bauern, um mit ihm ihre Andachten abzuhalten, religiöse Fragen zu besprechen oder sich einfach nur von seinen Pilgerfahrten erzählen zu lassen.

Und wie „heilte“ Rasputin die Menschen? Seine Tochter Maria schildert es so: „(…)Vater kniete auf dem staubigen Boden nieder, legte dem Kranken seine linke Hand auf den Nacken und umspannte vorsichtig sein rechtes Handgelenk mit der eigenen Rechten. Eine Weile sprach er dann von Gottes Liebe zu Seinen Kindern und wie sehr Er es braucht, daß sie auf Seinen Äckern und in Seinen Weingärten arbeiten.“ Dabei spielten seine Augen und Stimme eine wichtige Rolle. Die Stimme „(…) war warm und voll wie eine Orgel oder wie weicher schwarzer Sammet“, schwärmt Maria. Die Patienten waren zumindest getröstet, fühlten sich wohler. Sie kamen mehrere Male in die unterirdische Kapelle, beteten intensiv und wurden schließlich geheilt.

Maria sagt aber nicht, mit welchen Krankheiten die Bauern der Umgebung zu ihrem Vater kamen. Es werden wohl mehr seelische und geistige Verwirrungen gewesen sein. Seit sich die „Erfolge“ der „Geistheilung“ herumgesprochen hatten, wurde Rasputin mit Lebensmitteln aller Art überschüttet. Geld nahm er nicht. Trotzdem ermöglichten die Spenden ihm und seiner Familie ein für damalige Verhältnisse gutes Leben.

Allein schon die Tatsache, einen von der Umwelt möglichst fernen, abgeschnittenen Bet-Raum einzurichten legt die Vermutung nahe, dass Rasputin Anhänger einer Sekte war, die sich Chlysten nannte und in deren Leitlinien die Abgeschiedenheit und Zurückgezogenheit eine bedeutende Rolle spielten (siehe dazu auch das Kapitel über Chlystensekten).

Selbst Maria gibt indirekt zu, ihr Vater sei ein Angehöriger der Sekte gewesen, da er in jungen Jahren ein stiller und zurückhaltender Junge war, sich dann aber durch den Einfluss der Wanderprediger, die in Scharen durch die Lande zogen und oftmals Kranke scheinbar heilten, in auffälliger Weise zum Unguten änderte. Sie dienten ihm als Vorbilder, stachelten seine ausgeprägte Wanderlust noch mehr an und formten ihn seelisch, wenn sie meint: „(…)unternahm er frühzeitig Wallfahrten zu örtlichen Heiligen und Einsiedlern, zu Männern, die in Höhlen oder ähnlichen urtümlichen Unterkünften lebten, ihrem Leib alles versagten, Ketten und andere Marterwerkzeuge trugen und sich bemühten, die Heiligkeit durch stille Betrachtung, unablässiges Beten und ein elendes Leben zu erlangen.“

Über die Benutzung des Bet-Raumes, das Abhalten von Andachten und über die Zahl seiner Anhänger im Dorf und der Umgebung gehen die Meinungen erheblich auseinander. Während die einen ihm bedingungslos vertrauten, lehnten ihn die anderen wegen seines unsoliden Lebenswandels ab. Fest steht jedoch, dass er sich, nach Aussage seiner Tochter Maria, künftighin als „Starez“* bezeichnet. Auch hierin sehen die Gegner Rasputins einen Beweis seiner Sektenzugehörigkeit.

Sicherer und selbstsicherer wurde Rasputin, denn seine Anhängerschaft nahm stetig zu, so dass er es sich erlauben konnte, mehr oder weniger öffentlich, seine „religiösen Vorträge“ in exzessischen Orgien enden zu lassen. Eine Erklärung für diese oft stattgefundenen Orgien könnte in der außergewöhnlichen Potenz des Mannes liegen, von der gesagt wird, dass sie ungeheuerlich gewesen sei.

Nicht erwiesen ist ein Gerücht, dass sogar die jungen.Großfürstinnen in den Schmutz des Rasputinschen Lebenswandels einbezogen gewesen sein sollen, indem er öfter die jungen Damen zum Baden be gleitete.

Andere Gerüchte winden sich um einen „schnellen Verkehr“ mit schönen Frauen, die sich tagtäglich bei ihm einfanden und um Erlösung baten.

Rasputins Tochter entkräftet in ihren Ausführungen jedoch entschieden solcherart Gerüchte, wendet sich energisch gegen diese Behauptungen. Allerdings muss auch sie zugeben, „(…)ständig von Anbeterinnen umschwärmt, wäre er kein Mann gewesen, wenn er nicht gelegentlich den Reizen dieser oder jener erlegen wäre.“

Maria, Rasputins Tochter, als Tänzerin in den Zwanzigerjahren

Nicht nur über sexuelle Exzesse wird berichtet, auch über seine Trunksucht, die sich im Laufe der Jahre erheblich steigerte und an Umfang zunahm. Auch hier versucht seine Tochter Maria, die Schuld anderen zuzuschieben, weil „der Erwartungsdruck“ und „offene Feindschaften“ ihm unheimlich zu schaffen machten.

Je mehr er in der Achtung und im Ansehen der St. Petersburger Gesellschaft stieg, desto hemmungsloser ließ sich sein Lebenswandel an. Fest steht und unumstößlich sind Fakten, die Rasputin durch sein Leben begleiteten: dazu gehören seine Trunksucht, die Frauengeschichten, seine Sektenzugehörigkeit und seine mit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges einsetzende politische Einflussnahme auf die Zarenfamilie und damit verbunden auf bestimmte politische Entscheidungen.

Selbstverständlich wurde Rasputin deswegen von Polizei und Detektiven sorgfältig bespitzelt, so gut wie nichts ging den „Augen des Gesetzes“ verloren. Jeder Besucher wurde genauestens mit der Angabe der Uhrzeit notiert, jeder ankommende Brief unter Mithilfe des Portiers abgefangen, unauffällig geöffnet, durchgesehen und der Inhalt notiert. Natürlich blieb dem Gottesmann die Bespitzelung in solch massiver Ballung nicht verborgen.

Über den unsoliden Lebenswandel und dem üblen Treiben waren Zar und Zarin bestens unterrichtet aus höfischen Kreisen, unternahmen aber nichts, um den allem ein Ende zu bereiten.

K. Noetzel spricht ihm sogar die typischen Merkmale eines russischen Bauern ab, im Gegenteil, Rasputin war das, was Tolstoi „einen verdorbenen Bauern“ nannte. Er trug in sich keine echte russische Religiosität, die den allermeisten Bauern innewohnte, er besaß keine Ehrfurcht vor seinen Mitmenschen und verzichtete auch nicht auf Rache (Beispiel Gräfin Lochtina). Er besaß und entwickelte ebenfalls keine Demut, die dem gemeinen russischen Volk eigen ist. Denn er predigte, die Demut zeige sich eben gerade darin, man solle der Sünde nicht widerstehen. Das ist nach unserer Meinung eine der schlimmsten Verführungen überhaupt. Denn Rasputin plante und bereitete seine Verführungen vor, was durch „Polizeiberichte“ festgestellt wurde. Es waren bei ihm gewollte Verführungen, und diese Tatsache grenzt schon an schamloser Ausbeutung.

Er war auch zu keiner Zeit bereit, Opfer zu bringen, er erwartete nur immer wieder die Opfer von anderen. An dieser Stelle sind wir geneigt, den „Gottesmann“ Rasputin in die Nähe einer Hochstaplernatur zu rücken, weil er, um seine Genusssucht zu befriedigen, ein gewisses Machtpotential brauchte, das er erlangte, ohne auf die persönliche Würde seiner Mitmenschen Rücksicht zu nehmen. Daraus folgt die Ausschließlichkeit seiner „Lehre“ für ihn selbst und stempelt ihn damit zum großen Egoisten ab.

Das Phänomen Rasputin

Es scheint zunächst unerklärlich, welche Wirkung und welchen Einfluss Rasputin auf Frauen und viele hochgestellte Persönlichkeiten und sogar auf den Zaren selbst gehabt hat.

Vieles ist jedoch erklärbar, denn die moderne Medizin hat den Effekt von Hypnose auf Schmerzzustände und Blutzirkulation nachgewiesen. Die gekonnte Hypnose kann zwar nicht die Krankheit heilen, die Zirkulation jedoch „in Grenzen halten.“ Dabei spielt selbstverständlich die geistige und körperliche Verfassung des Patienten, auch seine emotionale Beschaffenheit eine nicht zu unterschätzende Rolle. Angst, Wut und Ärger können zu einer vermehrten Ansammlung von Blut in den Kapillaren, den winzigen Blutgefäßen, führen und gefährliche Veränderungen der dünnen Gefäßwände bewirken, was wiederum zu verstärktem Blutandrang führt.

Der Muschik verstand es, mit seinem durchdringenden Blick, durch einfaches Berühren mit der Hand oder Auflegen der Hand auf die Schulter, seinem Gegenüber seinen Willen aufzuzwingen, bis der Betreffende in eine Art Willenslähmung fiel. Und das nicht nur bei Frauen, auch andere Persönlichkeiten bestätigen das, wie z.B. der Innenminister Chwostow.

Übereinstimmung zeigten viele Persönlichkeiten in ihren Berichten zu den Augen des Sibiriers. Sie müssen wohl eine nicht zu widerstehende Anziehungskraft ausgeübt haben. Nicht nur der Innenminister Chwostow gab an, er [Rasputin] wäre einer der stärksten Hypnotiseure, von dem er sich bei jedem Zusammensein bedrückt fühlte. Auch Manuilow, Journalist und Vermittler zwischen Rasputin und seinen Protegierten, wurde bei einem Besuch des Gottesmannes willenlos, nachdem er seine Hand genommen und ihn fest angesehen hatte. Jelena Dschanumowa, eine von Rasputin verehrte Moskauer Bekannte, berichtet: „Augen hat der Mann, die unbeschreiblich sind. (…) Es ist unmöglich, lange seinen Blick auszuhalten. Es liegt etwas Schweres darin, (…) obwohl seine Augen vielfach von Güte leuchten, zeigen sie doch immer auch eine gewisse Schlauheit. (…) Und wie grausam können sie manchmal sein. Und grauenvoll sind sie im Zorn.“

Der französische Botschafter Maurice Paléologue berichtet in seinem Werk „Erinnerungen“ über die Begegnung mit Rasputin von einem Gesichtsausdruck, der von den glänzenden, tiefen, sonderbar anziehenden Augen beherrscht wird. „Sein Blick ist gleichzeitig durchdringend und liebkosend. Naiv und schlau zugleich, scharf und weit blickend.“

Anna Wyrubowa, die zu der Zeit die besten persönlichen Kontakte zur Zarin hatte, eine Frau, nicht besonders hübsch, die von bestimmten Hofkreisen mit dem entwürdigenden Beinamen „die Kuh“ tituliert wurde, war ähnlicher Auffassung, wenn sie meint: „…seine Augen hatten etwas Faszinierendes, sie zwangen mich sofort in ihre Gewalt und erinnerten mich an die Augen Johannes von Kronstadt.“

Sind nicht die Augen das „Spiegelbild der Seele“, das uns tiefen Einblick in den Charakter eines Menschen gewährt?

Das Zarenpaar jedoch wollte von solcher Willensmanipulation nichts wissen. Beide unterwarfen sich dem Gedanken, der „Wille Gottes“ spreche durch Rasputin zu ihnen. Diese Unterwerfung übermittelte der Gottesmann besonders der Zarin „durch seine Suggestivkraft.“

Das ist ein kaum zu glaubendes Phänomen, doch der Psychologe August Forel bestätigt: „Derjenige, der einer solchen Einwirkung unterworfen wird, hat gar nicht den Eindruck, dass es der Wille des Hypnotisierenden ist, sondern sein eigener…“

Aber das allein macht das Phänomen Rasputin noch nicht aus, hinzu kommt eine schauspielerische Begabung, derer er sich konsequent bedient. Das beginnt bei seiner äußeren Aufmachung, die als ungewöhnlich bezeichnet werden kann: gestickte Hemden in unterschiedlichen Farbtönen, Stiefel aus sehr weichem, anschmiegsamem Leder und an den Gürteln Quasten verschiedener Größe und Farbe. Von dem äußeren Erscheinungsbild spannt sich der Bogen bis zum großen Rhetoriker, der es versteht – je nach dem ihn umgebenden Umfeld – sich darzustellen „als Heuchler und Fanatiker, als Heiliger und als Sünder, als Asket und als Schürzenjäger“, denn immer „war er Schauspieler.“

Er konnte also in verschiedene Rollen schlüpfen. Wer war er nun wirklich?

Rasputin identifizierte sich mit der Rolle des „Gottesmannes“ so sehr, dass das einer Autosuggestion gleichkam, aus der heraus er sich Freiheiten nahm, die seiner Rolle zugrunde lagen. Das Phänomen Rasputin fühlte sich frei und nicht an irgendwelche Gesetze gebunden. Mit dieser geistigen Einstellung konnte er seine animalischen Triebe ausleben und seine angebliche Askese trotzdem zur Schau tragen.

Den Nachweis dieser These finden wir in den Parallelen zu den Inhalten der Chlysten-Sekte wieder, wenn er seine Anhängerinnen schlägt, sich die Füße und anderes waschen lässt, über sie ganz allgemein dominiert „wie ein Gott über seine Jünger.“ Diese Handlungen vollzieht er in dem Zustand einer „parareligiösen Wahnvorstellung“, wie sie ebenfalls bei den Chlysten-Anhängern zu finden ist.