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Mit diesem eBundle präsentieren wir Ihnen die schönsten und erfolgreichsten Julia-Romane aus 2024 – leidenschaftlich, aufregend und romantisch. Die kleine Auszeit vom Alltag für die selbstbewusste Frau … Happy End garantiert!
WARUM SCHWEIGST DU, BELLA MIA? von JULIA JAMES
Die hübsche Rezeptionistin Alaina erstarrt, als sie den neuen Hotelgast sieht: Es ist der italienische Staranwalt Rafaello Ranieri – mit dem sie vor fünf Jahren eine kurze, heiße Affäre hatte, die er kühl beendete. Jetzt will Alaina nur, dass Rafaello so schnell wie möglich aus der Lobby und in seiner Suite verschwindet. Doch das Schicksal hat andere Pläne. Denn ihr kleiner Sohn stürmt in das Foyer des Luxushotels. Süß, temperamentvoll – und Rafaellos Ebenbild! Dessen ungläubiger Blick verrät Alaina sofort: Er weiß, was sie ihm fünf Jahre lang verschwiegen hat …
FALSCHER BRÄUTIGAM – WAHRE LIEBE? von TARA PAMMI
Ani stockt der Atem, als sie an ihrem Hochzeitstag vor den Altar tritt. Statt ihres besten Freundes Sebastian, mit dem sie eine Zweckehe geplant hat, um das Erbe ihrer Familie zu retten, wartet dort dessen Zwillingsbruder! Und Xander Skalas ist arrogant, rücksichtslos – und viel zu attraktiv! Doch Ani hat keine Wahl: Wenn sie nicht alles verlieren will, muss sie den griechischen Milliardär heiraten. Ausgerechnet den einzigen Mann, den sie gegen jede Vernunft begehrt – obwohl er sie seit Kindheitstagen verachtet! Doch warum hat er dann die Rolle mit Sebastian getauscht?
HEISSE AFFÄRE – SÜSSE FOLGEN! von LORRAINE HALL
Es war eine kurze, heiße Affäre – mit süßen Folgen. Was Brianna dem sizilianischen Milliardär Lorenzo Parisi vorsichtshalber verschweigt! Denn zu negativ sind die Berichte im Internet über den angeblich skrupellosen Unternehmer. Doch als die junge Künstlerin nun zu einer Ausstellung nach Palermo fliegt, kreuzen sich ihre Wege erneut. Wie damals knistert es heftig zwischen ihnen, aber Brianna versucht verzweifelt, Lorenzo zu meiden. Zu groß ist ihre Furcht, dass der Milliardär ihr Geheimnis herausfinden könnte …
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Seitenzahl: 610
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Titel
Inhalt
Warum schweigst du, bella mia?
Cover
Titel
Impressum
PROLOG
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
EPILOG
Falscher Bräutigam – wahre Liebe?
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
Heiße Affäre – süße Folgen!
Cover
Titel
Impressum
1. KAPITEL
2. KAPITEL
3. KAPITEL
4. KAPITEL
5. KAPITEL
6. KAPITEL
7. KAPITEL
8. KAPITEL
9. KAPITEL
10. KAPITEL
11. KAPITEL
12. KAPITEL
13. KAPITEL
14. KAPITEL
15. KAPITEL
EPILOG
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Contents
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2024 by Julia James Originaltitel: „The Heir She Kept from the Billionaire“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe 2024 in der Reihe JULIA , Band 2656 Übersetzung: Julia Lambrecht
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH , Pößneck
ISBN 9783751524834
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag: BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
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Alaina Ashcroft schaute der Limousine hinterher, die die lange, von blühenden Hibiskus-Büschen gesäumte Einfahrt entlangfuhr und auf die Straße abbog. Sie schluckte. Mehrfach.
Er reiste wirklich ab. Fuhr zurück zum Flughafen, kehrte zurück nach Italien, in sein normales Leben – genau, wie er es gesagt hatte. Zerstörte all ihre Hoffnungen, dass er vielleicht seinen Aufenthalt hier auf der Insel verlängern würde, um mehr Zeit mit ihr zu verbringen. Weil er sie mochte, weil er mehr von ihr wollte als einen Urlaubsflirt. Weil er sie mit nach Italien nehmen wollte … Aber all das wollte er nicht.
Sie spürte einen scharfen, bohrenden Schmerz in der Brust. War das Unglück ihrer Mutter ihr nicht Warnung genug gewesen, dass auch sie sich davor hüten musste, zu begehren, was sie nicht haben konnte: einen Mann, der nichts für sie empfand? Und hatte sie sich nicht vorgenommen, den größten Fehler ihrer Mutter niemals zu wiederholen: immer wieder zu hoffen, es wäre anders?
Alaina schluckte und wandte sich ab. Ihre Träume hatten sich zerschlagen. Jetzt musste sie sich auf ihr eigenes Leben konzentrieren. Auf ihre Arbeit. Beschäftigung war die beste Therapie.
Er ist weg, und das war’s. Mein Leben wird weitergehen wie vorher, als wären wir uns nie begegnet.
Das glaubte sie zumindest.
Bis sich herausstellte, dass sie sich gewaltig getäuscht hatte.
Fünf Jahre später …
Rafaello Ranieri streckte seine langen Beine aus und überkreuzte lässig die Knöchel. Er lehnte sich auf seinem luxuriösen Sitz in der Ersten Klasse zurück und zog eine Fachzeitschrift aus der Tasche, mit der er sich auf dem Flug nach London die Zeit vertreiben würde.
Als einer von Italiens Spitzenanwälten war er in der High Society sehr gefragt. Worum auch immer es ging – Finanzgeschäfte, Erbstreitigkeiten, kapriziöse Ex-Frauen oder rebellische Söhne –, er bot seinen Klienten einen erstklassigen, unverzichtbaren Rechtsbeistand. Das bedeutete auch, dass er jederzeit über alle Entwicklungen in der Rechtsprechung auf dem Laufenden sein musste.
Einer seiner gut betuchten Klienten hatte einen Fall in London zu verhandeln, und Rafaello flog dorthin, um sich mit den Anwälten der Partnerkanzlei zu besprechen. Da er erst spät am Abend ankommen würde, würde er auf eine Übernachtung in der Park Lane verzichten, wo er für gewöhnlich abstieg, und sich stattdessen ein Zimmer in einem Hotel in Flughafennähe nehmen. Morgen würde er mit seinen Kontaktleuten zu Mittag essen und schon am Nachmittag nach Rom zurückfliegen. Ein kurzer, wenig bemerkenswerter Geschäftsbesuch. Es gefiel ihm, wenn sein Leben ruhig und unspektakulär verlief.
Einen Moment lang verdüsterte sich sein Gesicht, als er daran denken musste, dass das ganz und gar nicht der Art entsprach, wie seine Mutter ihr unglückliches Leben gelebt hatte. Sein Vater, der sich mittlerweile aus der Geschäftsführung des Familienunternehmens, einer renommierten Großkanzlei, zurückgezogen und Rafaello die Leitung übertragen hatte, hatte seine Frau für psychisch instabil, neurotisch und unreif gehalten.
Die desaströse Ehe seiner Eltern war für Rafaello immer eine Mahnung gewesen. Folgerichtig hatte er sich für ein anderes Lebensmodell entschieden, für flüchtige, kurze Affären mit Frauen, die nicht mehr wollten, als er ihnen bieten konnte. Das war für ihn der sicherste und beste Weg, in seinem eigenen privaten Leben eine ähnliche Katastrophe zu vermeiden.
Ein Hauch von Zweifel beschlich ihn. Eine Frau hatte es gegeben, damals …
... auf einer karibischen Insel mit weißen Stränden und Palmen im tropischen Wind. Der perfekte Ort für eine Romanze. Und sie war genau die richtige Frau an diesem Ort gewesen: wunderschön, leidenschaftlich, feurig. Er hatte sie in dem Moment gewollt, als er sie gesehen hatte. Und die Affäre zwischen ihnen war genauso prickelnd und aufregend gewesen, wie er es sich erhofft hatte.
Bis sie angedeutet hatte, dass sie mehr von ihm wollte.
Kurz danach war er in der eleganten Limousine des Hotels zum Flughafen gefahren und hatte in Italien sein altes Leben wieder aufgenommen. Ruhig und unspektakulär – das war nun mal genau das, was er brauchte. So gefiel es ihm.
Alaina gab sich Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, wie gestresst sie war. Das wäre unprofessionell. Als Assistentin im Hotelmanagement war sie geübt darin, nichts als freundliche Gelassenheit und Kompetenz auszustrahlen. Es musste den Gästen schließlich verborgen bleiben, dass sie am Empfang unterbesetzt waren, weil eine Mitarbeiterin ausgefallen war und die andere noch in der Ausbildung. Niemand bemerkte, dass sie ständig auf die Uhr schaute, weil sie eigentlich dringend Joey abholen musste.
Es war ihr gelungen, Ryan zu erreichen. Sie hatten eine Vereinbarung – wenn einer von ihnen zu spät dran war, holte der andere beide Kinder ab. Die Kita, die Joey besuchte, hatte einen exzellenten Ruf, aber sie achtete auf Pünktlichkeit. Glücklicherweise hatte Ryan heute einspringen können. Er würde Joey und seine vierjährige Tochter Betsy abholen und mit beiden Kindern zu Hause eine Kleinigkeit essen. Danach würde er Betsy zu ihrer Mutter bringen, die mit ihrem neuen Mann nicht allzu weit weg lebte, und Joey bei Alaina im Hotel abgeben. Dann würde Schichtwechsel sein, und sie konnte Feierabend machen.
Das System funktionierte gut. Alaina konnte arbeiten, und darauf kam es schließlich an. Es war finanziell notwendig und tat außerdem ihrer Karriere gut.
Als Mutter eines kleinen Kindes in Vollzeit beschäftigt zu sein, war trotzdem mit viel Druck verbunden. Und im Gegensatz zu Ryan, der sich das Sorgerecht mit seiner Ex-Frau teilte, war sie alleinerziehend.
Aber das war meine eigene Entscheidung.
Andernfalls hätte sie mit einem Mann in Kontakt treten müssen, mit dem sie eine flüchtige Affäre gehabt hatte, um ihm die Existenz eines Kindes zu enthüllen, das weder geplant noch gewollt gewesen war. Einem Mann, der kein wirkliches Interesse an ihr gehabt hatte, auch wenn sie sich noch so sehr gewünscht hatte, es wäre anders.
Es sollte einfach nicht sein – belasse es dabei.
Draußen fuhr ein Shuttlebus vor, und die Fluggäste des nahe liegenden Flughafens, der im Londoner Umland lag, aber ähnlich überlaufen war wie Heathrow, verlangten ihre Aufmerksamkeit.
Alaina war gerade fertig damit, sich um alle Neuankömmlinge angemessen zu kümmern, als sich die Tür erneut öffnete. Ein verspäteter Gast, der wahrscheinlich aufgehalten worden war und ein Taxi genommen hatte. Sie schaute hoch, ein professionelles Lächeln im Gesicht.
Und erstarrte.
Ungläubig riss sie die Augen auf.
Rafaello blieb wie angewurzelt stehen. Unbewusst griff er nach seiner Tasche und umklammerte den Griff seines Reisekoffers fester. Als die Frau am Anmeldetresen aufsah, bestand kein Zweifel mehr. „Alaina?“
Er ging auf sie zu. Widersprüchliche Gefühle stiegen in ihm hoch – eine natürliche Reaktion bei einem unverhofften Wiedersehen. Aber da war noch mehr, er hatte nur gerade keine Zeit, es gründlich zu analysieren. Erst einmal musste er reagieren.
Er zwang sich zu einer ausdruckslosen Miene, als er an den Tresen trat. Ihm entging nicht, dass Alaina im ersten Moment blass wurde und ihre Züge sich anspannten. Im nächsten Moment trug sie wieder ihre professionelle Maske. „Rafaello – was für ein Zufall!“
Ihre Stimme klang freundlich, aber er erkannte, dass es sie Mühe kostete, gelassen zu bleiben. Die Anspannung in ihrem Gesicht verflog nicht.
Er erlaubte sich den Hauch eines Lächelns. „Manchmal passiert so etwas“, antwortete er und hob fragend eine Braue.
„Du stehst nicht auf meiner Reservierungsliste“, sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Ich habe mich spontan entschieden, heute nicht mehr in die Innenstadt zu fahren. Ihr habt noch etwas frei, hoffe ich?“
Alaina schluckte. Rafaello sah, dass sie sich sehr darum bemühte, Normalität vorzutäuschen. Ein Hauch von Röte bedeckte ihre Wangen und ließ sie umso schöner wirken …
Er unterdrückte den Gedanken. Fünf Jahre war es her, seit er in die Karibik geflogen war. Dort lebte einer seiner lukrativsten Kunden, der schon mehrere Scheidungen hinter sich hatte und damals gerade eine weitere in die Wege leitete.
Nachdem Rafaello alles Notwendige veranlasst hatte, hatte er sich ein paar Tage Urlaub gegönnt. Und eine Affäre mit einer wunderschönen Frau.
Alaina hatte dort gearbeitet – nicht in dem Luxusressort, in dem er untergekommen war, sondern in einem etwas günstigeren Viersternehotel in der Nähe. Er hatte sie am Strand gesehen, als er eines Nachmittags spazieren gegangen war. Mehr hatte es nicht gebraucht.
Sie hatte sich auf den Flirt eingelassen, genau, wie er gehofft hatte.
Vielleicht sogar zu tief.
Ihm war bewusst gewesen, dass es ihr gefallen hätte, wenn aus ihrer Affäre mehr geworden wäre als eine kurze Romanze. Aber obwohl Alaina ihn so bezaubert hatte, war er vor einer engeren Beziehung zurückgeschreckt. Das tat er immer. Es war einfach klüger.
Trotzdem hatte ihn ein Gefühl von Bedauern begleitet, als er am Ende seines Urlaubs zurück zum Flughafen gefahren war.
Er musterte Alaina. In den vergangenen fünf Jahren schien sie gereift zu sein. Dass sie heute ganz anders aussah als auf der Insel, lag aber vermutlich vor allem daran, dass sie ihrem Job nachging. Sie trug ein elegantes Kostüm, ihr Haar war zu einem festen französischen Zopf geflochten, ihr Gesicht dezent geschminkt, kühl und geschäftsmäßig.
Trotzdem: Rafaello standen die Erinnerungen wieder vor Augen, sosehr er versuchte, sie zu verdrängen …
Alaina im Bett, die Wolke ihres wundervollen dunklen Haars auf dem Kissen zerzaust. Aus glänzenden Augen sah sie ihn an. Ihr Mund war weich wie Samt, süß wie Honig und …
Er biss die Zähne zusammen. Das war eine völlig unangemessene Reaktion auf diese zufällige, unerwartete Begegnung.
„Ja. Ja, natürlich“, sagte Alaina gerade, und es kostete ihn Mühe, sich zu erinnern, worauf sie antwortete. Ach ja, auf seine Frage nach einem freien Zimmer.
Ihre Stimme klang abgehackt. Rafaello wusste, wieso. Er wusste auch, warum sich ein Schleier über ihre Augen gelegt hatte, als sie ihn ansah.
Sie erinnert sich auch ...
Nun senkte sie ihren Blick, schaute auf den Computerbildschirm, wechselte auf eine andere Seite.
Einen Moment später schaute sie wieder zu ihm hoch. „Mit Blick auf den Garten oder auf den See?“, fragte sie, ganz die pflichtbewusste Hotelmitarbeiterin.
„Welche Zimmer sind ruhiger?“
„Alle sind ruhig, aber die Zimmer mit Seeblick liegen dichter am Parkplatz.“
„Dann mit Blick auf den Garten“, sagte er. „Eine Übernachtung.“
Sie nickte abgelenkt und tippte. Nach seinem Namen fragte sie nicht, sie kannte ihn. Genau wie seine Nationalität.
Sie wusste viele private Details über ihn.
Und wieder lenkte ihn die Erinnerung ab. Alaina kannte jeden Zentimeter seines Körpers. Wusste, wie er seinen Kaffee trank, welches Essen er mochte …
Wie er im Bett war.
Und er kannte sie. In der kurzen Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, hatten sie viel übereinander herausgefunden.
Vielleicht zu viel.
Dabei ging es nicht nur um bedeutungslose Einzelheiten ihres Lebensstils oder um sexuelle Vorlieben – nicht dass er daran jetzt gerade denken sollte –, sondern um mehr.
Darum, was sie vom Leben wollten.
Und voneinander.
Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Die Erinnerungen waren unnötig, Und unwillkommen.
„Möchtest du heute Abend hier im Hotel essen?“
Alainas höfliche Frage kam zur rechten Zeit. Rafaello nickte, und sie gab die Information ein und drehte sich um, um seinen Zimmerschlüssel aus dem Schrank zu holen.
Eine Sekunde lang war Rafaello versucht, sie zum Abendessen einzuladen.
Sein gesunder Menschenverstand brachte ihn noch gerade rechtzeitig zur Besinnung. Bestimmt durfte sie ohnehin nicht hier im Hotel mit Gästen zu Abend essen. Außerdem …
Sich wieder mit Alaina zu verabreden, aus dem Nichts heraus, ergab keinen Sinn. Die Zeit mit ihr damals war schön gewesen – ja, mehr als das –, aber sie war lange vorüber. Und so sollte es bleiben. Damals hatte er die Entscheidung getroffen, die Affäre zu beenden. Es gab keinen Grund, das jetzt infrage zu stellen.
Sein Blick ruhte auf ihr, als sie ihm den Schlüssel reichte, ein höfliches Lächeln auf den Lippen, doch ihre Augen waren verdunkelt. Zitterte ihre Hand leicht, als sie ihm die Buchungsunterlagen herüberschob?
„Ich wünsche dir einen angenehmen Aufenthalt“, sagte sie. Unpersönlich, höflich und professionell.
Rafaello lächelte genauso unpersönlich zurück, nahm den Schlüssel und sein Gepäck und ging auf den Fahrstuhl am Ende der Lobby zu. Ihm war bewusst, dass er etwas hätte sagen sollen – irgendeine harmlose Bemerkung, irgendeine belanglose Nettigkeit. Er fragte sich, warum er das nicht getan hatte.
Und fand keine Antwort.
Alaina starrte Rafaello hinterher. Ihr Herz raste. Erinnerungen stiegen in ihr auf – Erinnerungen an die kurze, aber unvergessliche Zeit mit ihm auf der magischen karibischen Insel. Einen Moment lang stand sie einfach da und spürte das Nachbeben dieser Begegnung.
„Mummy!“
Erschrocken keuchte sie auf. Joey kam durch die Drehtür ins Hotel gestürmt und zog Ryan an der Hand hinter sich her. In dem Moment, in dem Ryan ihn losließ, rannte er los zum Anmeldetresen, ein kleiner Wirbelwind, der über das ganze Gesicht strahlte.
Sein Anblick rief nicht die üblichen Gefühle in ihr hervor, eine Mischung aus Zärtlichkeit, Glück und Staunen. Stattdessen war es ein Moment puren Entsetzens.
Die Welt drehte sich um sie, aber sie war erstarrt und konnte sich nicht bewegen. Nicht einen Zoll.
Joey blieb vor dem Tresen stehen, legte seine kleinen Hände auf die Kante und stellte sich auf die Zehenspitzen. Er lächelte sie an. Aber Alainas Blick streifte ihn nur, und automatisch schaute sie zum Fahrstuhl.
Sie sah, wie Rafaello innehielt, die Hand, die gerade den Knopf drücken wollte, sinken ließ, sich umdrehte und Joey ansah.
„Mummy!“, rief Joey erneut, und sie sah, wie Rafaello erstarrte.
Wie ihm die Züge entglitten.
Sie konnte nicht antworten. Sie war unfähig, überhaupt etwas zu tun, außer dazustehen und zu atmen.
Rafaello kam zurück. Sie sah, dass sein Gesicht ausdruckslos war, als er sich dem Tresen wieder näherte, und damit ihr und Joey.
Eine Sekunde lang – eine flüchtige Sekunde lang – erwog Alaina irgendeine Ausrede. Sie konnte so tun, als sei Ryan der Vater, und ihn auch so begrüßen, um die Wahrheit zu verschleiern. Aber als ihr Blick auf Joey fiel, wusste sie, es wäre völlig zwecklos, so zu tun, als seien Ryan und er verwandt.
Rafaellos Vaterschaft war unbestreitbar. Joey sah ihm so ähnlich – das dunkle Haar, die dunklen Augen, die Form seines Gesichts. Sie sah auch Spuren von sich selbst in ihm, aber er war eindeutig Rafaellos Sohn. Welchen Nutzen hätte es, das zu leugnen?
Rafaellos Blick ruhte auf Joey. Seine Züge spannten sich jetzt an, er wirkte wie eine Drahtfeder, die jeden Moment losspringen konnte.
Als er vor dem Tresen stand, drehten Ryan und Joey sich zu ihm um. Ryan trat ein Stück beiseite, weil er wahrscheinlich dachte, Rafaello wäre ein Hotelgast mit einer Frage. Joey ließ den Tresen los und starrte Rafaello neugierig an. Er sagte nichts, weil er gelernt hatte, dass er nicht unterbrechen durfte, während seine Mutter arbeitete.
Einen endlosen Moment lang schaute Rafaello seinen Sohn einfach an. Dann streifte sein Blick kurz Ryan, bevor er sich auf Alaina richtete, durchdringend wie ein Laser.
„Alaina“, sagte er, seine Stimme ebenso ausdruckslos wie sein Gesicht, „möchtest du mir das vielleicht erklären?“
Ihr wich das Blut aus dem Gesicht.
Rafaello dröhnte das Herz in der Brust wie eine Trommel. Aber er achtete nicht darauf. Nichts zählte außer der Entdeckung, die er gerade gemacht hatte.
„Also?“, fragte er mit angespannter Stimme.
Alaina war blass geworden. Kreidebleich.
Er hatte ausreichend Zeugen vor Gericht gesehen, die genauso aussahen wie Alaina jetzt, wenn ihr Alibi sich in Luft auflöste. Wenn Beweise gegen sie auf dem Tisch lagen, ihre Lügen aufgedeckt wurden.
Wenn klar wurde, dass sie die Wahrheit verheimlicht hatten.
Tief in ihm erwachten Gefühle zum Leben, scharf und schmerzhaft wie der Schnitt einer Messerklinge, aber er machte sich taub dagegen. Das musste er. Er musste nach außen hin ruhig wirken. Emotionslos.
Alaina antwortete nicht. Stattdessen kam sie um den Schreibtisch herum. Ihr Gesicht war immer noch kalkweiß.
Sie sprach mit dem Mann, der ihr das Kind gebracht hatte. „Ryan“, sagte sie leise, „könntest du mit Joey einen Moment hinüber ins Café gehen? Er darf eine Saftschorle trinken.“ Vor dem kleinen Jungen ging sie in die Hocke. „Joey, mein Schatz, gehst du noch ein paar Minuten mit Ryan mit?“ Sie umarmte ihn fest und küsste ihn auf die Wange, richtete sich auf und nickte Ryan zu.
Ryan nahm den Jungen an der Hand. „Komm, Joey, wir gehen Orangensaft trinken.“
Sie gingen auf das Café neben der Lobby zu. Rafaello schaute ihnen einen Moment lang hinterher. Und wieder spürte er die Schneide des Messers. Noch schärfer. Noch schmerzhafter. Auf seinem Gesicht zeigte nichts davon. Er wandte sich Alaina zu, die immer noch sehr blass war.
Sie ging hinüber zu ihrer Kollegin, die ein Stück weiter oben am Tresen saß, und er hörte, wie sie sie bat, eine Weile die Stellung zu halten.
„Komm doch bitte in mein Büro“, sagte sie anschließend zu ihm und betrat einen Raum hinter der Rezeption. Ihre Bewegungen wirkten sehr steif.
Rafaello folgte ihr und schloss die Tür hinter sich.
Wandte sich der Frau zu, die ihn belogen hatte.
Fünf Jahre lang.
„Er ist mein Sohn.“
Alaina hörte die Worte. Sie klangen völlig sachlich.
Sie schaute Rafaello an und schluckte. Jeder Muskel in ihrem Körper war verkrampft, ihr Hals wie zugeschnürt. Sie atmete tief, aber etwas zittrig ein und wieder aus. „Nein“, sagte sie dann. „Er ist mein Sohn. Joey ist mein Sohn.“
Flackerte da etwas in seinen Augen? In diesen dunklen, verschatteten, ausdruckslosen Augen? Sie wusste es nicht. Aber das Büro kam ihr auf einmal sehr stickig und dunkel vor. Er dominierte diesen Raum mit seiner Präsenz. Er beherrschte die Situation.
Aber mich beherrscht er nicht.
Sie spürte, wie ihr Kampfgeist erwachte. Sie sah ihm direkt ins Gesicht. „Joey ist mein Sohn, Rafaello“, wiederholte sie. Ihre Stimme klang jetzt fest, und sie war stolz darauf, denn es kostete sie Kraft, ruhig zu bleiben. „Als wir uns vor fünf Jahren voneinander getrennt haben, war das ein endgültiger Abschied nach einer kurzen Affäre. Das war uns beiden bewusst, und es gilt noch immer. Du hattest kein Interesse an mir, und das habe ich akzeptiert. Was seitdem in meinem Leben geschehen ist, geht dich nichts an.“
Der Anflug eines starken Gefühls zeigte sich in seinen Augen, nur kurz, bevor sie hätte sagen können, was es gewesen war. Sie versuchte, beherrscht weiterzusprechen, ohne dass ihre Stimme zitterte. „Es tut mir leid, dass das hier passiert ist. Es ist sicher ein Schock für dich. Ich hätte dir diese Begegnung niemals absichtlich angetan, ich denke, das ist dir klar. Schließlich habe ich keinen Versuch unternommen, Kontakt mit dir aufzunehmen.“ Sie schluckte, etwas verengte ihr die Kehle. „Ich bitte dich jetzt nur um eines: dass du dich aus dieser Situation höflich zurückziehst.“
Rafaellos dunkle Augen unter den schweren Lidern hielten noch immer ihren Blick. „Ist Ryan dein Partner?“ Er zog die Brauen zusammen. „Dein Mann?“
In diesem Moment wünschte sich Alaina von Herzen, sie könnte das bejahen, sich dadurch schützen. Aber sie schüttelte den Kopf. „Wir helfen uns gegenseitig. Er hat eine kleine Tochter in Joeys Alter. Er ist … ein Freund.“
„Gut.“
Die einsilbige Antwort klang so ungerührt wie zuvor, aber sie hatte den Eindruck, dass Rafaellos Schultern ein Stück herabsanken. Sein Schock schien sich allmählich zu legen.
Die Worte, die darauf folgten, schockierten sie umso mehr. Sie waren wie ein Donnerschlag.
„Dann steht einer Heirat also nichts im Wege.“
Rafaello hörte Alaina aufkeuchen. Sah, wie die Farbe plötzlich und mit Heftigkeit in ihre Wangen zurückkehrte.
Sie riss die Augen auf, als könnte sie nicht glauben, was er gesagt hatte. „Einer Hochzeit?“
Er presste die Lippen zusammen. Irgendwo tief in ihm bewegte sich etwas. Wie ein gewaltiges Erdbeben. Aber es durfte nicht an die Oberfläche dringen, und er konnte sich jetzt nicht damit befassen. Wichtig war, dass er die Situation unter Kontrolle brachte. „Du hast richtig verstanden.“
In Alainas Augen flammte etwas auf. Ihre ausdrucksvollen Augen hatten schon immer einen großen Anteil an ihrer Schönheit gehabt. Aber wie schön sie war, spielte jetzt keine Rolle.
„Bist du verrückt geworden?“ Sie starrte ihn ungläubig an.
Rafaello schüttelte den Kopf. „Ausflüchte sind sinnlos“, sagte er. „Verschwende meine Zeit nicht damit, dich mir zu widersetzen.“
Er hielt inne. Dunkle Emotionen fluteten sein Inneres. Er musste sie weiterhin kontrollieren, unbedingt. Musste deutlich machen, was die unvermeidliche Schlussfolgerung aus dieser Situation war. Es gab nur eine einzige.
„Weder hier“, fuhr er dann fort und machte eine kleine Pause, um seinen nächsten Worten Nachdruck zu verleihen, „noch vor Gericht.“
Alaina erstarrte. „Vor Gericht?“ Die Röte war augenblicklich aus ihren Wangen gewichen.
Rafaello schaute sie an. „Fünf Jahre lang hast du mir meinem Sohn vorenthalten“, sagte er tödlich ruhig. „Mit dem heutigen Tag ist das vorbei.“
Alaina hörte ihn sprechen, aber seine Stimme schien von weit her zu kommen. Sie war im Schock und spürte, wie sie schwankte.
Eine Hand griff nach ihrem Arm. „Werde nicht ohnmächtig, Alaina. Es gibt keinen Anlass dafür.“
Zum ersten Mal hörte sie in seiner Stimme einen Hauch von Gefühl, selbst durch den Nebel hindurch, der sie umgab. Im nächsten Moment drückte er sie auf einen Stuhl herab. Sie sank darauf. Ihre Beine waren weich wie Gummi.
„Leg den Kopf auf die Knie, damit wieder Blut in deinen Kopf fließt.“
Er ließ ihren Arm los, und sie senkte den Kopf. Ganz langsam lichtete sich der Nebel. Schwerfällig hob sie den Kopf.
Rafaello schaute auf sie herab. Er wirkte jetzt anders. Sie wusste nicht, auf welche Weise genau oder warum, aber er tat es. Auch seine Stimme klang anders.
„Alaina, wir können und sollten uns zivilisiert benehmen. Du wirst mit mir kooperieren müssen. Ich habe nicht das geringste Bedürfnis, die Angelegenheit vor Gericht zu bringen, aber glaube mir, ich werde es tun, wenn du nicht akzeptierst, dass wir heiraten müssen. Ich werde dir Zeit geben, das einzusehen, aber nicht sehr lange.“
Verständnislos schaute sie zu ihm auf. Er setzte sich auf einen freien Stuhl, legte eines seiner langen Beine über das andere und zog sein Telefon hervor. „Wir müssen Informationen austauschen. Am besten beginnen wir mit den Grundlagen.“ Er entsperrte das Gerät und sah sie an, bereit, zu tippen. „Zum Beispiel mit deiner Adresse.“
Rafaello lag auf dem Hotelbett und schaute zur Decke hinauf. Es gab viel zu tun, und er musste bei der Sache bleiben. Abwesend – so, als könnte er einen Teil seines Bewusstseins von dem Rest seiner Wahrnehmung abtrennen – fragte er sich, wie es ihm gelang, so ruhig zu bleiben. Die Antwort war einfach. Er hatte automatisch in den Modus geschaltet, in dem er auch im Berufsleben funktionierte: auf dieselbe leidenschaftslose, klinisch unterkühlte Weise. Er analysierte die Situation, gelangte zu den notwendigen Schlussfolgerungen, kam auf den Punkt und hielt sich nicht mit Belanglosigkeiten auf.
Fakt war: Er hatte ein Kind, dessen Existenz man ihm vorenthalten hatte, aus welchem Grund auch immer. Ein Kind mit einer Frau, von der er nie geglaubt hatte, ihr noch einmal zu begegnen.
Er zwang sich, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf das, was er ihr brutal und direkt mitgeteilt hatte, um sicherzugehen, dass sie ihn verstand. Und er begann, im Geist eine Liste zu schreiben, mit all den Dingen, die jetzt getan werden mussten. Damit alles wieder seine Ordnung hatte.
Dieselben Gefühle, die ihn vorhin aufgewühlt hatten, kamen wieder in ihm hoch. Sie verlangten nach Aufmerksamkeit, danach, dass er sie anerkannte. Aber mit schonungsloser Selbstdisziplin kämpfte er gegen sie an.
Nicht jetzt.
Dann ging der Moment vorüber, und er war wieder Herr der Lage. Er schrieb weiter an der Liste der Dinge, um die er sich kümmern musste, weil sie alternativlos waren – für ihn wie für Alaina.
Alaina lag eng zusammengerollt in ihrem Bett, die Decke fest um sich gezogen, und versuchte, irgendwie zu verkraften, was geschehen war. Was für eine Katastrophe …
Sie würde beinahe alles dafür geben, dass es nicht passiert wäre. Nicht jetzt.
Vor fünf Jahren musste ich eine Entscheidung treffen – und der bin ich bis heute treu geblieben.
Obwohl es sie unglaublich viel Kraft gekostet hatte, hatte sie der Versuchung widerstanden, Rafaello von der Schwangerschaft zu erzählen. Es hätte ein Weg sein können, ihn an sich zu binden … Aber sie hatte gewusst, dass ihm die Nachricht alles andere als willkommen gewesen wäre.
Er wollte mich nicht. Und ganz sicher hätte er kein Kind mit mir gewollt.
Diese nüchterne Erkenntnis hatte seither ihr Leben beherrscht. Alaina war eine alleinerziehende Mutter geworden, die einen Job und ihr Baby – inzwischen ein Kindergartenkind – unter einen Hut bringen musste, immer mit dem Ziel, so gut für Joey zu sorgen, wie sie konnte.
Aber jetzt …
Jetzt pochte in ihrem Kopf eine Frage. Sie pochte dort, seit Rafaello sie hatte wissen lassen, er würde sie am nächsten Abend anrufen, um alles Weitere zu besprechen. Danach war er gegangen.
Einen Moment lang hatte sie wie betäubt dort gesessen, bevor sie auf die Füße gesprungen und hinaus in die Lobby gelaufen war.
Wollte er zu Joey?
Ihre Kehle war wie zugeschnürt vor Angst. Doch dann sah sie, wie Rafaello den Fahrstuhl betrat und einen Moment später verschwunden war.
Schnell ging sie hinüber ins Café, wo Joey gerade unbekümmert seinen Orangensaft trank.
Ryan schaute auf, als sie den Raum betrat, und in seinem Gesicht stand eine Frage. Alaina drückte Joey einen Kuss auf den Kopf und versuchte verzweifelt, so zu tun und zu klingen, als wäre alles normal. „Fertig, Mäuschen? Gut. Dann sagen wir jetzt Ryan Gute Nacht und fahren gleich los. Ich muss nur noch zwei, drei Dinge erledigen.“
Zu dritt kehrten sie in die Lobby zurück. An der Hoteltür blieb Ryan stehen und sagte leise: „Ich bin für dich da, wenn du …“
Instinktiv schüttelte sie den Kopf. Seine Besorgnis war offensichtlich, aber was sollte sie ihm sagen? Dass in ihrem Leben gerade eine Bombe hochgegangen war und es in Stücke gesprengt hatte?
Ryan berührte mitfühlend ihren Arm, dann ging er hinaus.
Irgendwie schaffte sie es, ihre Arbeit zu beenden und die Übergabe an die Nachtschicht hinter sich zu bringen. Dann fuhr sie mit Joey nach Hause. Er war sehr müde, und nicht mal eine Stunde später schlief er in seinem Bett. Im Hinterkopf hörte sie die ganze Zeit Rafaellos Stimme, seine Worte, wieder und wieder.
Verschwende meine Zeit nicht damit, dich mir zu widersetzen. Weder hier noch vor Gericht.
Meinte er diese Drohung ernst? Was würde er tun? Die Angst ergriff sie mit voller Macht.
Was soll ich nur machen? Lieber Gott, was soll ich nur tun?
Sie fand keine Antwort auf diese quälende Frage.
Rafaellos Taxi hielt vor einer kleinen, modernen Doppelhaushälfte in einem ruhigen Wohngebiet am Rande der Stadt.
Er war den Tag über sehr beschäftigt gewesen. In London hatte er sich mit seinem Klienten und dessen englischen Anwälten getroffen, anschließend war er ins Hotel zurückgekehrt, hatte seinen Heimflug storniert und seine Zimmerreservierung auf unbestimmte Zeit verlängert. Anschließend hatte er damit begonnen, sich mit dem britischen Familienrecht auseinanderzusetzen – mit Sorgerechtsstreitigkeiten und den nötigen Formalitäten für eine möglichst schnelle Eheschließung.
Er überließ es Alaina, zwischen zwei Alternativen zu wählen. Sie musste sich entscheiden, weitere Optionen würde er ihr nicht anbieten.
Genau das legte er ihr in schlichten und deutlichen Worten dar, als er in einem Sessel in ihrem kleinen, gemütlichen Wohnzimmer Platz genommen hatte.
Sichtlich nervös saß sie ihm gegenüber auf der Sofakante, die Hände im Schoß verkrampft. Ihre Fingerknöchel hatten sich weiß gefärbt. Obwohl Rafaello sich seine eigene Anspannung nicht anmerken ließ – eine berufliche Gewohnheit –, war er sich ihrer nur allzu bewusst.
Und wie könnte es anders sein, in Anbetracht dieser Enthüllung, die sein Leben gestern auf den Kopf gestellt hatte? Die dieses förmlich in Fetzen gerissen hatte?
„Also, zu welchem Entschluss bist du gekommen?“, fragte er.
Alaina war blass, stellte er fest, wenn auch nicht so blass wie am Abend zuvor. Ihr Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden, und sie hatte kein Make-up aufgelegt. Die schwarze lange Hose und der dunkelgrüne Pullover, die sie trug, ließen sie noch blasser wirken.
Nicht dass es ihrer Schönheit einen Abbruch tat.
Rafaello fühlte sich nach wie vor von ihr angezogen – genau wie vor fünf Jahren, als er sie das erste Mal gesehen hatte, am Strand in der Sonne. Aber er musste sich zusammenreißen, durfte sich nicht ablenken lassen. Wegen der Folgen dieser Anziehungskraft saßen sie schließlich hier, und jetzt verlangte diese Situation seine ganze Aufmerksamkeit. Er konnte es sich nicht leisten, darüber nachzudenken, wie schön sie war. Es durfte keine Rolle spielen. Es würde keine Rolle spielen.
Oben im Kinderzimmer schlief sein Kind. Ein Sohn, von dem er nicht gewusst hatte, dass er existierte. Und wieder stiegen diese Gefühle in ihm hoch, die er schon gestern verspürt hatte bei dem Gedanken, dass Alaina ihm seine Vaterschaft absichtlich verheimlicht hatte.
Aber es war nicht der richtige Moment für Emotionen. Sie führten nur zu Verwirrung und Konflikten. Das war eine Lektion, die er früh gelernt hatte. Das Leben lief viel glatter, wenn man sich von der Vernunft leiten ließ. So würde er es auch jetzt tun, und er würde das Problem so schnell und effizient lösen wie möglich. Er hatte Alaina vor die Wahl gestellt. Nun war sie am Zug.
„Also?“, drängte er.
Er sah, wie sie schluckte und sich mit der Zunge über die Lippen fuhr, und ignorierte die Hitze, die die unbewusste Geste in ihm wachrief. Auch das spielte im Moment keine Rolle. Sein Juristenverstand wusste solche Dinge auszublenden.
Sie verkrampfte die Hände noch fester ineinander. „Bevor … bevor ich dir eine Antwort gebe, musst du mir sagen, warum … warum du überhaupt etwas mit …“
„… mit meinem Sohn zu tun haben will?“, vervollständigte er ihren Satz mit einer gewissen Schärfe. „Die Antwort liegt in dem Wort, das du nicht aussprechen willst. Er ist mein Sohn .“
Etwas flackerte in ihren Augen. Angst? Widerspruch? Er wusste es nicht. Es war ihm auch egal.
„Aber warum? Was zwischen uns war, war nur ein Urlaubsflirt. Das hast du selbst gesagt. Du hast keinen Zweifel daran gelassen, dass das alles war, was du von mir wolltest.“
„Ja“, sagte er. „Das stimmt.“ Ehrlich. Brutal. Ihm war es gleichgültig, ob er damit ihre Gefühle verletzte. „Aber ich will meinen Sohn.“
„Warum?“ Das Wort klang wie ein Schrei.
Er schaute sie an. „Warum willst du ihn?“, fragte er.
Sie verzog das Gesicht. „Das ist eine dumme Frage!“
„Nicht so dumm, dass du sie mir nicht gerade gestellt hast.“ Wieder lag eine für ihn ungewohnte Schärfe in seiner Stimme. „Ich will ihn.“
„Aber du hast nichts mit ihm zu tun gehabt! Du kennst ihn nicht. Du bist ein Fremder für ihn – ein vollkommen Fremder!“
Und wieder durchfuhr ihn dieses Gefühl, stärker als zuvor, und jetzt konnte er es nicht mehr zähmen. Er presste die Lippen zu einem Strich zusammen. „Du sitzt hier vor mir, hast mir jahrelang die Existenz meines Sohnes verheimlicht und wagst es, mir zu sagen, dass ich ein Fremder für ihn bin?“ Er hob die Hand, in einer gebieterischen Geste, ungeduldig wie vor Gericht, wenn ein Zeuge versuchte, Ausreden vorzubringen. „Alaina, ich bin der Vater meines Sohnes. Und damit trage ich eine Verantwortung, der ich mich stellen werde. Ich werde ein Teil seines Lebens sein, als sein Vater. Die einzige Frage, die sich stellt, ist, ob wir dies auf eine zivilisierte Weise regeln oder nicht. Die Entscheidung liegt bei dir. Also, entscheide dich.“
Er wartete einen Moment. „Ein Sorgerechtsstreit ist oft sehr unschön“, sagte er dann. „Teuer und belastend. Und …“ Er legte einen Hauch von Überredungskunst in seine Stimme. „Unnötig.“
Wieder machte er eine Pause und hielt dabei ihren Blick. Als er weitersprach, wechselte er wieder zu einem geschäftsmäßigen Tonfall. „Die Alternative dazu ist der folgende Vorschlag.“
Alainas Hände umklammerten einander immer noch fest. Jede Linie ihres Körpers verriet ihre Anspannung.
Rafaello sprach sachlich und ruhig. Er legte die Fakten dar, wie er es sonst seinen Klienten gegenüber tat. „Wenn du einer Heirat zustimmst“, sagte er, „dann zu diesen Bedingungen: Wir heiraten standesamtlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Du kündigst deinen Job und ziehst mit Joey zu mir nach Italien. Wir leben zusammen, ich sorge für ein geeignetes Haus. Unsere Ehe wird zivilisiert und ohne Feindseligkeit verlaufen, weil wir beide die Notwendigkeit dafür einsehen und uns mit der Situation abfinden.“ Wieder hielt er inne und sah ihr in die Augen. „Ist das nicht eine deutlich weniger unangenehme Alternative?“
Ihre Augen schlossen sich, und sie schüttelte langsam den Kopf. Weniger in Ablehnung als in Erschöpfung. Ihr Kopf sank herab.
Rafaello betrachtete sie. Normalerweise wusste er immer, wann ein Argument auf fruchtbaren Boden fiel und wann er sein Ziel erreicht hatte. Doch während er Alaina ansah, stiegen Erinnerungen in ihm auf. Das war verwirrend.
Er möchte keine Verwirrung. Er brauchte Klarheit. Ohne Klarheit und Kontrolle siegte das Chaos.
Alaina öffnete die Augen. Sie begegnete seinem Blick, und er nutzte die Gelegenheit, in versöhnlichem Ton weiterzusprechen. „Alaina, unabhängig davon, ob ich denke, du hättest mir von deiner Schwangerschaft erzählen sollen: Du hast damals eine Entscheidung getroffen. Jetzt musst du eine weitere treffen. Ich würde es deutlich vorziehen, nicht den Weg einzuschlagen, der letztlich in den Gerichtssaal führt. Deshalb plädiere ich für eine Heirat.“
Einen Moment lang wartete er, gab ihr Zeit zu begreifen, was er sagte. Als wäre sie einer seiner Klienten. Zeit zu akzeptieren, was ihr vielleicht nicht gefiel, was das Gesetz aber vorschrieb. Er blieb beharrlich, schlug weiterhin einen ruhigen, versöhnlichen Tonfall an. Er wollte sie nicht gegen sich aufbringen – es würde seinen Zielen nur im Weg stehen. „Vielleicht hilft es dir zu wissen, dass diese Lösung nicht dauerhaft sein muss. Für ein kleines Kind bietet ein Zuhause mit beiden Eltern die größte Stabilität und Sicherheit. Aber …“
Noch während er sprach, kam ihm ein seltsam verstörender Gedanke. Hatte er sich in seiner Kindheit geborgen gefühlt, nur weil seine Eltern verheiratet gewesen waren? Er konnte seine Mutter noch weinen und nach ihrem Mann rufen hören, der ihre Berührung abschüttelte und mit steifen Schritten den Raum verließ. Sah seine Mutter zusammenbrechen, das Gesicht tränenüberströmt, hysterisch weinend. Sie griff nach Rafaello und zog ihn an sich, obwohl sein Körper dabei genauso steif und angespannt blieb wie der seines Vaters.
Er schüttelte den Gedanken ab. Wie auch immer diese Ehe mit Alaina aussehen würde, zu der er gezwungen war: Er würde dafür sorgen, dass sie mit der seiner Eltern nichts gemein hatte. Sie würde ruhig sein. Zivilisiert. Gefühle würden keinerlei Rolle spielen.
Einen Moment lang presste er die Lippen zusammen, dann fuhr er fort, die Bedingungen darzulegen – für diese Frau, die ihm ein Kind geschenkt hatte, ohne dass er es darauf angelegt hatte. „Wenn Joey älter ist, könnte eine Scheidung infrage kommen, nach der wir getrennte Wege gehen. Natürlich wäre das Zukunftsmusik, aber behalte es im Hinterkopf, während du deine Entscheidung triffst.“
Wieder wartete er einen Moment lang, um Alaina Zeit zu geben, die Informationen zu verarbeiteten. „Gib mir morgen eine Antwort. Dann werde ich alles Nötige in die Wege leiten – wie auch immer deine Entscheidung lautet.“
Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Ihr Blick erschien ihm leer. „Oh, bitte“, sagte sie, „dir ist doch längst klar, wie sie lauten wird. Ein Sorgerechtsstreit wäre zerstörerisch, ganz abgesehen davon ...“, sie verzog den Mund, „könnte ich mir keinen Anwalt leisten, der dir gewachsen wäre.“ In ihren Augen sah er etwas glühen, das er nicht deuten konnte. Mit Nachdruck fuhr sie fort: „Das würde ich Joey niemals zumuten. Alles ist besser als das. Alles .“
Rafaello nickte. Alaina war immer noch blass, und ihre Anspannung ließ nicht nach.
„Ich bin froh, dass du es so siehst“, sagte er und wartete einen Moment, bevor er fortfuhr. „Alaina, ich möchte, dass dir eines klar ist: Für mich steht meine Verantwortung für meinen Sohn an erster Stelle – wie für dich auch. Unsere Entscheidungen sollten das widerspiegeln.“
Er erhob sich und ging zur Wohnzimmertür. „Ich gehe dann. Du brauchst mich nicht hinauszubegleiten.“
Mit festen Schritten verließ er den Raum. Als er am Treppenaufgang vorbeikam, schaute er nach oben.
Irgendwo dort schlief der Sohn, von dessen Existenz er nichts gewusst hatte.
Einmal mehr drohten Gefühle tief aus seinem Inneren hervorzubrechen.
Rafaello beschleunigte seine Schritte, verließ das Haus und kletterte in das Taxi, das am Straßenrand auf ihn wartete.
Alaina saß neben Joeys Bett auf dem Boden. Er schlief tief und fest und hielt dabei seinen Teddy an seine Wange gepresst. Ihr war das Herz schwer, und sie hörte erneut Rafaellos Stimme in ihrem Kopf – aber diesmal war es die von vor fünf Jahren.
Es tut mir leid, wenn du unserer Zeit zusammen mehr Bedeutung zugemessen hast, als sie in Wirklichkeit hatte. Vielleicht ist die Insel daran schuld – Palmen und silberner Sand und heller Mondschein vermitteln einem leicht den falschen Eindruck.
War das alles, was es gewesen war? Der Mond über dem nächtlichen Meer? Der weiche Wind in den Palmen? Der weiche Sand unter ihren Füßen bei einem Spaziergang um Mitternacht? Rafaellos samtweicher Mund auf ihrem, seine starken Arme um ihre Taille? War es wirklich nur die romantische Atmosphäre auf der Insel gewesen, die sie so anfällig für ihn gemacht hatte? Die sie hatte wünschen lassen, sie könnte ihren Job aufgeben und ihm nach Rom folgen, damit ihre Zeit zusammen nicht enden würde?
Rafaello war anders gewesen als alle Männer, die sie je gekannt hatte. Das war ihr von Anfang an klar. Oh, die Karibik hatte sicher geholfen, aber sie war nicht der entscheidende Grund dafür, dass Alaina sich beinahe in ihn verliebt hatte.
Das war Rafaello selbst.
Und zwar von dem Moment an, als sie von ihrem Strandhandtuch in der Sonne aus aufgeschaut und bemerkt hatte, dass ein großer Mann mit glänzendem dunklem Haar sie eindringlich beobachtete. In seinen grünen Shorts und das offene, moosgrüne, kurzärmlige Hemd sah sein muskulöser Körper fantastisch aus, und er trug eine Designersonnenbrille, die ihm einen glamourösen und sexy Look verlieh.
Sie schluckte. Schon in diesem Moment war sie ihm verfallen. Als sie ihn am nächsten Abend wiedersah, beim berühmten Barbecue in seinem Hotel, dem Falcone, das sie mit einer Kollegin besuchte, hatte sie keine Einwände, als er sie ansprach und dazu einlud, sich mit ihm an einen kleinen abgelegenen Tisch zu setzen.
Mehr war gar nicht nötig. Sein Blick, seine Aufmerksamkeit … Das alles sagte ihr, dass er sie begehrenswert fand. Und ihr ging es genauso. Mindestens.
Alaina ließ sich auf seine gewandte, mühelose Verführung ein, gab sich ihm und der Romantik hin. Sie genoss jeden Moment mit ihm. Instinktiv wusste sie, dass diese Affäre etwas Einmaliges war … und dass sie gerade dabei war, sich in ihn zu verlieben. Vor allem wusste Alaina, wenn er sie tatsächlich bäte, bei ihm zu bleiben, gäbe es nur eine Antwort.
Sie stand am Rand der Klippe, vor der ihre Mutter sie eindringlich gewarnt hatte.
Sei vorsichtig, mein Kind. Schenke dein Herz nicht einem Mann, der es gar nicht will, so wie ich es getan habe.
Damals hatte sie sich – ohne es zu wollen – noch gerade rechtzeitig auf sicheren Grund gerettet. Sie hatte sich das gebrochene Herz ihrer Mutter erspart.
Rafaello hatte sie nicht gebeten, bei ihm zu bleiben. Aber jetzt verlangte er genau das von ihr – wegen Joey.
Darin lag eine Ironie, die ihr ins Herz schnitt.
Sie stand auf und schaute ihr friedlich schlafendes Kind an. Einen Moment lang schloss sie die Augen. Am kommenden Morgen würde sich sein Leben für immer ändern, und es gab nichts, das sie dagegen tun konnte. Auch ihr Lebensweg würde eine unerwartete Richtung nehmen. Sie würde entwurzelt sein – ihr Leben aufgeben und ihren Freundeskreis, ihr vertrautes Umfeld verlassen und in ein fremdes Land ziehen.
Sie musste es akzeptieren, sie hatte keine Wahl.
Langsam öffnete sie die Augen wieder und schaute noch einen Moment auf ihren kostbaren Sohn, der ahnungslos weiterschlief. Liebe und Schmerz erfüllten ihr Herz. Still verließ sie den Raum.
Rafaello stieg aus dem Taxi, das gerade vor Alainas Haus gehalten hatte. Diesmal war es Morgen, nicht Abend. Diesmal erwartete ihn keine Konfrontation. Alaina hatte sich auf sein Angebot, die einzig vernünftige Lösung des Problems, eingelassen.
Aber selbst wenn er keine Auseinandersetzung befürchten musste: Was ihm stattdessen bevorstand, setzte ihm weit mehr zu. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so angespannt gewesen zu sein.
Er würde seinen Sohn kennenlernen.
Eine Sekunde lang fühlte er eine Leere in sich. Was verstand er schon davon, ein Vater zu sein? Nichts. Es war eine Fähigkeit, die er nie gebraucht hatte, nie hatte entwickeln müssen. Bis jetzt.
Wie mache ich das nur?
Die Frage war direkt und dringend. Und Erinnerungen blitzten in ihm auf, unwillkürlich und unerwünscht.
Sein Vater, der ihm stirnrunzelnd einen missbilligenden Blick zuwarf, ihm brüsk sagte, er solle seine Stimme senken. Ihn beißend fragte, ob er die Aufgaben schon erledigt hatte, die er über die Sommerferien aufbekommen hatte, und dann Rafaellos Mutter über den Mund fuhr, die protestierte, die Ferien seien zur Erholung und zur Entspannung da. In offenkundiger Unzufriedenheit aus dem Raum ging, sich in sein Arbeitszimmer zurückzog, in dem ihn niemand stören durfte.
Rafaello schob die Erinnerung von sich. Was auch immer er selbst für ein Vater sein würde für den Sohn, von dem er gerade erst erfahren hatte: Auf keinen Fall wollte er so streng und unnahbar sein. Niemals.
Ich werde mein Bestes geben.
Was auch immer das war.
Er biss die Zähne zusammen. Zählte es nicht, dass er bereit war, das Leben, das ihm so gefiel, aufzugeben? Seine Freiheit, sein bequemes Dasein, in dem er nur sich selbst etwas schuldete? Für eine Ehe, die alles verändern würde?
Für seinen Sohn würde er das tun, ohne zu zögern.
Entschlossen drückte er auf die Klingel.
„Joey, mein Schatz, ich möchte gern, dass du jemanden kennenlernst.“
Es hatte gerade geklingelt. Joey schaute von der Eisenbahn auf, die er gerade im Wohnzimmer mit Alaina aufbaute. Sie erhob sich und ging zur Tür. Dabei war ihr bewusst, dass ihr das Atmen schwerfiel. Ihr Herz schlug schneller als sonst.
Vor ihr stand Rafaello, auf die Minute pünktlich. Er trug einen anthrazitgrauen Anzug nach italienischem Schnitt, dazu ein blütenweißes Hemd, eine dezente, stilvolle Krawatte und goldene Manschettenknöpfe.
Er begrüßte sie kühl und höflich. Alaina zwang sich, auf gleiche Weise zu antworten. Aber trotz seiner Gefasstheit spürte sie seine Anspannung, ein Echo ihrer eigenen.
Das war allerdings kaum überraschend.
Sie führte ihn ins Wohnzimmer.
Joey schaute ihn interessiert an. „Du bist der Mann aus dem Hotel!“, sagte er.
Rafaello nickte schwer. Alaina wich ein Stück beiseite. Ihr Herzschlag beschleunigte sich weiter.
„Ja, das bin ich“, sagte Rafaello. „Und du bist Joey.“
„Hallo.“ Joey legte den Kopf auf die Seite. „Ich spiele gerade mit meiner Eisenbahn“, ließ er Rafaello wissen.
„Ganz eindeutig“, sagte Rafaello ernst.
Alaina konnte sehen, wie ein Muskel in Rafaellos Wange zuckte. Davon abgesehen ließ er sich nicht anmerken, dass er gerade zum ersten Mal in seinem Leben mit einem Sohn sprach, von dessen Existenz er nichts gewusst hatte.
Ein Schatten verdunkelte plötzlich ihr Inneres, eine bange Frage.
Habe ich das Richtige getan? Oder hätte ich es ihm erzählen sollen?
Der Gedanke war beunruhigend – und schmerzlich vertraut. Die ganze Schwangerschaft hindurch hatte sie damit gekämpft. Die Entscheidung, es Rafaello nicht zu erzählen, keinen Kontakt mit ihm aufzunehmen, hatte sie sich nicht leicht gemacht. Etwas in ihr zog sich schmerzlich zusammen.
Ob es ihr gefiel oder nicht, alles Zweifeln war jetzt Vergangenheit.
Rafaello wusste von Joey.
Er war entschlossen, sein Vater zu sein.
Selbst um den Preis, sie zu heiraten.
Alaina spürte einen Kloß in der Kehle, der ihr das Atmen schwer machte. Hätte Rafaello sie vor fünf Jahren gebeten, ihn zu heiraten, mit ihm nach Italien zu gehen: Sie hätte sich ihm ohne Bedenken in die Arme geworfen und ihm alles gegeben, was sie hatte. Alles.
Jetzt war das anders. Ganz anders.
Joey erzählte Rafaello von seinen Zügen. Rafaello lauschte aufmerksam. Ihre Gesichter ähnelten sich sehr. Alaina beobachtete die beiden, innerlich im Zwiespalt. Vater und Sohn …
„Warum setzt du dich nicht?“ Sie deutete auf das Sofa.
„Danke“, sagte Rafaello, immer noch sehr ernst, und tat es.
Das kleine Sofa wirkte noch kleiner, als er darauf saß, genau wie am Vorabend, als er ihr die Wahl gelassen hatte, ihn entweder zu heiraten oder mit ihm vor Gericht um das Sorgerecht zu streiten.
Widersprüchliche Gefühle tobten in ihr – und nicht nur, weil er sie damit in eine so schwierige Situation gebracht hatte. Sie kämpfte auch mit seiner Gegenwart. Sie konnte sich nicht erlauben, ihn anzustarren, an die Vergangenheit zu denken, alte Erinnerungen und Gefühle wieder wach werden zu lassen.
Ich habe sie vor langer Zeit überwunden. Ich habe sie verblühen und sterben lassen, ihnen keine Nahrung gegeben.
Es war von äußerster Wichtigkeit, dass sie nicht an ihre Zeit mit ihm zurückdachte. Es war nutzlos.
Jetzt zählte nur Joey.
Sie holte tief Atem und kniete sich neben ihren Sohn auf den Teppich. „Joey, mein Schatz, es gibt etwas, das ich dir sagen muss.“ Sie nahm seine kleinen Hände in ihre. Holte tief Atem, kämpfte darum, die Worte hervorzubringen. „Rafaello ist dein Vater, Joey, dein Dad.“
Joeys Blick wanderte zu Rafaello, offen und neugierig, wie es nur der eines kleinen Kindes sein konnte. „Hallo!“, sagte er. Dann runzelte er die Stirn. „Warum warst du vorher nicht hier?“, fragte er.
Alainas Hals war wie zugeschnürt. Aus dem Mund von Kindern und Narren …
Sie schaute zu Rafaello. Was würde er sagen? Panik tobte in ihr.
„Ich war auf Reisen, Joey“, sagte Rafaello ruhig. „Ich lebe in Italien. Aber von jetzt an werdet ihr, du und deine Mutter, dort bei mir leben.“
Joey schaute zu Alaina. „Wirklich, Mummy?“, fragte er.
Sie nickte. „Ja“, sagte sie. „Es wird ganz wunderbar werden.“
Er schaute von ihr zu Rafaello. „Kann ich meine Eisenbahn mitnehmen? Und all meine Spielsachen?“
„Ja“, sagte Rafaello.
„Gut“, sagte Joey. Diese Versicherung schien ihm zu reichen. Er widmete sich wieder seinen Schienen und sprach mit seinen Zügen, während er sie vor und zurück bewegte.
Rafaello stand leise auf.
Alaina auch. „Würdest … würdest du gern einen Kaffee trinken?“, fragte sie ihn, unsicher, was sie sonst sagen oder tun sollte.
Als er nickte, führte sie Rafaello in die Küche. Joey würde eine Weile mit seiner Eisenbahn beschäftigt sein.
Rafaello setzte sich auf einen Hocker am Küchentresen, an dem sie mit Joey morgens frühstückte.
Sie setzte Wasser auf. „Es ist nur Instantkaffee“, sagte sie entschuldigend.
„ Fa niente “, sagte er. Macht nichts .
Alaina schluckte. „Das … das ging ganz gut eben“, sagte sie. „Manchmal nehmen Kinder solche Dinge einfach hin.“
„Ja, und wir müssen das auch“, antwortete Rafaello.
Sie nickte, maß das Kaffeepulver ab. „Was passiert als Nächstes?“, fragte sie.
Insgeheim war sie erleichtert, dass es ihr gelang, so ruhig zu bleiben. Vielleicht war es das Beste, diese Gelassenheit zu bewahren und Gefühle außen vor zu lassen. Gefühle, die ohnehin fehl am Platz waren.
Rafaello verhielt sich kühl und leidenschaftslos. Sie konnte sich an ihm ein Beispiel nehmen. Das würde helfen, die ganze Situation weniger … weniger real zu machen.
Ihr Herz schlug schneller, Adrenalin pulsierte durch ihre Adern. Es war schon verrückt. Wie konnte sie einfach so dastehen und einem Mann Kaffee machen, der ihr gedroht hatte, sie in einen erbitterten Sorgerechtsstreit zu verwickeln, wenn sie ihn nicht heiratete? Einen Mann, den sie fünf Jahre lang nicht gesehen hatte? Einen Mann, von dem sie gedacht hatte, sie würde ihn nie wiedersehen?
Es kam ihr so unwirklich vor.
Aber das war es nicht. Sie musste sich damit abfinden und irgendwie damit fertigwerden, nach außen hin genauso gelassen bleiben wie er, während sie nüchtern über die Einzelheiten sprachen.
Sie hörte Rafaellos Antwort kaum.
„Papierkram“, sagte er. „Wir leiten die Hochzeit in die Wege. Hat Joey einen Reisepass?“
„Ja. Wir haben letzte Weihnachten zusammen mit Ryan und Betsy Urlaub in Frankreich gemacht.“
Rafaellos Ausdruck verhärtete sich. Alaina kam seiner nächsten Frage zuvor. „Ich habe dir schon gesagt, Ryan ist nur ein Freund. Und wir hatten getrennte Zimmer. Wir waren vorher schon mit den Kindern im Disneyland in Paris, das hat ihnen sehr gefallen.“
Noch während sie es sagte, ärgerte sie sich über sich selbst. Warum verspürte sie den Drang, sich zu verteidigen? Selbst wenn sie mit Ryan zusammen wäre oder eine Affäre mit ihm hätte – was ginge das Rafaello an?
Er wollte mich ja nicht. Das hat er deutlich gemacht.
Und auch jetzt hatte er nur an Joey Interesse.
Alaina zwang sich dazu, es in Gedanken auszusprechen.
Joey ist der Grund für unsere Ehe, sonst nichts. Wir werden seine Eltern sein. Das ist alles.
Sie schenkte Rafaello Kaffee ein und stellte den Becher vor ihm ab. Er trank ihn am liebsten schwarz, das wusste sie noch. Sie erinnerte sich an fast alles, was er damals gesagt und getan hatte …
Schleunigst schob sie den Gedanken beiseite. Und konzentrierte sich lieber auf das, was sie ihn fragen wollte. „Wie soll Joey dich nennen? Dad, Daddy oder eine italienische Form davon?“
„Papà wäre mir am liebsten“, sagte Rafaello.
Sie nickte und tat Milch in ihren Kaffee.
„Er wird Italienisch lernen müssen“, fuhr Rafaello fort. „Und du auch – jedenfalls wäre es hilfreich.“
„Okay“, sagte sie. „Joey lernt es bestimmt schneller als ich. In seinem Alter sind Kinder wie Schwämme – sie saugen alles Wissen in sich auf. Wahrscheinlich dauert es nicht lange, bis er es fließend spricht.“
Ein Zittern durchlief sie. Und sie wusste, es zeigte sich in ihrem Gesicht. Das war nicht die Kindheit, die sie sich für Joey gewünscht hatte – aus seinem Zuhause gerissen und in ein anderes Land verfrachtet zu werden, dort eine fremde Sprache lernen und die Nationalität seines Vaters annehmen zu müssen, eines Vaters, den er nicht kannte.
Und wessen Schuld ist das?
Die Frage war wie ein Messerstich. Aber Alaina stach zurück.
Ich musste vor fünf Jahren eine Entscheidung treffen. Und ich hielt es für wahrscheinlich, dass dieser Mann, für den ich nur eine flüchtige Affäre gewesen war, keineswegs ein gemeinsames Kind mit mir haben wollte. Und dass er sich wünschen würde, es gäbe ihn nicht, diesen Sohn. Joey.
Es hatte keinen Sinn, das Dilemma von damals wieder aufleben zu lassen. Sie musste sich mit der Gegenwart abfinden. Rafaello war wieder in ihr Leben getreten. Sie hatte nie gedacht, dass das je der Fall sein würde, aber das Schicksal hatte es anders gewollt. Und nun hatte er überdies angekündigt, er wollte Joeys Vater sein.
Das würde er auch tun.
Damit waren alle wichtigen Entscheidungen getroffen.
Alaina ließ sich auf Rafaellos Vorschläge ein, weil die Alternative ein Albtraum wäre, den sie nicht ertragen könnte. Das Risiko würde sie nicht eingehen.
Sie schaute auf ihren Kaffee und rührte mechanisch um. In ihrem Kopf schwirrte eine Frage umher, die sie sich eigentlich gar nicht stellen und erst recht nicht beantworten wollte.
Welches Risiko gehst du stattdessen ein?
Sie wischte sie rasch beiseite.
Wieder stand ein Taxi vor Alainas Haus. Diesmal blieb Rafaello sitzen und wartete auf Alaina. Sie würde ihre Haustür hinter sich abschließen und ihr Leben in England hinter sich lassen.
Sie wird ein Teil meines Lebens sein.
Das war nicht das, was Rafaello sich vorgestellt hatte, aber es war notwendig. Joey machte es notwendig. Und Alaina sah das offenbar ein. Sie fand sich mit der Notwendigkeit ihrer Ehe ab, blieb so gefasst und ruhig wie er. Das wusste er zu schätzen.
Einen Moment lang schloss Rafaello die Augen, dachte unwillkürlich an seine Kindheit. An seine Mutter, die ständig emotional auf der Kippe gestanden hatte, während sein Vater dem, was er als Hysterie bezeichnet hatte, mit kalter Missbilligung begegnet war. Andauernd hatte sie geweint und gejammert …
Was, wenn die Frau, die er heiraten musste, auch so war?
Ihm schauderte. Er zwang sich, seine Befürchtungen zu übertönen, indem er sich selbst gut zuredete.
Unsere Ehe wird so gut verlaufen, wie es unter den Umständen möglich ist. In erster Linie werden wir Eltern sein und unserem Sohn ein gutes Zuhause bieten. Alles andere …
Aber vor diesem Gedanken schreckte er zurück. Mit allem anderen würde er sich befassen, wenn es so weit war. Es war nicht nötig, jetzt schon darüber nachzudenken.
Durch das Taxifenster sah er, wie Alaina aus dem Haus kam und die Tür hinter sich abschloss. Einen Moment lang stand sie reglos da und schaute auf ihr Haus. Dann richtete sie sich gerade auf, wandte sich um und kam mit schnellen Schritten zum Taxi herüber, ihr Handgepäck über der Schulter. Der Rest ihrer Sachen – alles, was sie und Joey hatten mitnehmen wollen – war schon von einer Spedition nach Rom gebracht worden.
Heute Nachmittag würden sie heiraten, Joey aus der Kita abholen und dann nach Italien fliegen. Ihr Hochzeitstag war kein Grund zum Feiern, er war einfach nur der Beginn ihrer Ehe.
Mehr war nicht dabei. Es war notwendig, und es würde geschehen.
Rafaello stieg aus, nahm Alaina die Tasche ab und öffnete ihr die Tür. Sie war blass, aber ruhig, trug ein schlichtes Kostüm und hatte ihr Haar zu dem üblichen glatten Knoten aufgesteckt.
Ihm gefiel nicht, wie unscheinbar sie wirkte. Was auch immer in Rom als Erstes auf der Tagesordnung stand, eine Sache war klar: Sie musste sich anziehen, wie es für seine Ehefrau angemessen war. Missbilligend kniff er die Augen zusammen. Es war nicht mehr länger nötig, dass sie ihre Schönheit verbarg.
Aber das war ein Gedanke für später. Erst einmal mussten sie die Hochzeit überstehen.
Er sah sie an. „Bist du bereit?“
Schloss sie die Finger gerade fester um ihre Handtasche? Er war sich nicht sicher. Ihre Stimme klang ruhig. „Ja.“
Das war alles, was er an Bestätigung brauchte.
Das Taxi fuhr los und brachte sie zum Standesamt.
Alaina stand neben Rafaello im Büro des Standesbeamten. Außer dem großen Blumenbouquet in der Mitte des Tisches wies nichts darauf hin, dass es einen Anlass zum Feiern gab, schon gar keinen so bedeutsamen wie eine Hochzeit. Rafaello trug seinen normalen Anzug, Alaina ihr übliches Kostüm, in dem sie am Vormittag ihre letzte Schicht im Hotel absolviert hatte. Joey war noch in der Kita. Es war auch sein letzter Tag.
Nach der kurzen, aber rechtlich bindenden Eheschließung, die sie zu Rafaellos Frau machte, würden sie alle drei nach Italien fliegen, um dort ihr neues Leben zu beginnen.
In den Wochen, die vergangen waren, seit Rafaello von Joey erfahren hatte, hatte Alaina mehr oder weniger passiv akzeptiert, was geschehen würde. Sie orientierte sich dabei an Rafaello. Das war die einfachste Art, mit der Situation umzugehen. Er war ruhig, gefasst und nüchtern. Also war sie es auch.
Das war auch für Joey das Beste.
Wenn Joey sieht, dass ich mich widerspruchslos füge, dann wird er es auch tun. Es macht den Eindruck, als ob er sich an Rafaello schon gewöhnt hat. Und wenn er mit seinem neuen Leben zufrieden ist, kann ich es auch sein.
Diese Ehe, die sie gleich eingehen würde, hatte nichts mit ihr als Person zu tun oder mit Rafaello. Sie hatte auch nichts mit dem zu tun, was einmal zwischen ihnen gewesen war, was Alaina damals von ihm gewollt hatte oder nicht. Auch nichts damit, dass sie sehr nahe daran gewesen war, sich in Rafaello zu verlieben.
Es ging um Joey, mehr nicht.
Nur um Joey.
Und diese Tatsache war das Einzige, was es ihr möglich machte, dieser Ehe zuzustimmen. An diesem Gedanken hielt Alaina sich fest, während sie die Fragen des Standesbeamten beantwortete, mit einer Stimme, die fast genauso geschäftsmäßig und ungerührt klang wie die von Rafaello.
Joey schaute aus dem Autofenster hinaus auf die Stadt Rom, aber er war zu schläfrig, um seine Umgebung wirklich in sich aufzunehmen. Der Flug hatte ihm gefallen. Er hatte Rafaello mit endlosen Fragen gelöchert, die dieser geduldig beantwortet hatte. Warum fiel das Flugzeug nicht aus dem Himmel? Warum trug die Flugbegleiterin so eine Uniform? Warum war die Chips-Packung so prall?
Alaina hatte die beiden in Ruhe gelassen und aus dem Fenster geschaut. Jetzt lehnte sie sich in dem luxuriösen Rücksitz des Autos zurück, das am Flughafen auf sie gewartet hatte. Ein Gedanke kreiste in ihrem Kopf, langsam und unverständlich.
Es ist mein Hochzeitstag.
Aber was nützte es, darüber nachzudenken? Besser war es, sich nur auf die praktischen Aspekte zu konzentrieren. So, wie sie es getan hatte, seit sie die Entscheidung getroffen hatte, sich auf Rafaellos Angebot einzulassen.
Die Landung in Italien hatte ihr bewusst gemacht, wie sehr sich ihr Leben änderte. Sie war froh, dass sie sich zumindest in einigen Dingen durchgesetzt hatte. Joey würde seine britische Staatsangehörigkeit behalten, und sie auch. Ihr Reisepass und seiner waren noch auf ihren alten Nachnamen ausgestellt. Sie würde ihr Haus behalten, das sie nach dem Tod ihrer Mutter von ihrem Erbe gekauft hatte, und ihre eigenen Konten und Kreditkarten. Ihre Finanzgeschäfte – wenn man davon sprechen konnte – würde sie weiterhin selbst regeln. Was auch immer es hieß, Rafaellos Frau zu sein, sie würde sie selbst bleiben, sich ihre Selbstständigkeit bewahren. Rafaello hatte keinen Einspruch dagegen erhoben, worüber sie froh war.
Wieder kamen ihr seine Worte in den Sinn.
Unsere Ehe wird zivilisiert und ohne Feindseligkeit verlaufen, weil wir beide die Notwendigkeit dafür einsehen und uns mit der Situation abfinden.
Sie holte tief Atem. Eine zivilisierte, höfliche Ehe. Das war machbar.
„Wir sind fast da.“ Rafaellos tiefe Stimme durchdrang ihr Grübeln. „Mein Apartment liegt in einer alten Villa im Centro Storico . Wie besprochen werden wir fürs Erste dort wohnen. Aber Joey braucht mehr Platz, deshalb werden wir ein Haus außerhalb der Stadt suchen. Etwas Geeignetes zu finden, hat Priorität.“
Alaina nickte. Als sie nicht lange darauf in Rafaellos elegantem Apartment standen, begriff sie, dass es tatsächlich kein gutes Zuhause für Joey abgeben würde. Es lag im Erdgeschoss eines großen alten Hauses, hatte nur einen gepflasterten Innenhof, keinen Garten, und war voller antiker Möbeln und Kunstobjekte, die für eine Wohnung, in der ein lebhafter Vierjähriger lebte, denkbar ungeeignet waren.
Nicht dass Joey im Moment sonderlich lebhaft wirkte. Er schmiegte sich an sie und gähnte.
Rafaello brachte sie in ein Schlafzimmer. Dort war schon ein Reisebett für Joey aufgebaut. Auf dem großen, breiten Gästebett, in dem Alaina schlafen würde, lag eine teure bestickte Überdecke, die sie schnell abzog und sorgfältig gefaltet in den Kleiderschrank aus glänzendem, poliertem Massivholz legte.