Reise nach Fukushima - Matthias Matting - E-Book

Reise nach Fukushima E-Book

Matthias Matting

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Beschreibung

Wie es Japan heute geht: Wie es leidet. Wie es lebt. Wie es duftet. Wie es stinkt. Wie es schmeckt. Wie es schuftet. Ein Augenzeugen-Bericht. Zwei Deutsche besuchen drei Monate nach dem größten anzunehmenden Unfall ein Land zwischen Trauer und Atomangst, zwischen Aufbau-Elan und Zukunftssorgen. Was sieht der Besucher, was erzählen die Bewohner? Wie passt das Bild, das deutsche Medien vermitteln, zur Realität im Tsunami-Gebiet? Was sind heute Japans wirkliche Probleme? Mit zahlreichen exklusiven Fotos. Reportage mit Reise-Tagebuch. Auszug: Radioaktivität. Sie ist unsichtbar. Sie ist gefährlich: beschädigt das Erbgut, löst Mutationen aus und Krebs. Strahlung ist überall. Vor allem in den Köpfen. Ihretwegen ist das Flugzeug, das auf den Tag drei Monate nach dem Erdbeben der Stärke 9,0 nachmittags halb vier in Tokio landet, von mir abgesehen nur mit Japanern besetzt. Ihretwegen, könnte man sagen, leuchtet abends nur jede zweite Straßenlampe des Großstadt-Molochs. Sie macht Schweißausbrüche, denn die Klimaanlagen in S- und U-Bahnen und öffentlichen Gebäuden, in der Schwüle der Regenzeit sonst auf arktisches Niveau eingestellt, halten nun eine Maximaltemperatur von 28 Grad. Noch immer sind nach dem Atomunfall in Fukushima 35 von 54 Reaktoren in ganz Japan abgestellt (mit der Abschaltung der 19 restlichen rechnet man bis Mitte nächsten Jahres). Tepco, der für die havarierte Anlage verantwortliche Betreiber, informiert auf digitalen Werbetafeln im Nahverkehr, wieviel Prozent des Strombedarfs die Firma gerade stillen kann. Die Zahlen schwanken zwischen 73 und 78 Prozent. Und der heiße Sommer kommt erst noch... ... Bleich wird er, wenn er davon erzählt, wie er das Erdbeben am 11. März in der relativ nah zum Epizentrum gelegenen Stadt erlebte. "Ich war gerade beim Umziehen und lief in Unterhosen auf die Straße", berichtet er, "die Hochhäuser um mich herum schwankten wie Bambuspflanzen hin und her. Es wollte gar kein Ende nehmen.

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Reise nach Fukushima

Wie es Japan heute geht: Wie es leidet. Wie es lebt. Wie es duftet. Wie es stinkt. Wie es schmeckt. Wie es schuftet.

Ein Augenzeugen-Bericht.

Zwei Deutsche besuchen drei Monate nach dem größten anzunehmenden Unfall ein Land zwischen Trauer und Atomangst, zwischen Aufbau-Elan und Zukunftssorgen. Was sieht der Besucher, was erzählen die Bewohner?

Zusammengestellt von Matthias Matting

Reise nach Fukushima - die Reportage

Radioaktivität. Sie ist unsichtbar. Sie ist gefährlich: beschädigt das Erbgut, löst Mutationen aus und Krebs. Strahlung ist überall. Vor allem in den Köpfen. Ihretwegen ist das Flugzeug, das auf den Tag drei Monate nach dem Erdbeben der Stärke 9,0 nachmittags halb vier in Tokio landet, von mir abgesehen nur mit Japanern besetzt. Ihretwegen, könnte man sagen, leuchtet abends nur jede zweite Straßenlampe des Großstadt-Molochs.

Sie macht Schweißausbrüche, denn die Klimaanlagen in S- und U-Bahnen und öffentlichen Gebäuden, in der Schwüle der Regenzeit sonst auf arktisches Niveau eingestellt, halten nun eine Maximaltemperatur von 28 Grad. Noch immer sind nach dem Atomunfall in Fukushima 35 von 54 Reaktoren in ganz Japan abgestellt (mit der Abschaltung der 19 restlichen rechnet man bis Mitte nächsten Jahres). Tepco, der für die havarierte Anlage verantwortliche Betreiber, informiert auf digitalen Werbetafeln im Nahverkehr, wieviel Prozent des Strombedarfs die Firma gerade stillen kann. Die Zahlen schwanken zwischen 73 und 78 Prozent. Und der heiße Sommer kommt erst noch.

Zeugenbefragung: Stadteil-Chefin in Kyoto

In Kyoto, von den geschmolzenen Reaktorkernen etwa so weit südlich gelegen wie München im Vergleich zu Hamburg, muss eine der Bürgermeisterinnen fast weinen, der ich zufällig im Rathaus auf Informationssuche begegnet: Die alte Kaiserstadt, in der sonst tägliche tausende Besucher die ebenso vielen Tempel und Schreine besichtigen, fürchtet angesichts der ausbleibenden Reisenden um ihre Wirtschaft. „Hier gibt es keine Strahlung“, sagt die Frau, „schreiben Sie das bitte, wir brauchen die Touristen“ - und schickt zwei Sekretärinnen los, die gewünschten Details zu besorgen. Radioaktivität gibt es auch in Tokio nicht, wie das eigens vom Karlsruhe Institut für Technologie (KIT) bereitgestellte Dosimeter zeigt.

Dass die Strahlungsangst aber auch in den Köpfen der stets hilfsbereiten und höflichen Japaner steckt, zeigt ein Schaufenster im Elektronik-Mekka Akihabara: Eine Werbung für Strahlungsmesser ist (offensichtlich für die einheimische Kundschaft) mit roten Schriftzeichen überklebt, die „ausverkauft“ signalisieren. Das mitgebrachte Dosimeter jedoch bleibt stumm, auch wenn es dem Ort der Katastrophe näher kommt. In Fukushima, der Großstadt, die durch den 70 Kilometer entfernten Reaktor nun weltweit bekannt ist, geht das Leben seinen gewohnten Gang. Nur der hellhäutige Reporter wird etwas staunend betrachtet. Die Hintergrundstrahlung ist niedriger als in München, typisch für Küsten-Gegenden. In der Millionenstadt Sendai fallen vor allem die blauen Planen auf, die so manches der traditionellen Häuser bedecken. Roberto, ein Italiener, der schon so lange in Japan lebt, dass ihm kaum noch Brocken seiner Muttersprache einfallen, gibt bereitwillig zu, dass ihm das havarierte Atomkraftwerk Sorgen bereitet.

Zeugenbefragung: Paolo

Bleich wird er, wenn er davon erzählt, wie er das Erdbeben am 11. März in der relativ nah zum Epizentrum gelegenen Stadt erlebte. „Ich war gerade beim Umziehen und lief in Unterhosen auf die Straße“, berichtet er, „die Hochhäuser um mich herum schwankten wie Bambuspflanzen hin und her. Es wollte gar kein Ende nehmen. Drei Minuten, ein so lang dauerndes Beben habe ich hier noch nie erlebt“. Erschütterungen jeder Größenordnung haben Japans Architekten offenbar eingeplant - nicht aber das, was eine Viertelstunde danach folgte. Roberto versucht, den Schrecken in einen Witz zu packen: „Das Grundstück meiner Frau ist ordentlich im Preis gestiegen, denn es hat nun direkten Meerblick“. Robertos Frau hatte Glück: Die Monsterwelle, die nur 15 Minuten nach dem Beben gut 500 Kilometer Küstenlinie überrollte, stoppte etwa 50 Meter vor dem Haus.

Was der Italiener mit seinem Scherz (für den er sich sofort entschuldigt) meint, sehe ich auf einer anderthalbtägigen Tour durch das Katastrophengebiet. Strahlung ist hier, außerhalb der Evakuierungszone um das zerstörte Atomkraftwerk, nirgends zu messen. Doch der Gestank, er ist überall. Es riecht, als habe der Ozean seinen Mageninhalt über die Küste erbrochen. All das, was der Mensch ihm über Jahre eingeflößt hat, Abwässer, Kloaken, Unrat, hat der Tsunami mit rücksichtsloser Gewalt an Land geschüttet. Was der bis zu 15 Meter hohen Welle im Weg stand, wurde zermahlen, zerrissen, zerdrückt. Autowracks ähneln verbeulten Konservendosen. Dreistöckige Betonhäuser liegen hilflos auf dem Bauch, stecken Abwasserrohre wie Arme zur Seite.

Wiederzubeleben ist hier nichts. Beeindruckend ist allerdings, wie schnell die Aufräumarbeiten vorangehen. Vergleicht man kurz nach der Katastrophe entstandene Bilder mit dem, was die Kamera nun aufzeichnet, ist ein enormer Aufräum-Wille erkennbar. Von den großen Städten ausgehend, haben sich die Bagger und Kräne Tag für Tag vorgearbeitet. Fast alle Straßen sind inzwischen von Schlamm und Schutt befreit, provisorische Brücken wurden errichtet, wo die Welle die Bauwerke weggeschwemmt hatte. Neu gesetzte Stromleitungen ziehen sich die Küste entlang.