Reise nach Mitternacht - Lars Ruth - E-Book

Reise nach Mitternacht E-Book

Lars Ruth

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Beschreibung

Kommen Sie mit auf eine Reise ins Ungewisse. Tauchen Sie ein in Lars Ruths wundersame Welt dunkelromantischer und schaurig-schöner Erzählungen: Treffen Sie auf verlorene Seelen, die in der Dämmerung nach Freundschaft, Liebe und Erlösung suchen. Lernen Sie geheimnisvolle und unheimliche Wesen kennen, die durch die Nacht wandeln und die Grenzen zwischen Traum und Realität verwischen. Erleben Sie die Schönheit des Verbotenen, die Traurigkeit des Verlustes und die Kraft der unerfüllten Wünsche. Jede der hier gesammelten Geschichten entfaltet die Mysterien des Zwielichts auf ihre ganz eigene, besondere Art und Weise. Reise nach Mitternacht ist ein Fest für alle, die die dunkle Poesie des Lebens schätzen und sich von der Magie des Unbekannten verführen lassen wollen. Schauen Sie durch den Vorhang der Dämmerung auf eine Welt, in der die Schatten der Nacht erblühen. Folgen Sie Lars Ruth auf seiner Reise nach Mitternacht!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 234

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Lars Ruth

Reise nach Mitternacht

Phantastische Erzählungen

© 2024 Lars Ruth

Lektorat: Jan Smejkal

Coverdesign: black neon entertainment (M. Weissenberg & F. Pütz)

Satz: Erik Kinting – www.buchlektorat.net

Hardcover

978-3-384-38207-8

E-Book

978-3-384-38208-5

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:

tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Über den Autor

Wenn Lars Ruth nicht gerade als Schauspieler oder Seher und gutmütiger Scharlatan auf den Bühnen der Nation seine Zuschauer verzaubert, findet man ihn oft in Buchläden, im Kino oder auf seiner heimischen Couch, wo er auf seinem überdimensionierten Fernseher vor allem alte Science-Fiction-Filme oder Serien und Dokus über okkulte Mysterien anschaut. Hin und wieder ist er auch in obskuren Museen und Ausstellungen, sowie in finsteren Wäldern und auf einsamen Kreuzungen im Nirgendwo anzutreffen.

Mehr über ihn erfahren Sie auf seiner Homepage www.lars-ruth.de

Inhalt

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort des Autors

Entscheidung am Nachmittag

Das Haus im Sumpf

Hexen

Begegnung am Wegesrand

Prolog

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Epilog

Der Teufel

Oktoberwetter

Halloween

Süßes oder Saures

Finnegan und die Fae

Tante Dolores

Das magische Wort

Danksagung

Reise nach Mitternacht

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Vorwort des Autors

Danksagung

Reise nach Mitternacht

Cover

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Vorwort des Autors

Liebe Leserinnen und Leser,

Mitternacht ist nicht nur eine Zeit, sondern auch ein Ort. Ein Ort, an dem die Dunkelheit so manches erhellt, das dem sorglos umherstreifenden Auge bei Tageslicht verborgen bleibt. Lassen Sie mich auf der Reise in mitternachtsmagische Welten, zu der diese Sammlung von Erzählungen Sie einlädt, Ihr Reiseleiter sein.

Die hier gesammelten Geschichten erzählen nicht nur vom Erwachsenwerden – ganz unabhängig vom tatsächlichen oder gefühlten Alter der Protagonisten –, sie erlauben auch einen flüchtigen Blick in die Schatten, die uns auf diesem Weg begleiten. Jenseits der Vernunft und des Rationalen erleben meine Helden ebenso alltägliche wie außergewöhnliche Wunder: Wunder, die uns erschrecken, zum Lachen bringen, die uns faszinieren, bei denen wir uns gruseln oder die uns traurig machen – die uns aber über all dies hinaus öffnen für die Schönheit der Dunkelheit.

Ich hoffe, dass diese Geschichten Sie berühren, zum Nachdenken anregen und vielleicht sogar Teile Ihrer eigenen Erfahrung widerspiegeln. Lassen Sie sich von der Ästhetik der Nacht umarmen – vielleicht empfinden Sie dabei Trost, Freude und Erinnerungen an den verloren gegangenen Zauber der Kindheit und Jugend. An einen Zauber, den wir in der Welt des Rationalen oft so schmerzlich vermissen, auch wenn wir uns dessen mitunter gar nicht bewusst sind.

Nehmen Sie also Platz und genießen Sie Ihre Reise. Nächste Station: Mitternacht.

Frankfurt, im Oktober 2024

Entscheidung am Nachmittag

Als Richard in seinem anthrazitfarbenen Kombi den Hotelparkplatz verließ, sehnte er sich nach einem Gefühl von Vertrautheit und Geborgenheit. Er war seit seiner Einstellung vor ein paar Monaten für seine Firma unterwegs und besuchte Woche für Woche verschiedene Kunden in verschiedenen Städten. Aber wohin er auch ging, eine Konstante gab es immer: Fast Food.

Sicher, er wusste, dass er wahrscheinlich etwas Gesundes essen sollte, wie Sushi oder einen Salat aus einem asiatischen Restaurant. Aber der Gedanke, etwas Neues auszuprobieren und es möglicherweise nicht zu mögen, beunruhigte ihn. Er hielt sich lieber an die zuverlässigen und vorhersehbaren Burger der großen Fast-Food-Ketten, die überall auf der Welt gleich schmeckten.

Never change a working system war sein Motto, niemals ein funktionierendes System verändern. Und das galt nicht nur für seine Essensauswahl.

Er fuhr durch die ihm bisher völlig unbekannte Kleinstadt und bemerkte die heruntergekommenen Gebäude und die erschöpft und lethargisch wirkenden Fußgänger auf den Bürgersteigen. Die Klimaanlage in seinem Auto hatte Mühe, der Hochsommerhitze standzuhalten, und verstärkte nur noch die unangenehme Mischung aus Gerüchen von Abgasen, Müll und Schweiß, die die Straßen durchdrang. Er fand eine Parklücke und entdeckte gleichzeitig am Ende der langen Straße das sonnengelbe Logo eines Fast-Food-Restaurants. Um mühelos in eine enge freie Parklücke zu manövrieren, nutzte er die automatische Einparkhilfe seines Wagens. Per Knopfdruck stellte er den Motor ab, seufzte und rückte ein letztes Mal seine Krawatte zurecht, bevor er sich hinaus in die Hitze des schwülen Augustnachmittags wagte.

Richard hasste es, einen langweiligen, nüchternen Anzug tragen zu müssen, wenn er Kunden aus der Friseurbranche besuchte. Seine Kleidung schien im Widerspruch zu dem zu stehen, wofür das Unternehmen, für das er arbeitete, eigentlich stand: Kreativität und Selbstdarstellung. Aber es gab eine strenge Kleiderordnung für die Außendienstmitarbeiter (er hasste das Wort Vertreter). Jetzt war er also hier in dieser gottverlassenen Stadt und schwitzte in seinem stickigen, verhassten Polyesteranzug.

Er schnappte sich seinen Rollkoffer mit der Präsentationsmappe und den Mustern der Haarprodukte – von denen jedes einen lächerlichen Namen hatte, etwa Iced Angel oder Desert Blond – aus dem Kofferraum und machte sich zu Fuß auf in Richtung Restaurant, um nach einer Stärkung durch ein Burgermenü mit einem gespielten Lächeln auf den Lippen bei seinem Kunden aufzukreuzen. Also alles wie immer.

Als er an einigen Geschäften und Restaurants vorbeikam, fiel ihm auf, wie heruntergekommen sie alle aussahen. Die lieblos hingesprühten Graffitis in schwarzer Farbe an den Außenfassaden verstärkten diesen Eindruck nur noch. Das Einzige, was Leben in diesen trostlosen Ort brachte, waren die wenigen Bäume und das Unkraut, das sich vereinzelt mühsam seinen Weg durch den Asphalt bahnte. Durch die glühende Hitze schlenderte Richard in die Richtung des Burgerrestaurants, als sein Blick plötzlich auf einen kleinen Laden fiel. Die Fenster waren mit staubigen Vorhängen verhängt, und das Schild über der Tür war so verblasst, dass er den Namen des Ladens kaum entziffern konnte. Aus den Ritzen der Holztür drang der süße Duft von Gewürzen und alten Büchern. Mit ihrer abblätternden, verblassten Farbe wirkte die Fassade des Ladens wie aus einer vergangenen Zeit, und das Vordach, das etwas schief über der Eingangstür hervorragte, hatte definitiv schon bessere Zeiten gesehen. Eine neugierige Katze lugte aus einem verstaubten Fenster hervor und beobachtete ihn misstrauisch. Es war ein in dieser Gegend völlig deplatzierter Ort, der ihn – vielleicht gerade deshalb – magisch anzog. Er verdrängte den Gedanken an seinen Kunden und seine Lust auf einen Burger, was ihm jedoch recht seltsam vorkam, da Lust auf ungesundes Essen und Pflichtgefühl eigentlich seine ständigen Begleiter waren. Er zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken – so irritiert war er, einen solchen Ort in dieser ansonsten so nüchternen Gegend vorzufinden.

Neugierig betrat er das Haus und wurde sofort von einer seltsamen Atmosphäre eingehüllt. Überall auf den zahlreichen Tischen und Regalen lagen merkwürdige Gegenstände herum – von alten Puppen mit glasigen Augen bis hin zu rostigen Werkzeugen, die mit seltsamen Symbolen verziert waren. Ein schwarz gekleideter, glatt rasierter Mann mit teuren Schuhen und modischer Frisur stand vor der Theke und lächelte ihn an. Er wirkte in dieser Umgebung genauso deplatziert wie dieser Laden in dieser Stadt.

„Bitte schauen sie sich doch in aller Ruhe um!“

Zu seiner eigenen Überraschung ließ sich Richard auf diese Einladung unvoreingenommen ein. Er durchstöberte die Regale und entdeckte zunehmend unheimlichere Gegenstände – Flaschen voller geheimnisvoller Flüssigkeiten, verzierte Schachteln mit nicht zu entziffernden Beschriftungen und sogar einen Schlüssel, der sich in seiner Hand scheinbar von selbst drehte. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er sich fragte, welche Geheimnisse dieser Laden möglicherweise noch barg. Der Geruch von getrockneten Kräutern und Weihrauch hing in der Luft und verstärkte die geheimnisvolle und ein wenig unheilgeschwängerte Aura des Ortes. Der schwarz gekleidete Mann hinter der Theke beobachtete Richard mit einem geheimnisvollen Funkeln in den Augen.

„Sie haben den Weg zu uns gefunden, mein Herr. Sie scheinen nach Antworten zu suchen. Kommen Sie!“, sagte er mit rauer Stimme und ging in den hinteren Teil des Ladens. Richard zögerte, doch etwas in ihm trieb ihn dazu, dem Mann zu folgen. „Was ist das hier für ein Ort?“, fragte er schließlich. Der Mann drehte sich zu ihm um, lächelte und erklärte: „Willkommen bei Arcanum Antiquitäten. Hier finden Sie nicht nur materielle Schätze, sondern auch Wissen und Macht jenseits unserer Welt.“ Richard spürte eine Mischung aus Faszination und Angst in sich aufsteigen. Er konnte sich nicht erklären, warum er sich so angezogen fühlte von den geheimnisvollen Gegenständen um ihn herum. Plötzlich blieb sein Blick an einem mit astronomischen Zeichen verzierten großen Wandspiegel hängen, der in einem dunklen Winkel im hinteren Teil des Ladens hing. Das Spiegelglas schien ungewöhnlich klar und glänzend zu sein, und er konnte sehen, wie sein eigenes Spiegelbild verzerrt darin reflektiert wurde. Ein unerklärliches Verlangen überkam ihn, und er näherte sich dem Spiegel, um sich selbst darin genauer zu betrachten.

Als Richard sein Spiegelbild genauer betrachtete, geschah etwas Seltsames: Es fühlte sich so an, als würde er in den Spiegel hineingezogen. Die Umgebung um ihn herum schien sich langsam zu verändern. Statt des alten Ladens erschienen auf einmal eine Reihe grelle Lichter, die ihn von vorne anstrahlten und sich warm auf seinem Gesicht anfühlten. Es war, als würde er in eine völlig andere Welt gezogen, eine Welt voller Farben und Leben. Er erblickte – soweit es die blendenden Lichter zuließen – mehrere Reihen von Stühlen, auf denen Menschen saßen, die ihn erstaunt ansahen. Richard konnte es kaum fassen – wie war das möglich? War er verrückt geworden, oder träumte er nur? Er sah sich selbst, wie er auf einer Bühne stand und dort wundersame Dinge vorführte.

Die Menschen in dem Saal klatschten und jubelten, als Richard auf der Bühne stand und seine Zauberkunststücke präsentierte. Er sah sich, wie er mit einem Zauberstab hantierte und funkelnde Lichtblitze erzeugte. Sein Spiegelbild schien ein eigenes Leben zu führen, während er gebannt zuschaute. Eine Mischung aus Furcht und Faszination durchströmte seinen Körper, als er die Verbindung zwischen seinem realen Selbst und dem Spiegelbild zu verlieren schien.

Plötzlich erkannte Richard in der Menge im Zuschauerraum bekannte Gesichter: seine Familie, mehrere Freunde und sogar seinen Vorgesetzten Jochen Ott. Alle bis auf Jochen lächelten ihm zu und feuerten ihn an. Es war surreal, wie er in dieser fremden Welt gefeiert wurde. Doch dann, kurz bevor sich erneuter Applaus anbahnte, erhob sich Jochen Ott mit wütendem Gesichtsausdruck aus seinem Sitz. „Stopp!“, rief er wütend, während er seine geschmacklose bunte Krawatte über seinem viel zu dicken Bauch lockerte. „Wie wollen Sie denn so ihr Umsatzziel schaffen? Sie liegen weit hinter ihren Zielumsätzen zurück, und jetzt machen sie sich hier zum Affen?!“

Richard war wie vom Donner gerührt. Er konnte nicht fassen, was er da gehört hatte. Die Jubelrufe verstummten, das grelle Licht verschwand, und die Menschenmenge um ihn herum begann sich aufzulösen. Sein Spiegelbild in dem verzierten Spiegel verzerrte sich langsam wieder, bis es schließlich endgültig in der Dunkelheit des alten Ladens verschwand. Er stand wieder allein da und verspürte ein dumpfes Gefühl der Enttäuschung in der Brust.

Der schwarz gekleidete Mann, der jetzt hinter der Theke wartete, sah ihn mit einem merkwürdigen Ausdruck an. „Manchmal zeigt uns der Spiegel nicht nur unsere Träume, sondern auch unsere Ängste und Zweifel“, sagte er leise. Richard spürte, wie seine Knie weich wurden, und setzte sich auf einen alten Stuhl. Der Mann kam zu ihm herüber, setzte sich ihm gegenüber und begann mit ruhiger Stimme zu sprechen. „Du hast in den Spiegel geschaut, Richard. Er hat dir eine Vision gezeigt, eine Möglichkeit, die in dir schlummert. Doch dein eigener Glaube an deine Fähigkeiten wurde von Zweifeln überschattet, von der Angst, zu versagen.“ Richard sah den Mann mit großen Augen an, als ob er jedes Wort aufsaugen wollte. „Du trägst eine Gabe in dir, die du noch nicht erkannt hast. Die Magie liegt nicht im Spiegel, Richard, sondern in dir selbst.“

Ein Hauch von Hoffnung breitete sich in Richards Brust aus, als die Worte des schwarz gekleideten Mannes langsam ihre Wirkung entfalteten. Vielleicht lag in dieser Enttäuschung auch eine Chance – die Chance, sich neu zu finden und an sich zu glauben. Richard war den Tränen nahe. Er murmelte: „Aber was kann ich tun?“

Der Mann verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. „Nun, ich habe hier etwas für dich. Etwas, das dir helfen kann.“

Er öffnete eine verzierte Schatulle, die mit geheimnisvollen Symbolen verziert war, und zog ein in Stahl gefasstes, funkelndes Amulett hervor. Es war ein großer, orangefarbener Kristall an einer großgliedrigen Kette, der im fahlen Licht des Ladens zu glühen schien.

Richard spürte, dass die Worte des schwarz gekleideten Mannes wahr waren, und ein Hauch von Entschlossenheit durchdrang seine Zweifel. Er nickte dem Mann zu und ergriff das Amulett mit entschlossener Miene. „Ich werde es tragen und meine innere Stärke finden“, versprach er leise. Der schwarze Mann lächelte zufrieden und nickte ihm zu. „Du bist auf dem richtigen Weg, Richard“, sagte er mit einem geheimnisvollen Unterton in seiner Stimme. „Nun geh hinaus in die Welt und entdecke deine wahre Bestimmung.“ Richard stand auf, das Amulett fest umklammert, und wandte sich zum Gehen. Doch dann hielt er inne und drehte sich noch einmal um. „Was ist der Preis, den ich zahlen muss?“, fragte er.

Der schwarz gekleidete Mann lächelte geheimnisvoll. „Der Preis ist nicht in Geld, Gold oder Silber zu beziffern, Richard. Es ist der Mut, deine Ängste zu überwinden, die Entschlossenheit, deinen eigenen Weg zu gehen, und die Weisheit, deine wahre Bestimmung zu erkennen. Der Weg wird nicht einfach sein, aber du wirst stärker daraus hervorgehen.“ Richard nickte – er hatte verstanden.

Dann stieg ein unheilvoller Gedanke – oder eher eine Erinnerung – in ihm auf.

„Ist der Preis meine Seele?“

Der schwarz gekleidete Mann lächelte. „Deine Seele, Richard, ist leer und verletzt und hat im Moment keine große Anziehungskraft. Du solltest sie erst einmal annehmen, kultivieren und pflegen, bevor du ihr einen Wert beimisst. Vielleicht treffen wir uns irgendwann wieder.“

Richard bedankte sich bei dem schwarz gekleideten Mann für seine Worte und für das Amulett, das er sich um den Hals legte, wobei er ein wenig mit seiner Krawatte kämpfte. Mit einem festen Entschluss in seinem Herzen verließ er den mysteriösen Laden und trat hinaus in die Hitze des späten Nachmittags, bereit, sein Schicksal anzunehmen und die verborgenen Kräfte in sich zu wecken.

Die vor Hitze flimmernde Straße lag still vor ihm. Er war verwirrt, doch in seinem Inneren brannte ein Feuer der Entschlossenheit. Er spürte, wie sich das Amulett an seiner Brust erwärmte und eine seltsame Energie durch seinen Körper fließen ließ. Ein leises, etwas diabolisches Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich auf den Weg zurück zu seinem Wagen machte. Richard fühlte sich gestärkt von der Gewissheit, dass er seinen eigenen Weg gehen musste.

Es war spät geworden. War er so lange in diesem Laden gewesen? Er dachte kurz an den Kundentermin, den er verpasst hatte, nahm dann seine Krawatte ab und warf sie unachtsam auf die Straße. Düstere Schatten huschten über die Wände der alten Gebäude, aber er fürchtete sich nicht mehr vor der Dunkelheit – das Amulett, das um seinen Hals hing, gab ihm Trost und Zuversicht. Bei seinem Auto angekommen, stellte er seinen Koffer auf dem Bürgersteig ab und stieg ein. Er startete den Motor, ließ alle Fenster herunter, um die stickige Hitze aus dem Wagen zu vertreiben, manövrierte den Wagen nach mehreren vergeblichen Versuchen mühsam aus der engen Parklücke und fuhr aus der Stadt. Dann nahm er sein Handy aus der Innentasche seines Sakkos, das er achtlos auf den Beifahrersitz geworfen hatte, steckte es an das Ladekabel, das mit der USB-Buchse seines Wagens verbunden war, und wählte über die Freisprechanlage die Nummer seines Vorgesetzten.

Als Jochen Ott am anderen Ende abnahm, konnte Richard die Anspannung und den Zorn in seiner Stimme regelrecht spüren. „Richard, wo stecken Sie schon wieder? Der Kunde hat stundenlang umsonst auf Sie gewartet, verdammt noch mal! Wollen Sie, dass er den Auftrag bei der Konkurrenz tätigt? Keiner kann Sie erreichen! So geht das aber nicht!“ Jochen Otts Stimme klang durchdringend und ungeduldig. Doch dieses Mal spürte Richard keine Unsicherheit mehr. Mit fester Stimme antwortete er: „Jochen, ich habe etwas Wichtiges entdeckt. Etwas, das meine ganze Perspektive verändert hat. Ich werde meinen eigenen Weg gehen und meine wahre Bestimmung finden.“ Es folgte eine kurze Stille am anderen Ende der Leitung, bevor Jochen halb verwundert, halb ärgerlich antwortete: „Was soll das denn heißen, Richard? Sie haben Ihre Pflichten zu erfüllen, Sie haben keine Zeit für solche Spinnereien!“

Richard lächelte, während er aus dem Fenster auf die Straße im abendlichen Zwielicht blickte und auf die immer seltener auftauchenden Häuser, die in der zunehmend kühlen Abendluft an ihm vorbeizogen. „Ich verstehe, Jochen. Aber manchmal muss man sich selbst finden, um wirklich erfolgreich zu sein. Ach ja, und noch was: Steck dir deine Umsatzziele doch einfach in deinen viel zu fetten Hintern.“ Ohne auf eine Antwort zu warten, beendete Richard das Gespräch und warf das Handy aus dem offenen Fenster. Er verspürte eine tiefe Ruhe – das Gefühl, endlich bei sich angekommen zu sein.

Richard fuhr immer zielstrebig weiter, die Sonne schickte ihre letzten hellen Strahlen auf die weite Landschaft, die sich nun vor ihm erstreckte. Der nächtliche Fahrtwind strich durch seine Haare und brachte eine Klarheit mit sich, die Richard schon lange nicht mehr empfunden hatte. Das Amulett lag schwer auf seiner Brust, doch es schien ihm Kraft zu geben – Kraft, die er brauchen würde für das, was ihm bevorstand. Richard wusste zwar nicht genau, was ihn erwartete, aber er war bereit.

Das Haus im Sumpf

Meine Eltern und ich wohnten im letzten Haus auf der Straße, bevor diese sich in einen wilden, ungepflasterten Feldweg verwandelte. Der Weg führte durch ein sumpfiges Gebiet, einen kleinen Bach entlang, der zwischen großen Trauerweiden ruhig vor sich hinplätscherte. Nach etwa einer halben Stunde erreichte man schließlich ein dicht bewachsenes Wäldchen. Hohe Bäume ragten dort in den Himmel, und die Luft war erfüllt vom Geruch von feuchter Erde und nassem Moos. Der Boden war mit Disteln übersät, und die Farne wuchsen in riesigen Büscheln. Kleine Tümpel lagen versteckt zwischen den Pflanzen und lockten mit ihrem stillen, grünen Wasser allerlei Getier herbei, hauptsächlich Frösche, Kröten und Libellen.

Ein einsames Haus ragte dort wie ein düsterer Trabant des Dorfes zwischen alten, knorrigen Bäumen empor, einst wohl prächtig und stolz, nun jedoch verfallen und von der Zeit gezeichnet. Gerüchte besagten, dass es einst zu einer Mühle gehört hatte, die vom nahen Bach gespeist wurde, von der nun jedoch lediglich vereinzelte Überreste von Mauerwerk und vom Efeu überwucherte Fundamente übrig waren.

Das Haus stand isoliert in der wuchernden Vegetation. Vor allem Dornen und Brennnesseln wuchsen dort wie wild. Jedoch hielten weder sie noch der zum Teil sumpfige Boden uns Kinder von dort fern. Das alte, verwunschene Haus und sein üppiger wildromantischer Garten bildeten einen starken Kontrast zu den ordentlichen Häusern im Rest unseres Dorfes mit ihren penibel gepflegten Vorgärten und makellosen Fassaden.

Unsere Eltern missbilligten, dass wir in diesem Wäldchen spielten. Aber trotz ihrer Warnungen konnten wir der Verlockung dieses verbotenen Ortes nicht widerstehen – vor allem in den Sommermonaten. Und wie immer hatte unser Ungehorsam Konsequenzen – juckende Ausschläge und Kratzer von Dornen und Brombeeren.

Wir Kinder hatten dieses Wäldchen trotz aller Vorbehalte der Erwachsenen für uns beansprucht – dort hatten wir unser geheimes Versteck, verborgen im wilden Gewirr der Natur. Der Boden war übersät mit Zweigen und Blättern, die unter unseren Füßen knirschten, wenn wir durch das dichte Unterholz rannten. Schlingpflanzen hingen über uns und bildeten ein natürliches Blätterdach, das das Sonnenlicht filterte und gesprenkelte Schatten auf den Waldboden warf. Es fühlte sich an wie unsere eigene kleine Welt, ungezähmt und frei von den Regeln und Erwartungen der Erwachsenen. Obwohl es von unseren Eltern als gefährlicher Spielplatz angesehen wurde, war es für uns ein Zufluchtsort voller Abenteuer und Fantasie.

Wir erschufen uns unsere eigenen Legenden und stellten uns vor, wie die Moorleichen in Scharen auftauchten und des Nachts wie Zombies durch die Wälder schlichen. Erst bei den ersten Sonnenstrahlen des kommenden Tages würden sie wieder in ihre feucht-modrigen Gräber verbannt. Wir taten so, als wären wir unerschrockene Monsterjäger, die diesen nach Verwesung stinkenden Kreaturen bei ihrer ewigen Suche nach Fleisch mit unseren Erbsenpistolen und Gewehren aus Ästen den Garaus machten, um unser Dorf vor einer Invasion der Untoten zu beschützen.

Das einsame, halb verwahrloste Gebäude war jedoch nicht unbewohnt. In dem Haus wohnte eine alte Dame mit ihren zwei umherstreunenden Katzen. Die alte Frau war nie erfreut, wenn wir in der Nähe spielten, dann kam sie herausgestürmt und fluchte mit rauer Stimme. Ihr faltiges Gesicht verzog sich missbilligend, wenn sie uns schalt, weil wir zu laut waren. Aber wir konnten der Versuchung des verwunschenen Wäldchens nicht widerstehen, das uns an schönen Sommertagen wie der Gesang einer Sirene anlockte. Und so spielten wir jedesmal trotzdem weiter an unserem eigenen wundersamen Ort, an dem man das Wispern der Bäume wahrzunehmen meinte, die uns ihre Geheimnisse mitteilten. Wir ignorierten die Proteste der Alten einfach, schwelgten in der Freude unserer kindlichen Freiheit und ließen unserer Fantasie lautstark freien Lauf – der Verachtung der schrulligen Anwohnerin zum Trotz.

Unter uns hatte sich schnell das Gerücht verbreitet, dass die Frau im Wald mit ihrem riesigen Kräutergarten eine echte Hexe sei. Ihr Erscheinungsbild verstärkte diesen Eindruck nur noch mehr. Mit jedem stolpernden Schritt schien sie sich durch ihren Garten zu bewegen, als würde sie nicht laufen, sondern schweben. Ihre Haut war bleich und faltig, wie ein alter Umschlag aus vergilbtem Papier. Ihre graue Strickstola, die sie selbst in der schwülsten Hitze über ihren verkrümmten Schultern trug, flatterte in der Mittagsbrise wie die Flügel einer Fledermaus. Ihre Augen waren tief in den Höhlen versunken und funkelten bedrohlich unter den grauen Strähnen ihres wirren Haares hervor. Sie wirkte, als sei sie direkt einem dunklen Märchen entsprungen.

Oftmals schlichen wir uns in ihren Garten und gingen auf Zehenspitzen zwischen den wuchernden ungepflegten Hecken und bunten Sumpfblumen umher. Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen, sie zu ärgern und zu verspotten, indem wir riefen:

Heute um sechs

wird die Hex’

mit ihrem Besen

verbannt und verbrannt,

ab ins Feuer, Ungeheuer!

Meistens kam sie herausgerannt, und ihr fragiles Aussehen machte ihr wütendes Schimpfen noch einschüchternder. Sie fuchtelte mit ihrem knorrigen Gehstock in unsere Richtung, aber wir waren immer schneller als sie. Es war wie ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem sie die wilde Katze war und wir die flinken Mäuse, die gerade noch rechtzeitig davonsausten. Aber obwohl sie uns Angst machte, war da auch eine Spur Bewunderung für ihre Energie und ihre Kraft, die sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters an den Tag legte. Angesichts der Tatsache, dass sie zwar altersmüde, aber offenbar immer noch erstaunlich gut bei Kräften war, konnten wir nicht anders, als uns zu fragen, was für Abenteuer sie in ihrer Jugend wohl erlebt haben mochte.

Auf einen von uns wirkte sie so furchterregend, dass er sogar das Gerücht in die Welt setzte, sie könne kleine Kinder in Frösche verwandeln. Natürlich lachten wir alle darüber, aber viele fragten sich insgeheim doch, ob nicht vielleicht etwas Wahres daran sein könnte. Die Art, wie sie uns mit ihrem Blick nahezu durchbohrte, und die Vorstellung, dass sie mit ihren langen, knochigen Fingern in der Lage war, Hexenzauber zu wirken, gossen noch mehr Öl auf das bereits lodernde Feuer unserer kindlich unbedarften Spekulation.

Manchmal fing einer von uns einen Frosch aus dem Sumpf und sperrte ihn in ein Einmachglas. Wir versammelten uns dann um das arme Geschöpf und stellten uns mit besorgten Gesichtern die Frage, ob es ein von der alten Hexe verzaubertes Kind sein könnte, und wer genau es wohl einmal gewesen sein mochte. Daraufhin fragten wir uns spaßeshalber, ob der Tag wohl kommen würde, an dem uns das gleiche Schicksal ereilen sollte.

Natürlich glaubte keiner von uns wirklich, dass diese Möglichkeit real war; wir ließen einfach unserer kindlichen Vorstellungskraft freien Lauf und stellten uns die fantastischsten Dinge vor.

Es war an einem heißen Augusttag, als Timmy verschwand. Ohne Vorwarnung oder Erklärung fehlte er eines Tages in der Schule. Keiner von uns hatte ihn am Tag zuvor gesehen, und sein Fehlen hinterließ eine klaffende Lücke in unserer Schulklasse. Die Polizei wurde gerufen, um den Fall zu untersuchen, und befragte jeden von uns einzeln nach Hinweisen oder Informationen, die wir möglicherweise hatten. Es war eine schreckliche und verwirrende Zeit für uns alle, während wir versuchten, herauszufinden, was mit unserem Schulfreund wohl passiert sein mochte.

Die folgenden Tage vergingen ohne ein Lebenszeichen von Timmy. Gerüchte begannen sich zu verbreiten, er sei entführt worden, da es für ihn scheinbar keinen triftigen Grund gab, von zu Hause wegzulaufen. Seine Eltern waren immer warmherzig und freundlich zu mir gewesen, hatten mich mit offenen Armen empfangen und uns Limonade und Kekse serviert, wenn wir uns bei ihm trafen, um Das Schwarze Auge oder Dungeons & Dragons zu spielen. Timmys Zuhause war immer wie ein Zufluchtsort, erfüllt von Lachen und Wärme, doch jetzt fühlte es sich schrecklich leer an. Die Polizei durchsuchte Timmys Zimmer nach Hinweisen, die Aufschluss über sein plötzliches Verschwinden geben könnten. Aber alles, was sie fand, waren Erinnerungen an unsere glücklichen gemeinsamen Zeiten, verstreut auf den Regalen und an den Wänden. Wir fragten uns unablässig: Wo war Timmy? Warum war er gegangen, ohne ein Wort zu sagen? Unsere Besorgnis wuchs mit jedem Tag, der verging, bis der Erste von uns schließlich die Vermutung äußerte, er sei von der alten Hexe im Sumpf gekidnappt worden.