Reisen, Band 2 - Californien - Friedrich Gerstäcker - E-Book

Reisen, Band 2 - Californien E-Book

Friedrich Gerstäcker

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Beschreibung

Dies ist Band zwei von fünf in denen der große Reise- und Abenteuerschriftsteller von seinen Erlebnissen berichtet. Friedrich Gerstäcker war ein deutscher Schriftsteller. Er ist vor allem durch seine Bücher über Nordamerika bekannt

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Reisen, Zweiter Band – Californien

Friedrich Gerstäcker

Inhalt:

Friedrich Gerstäcker – Biografie und Bibliografie

Reisen, Zweiter Band – Californien

1. San Francisco im Herbst 1849.

2. Ein Streifzug in die kalifornischen Minen während der Regenzeit.

3. Schattenseiten.

4. Rückmarsch und Sacramento City.

5. Mission Dolores.

6. San Francisco im Frühjahr von 1850.

7. Goldwäscherleben.

8. Die Indianer Californiens.

9. Murphys new Diggings.

10. Der Mosquito-gulch.

11. Aus den Minen – Stockton.

12. Schluß.

Reisen, Band 2, F. Gerstäcker

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849615598

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Friedrich Gerstäcker – Biografie und Bibliografie

Roman- und Reiseschriftsteller, geb. 10. Mai 1816 in Hamburg, gest. 31. Mai 1872 in Braunschweig, Sohn eines seinerzeit beliebten Opernsängers, kam nach dessen frühzeitigem Tode (1825) zu Verwandten nach Braunschweig, besuchte später die Nikolaischule in Leipzig, widmete sich dann auf Döben bei Grimma der Landwirtschaft und wanderte 1837 nach Nordamerika aus, wo er mit Büchse und Jagdtasche das ganze Gebiet der Union durchstreifte. 1843 nach Deutschland zurückgekehrt, widmete er sich mit Erfolg literarischen Arbeiten. Er gab zunächst sein Tagebuch: »Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Nordamerika« (Dresd. 1844, 2 Bde.; 5. Aufl., Jena 1891) heraus, schrieb kleine Sagen und Abenteuer aus Amerika nieder und wagte sich endlich an ein größeres Werk: »Die Regulatoren in Arkansas« (Leipz. 1845, 3 Bde.; 10. Aufl., Jena 1897), worauf in rascher Reihenfolge »Der deutschen Auswanderer Fahrten und Schicksale« (Leipz. 1847; 3. Aufl., Jena 1899), »Mississippibilder« (Leipz. 1847–48, 3 Bde.), »Reisen um die Welt« (das. 1847–48, 6 Bde.; 3. Aufl. 1870), »Die Flußpiraten des Mississippi« (das. 1848, 3 Bde.; 10. Aufl. 1890) und »Amerikanische Wald- und Strombilder« (das. 1849, 2 Bde.) neben verschiedenen Übersetzungen aus dem Englischen erschienen. 1849–52 führte G. eine Reise um die Welt, 1860–61 eine neue große Reise nach Südamerika aus; 1862 begleitete er den Herzog Ernst von Koburg-Gotha nach Ägypten und Abessinien. 1867 trat er eine neue Reise nach Nordamerika, Mexiko und Venezuela an, von der er im Juni 1868 zurückkehrte. Seine letzten Jahre verlebte er in Braunschweig. Seine spätern Reisen beschrieb er in den Werken: »Reisen« (Stuttg. 1853–1854, 5 Bde.); »Achtzehn Monate in Südamerika« (Jena 1862, 3. Aufl. 1895) und »Neue Reisen« (Leipz. 1868, 3 Bde.; 4. Aufl.). Gerstäckers Reisen galten nicht wissenschaftlichen oder sonstigen allgemeinen Zwecken, sondern der Befriedigung eines persönlichen Dranges ins Weite; seine Schilderungen sind daher vorwiegend um ihrer frischen Beobachtung willen schätzbar. Ebenso verfolgte der fruchtbare Autor bei seinen zahlreichen Romanen und Erzählungen schlechthin Unterhaltungszwecke. Wir nennen davon: »Der Wahnsinnige« (Berl. 1853); »Wie ist es denn nun eigentlich in Amerika?« (2. Aufl., Leipz. 1853); »Tahiti«, Roman aus der Südsee (5. Aufl., das. 1877); »Nach Amerika« (das. 1855, 6 Bde.); »Kalifornische Skizzen« (das. 1856); »Unter dem Äquator«, javanisches Sittenbild (7. Aufl., Jena 1902); »Gold« (4 Aufl., Leipz. 1878); »Inselwelt« (3. Aufl., das. 1878); »Die beiden Sträflinge« (5. Aufl., das. 1881); »Unter den Penchuenchen« (das. 1867, 3 Bde.; 4. Aufl. 1890); »Die Blauen und Gelben«, venezuelisches Charakterbild (das. 1870, 3 Bde.); »Der Floatbootsmann« (2. Aufl., Schwerin 1870); »In Mexiko« (Jena 1871, 4 Bde.) etc. Seine kleinern Erzählungen und Skizzen wurden unter den verschiedensten Titeln gesammelt: »Aus zwei Weltteilen« (Leipz. 1851, 2 Bde.; 6. Aufl. 1890); »Hell und Dunkel« (das. 1859, 2 Bde.; 6. Aufl. 1890); »Heimliche und unheimliche Geschichten« (das. 1862, 3. Aufl. 1884); »Unter Palmen und Buchen« (das. 1865–67, 3 Bde.; 3. Aufl. 1896); »Wilde Welt« (das. 1865–67, 3 Bde.); »Kreuz und Quer« (das. 1869, 3 Bde.); »Kleine Erzählungen und nachgelassene Schriften« (Jena 1879, 3 Bde.); »Humoristische Erzählungen« (Berl. 1898) u. a. Unter seinen Jugendschriften verdienen »Die Welt im Kleinen für die kleine Welt« (Leipz. 1857–61, 7 Bde.; 4. Aufl. 1893), unter seinen Humoresken besonders »Herrn Mahlhubers Reiseabenteuer« (das. 1857, 11. Aufl. 1896) Auszeichnung. Gerstäckers »Gesammelte Schriften« erschienen in 44 Bänden (Jena 1872–79), eine Auswahl in 24 Bänden, hrsg. von Dietrich Theden (das. 1889–90); »Ausgewählte Erzählungen und Humoresken«, hrsg. von Holm in 8 Bänden (Leipz. 1903).

Reisen, Zweiter Band – Californien

1. San Francisco im Herbst 1849.

Mit der Einfahrt in das goldene Thor Californiens begann für mich jedenfalls ein neuer Abschnitt meines Lebens; die See lag wieder dahinten und das neue wunderliche Land mit den goldnen Träumen Tausender vor mir. Bald sollte ich mich von all dem tollen Gewirr eines solchen Lebens umrauscht sehen und es wäre eine sehr natürliche Sache gewesen, wenn sich der Mensch, als Vorbereitung zu einer so förmlichen Umwandlung seines ganzen bisherigen Treibens, etwas ernst und überlegend seinen eigenen Gedanken überlassen hätte, nicht so Hals über Kopf in das bunte Chaos einer, in der Geschichte noch nicht dagewesenen Periode, förmlich hineingeworfen zu werden. Weder ich aber, noch ein Anderer von uns, auf dem ganzen Schiff, dachte an etwas derartiges, denn jede Secunde brachte ein neues, immer wieder in sich selbst zerfließendes, sich neu gestaltendes Bild, und das Auge konnte sich nicht satt sehen an alle dem, was ihm in fast zu reichem Maße hier plötzlich geboten wurde. Uns war wie Leuten zu Muthe, die Monate lang in dunkler Gefängnißnacht gesessen haben, und jetzt plötzlich frei und unbehindert in das blendende Sonnenlicht treten – es ist etwas natürliches, daß sie im Anfang an nichts Anderes denken, als nur vor allen Dingen ihre Augen dem neuen starken Licht zu gewöhnen – das Uebrige findet sich nachher schon von selber.

Doch zu unserem Schiff zurück, und der Leser mag mit mir selber die Fahrt und das neue Leben beginnen.

Das »goldene Thor« Californiens ist wirklich ein prachtvoller Eingang für eine so herrliche Bai als die von San Francisco – an beiden Seiten heben sich steile schroffe Felshänge, wie auseinandergerissen durch die Gewalt des dagegen anstürmenden Meeres, empor, und meilenweit hinein führt eine, scharf von schrägabsenkenden Berghalden eingeschlossene Straße, die sich erst an der Nordseite der Bai von der dort vorragenden Spitze ab, auf welcher jetzt ebenfalls eine blühende Stadt Sausilita liegt, nordwärts, verschiedene andere Baien bildend, hineinzieht, und oben, in ihrer letzten Bucht die beiden Ströme Sacramento und San Joaquin aufnimmt.

Gleich rechts, und nur wenige englische Meilen im Innern, liegt ein kleines Fort die Einfahrt zu beschützen und vor uns breitete sich die Contraküste mit ihren braunen, allerdings etwas dürr aussehenden Hängen und einzelnen anderen, darüber noch hinausschauenden Bergkuppen, aus. Bewaldet schienen die Berge nicht, nur auf den Contraküstenbergen standen einzelne Gruppen hoher stattlicher Cedern.

Aber selbst das fesselte unsere Aufmerksamkeit nicht lange, denn wir spähten nach Zelten und Wohnungen am Ufer umher, und wie uns erst die dort weidenden Pferde und Rinder amusirt hatten, so rief bald hier bald da ein Ruf: »dort steht ein Zelt – dort bei den kleinen Büschen« – und da drüben wieder: »da stehen eine ganze Menge – das muß eine Stadt seyn!« und wie die Ausrufe alle hießen, den Blick bald der, bald jener Richtung zu.

Gegen Abend trieb uns eine frische Brise gegen die hier sehr starke Fluth doch verhältnismäßig ziemlich rasch an, weiter in die Bai hinein – je mehr wir vorrückten, desto mehr Zelte, in die verschiedenen kleineren Thäler oft malerisch genug hineingeschmiegt – wurden sichtbar, und mehr und mehr näherten wir uns, zwischen den kahlen und steinigten Hügeln hindurch, der Stadt selber – noch weiter vor, und an dem rechten Abhang wurden einzelne kleine Holzgebäude sichtbar.

»Aber man sieht ja noch gar Niemanden graben!« – rief eine Stimme vorn von der Back herunter, wo sich die meisten der Zwischendecks- und auch sehr viele von den Cajütspassagieren gesammelt hatten – »Donnerwetter ist da noch Platz am Lande!«

»Dorthinten waschen welche!« schrie ein Anderer begeistert – »da gerade in der kleinen Schlucht vor uns – dorthinten waschen welche« – jubelten Andere nach, und es war eine ordentliche Freude darüber, in der die guten Leute die ganze sie umgebende Scenerie zu vergessen schienen, bis wir dem bezeichneten Ort wo »welche wuschen« näher kamen und sahen, daß es ein paar dort in der Thalschlucht weidende Rinder gewesen.

Und rechts drüben – der Holzgebäude wurden mehr und mehr – das war San Francisco – und die Masten an der linken Seite des Hafens – aber der kleine Ort? Die Hügel verbargen uns noch den Anblick des größten Theils. Mit jeder Kabellänge ward mehr sichtbar, und jetzt – Mast an Mast, ein wirklicher undurchdringlicher Wald von Wimpeln und Stengen, dehnte sich die ungeheure Masse der dort vor Anker liegenden Schiffe aus. Dabei die kleinen Fahrzeuge die rechts und links hinüberschossen, da drüben die Zelte und Rinder- und Pferdeheerden, auf den Hügeln die immer deutlicher und zahlreicher auftauchenden Gebäude – das Auge fand gar nicht Zeit das alles was sich ihm neu und anziehend bot, zu fassen, zu überschauen.

Das meiste Interesse hatten aber doch für mich im ersten Augenblick die Schiffe. War es daß ich mir das Land gerade so gedacht hatte als es sich jetzt in Wirklichkeit zeigte, war es daß ich den verlassenen Talisman, für den ich allerdings nicht unbegründetes Interesse fühlte, da ja dort noch meine sämmtlichen Sachen an Bord seyn sollten, herauszuspähen wünschte – zwei deutsche Flaggen konnte ich dabei schon erkennen. Dicht daneben eine Hamburger, und dort, Seite an Seite mit einer zweiten Bremer Flagge, wehte diese, während oben auf dem Fockmast desselben Schiffes eine kleine Flagge mit einem großen H (Heydorn) flatterte. Das war der Talisman; gleich darauf kam auch Capitän Meyer in seiner Jolle heran, und zeigte uns den Platz wo wir ankern konnten. Fünf Minuten später rollte der schwere Anker in die Tiefe und wir befanden uns auf californischem Grund und Boden. Und Californien? Ich weiß wahrhaftig nicht wo ich beginnen soll – als ob alte Märchen mit ihren fabelhaften Schätzen plötzlich wieder aufgetaucht wären, so umwogte, so umtobte uns das Ganze und nur das noch fehlte daß eine unbestimmte Anzahl von Genien mit goldenen Geschirren voll Diamanten etc. hier auf- und abspaziert wären, so kam mir das erste Betreten des Landes vor. Die Leute sprachen von Gold, als ob es sich eben nur um gewöhnlichen Staub handle, und die für alles geforderten Preise bewiesen uns nur zu bald, daß es kein Traum, sondern trockene, wahre Wirklichkeit sey, was uns umgab.

Schon um ans Land zu fahren mußten wir einen Dollar à Person bezahlen, und am Lande selbst schien die aus dem Boden fast herausgezauberte Stadt von San Francisco weit eher einem Märchen als dem wirklichen Leben anzugehören.

Fremonts Hotel, ein zweistöckiges sonst an und für sich sehr unbedeutendes und kleines Haus, etwa so groß wie eine Pfarrwohnung auf einem Dorfe, stand wie ein Palast unter den kleinen niederen Holzhütten und Zelten, die nur solche Stellen respektirten, wo wirkliche Straßen angelegt waren, und sonst wild und bunt, bald nach dieser, bald nach jener Himmelsrichtung hin Fronte machend, durcheinanderstanden. Das schöne Wetter, da es im Sommer selten oder nie regnet, hatte die Leute dabei ermuthigt, jeden nur möglichen Stoff zu benutzen, eben ein Gefach eher als ein Dach zu bekommen und weniger der Witterung als den Blicken der Nachbarn und Vorübergehenden entzogen zu seyn. Häuser – wenn man sie überhaupt so nennen kann – waren aus dem leichtesten Sparren- oder vielmehr Schachtelwerk errichtet, und mit buntem faserdünnem Cattun überzogen – der blaugeblümte hatte dabei zu der einen Seite nicht ausgereicht und mit großen Stichen war dem ein rothcarrirter Streifen angeheftet, der den Raum ausfüllen sollte, bis vielleicht ein gelbes, in größerer Quantität vorhanden gewesenes Muster begann und die hintere Wand und das Dach vollendet hatte.

An manchem Zelt stack dabei eine schon vielleicht in Nordamerika gemalte Firma, größer als Wohnung und Waarenlager, im Boden, und die verschiedenartigsten Kattun- und Leinwandhotels luden überall den Fremden ein, seinen Hunger »um ein Billiges« zu stillen.

Man vergaß aber fast die Häuser, so wunderlich diese dem Fremden auch beim ersten Betteten der Stadt vorkommen mochten, über die Menschen, die sich in den Straßen hier theils anscheinend beschäftigungslos herumtrieben, theils arbeiteten, als ob sie sich in den nächsten Stunden damit eine unabhängige Existenz zu verdienen gehabt hätten. Lernte man das Treiben und Schaffen aber erst näher kennen, so theilte man sie bald in drei verschiedene und bestimmte Klassen ein, die sich deutlich und auffallend genug von einander unterschieden.

Die erste Klasse besteht aus den schon hier Wohnenden – fast nur Kaufleute, denn zum Fabriciren selber hat der Mensch hier noch keine Zeit – was nicht fertig in's Land geschafft wird, ist nicht zu bekommen – wer soll sich hier zu irgend einer, noch so gut bezahlten Arbeit hinsetzen, während er in den Minen die Klumpen Gold gleich fertig zum Einwechseln findet. Diese gehen ihren Geschäften nach – rasch und ohne mit einem der Nebligen zu verkehren – sie kennen das Leben und Treiben schon und brauchen sich nicht mehr darnach umzusehen – ihre Zeit ist aber auch Gold und deßhalb gehen sie schnell und halten sich nicht auf.

Die zweite ist die der Neuangekommenen – sie haben ihre Sache in Ordnung, auch schon Tag und Stunde bestimmt, wann sie nach den Minen aufbrechen wollen und benutzen nun noch die kurze Zeit, die ihnen geblieben, in den Straßen der Stadt umher zu schlendern und Alles anzustaunen und zu bewundern, was sie sehen, oder sich auch über die einzelnen wunderlichen Punkte lustig zu machen. Diese Gruppen bleiben vor den Cattunhäusern stehen und theilen sich lachend ihre Bemerkungen mit – machen Front vor den Eisenhandlungen, untersuchen die Schaufeln und Spitzhacken und wiegen die Brechstangen in der Hand, probiren die Waschmaschinen durch Hin- und Herschaukeln und erklären einander die Verwendung und den Nutzen der Siebe, und treten in die Spielhöllen, dort aber, um die etwas üppigen Bilder und goldbeschwerten Tische anzustaunen, um die sich aus den Minen Rückkehrende drängen, das mühsam Erworbene dagegen zu setzen und nur zu häufig zu verlieren. Diese Leute erfragen den Preis aller Waaren, kaufen aber nichts und sind für den Augenblick die richtigen Gentlemenbummler des Orts.

Die dritte Klasse ist die arbeitende, obgleich in einem unendlich verschiedenen Sinn von dem, was wir daheim unter arbeitender Klasse verstehen und diese könnte man eigentlich wieder in drei Unterabtheilungen bringen – in freiwillige Arbeiter, unfreiwillige und – äußerst erstaunte.

Die freiwilligen sind theils solche, die sich in ihr Schicksal hier gefunden haben, den Rock abwerfen, die Aermel aufstreifen und nun rüstig zugreifen und Löcher graben, die Stützen ihrer eigenen Häuser hinein zu stellen, Pfosten schleppen, Latten und Bretter annageln, oder auch für andere Leute Waarentransporte besorgen ec.

Die unfreiwilligen sind dagegen die – und es schwärmt von ihnen an der Landung, die hier nothgedrungen arbeiten müssen, weil es eben kein Anderer für sie thut und sie eben das Geld nicht erschwingen konnten, für einen einfachen Weg soviel zu zahlen, als sie sonst vielleicht nicht einmal den ganzen Monat in ihren Comptoirs frei verdienten. Diese arbeiten, ja, sie schleppen Kisten, Koffer und Körbe die steile Landung hinauf und über die staubigen Straßen, aber sie sind augenblicklich erkennbar – sie fassen Alles auf die ungeschickteste und traurigste Art an – sie ziehen dabei nicht einmal den Frack und die Glacéhandschuhe aus, mit denen sie, unglücklicher Weise dieß Land, Kalifornien, betraten und zerreißen sich lieber die Kleider, ehe sie sich entschließen möchten, in Hemdsärmeln auf der Straße zu erscheinen; nachher stehen sie aber, mit rothglühenden, erhitzten Gesichtern und unterlaufenen Augen bei den schweren, abgesetzten Packen, wischen sich keuchend den Schweiß von der Stirn – vielleicht gar mit einem fein battisten gestickten Taschentuche und betrachten traurig den in jede mögliche nur nicht die richtige Façon hineingedrückten Hut, der durch die, allerdings nicht für ihn passende und gemachte Kiste eben so zerdrückt und beschädigt wurde, als die Schulter des schwarzen Tuchrockes, in der ein vorstehender Nagel hängen blieb.

Die dritten bilden eigentlich keine besondere Klasse, sondern eher eine Unterabtheilung der zweiten, denn sie arbeiten ebenfalls unfreiwillig. Es sind solche, die vom Bord mit ihrem Gepäck abgesetzt sind und über das Land die Berichte wohl gelesen, aber mit einer Miene geglaubt haben, als ob sie sagen wollten, »ach, sie machen nur Spaß.« Diese finden sich jetzt ganz urplötzlich in die tollste Wirklichkeit hinein versetzt – sie stehen am Ufer dieses wunderbaren Reichs – ihr Koffer, ihre Kisten, ihre Hutschachteln stehen neben ihnen und kein Mensch bekümmert sich weder um sie, noch ihre Koffer, noch Kisten, noch Hutschachteln – wollen sie die Nacht nicht daneben sitzen bleiben, so müssen sie endlich wirklich selber – was sie bis dahin für gar nicht möglich gehalten – zugreifen und dieß unbehülfliche Gepäck die steilen staubigen Uferbanken hinaufschleppen. Alle zwanzig Schritt setzen sie aber ab – sowie nur irgend ein anderer Mensch die Bank herunter kommt – und fragen diesen, wie viel er haben will, ihnen ihr Gepäck in ein »Hotel« zu schaffen, und wenn der Mann, der genau wie ein Arbeiter bei ihnen zu Hause aussieht, ihnen die prutzige Antwort ergibt, »thut es selber – seht Ihr nicht, daß wir Anderen auch arbeiten?« dann bleiben sie ganz erstaunt stehen und sehen dem Mann nach, so lange sie ihm noch mit den Augen folgen können.

Die Landung wimmelt von solchen, und diese sind es denn auch, die leise und vorwurfsvoll, gleich in der ersten Viertelstunde vor sich hin murmeln – »und das ist Californien?«

Das Land selbst, nur gleich nach dem ersten Ansprung schon schildern zu wollen, wäre Wahnsinn, denn glaubt man den Leuten, denen man ein flüchtiges Gespräch abringt, oder die es drängt, ihr Herz auszuschütten, denn es gibt deren hier von beiden Klassen, so liegt nach den einen das Gold auf der Straße und nach den anderen ist ein Zuchthaus ein angenehmer Aufenthaltsort gegen die Minen, und soll der Fremde da schön beurtheilen können, wer recht hat? – Soviel scheint aber auf den ersten Anblick sicher, daß Geld hier in Masse zu verdienen ist, wenn man, wie in den Minen, die richtige Ader trifft.

In den Minen sollen jetzt (Herbst 1849) etwa 70,000 Menschen arbeiten – in San Francisco wohnten etwa 25,000. Doch ist es natürlich ungemein schwer, die Bevölkerung einer Stadt auch nur zu errathen, die fortwährend unterwegs ist und von der nicht der dreißigste Theil solche Wohnplätze hat, die ihn auch wirklich an die einmal gewählte Scholle binden.

Soweit ich das aber damals beurtheilen konnte was ich später hörte, bestärkte mich darin, so hatten die Kaufleute, die damals Waaren hierhersandten, wenn sie nicht gerade sehr günstige und gesuchte Artikel trafen, auch sehr unglückliche Spekulationen gemacht. Massen von Gütern lagen ohne Käufer, ja selbst ohne ein Obdach zu finden, in den Straßen herum und wäre die Fracht von hier fort nicht so enorm theuer gewesen, man hätte brillante Geschäfte machen können, Waaren hier aufzukaufen und wieder zurück nach Deutschland zu nehmen.

Ich trat an dem Morgen nur einmal in eine Auktion hinan, die man hier ebenfalls unter freiem Himmel, bei den dort herumgestreuten Gütern hielt und hörte, wie eine ganze Partie eben gelandeten chinesischen Thee's für fünf Cent (etwa 20 Pfennig) das Pfund zugeschlagen wurde – andere Sachen wurden fast in derselben Art fortgeschleudert – man konnte Waaren dort um jeden Preis kaufen.

Holz zu Häusern hielt damals noch einen enormen Preis, es waren Planken bis zu 300 Dollar hundert Fuß verkauft worden, Häuser kosteten im Verhältnis und waren nicht zu bekommen, und alle Welt hatte deren jetzt verschrieben und wartete auf die Ankunft. Miethen mußten, wie es sich von selbst versteht, in demselben Verhältniß bleiben. Man zahlte deßhalb für ein einzelnes Zimmer parterre, in einem guten Stadttheil, bis 200 und mehr Dollars Monatmiethe und diese Zimmer waren dann in der That oft nur eingeschlagene Pfosten mit Kattun überspannt – es kam aber nicht darauf an, wie die Orte aussahen, es galt hier nur für die Verkäufer ein Verkaufslokal zu bekommen, und das mußte unter jeder Bedingung, es mochte kosten was es wollte, geschafft werden.

Durch die eigenthümlichen Verhältnisse bedingt entstand aber auch ein neuer Erwerbszweig in dem Aufbewahren des Gepäcks für solche die nach den Minen gehen wollten – und wer wollte nicht dorthin. Die Leute hatten sich alle eine Masse Kisten und Kasten mitgebracht – wie sie meinten ihrer Bequemlichkeit halber – und fanden jetzt, daß sie nichts Unbequemeres auf der ganzen Welt hätten thun können, denn wenn sie die Sachen nicht geradezu wegwerfen wollten, so mußten sie dieselben irgendwo einstellen, und da Lagermiethe enorm war, ja nicht selten sogar vorausgezahlt werden mußte, dafür aber nicht die geringste Garantie gegeben wurde, so läßt sich ungefähr denken, welchen Nutzen diese Leute sich noch für spätere Zeiten von ihrem Gepäck versprechen konnten.

Was man mitgebracht hatte vielleicht zu verkaufen, daran war kaum ein Gedanke, es hätte Niemand etwas dafür gegeben, denn Jeder befand sich fast in denselben Verhältnissen, und auf gut Glück wurden nun Kisten und Kasten zu den Leuten hingeschleppt, die sich anboten, sie aufzuheben – man hätte sie oft ebenso gut auf freier Straße können stehen lassen.

Die Lagermiethe für einen mäßigen Koffer war durchschnittlich ein Dollar per Monat, für einen größeren Koffer oder eine Kiste 1 ½, ja 2 Dollar, je nach Umständen. Dort standen dann Kisten und Kasten unter einem nothdürftigen Dach, das jetzt bei dem herrlichen Wetter kaum die Sonnenstrahlen abhielt, wie sollte das werden, wenn die ordentlichen Winterregen einsetzten, wie wenn ein Feuer ausbrach – und der Gedanke daran war entsetzlich – aber was kümmerte das die Goldgräber, sie hatten ihr ganzes früheres Leben hinter sich abgeschnitten, sollten sie ihr Herz jetzt an einen Koffer hängen, und wenn er ihr letztes Hemd enthielt? Gott bewahre, fort – in die Minen, in einem Tag konnte man dort vielleicht so viel verdienen, als der ganze Koffer hier mit Haut und Inhalt werth war, weßhalb also jetzt auch nur noch ein Wort darüber verlieren, einen Gedanken daran wenden.

Nur Kisten und Kasten zu landen kostet dabei einen enormen Preis, ein gewöhnliches Schiffsboot voll schafften die Matrosen nicht unter 10 Dollars ans Ufer, und eben nur ans Ufer, und eine nur einigermaßen ordentliche Fuhre in die Stadt hinein konnte Niemand unter 2–3 Dollars bekommen; zwei bis drei Kisten machen aber schon eine solche.

Wie mit Waaren überhaupt umgegangen wird, mag folgendes Beispiel zeigen. Im Anfang fehlte es ungemein an Wäsche, alle Schiffe brachten aber halbe Ladungen davon hierher, und der Preis derselben sank oft bis unter den Einkauf. Handarbeit war dabei ungemein theuer, das Waschen also ebenfalls, so kam es denn, daß jetzt Massen von Hemden und Hosen, oft nur eine Woche getragen, sonst aber ganz unbeschädigt, auf der Straße lagen. Man trägt das Hemd, wirft es, wenn schmutzig, weg, und kauft sich – das Dutzend zu acht Dollars – ein anderes.

In gleichen Fall kommen die Kaufleute, die für ihren eigenen Gebrauch feine Hemden mit hier hergebracht hatten, und nun einsahen, daß sie weit besser thäten, sich billigere zu kaufen als die ihrigen zu solchem enormen Preis in die Wäsche zu geben. Wegwerfen wollten sie dieselben aber auch nicht und schickten jetzt, wenn sie eine Quantität davon zusammen hatten, ihre schwarze Wäsche mit dorthin abgehenden Schiffen nach China, sie im »himmlischen Reiche« natürlich für einen Spottpreis waschen zu lassen. Die Fracht kam sie ebenfalls wenig oder nichts zu stehen, und in sieben oder acht Monaten konnten sie ihre Hemden immer wieder haben.

Und da beklagen wir uns manchmal, wenn unsere Wäscherin zu Hause am anderen Ende der Stadt wohnt – lächerlich.

Heute war ich am unteren Werft und wünsche nur der Leser hätte auf einen Augenblick den Platz mit mir dort übersehen können. Der Landungsplatz lag von Gütern geradezu überstreut, als ob der ganze Strand eine einzige Barrikade bilden sollte, und wie viel, wie unendlich viel war davon verdorben: Fleischfässer aufgestoßen und der Inhalt verfault, Kaffeesäcke morsch und der Kaffee in den Schlamm getreten, Packpapier in ganzen Rießen vernichtet, Porcellan in den Körben zerschlagen, getrocknetes Fleisch in seinen Netzballen voller Maden, Schiffsbrod ausgestreut und beschmutzt u. s. w. Unberechenbar ist es wohl, für wie viel Dollars hier Güter im Freien liegen, unberechenbar der Schaden, den der letzte Regen unter ihnen angerichtet hat, wo unzählige Kisten und Ballen halb im Wasser standen und die Eigenthümer derselben den Inhalt ruhig mußten durchnässen lassen.

Einen fatalen Anblick gewähren die vielen Spielbanken – es müssen wenigstens 500 Spieltische (in den größeren Häusern oft sechs und acht in einem Zimmer) in der Stadt seyn und für jetzt zahlen sie der Regierung noch eine sehr beträchtliche Abgabe, ein gutes Ende nimmt es aber damit nicht, und wenn der Staat dem immer mehr überhand nehmenden Wesen gar nicht steuern will, so werden sich die Bürger wohl bald wieder, wie das auch in den Minen schon mehremal geschehen, zu einem Regulatorengericht zusammen thun, und mit den Spielern kurzen Proceß machen.

Interessante Scenen fallen dort übrigens oft genug vor. So trat vor einigen Tagen ein Mexicaner (die Spanier zeichnen sich überhaupt durch ihre Kaltblütigkeit beim Spiel aus) an einen Tisch und setzte einen ziemlich schweren Beutel, ohne weiter ein Wort zu sagen, auf eine Karte; der Spieler zieht ab und der Fremde hat gewonnen, jener öffnet den Beutel und glaubt nur Dollars verloren zu haben, wird aber todtenbleich, als er Dublonen findet. Er hatte nicht einmal genug Geld auf seinem Tisch, die Nachbarn halfen ihm aber augenblicklich aus, der Mexicaner wurde bezahlt, nahm seine beiden Geldsäcke – der Gewinn einer Minute mochte ungefähr 6000 Dollar betragen – und schritt ebenso ruhig und gleichmüthig wie er gekommen, wieder hinaus: so glücklich beim Spiel sind aber natürlich nur wenige, und Hunderte und Hunderte verlieren in diesen Schandhöllen in kurzen Stunden ihr Alles, was sie mit saurem Schweiß monatelang zusammengearbeitet hatten.

Deutsche gibt es in San Francisco in sehr großer Zahl, in der That sind viele der reichsten und angesehensten Einwohner Deutsche, von denen besonders viele mit der früheren freiwilligen Compagnie nach Californien kamen, und ganz urplötzlich, vielleicht selbst zu ihrer eigenen Verwunderung, Schätze sammelten. Auch in den Minen arbeiten große Massen unserer Landsleute, und unbegründet ist das Gerücht, das sich schon in Rio Janeiro verbreitete, daß der Gouverneur ein Gesetz erlassen wollte, nach welchem Ausländern – d. h. nichtamerikanischen Bürgern – das Goldgraben auf eigene Rechnung verboten seyn sollte. Demgemäß hat sich denn auch die Verbindung auf der Reform – die der sogenannten Haimonskinder – von selbst aufgelöst, und der eine von ihnen, der thöricht genug gewesen war, das Geld vorzustrecken, ist dießmal noch mit dem bloßen Schrecken davongekommen. Das nämlich, wofür er gerade das meiste ausgegeben, Zinkplatten und Segeltuch, konnte er hier, wenigstens nicht mit Verlust, wieder verkaufen, da man die Zinkplatten zu Dächern, das Segeltuch aber zu Zelten verwendet und viel davon bedarf.

Der alte Matrose, der seinen Halt an die vier jungen Leute nicht gern auszugeben wünschte, hat ihnen freilich noch einen neuen Plan, eine Art Compagnie im Goldwaschen angeboten, sie werden aber wahrscheinlich nicht darauf eingehen, wenigstens sind sie gewarnt genug.

Wunderbar ist es, daß bei dieser Menge von Einwanderern, die mit den kürzlich eintreffenden Schiffen ankommen, Arbeit noch so enorm im Preise ist – für Handarbeit wird mit größter Bereitwilligkeit 6 Dollars per Tag bezahlt, Tischler, Zimmerleute, Schmiede verdienen 10, 12 und 16 Dollars täglich, Kellner bekommen von 100 bis 150 Dollars den Monat Gehalt, nur Commis sehen sich in ihren Erwartungen getäuscht, denn die wahrhaft enorme Concurrenz und die riesigen Miethen zwingen die Kaufleute, sich soviel als möglich einzuschränken; die meisten von ihnen gehen deßhalb auch gleich in die Minen, oder treiben auf eigene Hand durch Ein- und Verkauf im Kleinen ein keineswegs schlecht lohnendes Geschäft.

Eigenthümlich war hier die gänzliche Mißachtung der Geldsorten, was sich freilich später bald änderte; Fünffrankenthaler gingen vollkommen gut als Dollar; selbst preußische, ehrliche rothbäckige preußische Thaler schlüpften für ihre edleren Namensvettern mit durch – Franken- und vier gute Groschenstücke passirten gleichfalls für Viertel, und acht gute Groschenstücke für halbe Dollars, ja selbst Louisdor für Eagles zu 5 Dollars. Kupfer kennt man natürlich gar nicht, und Papiergeld ebenso wenig. Es existirt auch schon hiergeprägtes Gold mit der Aufschrift California – soll aber nicht so gut seyn als das andere. Außerdem circuliren sehr viele geprägte kleine Barren von verschiedener Größe.

Höchst interessant sind die verschiedenen hier zusammengeströmten Nationen; besonders viele Chinesen gibt es, und sie haben mehre zu den besten gehörende Restaurationen errichtet. Es sind komische, aber industriöse fleißige Burschen, die zu allem was sie angreifen eine gewisse Geschicklichkeit mitbringen. Sie gehen ebenfalls in ihrer Landestracht, aber die Zöpfe haben sie, wie bei uns die Frauen, um den Kopf gelegt und befestigt; dieß aber, in Verbindung mit ihrer Tracht, macht sie manchmal den Frauen so ähnlich, daß ich ihnen schon oft nach den Füßen gesehen habe. Die Schönheiten China's scheinen jedoch sämmtlich in ihrem Mutterlande geblieben zu seyn, bis jetzt wenigstens konnte ich noch keine davon zu Gesicht bekommen.

Eine ungeheure Menschenmenge zieht fast täglich nach den Minen und es laufen sogar schon Dampfboote auf der Bay und den Sacramentofluß hinauf. Die Fahrt auf dem letzteren kostet jetzt 25 Dollars bis Sacramento City. Auf den Schoonern, die täglich in sich immer mehr begegnenden Oppositionen abgehen, kostet die Passage nur 14, ja auch 12 Dollars, in Steerage ohne Beköstigung. Diese Art der Beförderung ziehen die meisten nach den Minen abgehenden schon ihrer Billigkeit wegen vor, und auch wir werden uns morgen am 19. Okt. auf einem solchen kleinen Schooner nach Sacramento City einschiffen. Ungeheuer viel Einwanderer gehen jetzt nach Stockton, den südlichen Minen zu, die sehr ergiebig seyn sollen, mich zog es aber in die Berge hinauf, den alten Burschen, den grizzly Bear (graulichen Bären) auszusuchen, von dem hier fabelhafte Geschichten seiner Größe und Wildheit wegen erzählt wurden. Abenteuerlich genug ist das Leben jedenfalls, und ich kann wohl sagen, daß ich mich von Herzen darauf freue.

Was nun meine eigenen Sachen betraf, so standen die richtig noch an Bord des Talisman – d. h. das was von ihnen übrig war, denn zu dem was niet- und nagellos gewesen, schienen sich eine Menge Liebhaber gefunden zu haben. Der Capitän hatte nämlich von Valparaiso aus in meinen Platz schon einen anderen Passagier genommen, und nicht allein meine Sachen, wie schon erwähnt, mit fortgeführt, sondern auch nicht einmal darauf gesehen, daß sie später untergebracht wurden. Wie ich sie in meiner Coje gelassen so steckte er den fremden Menschen (einen amerikanischen Spieler, der auf der Reise von Valparaiso nach San Francisco die deutschen Passagiere nicht schlecht ausgezogen haben soll) hinein und kümmerte sich nachher den Henker was daraus wurde.

Ich darf mich übrigens darüber nicht groß beklagen, denn Capitän Meyer hat es auch bald darauf nicht besser mit seinem ganzen Schiff gemacht.

Das wenige Gepäck was mir also noch übrig geblieben war, stellte ich in dem Lokale der neuen Firma Pajeken Frisius und Comp. – ein kleines rasch errichtetes Breterhäuschen– ein, und gehörte nun der schon früher erwähnten zweiten Klasse der Neugekommenen an, die nur langsam und aufmerksam die Straßen durchschlendern und die Eindrücke, die sich ihnen überall bieten, mit einem eigentümlichen Gefühl der Ruhe in sich aufnehmen. – Die lange Fahrt hierher zu ist überstanden – das Minenleben mit seinen Beschwerden und Entbehrungen hat noch nicht begonnen, und diese Mittelzeit ist ein Punkt der Ruhe – eine Pause zwischen Ouvertüre und erstem Akt, und die darin lebenden Menschen befinden sich in dem eigenen Fall von Leuten die in's Theater gekommen sind ohne zu wissen ob ein Lust- oder Trauerspiel gegeben wird –jedenfalls aber hoffen sie sich zu amüsiren. Daß sie selber mitspielen sollen schwebt den meisten kaum wie eine dunkle, noch nicht einmal begriffene Ahnung vor.

Wenig anders erging es auch mir, und ich überließ mich ebenfalls dieser ersten Zeit so unbesorgt und ruhig wie nur möglich, hatte ich es denn auch nicht besser wie tausend Andere, denn das Gold was ich zu graben gekommen war, lag vor mir, sobald ich das Land betrat – ich brauchte nur einzuernten und ließ auch meine Zeit nicht unbenützt vorübergehen.

Die wenigen Tage die ich vor meinem Minenzug in San Francisco blieb, wohnte ich bei einem früheren Reisegefährten, dem Dr. Precht, der sich hier eine kleine Apotheke aufgestellt hatte und wacker an zu doktern fing. Das einzige was mir in der ganzen Zeit oblag, war, ein paar Briefe zu schreiben und die wenigen Sachen die ich auf einem Marsche noch brauchen würde, zu ordnen.

Auf der Reform schien es indessen ebenfalls bunt genug hergegangen zu seyn, denn der Capitän hatte sich im Anfang mit der Hoffnung geschmeichelt ihm würden die Leute nicht weglaufen, und er fand jetzt zu seinem nicht geringen Schrecken daß es allen Anschein hatte, als ob er nicht einen einzigen an Bord behalten sollte.

Hier kam nun auch manches zum Ausbruch was in See nur gekocht und gegährt hatte. Das was den Leuten entzogen war, würden sie vielleicht bald vergessen haben, wären sie nicht, eben durch das Weglaufen vieler Matrosen, gezwungen worden länger an Bord zu bleiben, indem ihr Gepäck nicht so rasch an Land geschafft werden konnte. Der Capitän war dabei unklug genug, sie auch hier noch mit ihren Lebensmitteln zu drängen. Er selber setzte sich dadurch den fatalsten und widerlichsten Scenen aus und die ganze Sache wurde noch durch Capitän Meyer verschlimmert, der vom Talisman herüberkam und die Leute zur Ordnung bringen wollte. Die Passagiere der Reform hatten aber schon von einzelnen der Talisman-Passagiere gehört, wie es dieser Capitän an Bord seines eigenen Schiffes getrieben, und anstatt irgend etwas auszurichten bekamen Beide eine Masse von Grobheiten, allerdings vom rohsten Theil der Passagiere, gegen die sie gar nichts thun konnten, und es sich ruhig mußten gefallen lassen.

Am tollsten wurde es aber, als die letzten Matrosen das Passagiergut in die große Barkasse hinunter gelassen und heimlich ihre eigenen Kleidersäcke mit hinzugefügt hatten. Eben als sie abstoßen wollten, merkte es der Steuermann und rief sie an zurückzukommen, sie lachten ihn aber aus, und als auf das gehißte Signal Capitän Meyer, trotz der früher erhaltenen Lektion, es doch nicht lassen konnte mit seinem Boot wieder herbei zu eilen, hätte dieser auch beinahe noch, Schläge bekommen, wenn er nicht rasch wieder abgerudert wäre.

Die Leute entkamen Alle in die Minen, und die Reform wie der Talisman theilten das Schicksal der übrigen Fahrzeuge, die erst lange ohne Mannschaft liegen und dann für frische Leute enormen Lohn bezahlen mußten.

Eigenthümlich ist es hier Nachts durch die Straßen zu gehen; Vorkehrungen gegen Diebstahl scheinen nirgends getroffen und die Sicherheit des Eigenthums ist wirklich merkwürdig. Die Waaren die sämmtlich unbewacht auf den Straßen liegen, bleiben unberührt, und die geringsten Kleinigkeiten stehen oft stundenlang unten am Strand oder vor irgend einer Thüre, ohne daß es auch nur jemanden einfallen sollte sich an ihnen zu vergreifen. Die Kaufleute, denen es bei den kleinen theuern Behausungen an Raum mangelt, lassen ihre Güter offen vor den Häusern, und selbst Weinkisten sind nicht, oder doch nur höchst selten, der Gefahr ausgesetzt einen fremden Eigenthümer zu finden. Die Strafe auf Diebstahl ist aber auch ungemein hart, und besteht in Peitschenhieben und bei größern Vergehungen wohl auch Strick und Galgen.

In den Minen haben sie das Lynchlaw und förmliche Regulatorengerichte; auf Diebstahl, selbst der geringsten Kleinigkeit, steht der Verlust der Ohren.

Die Indianer sollen wenig mehr zu fürchten seyn.

Die persönliche Sicherheit in der Stadt ist ebenfalls vollkommen; man sieht in den Straßen Waffen nur an eben Eingetroffenen; sonst trägt niemand, wenigstens nicht sichtbar, weder Pistolen noch Messer. Auch in den Minen soll, einzelne und zwar sehr einzelne Fälle abgerechnet, kein Mord in letzter Zeit vorgefallen seyn. Die Minenarbeiter nehmen sich, wenn sie nicht ganz weit ins Innere gehen wollen, nicht einmal mehr Gewehre mit. Provisionen und Geräth soll man ebenfalls fast so billig in den Bergen kaufen als hier unten, und die ungemein starke Verbindung des Hafens mit dem Innern läßt das auch erwarten.

Doch dieß sind nur die flüchtigen Eindrücke des neuen Landes und Lebens, die ich dem Leser hier noch einmal vorgeführt habe, damit er selber im Stande ist später der rasend schnellen, fast zauberartigen Entwicklung des Landes zu folgen. Es ist dieß auch nur ein Bericht von San Francisco, nicht etwa von Californien, den ich zu geben im Stande war; eben diese Eindrücke stürmten zu rasch und wechselnd auf mich ein und unmöglich schien es und ward es auch, von den tausend verschiedenen Gerüchten und Erzählungen das rechte und richtige zu sondern und auszuwählen. Und selbst San Francisco sah ich ja nur im Flug – es prägten sich mir nur dessen äußere Umrisse, die buntzerstreuten Zelt- und Holzhäusermassen mit ihrer aus allen Welttheilen gemischten Bevölkerung ins Gedächtniß, und mit diesen noch wild verworrenen Bildern, die erst die Zeit zu einem Ganzen ordnen sollte flog ich herein in das neue, durch Massen von Schilderungen schon so wunderlich ausgemalte, aber eben seines tollen Wesens wegen auch so heiß ersehnte Leben.

2. Ein Streifzug in die kalifornischen Minen während der Regenzeit.

Erst wenn man sich in San Francisco selber um die Mittel und Wege bekümmerte, von der Stadt weg und in die Minen zu kommen, begriff man eigentlich, wie es möglich sey, daß es in einem Hafenplatz an Arbeitskräften fehlen konnte, wo täglich, ja fast stündlich neue Schiffe einliefen und Schaaren von Einwanderern brachten, denen der hier gebotene Arbeitslohn, im Verhältniß zu den verlassenen Ländern, doch enorm, oder nach einem californischen Ausdruck eldoradisch erscheinen und sie verleiten mußte gleich auf solche etwas weniger abenteuerliche Weise, als es vielleicht früher ihre Absicht gewesen, das gesuchte Glück zu machen und Reichthümer oder doch wenigstens recht hübsche Ersparnisse aufzuhäufen. Ueberall an den verschiedenen Landungsplätzen strebte und drängte es von Tausenden, die sich jetzt eben so große Mühe gaben, von San Francisco wieder fort zu kommen, wie sie sich erst gegeben hatten, es zu erreichen; selbst die Zimmerleute ließen sich nur selten und, wenn es wirklich geschah, bloß auf sehr kurze Zeit bestimmen, den ihnen gebotenen Arbeitslohn von 16 bis 18 Dollars täglich anzunehmen. Alles, alles strömte nach den Minen und die kleinen dorthin abgehenden Dampfboote und Schooner schwärmten wirklich von Goldwäschern, die Pfannen, Maschinen und alles mögliche andere Handwerksgeräth und Kochgeschirr triefenden Angesichts an Bord schleppten und, selber rund herum mit Pistolen, Dolchen, Hirschfängern und Gewehren besteckt, endlich ihrem Gepäck nachfolgten, nach dem heißen Tag und von Schweiß naß die kalte Nacht an Deck zu schlafen und als ersten Anfang eine schauerliche, hier selten ausbleibende Dysenterie davonzutragen.

Aehnlich war es mit uns, nur daß unsere kleine Gesellschaft – denn es schließen sich gewöhnlich zu den Ausflügen in die Berge Bekannte oder Leute aneinander an, die für einander passen oder es wenigstens glauben – schon durch ihre wunderliche Zusammenstellung mir eine Art Interesse gewährt haben würde, wäre nicht das ganze neue Leben an und für sich interessant genug gewesen, meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen und zu fesseln.

Ich hatte mir eigentlich von Anfang an vorgenommen, auf dem Schiff keine Kameradschaft für die Minen einzugehen, sondern ungebunden meinen Weg zu verfolgen und es dem Zufall zu überlassen, mit wem er mich zusammenwerfen würde; aus verschiedenen Gründen änderte ich meinen Plan. Nur im allergünstigsten Fall dachte ich auch in den Bergen zu überwintern; nur ein Streifzug sollte dieß seyn, das Land kennen zu lernen, und je gemischter die Gesellschaft dabei war, desto lieber konnte es mir seyn.

Unserer sieben – ich mußte an die sieben Schwaben denken – gingen wir am 19. Oktober von San Francisco aus, d. h. wir accordirten in einem Bureau, das Reisende nach Sacramento City befördert, unsere Passage für 13 Dollars die Person (Deckpassage natürlich) und wurden beschieden, um 2 Uhr am Ufer zu seyn, wo uns ein Boot des Schooners Pomona an Bord bringen sollte. Unsere kleine Gesellschaft bestand aus zwei jungen Kaufleuten, einem Matrosen, einem Apotheker, zwei Berliner Israeliten und mir selber – die meisten, besonders die letzteren, schwer bewaffnet. Gepäck hatten wir jedoch, auf mein Anrathen, so wenig als möglich mitgenommen; nur etwas Wäsche und eine wollene Decke jeder nebst dem sonst nöthigen Bedarf an Munition und Eß- und Kochgeschirr. Auch ein paar Pfannen zum Goldwaschen waren nicht vergessen worden, Spitzhacken und Schaufeln wollten wir uns aber erst an Ort und Stelle anschaffen. Der Transport steigert solche schwere Artikel sonst zu einem zu hohen Preis.

Schlag 2 Uhr – die Deutschen sind meistens pünktlich – standen wir, des Bootes harrend, am Ufer und hatten dort zwei volle Stunden lang Gelegenheit, das rege Drängen und Treiben des neu und wie der Erde entsprungenen Welthafens zu beobachten. Ueberall keuchten die Leute unter schweren Lasten das steile Ufer herauf – es waren die Passagiere mehrerer eben angekommener amerikanischen Schiffe; in Schweiß gebadet und zum Tod erschöpft stiegen sie herauf und hinunter und ich hörte, wie sich einige mit etwas bedenklichem Kopfschütteln zuriefen – that is California.

Ein kleines Dampfboot war ebenfalls gerade gelandet und hatte Leute aus den Minen zurückgebracht – zwei Wägen hielten unten und in jedem lagen ein paar Kranke, die von ihren Kameraden unterstützt in die Stadt herausgeschafft wurden.

»You are for the mines?« frug mich ein alter, sonngebräunter Amerikaner, der an uns vorüberschlenderte, stehen blieb und mit einer Art halbversteckten spöttischen Lächelns – er hatte übrigens alle Ursache dazu – unsere kleine Karawane beobachtete, »Yes we are,« lautete die kurze Antwort; der Mann war aber nicht so gleich abgefertigt – a wink is as good to a blind horse, as a nod, fuhr er auf etwas ungenirte Weise fort, »wenn Ihr aber einen guten Rath annehmen wollt, so bleibt Ihr die Regenzeit durch – die schon in vierzehn Tagen anfangen kann – in San Francisco; geht Ihr in die Berge um zu waschen, so könnt' es recht gut seyn, daß Ihr gewaschen würdet – verstanden?« Ja, du lieber Gott, der gute Mann sprach in den Wind – in der That kam der Rath auch ein bischen spät – ich machte ihm begreiflich, daß wir unsere Passage nach Sacramento City schon accordirt und bezahlt hätten und jetzt unter jeder Bedingung die Folgen auf uns nehmen müßten.

»Schon bezahlt?« sagte er, »und wahrscheinlich auf einem Schooner, Deckpassage?« Ich nickte bloß mit dem Kopf, der Alte aber schob, ohne weiter etwas zu erwiedern, seine beiden Hände so tief als möglich in die Hosentaschen hinein, drehte sich auf dem Absatz herum, pfiff aus Leibeskräften und stiefelte mit langen Schritten die Straße hinunter.

Mir gefiel das Manöver gar nicht – der alte Bursche hatte augenscheinlich schon viel von Californien gesehen; jede weitere Betrachtung wurde aber durch die Ankunft des ersehnten Bootes vom Schooner aus unterbrochen und das Einladen und Einsteigen nahm jetzt unsere Aufmerksamkeit viel zu sehr in Anspruch um noch an etwas anderes vorderhand auch nur denken zu können. Der Schooner lag zwischen den andern Schiffen und von diesen ziemlich dicht eingeschlossen; aber, lieber Gott, wie sah es an Bord aus! kein Platz war, wohin man auch nur den Fuß setzen konnte, überall Mehlsäcke, Fässer, Breter und Planken, und Menschen. Mann an Mann standen sie zwischen diesem Chaos von Frachtgut herum und schienen unsere Ankunft, als eine neue Plage, nur sehr ungern mit anzusehen. Hier half aber weiter kein Besinnen, wir sprangen an Bord, stauten unser weniges Gepäck so viel und so eng wie möglich aus dem Weg und suchten uns dann, so gut als das in diesen Verhältnissen anging, einzurichten. Erst mit Sonnenuntergang wurde der Anker gelichtet und der Schooner, einer der größten, die den Sacramento befahren, setzte sich langsam in Bewegung.

Unsere Freude sollte nicht lange dauern; durch schlechte Führung trieb er von seiner Bahn ab und auch gleich darauf mit dem großen Segel, ehe dieses ganz niedergelassen werden konnte, in den Clüverbaum einer zu Leebord liegenden Brigg hinein. Das Segel wurde total zerrissen, und ehe der Schooner frei gemacht und dieses ausgebessert werden konnte, war die Nacht so weit vorgerückt, daß an keinen Aufbruch vor morgen früh mehr gedacht werden durfte.

Ein schöner Beginn der Reise! Die Nacht brach kalt und feucht herein und der Aufenthalt an Deck war wahrhaft traurig. Dazu trug ich besonders ganz leichte Kleidung, und nach dem vielen Herumrennen den Tag über fröstelte es mich so, daß ich mich in meiner Decke, auf ein paar Mehlsäcke und über einige Kistenecken hingestreckt, kaum zu erwärmen vermochte.

Am nächsten Tage gegen Mittag gingen wir allerdings unter Segel, legten aber nur eine ziemlich unbedeutende Strecke, bis zu dem kleinen an der Bai gelegenen Städtchen Benitia, zurück, und liefen am nächsten Tage sogar (der verwünschte Schooner ging 10 Fuß tief und es wurde uns jetzt gesagt, daß einzelne der seichtesten Stellen im Sacramento nur acht Fuß Wasser hätten – Sacrrramento –) auf den Strand. Es war zum Verzweifeln.

So gesund und wohl ich mich bis dahin auch gefühlt hatte, bekam ich jetzt doch durch den wirklich nichtswürdigen Aufenthalt an Bord (am Lande waren uns very good accommodations for deckpassengers mit vielen Betheuerungen zugesichert) eine sehr bösartige Dysenterie, und zum erstenmal zwang sich mir der Gedanke auf, dem ich bis dahin immer absichtlich ausgewichen war, wie entsetzlich es doch seyn müsse, wenn man jetzt hier, in dem fremden Land, in den fernen Bergen, unter lauter Goldsuchern, denen der Mammon Alles, der Mensch Nichts ist – ernstlich krank würde. Schon solche Gedanken beweisen eine Unordnung in unserem Organismus, denn der vollkommen gesunde Körper denkt selten oder nie an solche Augenblicke – er erspart die Furcht solchen Zustands auf die Zeit, wo er wirklich eintreten sollte.

Montag den 22. erleichterten wir den Schooner auf ein kleines Flatboot, das vom Capitän aus dem nächsten Städtchen beigebracht war und segelten dann, Benitia gegenüber, dem kleinen Städtchen Newyork zu, um dort, wie gesagt wurde, für die Nacht wieder Anker zu werfen.

Der Capitän der Pomona – so hieß der Schooner – Peterson mit Namen, ein amerikanisches Exemplar der erbärmlichsten Art, wie sie in den vereinigten Staaten meist nur unter den niedrigsten Volksklassen gefunden werden, der den Mund nicht aufthat, ohne einen widerlichen Fluch auszustoßen und augenblicklich eingeschüchtert war, sobald man ihm fest entgegentrat, tobte indessen an Deck herum und verdammte und verwünschte seinen »Mate« oder Steuermann, ein eben so ruhiges Subjekt, als er roh und wild zu seyn schien. Beide verstanden aber auch gleich viel von der Schifffahrt, sie hatten die Stelle angenommen, weil sie enorm bezahlt wurden und gut Glück mußte ihnen jetzt den Sacramento hinaufhelfen, oder sie blieben unten. Im Anfang ärgerten wir uns über den ungeschlachten, rohen Gesellen, zuletzt hatten wir aber unseren Spaß darüber und sein – take in that flying jib – God damn your souls und ähnliche Ausrufungen, von denen eine der anderen blitzschnell folgten, wurde meist von einem Lachen der Passagiere begleitet.

Das Lachen sollte uns aber doch vergehen, als wir vor Newyork geankert hatten, und jetzt, am fünften Tage unserer Abfahrt, von San Francisco eine Strecke entfernt waren, die ein Ruderboot in einem Tage hätte zurücklegen können, während der Lichter, der uns vorher einen Theil der Fracht abgenommen, wieder zurückkam und Alles das auf's Neue an Bord bringen wollte. Dadurch wurde der Schooner jedenfalls wieder auf seine 10 Fuß gebracht, und wie konnten wir damit über die anderen seichten Stellen hinüberkommen?

Die Wahrscheinlichkeit, sich auf diesem Marterkasten solcher Art noch wochenlang herumtreiben zu müssen, lag hier zu sehr zu Tage, lieber also einen Theil der Passage oder selbst die ganze Passage verloren, und jetzt, wo man noch Gelegenheit bekommen konnte, diesen nichtswürdigen Schooner verlassen, als Gesundheit und Zeit nutzlos auf's Spiel gesetzt.

Wir Deutschen weigerten uns erst, die Güter wieder an Bord zu lassen, da wir aber sahen, daß die Anderen zu gleichgültig dabei waren und uns nicht gehörig unterstützten, beschlossen wir, diese dann auch für sich selber handeln zu lassen und versicherten den Capitän, wir würden ihn seinen Schooner nur wieder nach seinem Gefallen tief laden lassen, wenn er uns durch Rückzahlung eines Theils des Passagegeldes von unserem und dadurch von seinem Contrakte entbinde. Damit schien er ungemein gern einverstanden, wir bekamen, Jeder von uns fünf von unsern eingezählten zwölf Dollaren zurück und mietheten jetzt die Jolle eines dort müßig vor Anker liegenden amerikanischen Schiffes, die »Sabine«, deren Capitän selber es unternahm, uns für 10 Dollars per Mann nach Sacramento zu bringen.

Die Sabine war eines jener zahlreichen amerikanischen Schiffe, die von Haus aus darauf berechnet ausliefen, ihren vollen Werth verdient zu haben, wenn sie nur eben San Francisco erreichten – alles Uebrige mußte dann reiner Gewinn seyn. In fast sämmtlichen Städten der östlichen Staaten waren solcher Art Gesellschaften, theils bekannter, theils fremder Leute zusammengetreten, und hatten alte und neue Schiffe, wie sie gerade zum Gebrauch da lagen, gekauft, sie nach San Francisco zu führen. Zweihundert Personen gewöhnlich vereinigten sich (nach der Größe des Schiffes natürlich mehr oder weniger) und indem Jeder einen Theil, wie für seine Passage zuschoß, richteten sie sich auch mit dem Ankauf von Provisionen so billig als möglich ein, und deckten das Uebrige mit der Fracht, die sie hie und da gemeinschaftlich nahmen, oft auch Einzelnen für die üblichen Preise überließen.

Schiffsrheder bekamen aber durch solche Gesellschaften ganz urplötzlich eine vortreffliche Gelegenheit, alte, schon fast vergessene und abgenutzte Kästen von Seeschiffen wieder in den Markt zu bringen und auch fast augenblicklich nach der ersten Ankündigung zu verkaufen. – Die Leute sollen sich oft um neu angezeigte Schiffe gerissen haben, um rasch sich selber und ihre Effekten dem neuen Eldorado zuzuführen. Schiff galt damals als Schiff und wenn es nur auf dem Wasser schwamm und Ruder und Segel hatte, schien es allen Bedürfnissen entsprochen zu haben, die nur je von ihm verlangt werden konnten.

Die Folgen blieben nicht aus. – Fahrzeuge, die schon lebensmüde und pensionirt in den verschiedenen Häfen herum lagen, wurden noch einmal auf die Docks geschleppt, nothdürftig dicht gemacht, neu gekupfert und gemalt; wenige Wochen später standen sie als »neue kupferfeste Schiffe« oft sogar mit anderen Namen als sie früher getragen, in den Zeitungen, und die Eigenthümer brauchten nicht lange zu warten. Schneller als sonst das beste tüchtigste Fahrzeug seinen Kaufmann gefunden, waren sie losgeschlagen, beladen und verproviantirt, und die Goldfieberkranken schifften sich auf ihnen mit gutem und fröhlichem Muth zu der gefährlichsten Seereise ein, die wir für die gewöhnliche Schifffahrt haben, zu einer Reise um das Cap Horn.

Viele haben solchen Leichtsinn auch wohl mit dem Leben gebüßt, manches alte morsche Fahrzeug konnte nicht mehr mit den gebrechlichen Rippen gegen die gewaltige See und den stürmenden Südwest jenes Himmelsstrichs ankämpfen, vergebens war pumpen wie beten – kein rettender schützender Hafen in der Nähe, und Tausende von Unglücklichen haben dort ein kaltes trostloses Grab gefunden; Viele erreichten aber auch, oft selbst wider Erwarten des früheren Eigenthümers, vielleicht von Wind und Wetter gerade an den gefährlichsten Stellen begünstigt, den sicheren Hafen und lagen dann nachher von Eigenthümern wie Mannschaft verlassen, von der mitgebrachten Fracht geräumt, wie ein auf dem Schlachtfeld gefallener Krieger am Strande und mußte nur noch sehen, wie »die Kroaten kamen und ihn plünderten,« wie ihm Takelwerk und Segel, die Raaen und Stengen ausgenommen wurden und man die prüfende Axt sogar in den morschen Mast schlug – aber den durft' es behalten – bis ihn die Nachbarn sich zu Feuerholz holten.

Die Sabine war von einer Anzahl Leute aus Newyork solcher Art gekauft worden, und der Capitän, ein jovialer, wohlbeleibter Bursch mit gutmüthigen blauen Augen und dunkel blonden Haaren, der die Jolle selber steuerte und regierte, und uns bald darauf mit günstigem Winde den schönen, von dichten Sycomoren und Eichen und wilden Reben überhangenen Sacramento hinaufführte, erzählte uns bald die ganze Geschichte.

Die Leute, die mit diesem Schiff gekommen, Passagiere und Eigentümer zusammen, hatten den größten Theil ihrer Provisionen schon mitgenommen und waren erst einmal in die Berge recognosciren gegangen; wenn es ihnen gut da oben ging, oder wenn sie das Andere brauchten, wollten sie es nachholen, und er hatte so lange die Verpflichtung übernommen mit drei seiner Leute an Bord zu bleiben. Die drei Leute waren ihm aber auch kürzlich davon gelaufen und das Schiff lag nun, wenn er es auf eine Zeit lang verließ, ohne eine einzige Seele als Wache da. Er hatte das langweilige Leben übrigens satt und wartete mit Schmerzen auf die Zeit, wo der Rest der Vorräthe abgeholt wurde, um ebenfalls »to the diggings« aufzubrechen.

Ehe wir übrigens in den Sacramento einliefen, hatten wir noch die Genugthuung, die Pomona zu passiren, die wieder fest wie ein Baum auf dem Sande der Barre saß – die Passagiere standen oben und schauten, uns um unseren kleinen raschen Kahn beneidend, herüber, und der Capitän fluchte wieder mit seinem Steuermann an Deck herum. Das Letzte, was wir von ihm hörten, war »take down that mainsail – damn you all together.«

Den Abend lagerten wir, ein Stück im Strom hinauf, am Ufer, in der Nähe mehrerer indianischer Wigwams, und am nächsten Nachmittage, etwa um drei Uhr kamen wir in Sicht von Suttersville – etwa viel englische Meilen unterhalb Sacramento City.

Die Ufer des Sacramento sind flach, aber fast überall dicht bewaldet, und es war ein eigenthümlich wohlthuendes Gefühl, in dem kleinen sicheren Fahrzeug unter dem düsteren schattigen Laube der herrlichen, von wilden Reben oft dicht durchflochtenen Eichen hinzugleiten und wieder einmal nach so langer Zeit den Blick an dem kräftigen, ja prachtvollen Baumwuchs zu werden.

Der Wald erstreckt sich übrigens an manchen Stellen auf etwas über eine englische Meile, an anderen nur in schmalem Saum allein am Ufer des Sacramento hin, denn zwischen diesem und den Küsten- wie Goldbergen, wie man jetzt die, erste Hügel- oder Bergreihe der Sierra nevada zu nennt, dehnt sich eine weite baumlose Ebene aus, eine Art Steppe, großentheils mit schilfigem Gras bewachsen, oft aber auch herrliche Wiesen bildend, und weite sumpfige Strecken dienen da noch dem Hirsch und Elk (Riesenhirsch), wie zahlreichen Antilopenheerden, ja selbst dem grizzly Bär, dem Schrecken des furchtsamen Jägers, zum Aufenthalt. Der Sacramento hat aber auch hier eine ziemliche Ausdehnung und weniger mit den, den Fahrzeugen so gefährlichen eingeworfenen Baumstämmen oder »snags«« gefüllt, als die Gewässer der atlantischen Staaten, wird er in späterer Zeit für die Schiffahrt gewiß bedeutend werden. Selbst größere Schiffe, Barken, Briggs und sogar kleine Dreimaster, gehen schon jetzt bis Sacramento City hinauf, und kleine Dampfboote begegneten uns mehremale, die, mit Passagieren beladen, die Tour von Sacramento City bis San Francisco in sechsunddreißig Stunden zurücklegten.

Einzelne Snags ragten aber doch hie und da aus dem Wasser vor, und wir hatten, eben an einigen vorüberkommend, aufmerksam nach vorn ausgeschaut, wo wieder ein dunkler Gegenstand im Fluß, und zwar mitten im Fahrwasser, die Nähe eines solchen heimtückischen Burschen zu verrathen schien, als der Capitän meinte, es seyen in letzter Zeit, gerade in dieser Gegend etwa, mehre Brandyfässer mit dem besten Brandy gefüllt, aufgefischt worden, und das dunkle Ding davorne komme ihm eher wie ein brandy keg als ein snag vor. Da wir mit unserem leichten Boot immer rasch zur Seite abbiegen konnten, hielten wir also ohne weiteres darauf zu, und näherten uns jetzt schnell dem, jedes Aufmerksamkeit fesselnden Gegenstand.

Ich weiß nicht, warum mir gleich beim ersten Anblick desselben ein Augenblick auf dem rio roxo in Nordamerika einfiel, wo ich, den Strom in einem Canoe hinabgleitend, die Leiche eines Ermordeten traf, die still und unheimlich, mit dem durchstochenen Rücken eben über der Oberfläche des Stromes, diesen niedertrieb. Das im Gedächtniß, schaute ich scharf und mißtrauisch nach dem vermutheten Branntweinfaß hin, und eine Art Schauer war's, mit dem ich auch hier eine Leiche erkannte. Mein Ausruf leitete die Hand des Steuernden, der das Boot rasch daran vorüberschießen ließ, dann aber den Bug desselben wieder der Leiche zuwandte, und unschlüssig hielt, was er damit thun sollte.

Eigentlich muß Jeder, der einen todten menschlichen Körper findet, Anzeige davon machen. Man hat, glaub' ich, dabei auch Anspruch auf eine kleine Vergütung; zugleich sind aber auch eine Masse Umstände damit verknüpft, und nicht einmal im Besitz eines Seils, das wir um den Körper hätten schleifen können, zogen wir es vor, die Leiche ruhig treiben zu lassen, und dafür in dem noch eine halbe englische Meile entfernten Städtchen Suttersville Anzeige davon zu machen. Das thaten wir, schickten aber auch noch vorher ein anderes Boot, dem wir begegneten, dahinter her, und erreichten etwa um 4 Uhr Nachmittags Sacramento City.

Sacramento City – ein etwas hochtrabender Name, da City nur eigentlich den größten Städten beigelegt wird – ist vom Fluß aus, trotz dem flachen Ufer, gar nicht zu erkennen, da man die Bäume unmittelbar am Ufer stehen gelassen hatte; zahlreiche Schiffe jeder Gattung aber – jedoch nur amerikanische, da nur dieser Flagge das Befahren der Inlandströme gestattet seyn soll – zeigten deutlich die Nähe eines bedeutenden Platzes an, und bunt und zahlreich genug waren auch Zelte und kleine hölzerne Wohnungen – die erstem jedoch bedeutend in der Majorität – über einen weiten offenen, vor uns ausgebreiteten Raum zerstreut. Ueberall standen dabei Wägen neu Gekommener, und lagerten Gruppen von Männern, ja hier und da gingen sogar aus den etwas größer und wohnlicher aussehenden Zelten Frauen – eine seltene Erscheinung in Kalifornien – aus und ein, und gaben der sonst so wilden Scenerie einen ordentlich traulichen Anstrich.

Wir mußten, da die Plätze unter den noch stehenden Bäumen in der Nähe schon alle besetzt waren, eine ziemlich offene Stelle zum Lagern wählen, und ich wickelte mich die Nacht, mit meiner Gesundheit eben nicht recht zufrieden, in meine Decke. Wenn ich jetzt – hier krank wurde, dann war in sehr kurzer Zeit meine ganze Baarschaft am Ende und was dann? Ist der Körper, oder eigentlich der Magen nicht recht in Ordnung, so kommen dem Menschen auch allerhand trübe und häßliche Gedanken, und die ganze Welt sieht auf einmal schwarz aus; meine Dysenterie zeigte sich dabei immer bösartiger, und ich war so matt, daß ich mich kaum auf den Beinen erhalten konnte, wieder aber fühlte ich auch, daß hier keine Zeit, kein Ort sey, mich der Krankheit hinzugeben und daß ich mich gewaltsam zusammennehmen mußte; was man muß, geht dann auch gewöhnlich.

In Sacramento City wollten wir aber auch nicht länger liegen bleiben, als unumgänglich nöthig war unsere Reisebedürfnisse in Ordnung zu bringen, und das einzukaufen und herzurichten war jetzt die Hauptsache. Vor allen Dingen brauchten wir ein Maulthier, die nöthigen Provisionen für uns sowohl, wie auch einen Theil unseres Gepäcks zu tragen; ich ging deßhalb am nächsten Morgen mit einem der Unserigen nach dem Theil der Stadt, wo, wie uns gesagt worden, jeden Morgen von zehn Uhr an Auktion aller möglichen Gegenstände, besonders aber von Pferden und Maulthieren sey, um dort ein passendes Thier zu finden und für unsern Gebrauch anzukaufen.

Ich wollte, meine deutschen Leser hätten das Treiben dieses Sacramentoauktionmarktes mit ansehen können. Eine der breitesten Straßen der Stadt, meistens noch aus Zelten oder kleinen Schachtelhäusern bestehend, diente, von alten mächtigen Eichen überschattet, zum Schauplatz dieser ununterbrochenen Verkäufe, und hier versammelten sich deßhalb in der schon bekannten Tageszeit alle Geschäftsleute oder Müßiggänger Sacramento's, sey es nun zu kaufen, zu verkaufen, oder auch bloß das Gewirr und Treiben mit anzusehen, und gelegentlich die Preise der verschiedenen Sachen zu erfahren. An mehreren Stellen standen, auf Baumstümpfen oder Fässern, lange Yankees – die »downeasters« sind unverkennbar, wo sie sich auch in der Welt sehen lassen mögen – und priesen und versteigerten, mit oft fabelhafter Zungengeläufigkeit, und mit nur selten unterbrochenem »going, going, going, going, going,« Kleider, Wäsche, Waffen, Schmuck, Provisionen. Diese hatten jedoch nur ein verhältnißmäßig sehr kleines Publikum, denn der größere Theil bildete mitten in der Straße eine Art Gasse, in welcher, unter einem fortwährenden Durcheinanderschreien, acht oder zehn Verkäufer auf ebenso vielen verschiedenen Thieren, Maulthieren oder Pferden, hin und hersprengten.

»Achtzehn Dollars, Gentlemen, nur