Resilienzförderung und Prävention sexualisierter Gewalt in Kitas - Simone Pfeffer - E-Book

Resilienzförderung und Prävention sexualisierter Gewalt in Kitas E-Book

Simone Pfeffer

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Beschreibung

Der Band stellt ein positiv evaluiertes Bildungs- und Präventionskonzept vor, das Resilienz und Sicherheit im Kindergarten durch Kompetenzförderung unterstützt. Neben der Förderung allgemeiner Lebenskompetenzen werden mit einigen Übungen Schutzfaktoren aufgebaut, die spezifisch der Prävention von sexualisierter Gewalt dienen. Bei Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren steht dabei die Förderung von Basiskompetenzen im sozial-emotionalen, körperbezogenen und sprachlichen Bereich im Vordergrund. Weiterhin zielt das Konzept darauf ab, Fachkräfte und andere Bezugspersonen für das Thema sexualisierte Gewalt zu sensibilisieren und sie in ihrem Schutzhandeln zu stärken. Der erste Teil des Buchs beinhaltet Hintergrundinformationen zu Resilienz, Sicherheit und sexualisierter Gewalt sowie zu Zielen, Aufbau und Evaluation des Konzepts. Den zweiten Teil bildet ein Praxismanual mit Übungen sowie Materialien wie z.B. Bildergeschichten mit den Katzen Resi und Ralf auf einer beiliegenden CD-ROM.

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Simone Pfeffer

Christina Storck

Resilienzförderung und Prävention sexualisierter Gewalt in Kitas

Das „ReSi“-Förderprogramm

unter Mitarbeit von Jennifer Hansen Julia Feldmann

Prof. Dr. Simone Pfeffer, geb. 1962. 1985–1989 Studium der Soziologie an der Freien Universität Berlin. 1989–2010 Dozentin und Projektleiterin u. a. im JA Berlin-Wedding, JA Erlangen, JA Nürnberg und an der FAU Erlangen-Nürnberg. 2008 Promotion an der FAU Erlangen-Nürnberg. Seit 2010 Professorin für Soziologie in der Sozialen Arbeit an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm mit den Schwerpunkten Bildungssoziologie, Medizinsoziologie, Familiensoziologie, Soziologie der Kindheit, Prävention, Resilienz, Förderung von sozial-emotionalen Kompetenzen bei Kindern.

Prof. Dr. Christina Storck, geb. 1971. 1991–1996 Studium der Psychologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. 2004 Promotion. 2004–2009 Leiterin des Bereichs Evaluation und wissenschaftliche Begleitung beim Verein Programm Klasse2000 e.V. in Nürnberg. Seit 2009 Professorin für Psychologie in der Sozialen Arbeit an der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm mit den Schwerpunkten Allgemeine und Pädagogische Psychologie, Forschungsmethoden sowie Gesundheitsförderung und Prävention bei Kindern und Jugendlichen.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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www.hogrefe.de

Umschlagabbildung: iStock.com by Getty Images/monkeybusinessimages

Illustrationen: © Tasso Beuschel, Höchstadt. www.tasso-beuschel.de

Satz: Mediengestaltung Meike Cichos, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2018

© 2018 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2865-9; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2865-0)

ISBN 978-3-8017-2865-6

http://doi.org/10.1026/02865-000

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Anmerkung:

Sofern der Printausgabe eine CD-ROM beigefügt ist, sind die Materialien/Arbeitsblätter, die sich darauf befinden, bereits Bestandteil dieses E-Books.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Hintergrund und Zielsetzung des Buchs

1 „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“ – Resilienzförderung und Prävention sexualisierter Gewalt im Kindergarten

2 Zum Verständnis von Prävention, Gesundheitsförderung und Bildung

3 Theoretischer Hintergrund von „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“

3.1 Resilienz

3.1.1 Was ist Resilienz?

3.1.2 Risiko- und Schutzfaktoren

3.1.3 Einfluss von Beziehungen auf die Entwicklung von Resilienz

3.1.4 Erklärungsmodelle zu Resilienz: Wie wirken Risiko- und Schutzfaktoren zusammen?

3.1.5 Wie wird Resilienz gemessen?

3.1.6 Resilienz- und Kompetenzförderung als Bildungsziele im Elementarbereich

3.2 Sicherheit

3.2.1 Schutzrechte für Kinder

3.2.2 Sexualisierte Gewalt: Begriffliche Unterscheidungen für die pädagogische Praxis

3.2.3 Informationen zu den Betroffenen

3.2.4 Informationen zu den Tätern oder Täterinnen und deren Strategien

3.2.5 Folgen von sexualisierter Gewalt

3.2.6 Grundsätze im Umgang mit Verdachtsfällen

3.2.7 Kindliche Sexualität und Übergriffe unter Kindern

4 Das ReSi-Förderprogramm für Kinder: Konzeption, Evaluation und Anwendung in der Praxis

4.1 Konzeption des ReSi-Förderprogramms

4.1.1 Bildungsauftrag und Kompetenzerwerb in Kindertageseinrichtungen

4.1.2 Kompetenzbereiche im ReSi-Förderprogramm für Kinder

4.1.3 Aufbau des ReSi-Förderprogramms

4.2 Evaluation des ReSi-Förderprogramms für Kinder

4.2.1 Was wissen wir zur Wirkung von Präventions- und Förderprogrammen?

4.2.2 Die wissenschaftliche Begleitstudie zum ReSi-Förderprogramm

4.3 Anregungen zum Einsatz des ReSi-Förderprogramms in der Praxis

5 Praxismaterialien

5.1 Gefühle

5.1.1 Katzengesichter

5.1.2 Bildergeschichten mit Resi und Ralf: „Der Ausflug“ und „Ralf hat Angst“

5.1.3 Spiele mit dem Gefühlswürfel

5.1.4 Gefühlsgeschichten mit der Handpuppe Resi

5.1.5 Gefühlsmemo

5.1.6 Fels in der Brandung

5.1.7 Nachrichtensprecher

5.1.8 Gefühle-Lied: „Auf der Mauer, auf der Lauer“

5.1.9 Gefühle im Spiegel

5.1.10 Gefühle-Uhr

5.1.11 Ich-bleibe-ruhig-Mikado

5.2 Körper

5.2.1 Mich hat ein Schnupf gestupst

5.2.2 Bildergeschichten mit Resi und Ralf: „Resi ist krank“

5.2.3 Körperumriss

5.2.4 Waschstraße

5.2.5 Von der Natur gestreichelt

5.2.6 Verstopfung an der Fußgängerampel

5.2.7 Katzenentspannung

5.2.8 Körper-Lied: „Katze Resi hat zwei Ohren“

5.2.9 Der Faxenmax

5.2.10 Wetter auf der Haut spüren

5.2.11 Bewegte Statuen

5.3 Beziehungen

5.3.1 Menschen, die ich mag

5.3.2 Bildergeschichten mit Resi und Ralf: „Ralf und Resi streiten sich“, „Tante Trude und Onkel Oskar“ und „Schusselige Resi“

5.3.3 Das Kitzel-Tobe-Spiel

5.3.4 Streng geheim?

5.3.5 Wie kann ich „nein“ und wie kann ich „ja“ sagen?

5.3.6 Gegenverkehr über der Schlangengrube

5.3.7 Wie sage ich es, wenn mich etwas stört?

5.3.8 Resi hat schlechte Laune

5.3.9 Entspannung mit Naturmaterialien

5.3.10 Fliegendes Ei

5.3.11 Walderlebnistour mit Resi

5.4 Erzählen

5.4.1 „Erzähl es!“

5.4.2 Erzählen mit Kamishibai

5.4.3 Erzähltheater

5.5 Übersicht: Welche Kompetenzbereiche werden in welcher Übung gefördert?

Literatur

Anhang

Materialien auf CD-ROM

|9|Einführung: Hintergrund und Zielsetzung des Buchs

In den vergangenen Jahren sind zwei Themenfelder zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung gerückt, die die Grundlage des vorliegenden Buches bilden. Zum einen hat die frühkindliche Bildung enormen Aufschwung erfahren, was unter anderem als eine Folge der für Deutschland wenig zufriedenstellenden Ergebnisse der PISA-Tests seit 2000 anzusehen ist. Zum anderen wird die Problematik des sexuellen Kindesmissbrauchs durch umfassende Aufdeckungsprozesse, durch Kampagnen und engagierten Einsatz verschiedenster Akteure inzwischen verstärkt öffentlich wahrgenommen. Dies ist mit unterschiedlichsten Bemühungen hinsichtlich Forschung, Intervention und Prävention verbunden.

Als Ergebnis eines durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Forschungsprojekts soll hier nun mit „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“ ein positiv evaluiertes Konzept für die pädagogische Praxis vorgestellt werden, dass als Bildungs- und Präventionskonzept Resilienz und Sicherheit im Kindergarten fördert. Es kann als allgemeines Bildungskonzept zur Unterstützung von Lebenskompetenzen und damit zu grundlegenden Bildungsprozessen im frühkindlichen Bereich eingesetzt werden. Zusätzlich wird in einigen Übungen der Aufbau von Schutzfaktoren gefördert, die sich auf die Prävention von sexualisierter Gewalt beziehen. Das Konzept trägt auf diese Weise allgemeinen Bildungszielen im Kindergarten Rechnung und integriert zusätzlich spezifische Aspekte, die in der Prävention sexualisierter Gewalt von Bedeutung sind. Bei Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren steht die Förderung von Basiskompetenzen im Vordergrund, auf die in späteren Jahren dann spezifischer aufgebaut werden kann.

Darüber hinaus ist es uns wichtig zu betonen, dass die Verantwortung für den Schutz von Kindern immer bei den erwachsenen Bezugspersonen liegt. Um dies zu unterstützen werden in dem vorliegenden Konzept daher auch grundlegende Informationen zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder vermittelt, die Fachkräfte und andere Bezugspersonen für die Thematik sensibilisieren und ihnen den Umgang damit im Verdachtsfall erleichtern sollen.

In den Kapiteln 1 bis 4 des vorliegenden Buchs finden Sie Informationen zum theoretischen Hintergrund, zur Zielsetzung, zum Aufbau sowie zur Durchführung |10|und Evaluation des Konzepts „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“. Dieser Teil ist insbesondere dann bedeutsam, wenn ReSi als Baustein eines integrierten Schutzkonzepts zur Prävention sexualisierter Gewalt in der Einrichtung eingesetzt werden soll.

Ebenso ist es möglich, das ReSi-Förderprogramm für Kinder in der Praxis als Bildungsprogramm zur Kompetenzförderung einzusetzen. Hierfür ist ein direkter Einstieg mit dem Kapitel 5 möglich, in dem die Praxismaterialien manualisiert bereitgestellt werden. Auf der beiliegenden CD-ROM finden Sie Materialien zum Ausdruck, die für die Übungen benötigt werden. Eine genaue Auflistung der Materialien auf der CD-ROM finden Sie im Anhang (S. 163). Dort werden auch mögliche Bezugsquellen der im Programm vorgeschlagenen Materialien (Handpuppe, Gefühlswürfel) genannt.

Zur Entwicklung und Evaluation des Konzepts „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“ haben viele Personen beigetragen. Unser Dank gilt hier zunächst den beteiligten Kitas und Fachberatungsstellen in Nürnberg und Umgebung, die mit ihrem Engagement die Entwicklung und Ergebnisse erst möglich gemacht haben. Darüber hinaus danken wir auch den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Julia Feldmann und Jennifer Hansen, dem Grafiker Tasso Beuschel sowie den studentischen Hilfskräften und Studierenden der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm, die mit großem Einsatz am Gelingen des Projekts beteiligt waren. Für wertvolle Impulse und Diskussionen danken wir den Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats Prof. Dr. Johannes Bach, Prof. Dr. Pia Bienstein, Sabine Böhm, Renate Schwarz, Annegret Steiger, Dr. Johannes Streif, Dr. Timothy Tisdale und Brigitte Wolf.

Nürnberg, April 2018

Simone Pfeffer und Christina Storck

|11|1 „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“ – Resilienzförderung und Prävention sexualisierter Gewalt im Kindergarten

Bei dem vorliegenden Förderprogramm für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren handelt es sich um einen Baustein eines integrierten Gesamtkonzepts zur Prävention sexualisierter Gewalt in Kindertageseinrichtungen. Es wurde unter dem Titel „ReSi – Resilienz und Sicherheit“ im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts (Förderkennzeichen 01SR 1205) entwickelt, erprobt und auf Wirksamkeit überprüft. Kindzentrierte Ansätze zur Prävention sexualisierter Gewalt stützen sich – wie auch Ansätze zur Suchtprävention, Gewaltprävention oder zur Prävention psychischer Störungen – auf den Ansatz der Lebenskompetenzförderung (World Health Organization (WHO), 1994). Dieser zielt darauf ab, Kinder und Jugendliche zu stärken und sie in der Ausbildung zentraler persönlicher und sozialer Fähigkeiten zu fördern. Dadurch soll Resilienz bei Kindern gestärkt werden (Fthenakis, 2005; Wustmann, 2009), um ihre Widerstandskraft bei belastenden Lebensereignissen zu erhöhen und ihre gesunde Entwicklung zu unterstützen (Bengel & Lyssenko, 2012). Dieser universelle Ansatz der Kompetenzförderung wird dann mit spezifischen Elementen (z. B. Informationen über psychotrope Substanzen im Bereich der Suchtprävention) kombiniert.

Ähnlich gestaltet es sich im Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt: Die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen wird häufig verbunden mit der Vermittlung von Körperwissen und -wortschatz und Inhalten, die Kinder darin unterstützen, sexuellen Missbrauch zu erkennen und sich Hilfe zu holen. Gleichzeitig ist in dem Bewusstsein, dass der Schutz von Kindern im Verantwortungsbereich von Erwachsenen im Umfeld des Kindes liegt und Kinder alleine nicht dazu in der Lage sind, Übergriffe zu erkennen oder gar zu beenden, eine Sensibilisierung und Stärkung der Schutzfunktion von Erwachsenen erforderlich (Kindler, 2003).

Hieraus ergeben sich zwei Konsequenzen für die Konzeption von kindbezogenen Präventionsansätzen: Zum einen sollte die Förderung von Lebenskompetenzen und eine altersgemäße, alltagsbezogene Vermittlung von Fähigkeiten, die sich als hilfreich in Bezug auf Selbstschutz herausgestellt haben, möglichst frühzeitig er|12|folgen. Hierfür erscheint das Setting Kindergarten ideal, da es ermöglicht, viele Kinder unabhängig von ihrem sozialen und kulturellen Hintergrund frühzeitig zu erreichen. Zum anderen ist der Auf- und Ausbau von schützenden Strukturen durch die Qualifizierung von Erwachsenen (pädagogische Fachkräfte, Eltern) im Umfeld von Kindern erforderlich, um Kinder vor sexuellen Übergriffen zu schützen.

Das Gesamtkonzept von „ReSi“ setzt daher an zwei Ebenen an (vgl. Abb. 1): Es besteht zum einen aus dem Förderprogramm für Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren („Resilienz“) und zum anderen aus einem Fortbildungsangebot für pädagogische Fachkräfte zur Stärkung ihrer Schutzfunktion, zum sicheren Umgang mit Verdachtssituationen („Sicherheit“). Zentral ist dabei auch die thematische Elternarbeit. Studien können zeigen, dass Eltern häufig über unrichtige Vorstellungen bzw. ein lückenhaftes Wissen über sexuellen Missbrauch verfügen und sich Unterstützung durch Kindergarten und Schule wünschen (AMYNA e.V., 2011). Eine Weiterqualifizierung des Fachpersonals von Kindertageseinrichtungen beinhaltet auch die Vernetzung mit externen Fachkräften und spezialisierten Fachstellen.

Abbildung 1: Kind- und erwachsenenbezogener Ansatz bei der Prävention sexualisierter Gewalt

Das ReSi-Förderprogramm für Kinder ist mit einigen spezifischen Übungen direkt auf die Stärkung von Schutzfaktoren zur Prävention sexualisierter Gewalt zugeschnitten (z. B. durch die Vermittlung von Sicherheitsregeln). Der überwiegende Teil der Übungen zielt jedoch darauf ab, eine gesunde psychische und soziale Entwicklung der Kinder zu unterstützen und weist somit unabhängig vom präventiven Hintergrund enge Bezüge zu zentralen Bildungszielen in Kindertageseinrichtungen auf.

Damit bestehen zwei Möglichkeiten des Einsatzes des Förderprogramms: Zum einen kann ein Einsatz des Programms in der Kindertageseinrichtung das univer|13|selle Ziel verfolgen, die Kompetenzentwicklung der Kinder im sozial-emotionalen, körperbezogenen und sprachlich-erzählerischen Bereich zu fördern und damit zentrale Bildungsziele der frühkindlichen Förderung zu unterstützen. Zum anderen kann das Förderprogramm als Baustein zum Schutz gegen sexualisierte Gewalt im Rahmen eines integrierten Gesamtkonzepts der Einrichtung unter Einbezug des pädagogischen Teams und einer thematischen Elternarbeit eingesetzt werden.

Die Bezugsquellen und Druckvorlagen der für die Durchführung des Förderprogramms benötigten Materialien befinden sich auf der beiliegenden CD-ROM.

|14|2 Zum Verständnis von Prävention, Gesundheitsförderung und Bildung

Mit Prävention wird die Vorbeugung von Erkrankungen bezeichnet, wobei sich die Maßnahmen auf alle Menschen (universelle Prävention), auf Risikogruppen (selektive Prävention) oder auf Personen mit bereits manifesten Problemen (indizierte Prävention) richten können. Vom Präventionsbegriff lässt sich der Begriff der Gesundheitsförderung abgrenzen. Die konzeptionelle Grundlage für die Theorie und Praxis der Gesundheitsförderung bildet die WHO-Definition von Gesundheit (WHO, 1946), die Gesundheit als vollständiges körperliches, geistiges und soziales Wohlbefinden bezeichnet. Diese Definition war wegweisend durch ihr positives Gesundheitsverständnis, nach dem Gesundheit mehr als die bloße Abwesenheit von Krankheit ist, und durch die Erweiterung des Gesundheitsbegriffs um die psychische und die soziale Dimension. Gesundheitsförderung soll Menschen in ihren alltäglichen Lebenszusammenhängen erreichen und wendet sich dabei an alle Menschen einer bestimmten Gruppe (z. B. einer Kindertageseinrichtung). Eine aktive Gestaltung von Lebenswelten und Lebensräumen wie Kindergarten und Schule (Setting-Ansatz; WHO, 1986) sowie eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung und die Ausbildung von sozial-emotionalen Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen stehen dabei im Mittelpunkt.

Prävention und Gesundheitsförderung im Vorschulalter setzt sich zum Ziel, Kinder zu „rüsten“, um sie auf ihrem weiteren Lebensweg so gut wie möglich vor körperlichen und psychischen Schädigungen zu bewahren. Der Stand der Forschung zeichnet inzwischen ein einheitliches Bild: Ein bewährtes Konzept zur Prävention von Sucht, Gewalt, psychischen Störungen und verhaltensbezogenen körperlichen Gefährdungen besteht darin, Kinder möglichst frühzeitig in der Entwicklung ihrer Kompetenzen zu fördern. Eine Förderung versteht sich als eine sensible Begleitung von Lernerfahrungen in unterschiedlichen Bereichen. Das WHO Konzept der Lebenskompetenzen (WHO, 1994) umfasst den Umgang mit Emotionen, das Führen von Beziehungen, Kommunikation sowie körperbezogene Kompetenzen der Entspannung und Stressregulation. Die Kompetenzförderung von Kindern setzt immer auch eine Auseinandersetzung mit Werten voraus. Sie versteht sich durch die Ausbildung sozial-emotionaler und körperbezogener Kompetenzen im Sinne eines multidimensionalen Gesundheitsverständnisses immer auch als Gesundheitsförderung. Kompetenzen werden gefördert, indem Kinder beobachtet |15|und interaktiv begleitet werden. Es werden Lernimpulse gesetzt, indem Kinder ermutigt werden, andere zu beobachten, etwas Neues auszuprobieren und Erfahrungen zu sammeln. Somit ist jedes Präventionsprogramm gleichzeitig auch ein Bildungsprogramm.

|16|3 Theoretischer Hintergrund von „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“

In der aktuellen Debatte um frühkindliche Erziehung und Bildung steht die Qualität der Bildungsangebote im Mittelpunkt. Ein Qualitätskriterium präventiver Maßnahmen ist ihr wissenschaftlicher Hintergrund. Programme sollten inhaltlich wie methodisch an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet sein. In diesem Zusammenhang spricht man von einer „research based practice“. Dabei baut die Konzeption eines Programms auf dem aktuellen Forschungsstand auf. Vor diesem Hintergrund sollen einführend die wissenschaftlichen Grundlagen von „Resilienz und Sicherheit (ReSi)“ dargestellt werden, so dass die Ausrichtung, der inhaltliche Aufbau und das methodisch-didaktische Konzept durch aktuelle Theorien und Befunde der Präventionsforschung nachvollziehbar begründet werden.

3.1 Resilienz

Das Konzept der Resilienz hat sich in den letzten Jahrzehnten zunehmend entwickelt und verbreitet. Hintergrund ist ein Perspektivwechsel in den Humanwissenschaften, die sich stärker der Erforschung von Ressourcen und Schutzfaktoren zuwandten.

Angeregt wurde diese Entwicklung unter anderem durch die Arbeiten von Aaron Antonovsky zur Gesundheitsentstehung und Stressbewältigung und seinem Salutogenese-Konzept (1997) sowie durch die Längsschnittstudie auf Kauai von Emmy Werner (2008) zu Auswirkungen von risikoreichen Lebensbedingungen in der frühen Kindheit und der Entwicklung zu kompetenten bzw. weniger kompetenten Erwachsenen. Diese Studie wird auch als Pionierstudie zur Resilienz bezeichnet. Daher werden ausgewählte Ergebnisse aus der Kauai-Studie hier in einem Exkurs vorgestellt.

Im Resilienzkonzept ist der Fokus auf die konstruktive Bewältigung von Stress- und Risikosituationen gerichtet, während zuvor eher Anpassungs- oder Bewältigungsprobleme im Vordergrund standen. Es hat sich also ein Wandel von der Ori|17|entierung auf Defizite hin zu einer Orientierung auf personale und soziale Ressourcen, Kompetenzerwerb und Empowerment vollzogen.

Dieser Perspektivwechsel findet sich im Bereich der Prävention wieder und die ressourcenorientierte Perspektive liegt auch dem hier beschriebenen Kompetenzförderprogramm zugrunde.

Exkurs: Entwicklung des Resilienzkonzepts – Die Kauai-Studie

Die wesentlichen Faktoren der Resilienz wurden unter anderem aus der sogenannten Pionierstudie zur Resilienz entwickelt, einer Längsschnittstudie unter der Leitung von Emmy Werner und Ruth Smith auf der Hawaiianischen Insel Kauai. Dabei wurde ein kompletter Geburtsjahrgang von 1955 mit 698 Kindern über 40 Jahre hinweg begleitet. Es wurden Daten mit jeweils 1, 2, 10, 18, 32 und 40 Jahren erfasst und anschließend verglichen.

Ausgewählte Ergebnisse der Studie:

Bei rund einem Drittel der untersuchten Kinder lag ein hohes Entwicklungsrisiko durch vier und mehr Risikobedingungen wie Armut, Geburtskomplikationen, geringes Bildungsniveau der Eltern, elterliche Psychopathologie oder chronische familiäre Disharmonie vor. Bei zwei Dritteln dieser Kinder mit hohem Entwicklungsrisiko waren im Verlauf ihrer Entwicklung Lern- und Verhaltensstörungen beobachtbar, das verbleibende Drittel dagegen entwickelte sich trotz der erheblichen Risikobelastung zu zuversichtlichen, selbstsicheren und leistungsfähigen Erwachsenen. Diese Gruppe wurde als resilient bezeichnet.

Im Säuglingsalter wurden resiliente Kinder als sehr aktiv, liebevoll und sozial aufgeschlossen charakterisiert, sie waren anpassungsfähig an neue Situationen, kontaktfreudiger, emotional ausgeglichener und fröhlicher im Vergleich zu den anderen, weniger resilienten Kindern.

Im Kleinkindalter wirkten sie selbstständiger, selbstbewusster und unabhängiger. Ihre Kommunikations- und Bewegungsfähigkeiten waren weiter entwickelt, sie hatten gute Selbsthilfefertigkeiten, konnten aber auch Hilfe erbitten, wenn es ihnen notwendig erschien.

Im Alter von 10 Jahren verfügten die resilienten Kinder über bessere Problemlöse- und Kommunikationsfähigkeiten und über ein positiveres Selbstkonzept. Die Haltung in Problemsituationen war eher proaktiv, d. h. sie waren aktiv um eine Problemlösung bemüht und nutzten ihre eigenen Fähigkeiten und Ressourcen effektiv aus, während andere sich eher reaktiv verhielten. Die resilienten Kinder besaßen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen mit der Folge, dass sie sich die Bewältigung eines gewissen Schwierigkeitsniveaus zutrauten und entsprechend handelten und dadurch ihre Fähigkeiten weiterentwickelten, während andere, weniger resiliente Kinder für sie schwierig erscheinende Situationen eher mieden.

Im Jugendalter zeigten die resilienten Kinder eine höhere Sozialkompetenz, sie waren verantwortungsbewusster, selbstständiger und zielorientierter als nicht |18|resiliente Jugendliche. Sie hatten mehr Konfliktlösefähigkeiten, mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und mehr Zuversicht und zeigten mehr Empathie und Hilfsbereitschaft. Viele mussten Zuhause mithelfen und möglicherweise hat die frühe Verantwortungsübernahme die Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Ausdauer begünstigt. Oft hatten sie ein Hobby, das Sinn und Trost spendete.

Die meisten resilienten Kinder hatten die Möglichkeit, eine enge, positiv-emotionale und stabile Beziehung zu mindestens einer Bezugsperson aufzubauen, die adäquat auf die Bedürfnisse des Kindes einging, das dadurch ein sicheres Bindungsmuster entwickeln konnte. Das Erziehungsklima war von Wertschätzung, Respekt, Akzeptanz und Sicherheit im Erziehungsverhalten geprägt.

Viele resiliente Kinder verfügten auch außerhalb ihrer Familie über Quellen emotionaler und sozialer Unterstützung. Diese Personen unterstützten einerseits und dienten andererseits auch als Modell für konstruktives Bewältigungsverhalten und für prosoziale Handlungsweisen. Beispiele dafür sind positive Freundschaftsbeziehungen, unterstützende Kontakte in der Nachbarschaft, positive Erfahrungen in Bildungseinrichtungen und Ressourcen auf kommunaler Ebene (Werner, 2008, 2011; Wustmann, 2009; Bengel et al., 2009).

3.1.1 Was ist Resilienz?

Der Begriff Resilienz oder Widerstandsfähigkeit ist dem englischen „resilience“ entlehnt, was mit Spannkraft, Elastizität oder Strapazierfähigkeit zu übersetzen ist und auf das lateinische „resilire – zurückspringen, abprallen“ zurückgeht. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit, erfolgreich mit belastenden Lebensumständen umzugehen. In vergleichbarer Weise werden auch die Begriffe Stressresistenz, Invulnerabilität oder psychische Robustheit verwendet (Wustmann-Seiler, 2014).

In disziplinübergreifender Sicht kann Resilienz als „Toleranz oder Widerstandskraft von Systemen gegenüber Störungen“ (Bengel & Mack, 2015, S. 32) verstanden werden. Resilienz beschreibt also eine Bewältigungskompetenz.