Revenge - Das Erbe wiéna Daunt - Sari Eis - E-Book

Revenge - Das Erbe wiéna Daunt E-Book

Sari Eis

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Beschreibung

Geboren als halbe Elfe in einem Land, das von Menschen beherrscht wird. Kayleigh wiéna Daunt führt eine der erfolgreichsten Handelsstädte im Land Kahár. Doch ihre menschliche Verwandtschaft neidet ihr das Erbe und setzt alles daran, sie zu stürzen. Mit Jenson hat sie einen wichtigen Haltepunkt an ihrer Seite, denn er tut alles für ihren Schutz und dafür, dass die Attentate endlich aufgeklärt werden. Ihre Liebe zu ihm wird jedoch auf die Probe gestellt, als da plötzlich ein anderer auftaucht. Kjarten Denner sollte ein Spiel für eine Nacht sein. Doch was, wenn aus einem Spiel Ernst wird? Ist Kjarten wirklich der, der er vorgibt zu sein? Und wird Daunt in den Händen Kayleighs bleiben, wo die Malwicks ihr die Stadt doch so unbedingt entreißen wollen?

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Seitenzahl: 511

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Prolog
1
Kayleigh
2
Jenson
3
Kjarten
4
Jenson
5
Kjarten
6
Kayleigh
7
Jenson
8
Kayleigh – Eilidh
9
Kjarten
10
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12
Kayleigh
13
Jenson
14
Kjarten
15
Kayleigh - Eilidh
16
Kjarten
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Kayleigh
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Jenson
19
Kayleigh
20
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Kjarten
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Kayleigh
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Kjarten
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Jenson
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Kayleigh
28
Kjarten
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Kayleigh - Eilidh
30
31
Kjarten
32
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Jenson
34
Kayleigh
35
36
Kjarten
37
Kayleigh
Epilog
Jenson - 4 Jahre später
Bisherige Veröffentlichungen
Leseempfehlung

Sari Eis

Das Erbe wiéna Daunt

Prolog

In Daunt herrschte reges Treiben, denn die Händler reisten an. Einige bauten schon ihre Zelte und Stände auf, andere suchten sich noch brüllend, fluchend oder lachend einen Weg durch die dichte Menge. Ihre Wagen blockierten oft die Straßen, die Pferde scheuten, und hin und wieder gab es mehr als nur Gezänk.

Es war nicht nur die Zeit der Händler, es war auch die Zeit der Sommersonnenwende. Deshalb waren in diesen Tagen und Wochen so viel mehr Menschen in der südlichen Hafenstadt unterwegs. Daunt war nicht groß, es war auch nicht unbedingt schön. Aber es war überaus angesehen bei Händlern und reichen Leuten.

Zu der Ansammlung von Häusern, Geschäften und anderen Gebäuden, die von einer nicht sehr großartigen Stadtmauer umgeben waren, zählten deshalb eine ganze Reihe von Anwesen und Bauernhöfen, die etwas entfernt im Umland lagen. Die Besitzer hatten sie dort gebaut, weil es sehr viel schöner war. Teils war die Idylle fast etwas zu unnatürlich. Und zugegebenermaßen trog sie oft.

Die Stadt selbst beherbergte kaum einen stetigen Bewohner. Die meisten waren Durchreisende. Eben Händler, Söldner und die, die kamen, um die einzigartigen Waren zu kaufen, die es nur hier gab. Im Grunde konnte man die Stadt auch nicht als solche bezeichnen. Eine Stadt hatte Einwohner, Kultur und so etwas. Nun, Daunt hatte Bevölkerung. Im Umland. Doch es gab keine Kultur. Keine Museen oder Theater. Keine kleinen, gemütlichen Nähstübchen, in denen man sich traf, um zu plaudern.

Es gab Verkaufsläden und es gab Händler. Es gab Freudenhäuser und Schmieden und Gerber. Es gab Apotheken und Juweliere. Es gab Händler für Kleider und Stoffe und es gab Werkstätten, die sich darum kümmerten, dass aus den Grundmaterialien fertige Waren wurden. In Daunt bekam man fast alles, was das Herz begehrte. Nahm man es also ganz genau, war die Stadt nichts weiter als ein riesiger Handelsplatz aller Waren, die der Süden und der Osten Kahárs zu bieten hatten.

Und genau das war es, was Kayleigh geerbt hatte. Was sie stolz machte. Was sie ausmachte. Was ihre Familie aufgebaut hatte und was sie noch größer, noch reicher und, wie sie sich fest vorgenommen hatte, noch schöner machen wollte.

Die Handels- und Hafenstadt an der Südküste Kahárs, Daunt, war von Elfen aufgebaut worden und dieses Volk führte sie ebenso. Kayleighs Urgroßvater hatte die Stadt gegründet und an seinen Sohn, Kamil wién Daunt weitergegeben. Dieser hatte Kayleighs Mutter als Erbin bekommen, doch Raelyn wiéna Daunt war zu krank, um die Stadt zu leiten, also hatte ihr Mann, ein Mensch und geborener Malwick, sie einstweilen übernommen und in Raelyns Namen und mit ihren Entscheidungen die Geschäfte geführt.

Er war gestorben, denn Menschen wurden nun mal nicht so alt wie Elfen und so war Kayleigh als drittes und einziges verbliebenes Kind ihrer Eltern nun Alleinerbin, denn ihre beiden älteren Brüder waren durch einen Sturm bei der Überfahrt von Kahár nach Ilhár umgekommen.

Eine einzige Nacht hatte Kayleigh alles genommen und zeitgleich alles gegeben. Sie hatte ihre Mutter zwar noch, doch die war, seit dem Tod aller Männer des Hauses, eher auf Ilhár unter ihresgleichen, als in Kahár. Die Elfenfrau hatte ihrer Tochter das Schicksal der Stadt übergeben und war gegangen.

Nur hatte Kayleigh mit Daunt nicht allein eine enorme Verantwortung geerbt. Sie hatte auch das Schicksal aufgelastet bekommen, eine überaus neidische, menschliche Verwandtschaft zu haben.

1

Kayleigh

„Ich will ihn“, sagte Kayleigh leise, ohne Jenson dabei anzusehen. Ihre Augen waren auf den Mann gerichtet, der lachte und mit seinen Freunden trank.

„Ernsthaft?“, hakte ihr Mann nach. „So einen Strauch?“

Missbilligend schüttelte sie den Kopf. „Deine Meinung interessiert mich in diesem Punkt nicht. Ja oder nein, will ich hören.“

Er seufzte. „Und wenn er nein sagt? Er ist Söldner. Die sagen selten zu unklaren Angeboten ja.“

„Dann frag diesmal eben klarer.“

„Und wenn du das einfach mal machst? Du denkst auch, das ist ein Kinderspiel, was?“

„Denke ich und würde ich machen, aber ich bin heute nicht als Eilidh hier. Außerdem hast du klargemacht, dass du fragen gehst. Ich nehme dir deine Aufgabe doch nicht weg. Jetzt geh endlich“, zischte Kayleigh, sah ihren Lebensgefährten, Freund und ersten Offizier nun doch an und stach ihm den Finger vor die Brust.

Jenson wusste genau, dass sie immer bekam, was sie wollte und so seufzte er erneut, wandte sich ab und ging zu dem Tisch, mit der kleinen Männerrunde. Kayleigh hörte nicht, was er sagte, doch sie sah, dass er ernst blieb, während der Andere lachte und Witze zu machen schien.

Kurz darauf kam Jenson zurück und schüttelte den Kopf. „Er will nicht.“

Kayleigh brummte missmutig.

„Such dir einen anderen.“

„Ich will ihn.“

„Er will aber nicht.“

„Ich will aber!“

Jen schloss kurz die Augen, verzog das Gesicht, wandte sich wortlos ab und ging. Kayleigh blieb mit ihren zwei Wachen und beobachtete den Mann und seine Freunde. Sie ging alle Informationen durch, die sie über ihn hatte und überlegte, ob es nicht etwas gab, mit dem man ihn locken konnte. Als die Nacht zum Morgen wurde, das Gasthaus sich leerte und das Objekt ihrer Begierde sich auf sein Zimmer zurückzog, verließ auch Kayleigh die Stadt.

Zurück im Anwesen lief sie ohne Umwege auf ihr Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und ließ sich vorwärts aufs Bett fallen. Nur Sekunden später senkte sich die Matratze zu ihren Seiten und noch einen Moment darauf spürte sie Jensons Lippen, die ihr Ohr küssten.

„Du bist noch wach?“, fragte sie leise.

„Schlafe ich jemals?“

„Selten, wie wir beide wissen. Hast du schon geschlafen?“

„Nein“, antwortete er, schob ihre Haare aus dem Weg und küsste ihren Nacken.

„Bist du nicht müde?“

„Nein. Du?“

„Etwas.“

„Mhh.“

Sie schloss die Augen, als er begann, seine Hand unter ihr Oberteil zu schieben und ihre Seiten zu kraulen. Mit ihm hatte sie das größte Glück. Jenson Highgrade war alles, was sie sich erträumen konnte. Er war stark und seine Willenskraft brach so gut wie nie. Er war standhaft und loyal. Er war ihre Stütze in schweren Zeiten und immer für sie da. Ebenso ließ er ihr aber auch ihren Freiraum. Sogar sehr viel mehr als irgendein anderer Mann es je tun würde.

Und das Sahnehäubchen war, dass er verdammt gut aussah, mit seinen dunklen Haaren, den tiefen braunen Augen, den markanten Zügen und dem heißen Rest. Er war nicht perfekt. Keineswegs. Jenson war launisch und oft grummelig. Er brummte viel vor sich hin. Seine Haut zierten Male von Gefechten oder Unfällen. Über sein linkes Auge zog sich eine haarfeine schräge Narbe, die man nur in hellem Licht sah. Ihm fehlte an einem Ohr oben ein Stück, weil er als Junge von einem Tier gebissen worden war. Er hatte ein Feuermal auf dem Rücken, ein Überbleibsel einer schweren Krankheit, die noch gar nicht so lange her war. Und er hatte ein schwaches Bein. Es schränkte ihn nicht ein, nur hatte er bei bestimmten Bewegungen Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten.

Dennoch, Jenson war perfekt für Kayleigh. Seine unglaubliche Sanftheit ihr gegenüber machte sie unwahrscheinlich an.

Sah man ihn, konnte man es durchaus mit der Angst zu tun bekommen, weil er stets grimmig dreinschaute und seine Aura überdeutlich klarmachte, dass er die meisten Menschen hasste. Kayleigh hatte ihn aber gesehen und sofort in ihren Reihen haben wollen. Sie hatte ihn angesprochen, er hatte abgewehrt. Doch sie war stur geblieben, hatte ihm Geld und eine feste Anstellung geboten. Hatte ihm den Posten ihres ersten Offiziers versprochen. Sie hatte alles versucht und gegeben, doch nichts hatte ihn umstimmen können. Nichts, bis auf eine Sache.

„Ich will Euch, Milady. Wenn ich Euch haben kann, bleibe ich“, hatte er gesagt.

Für den Moment hatte Kayleigh nichts erwidern können, so überrascht hatte er sie. Damals war sie noch ziemlich jung und unerfahren im Posten des Oberhauptes einer Stadt gewesen. Sie hatte gerade erst das Amt des Stadthalters übernommen. Da sie weder Führung durch ihre Eltern noch durch irgendeinen Rat hatte in Anspruch nehmen können, hatte sie nicht gewusst, wie genau er das nun gemeint hatte und vor allem umsetzen wollte.

Sie war eine junge Halbelfe Anfang zwanzig und Erbin von Daunt, er war ein erfahrener Menschenmann Anfang dreißig und reisender Kämpfer. Kein Söldner! Darauf hatte er immer Wert gelegt. Trotzdem. Jenson hatte keinen Namen und kein Erbe. Er war ein einfacher Mann, aber er hatte, was Kayleigh wollte und wie sich später herausgestellte, hatte er sogar noch viel mehr. Sie hatte Ja gesagt, weil sie neugierig gewesen war. Männer waren schon immer ihre Leidenschaft gewesen. Sie umgarnte sie gern, schlief gern mit ihnen und zog sehr gern ihre Vorteile daraus.

Vor ihrem Amtsantritt war sie, durch einen Zauber getarnt, als Eilidh von den Westwäldern viel im Süden des Landes gereist und hatte viele Männer kennengelernt. Einige hatten sie als Wanderhure bezeichnet, denn ab und zu nahm sie auch Geld von ihnen. Irgendwer musste ihre Reisen ja finanzieren. Doch Kayleigh war keine Hure. Sie war einfach eine Frau, die gern Spaß hatte. Diese wilde Seite hatte sie definitiv von ihrer Mutter geerbt. Die war eine Elfe und Elfen waren bekannt dafür, wilder und unbändiger zu sein. Der Grund, warum ihr Vater eine geheiratet hatte.

Jensons Hände hatten mittlerweile den Stoff des Oberteils hochgeschoben und seine Lippen strichen sanft über ihren unteren Rücken. Sie hob den Po ein Stück an, stieß ihn damit sachte von sich und brachte ihn zum Lachen. Schon war er wieder komplett über ihr, biss ihr sachte ins Ohr und kitzelte sie als Strafe.

„Wach?“, fragte er schließlich neckisch. „Perfekt.“ Sein Gewicht verschwand, dafür griff er den Bund ihrer Hose und zog. Ihre Schuhe streifte sie selbst von den Füßen, ohne sich weiter zu erheben. Die störenden Kleidungsstücke fielen, Jenson kam wieder auf das Bett und setzte seine Küsse auf ihrem Nacken fort. Kayleigh lag noch immer bäuchlings und genoss die Liebkosungen einfach.

Erneut verschwand sein Gewicht für einige Augenblicke. Kayleigh blieb liegen und grinste in die Bettdecke. Seine Hände fuhren um ihre Mitte, packten ihre Hüften und zogen, bis sie auf den Knien hockte. Sie spürte ihn, fühlte seine Männlichkeit ebenso wie seine Aura. Beides war voller Erregung. Als er sie einnahm, seufzte sie lustvoll, ließ den Oberkörper auf das Bett sinken und genoss seine Bewegungen. Die Bewunderung und die Hingabe für sie, in seinem Tun und seiner Aura, wuchsen. Kayleigh nahm es auf, wie warme Honigmilch im Winter. Jenson Highgrade liebte sie und er hatte keine Scheu, es auch zu zeigen. Noch eine Eigenschaft, die man ihm nicht zutraute, für die Kayleigh ihn aber umso mehr verehrte.

Ihre eigene Erregung mehrte sich, mit dem Anstieg seiner Gefühle. Sie erhob sich, drückte sich an ihn und wurde von seinen Armen umschlungen. In seinen Bewegungen hielt er nicht inne.

Eine Hand hielt sie fest, die andere fand den Weg zu ihrer Scham. Während Jens Atem an ihrem Ohr entlang streifte, sein leises Stöhnen ihr Wellen von Lust durch den Körper schickte und sie selbst ihre Hände in seiner Haut und seinem Haar vergrub, brachte seine Hand in ihrem Schritt, den Höhepunkt ihrer Lust immer näher.

Sie passte sich seinen Bewegungen an, er wurde drängender. Der Arm, der sie hielt, zog sie fester heran, die Hand in ihrem Schritt hielt sie ebenso, wobei seine Finger jedoch nicht innehielten. Kayleigh hatte kaum noch eine Möglichkeit, mitzumachen, also ließ sie sich von ihm führen. Jenson nahm sie mit. Nahm sie ein. Nahm sie völlig. Sein Höhepunkt kam und die Welle an Ekstase, die er körperlich und geistig ausstieß, brachte auch Kayleighs Sinne zum Überschäumen. Ihre Zehen krampften sich zusammen, ihre Hände würden zittern, hielte sie sich nicht an dem Mann fest, der ihr die Sterne zu Füßen legte.

Ihre Bauchmuskeln zuckten und hätte Jenson sie nicht gehalten, hätte Kayleigh nun die Kraft verloren, sich aufrechtzuhalten. Doch er kannte sie, wusste, wie sie reagierte und was er tun konnte, um ihre Lust zu verlängern. Er blieb in ihr. Bewegte sich leicht, sanft. Hielt sie fest und gab ihr Sicherheit.

Nur wenige Stunden später wurden beide unsanft geweckt. Die Dienerschaft strömte ins Zimmer, zog die Vorhänge auf und wuselte, alles andere als leise, geschäftig durch den Raum. Jenson brummte und zog die Decke über den Kopf. Auch Kayleigh hätte sich liebend gern in den Laken vergraben, doch anders als ihr Geliebter konnte sie nicht einfach liegenbleiben und die Zeit bis zur nächsten Schicht verstreichen lassen.

Als Stadthalterin hatte sie eine Stadt zu halten und zu leiten. Sie zu regieren und sich eben darum zu kümmern, dass alles lief, wie es sollte und die Herrschaften es wollten. Mit Daunt und dessem ganzen Handelsgeschehen hatte sie in diesem Punkt eine Menge zu tun. Wo andere Stadthalter nicht mehr, als hochrangige Bewohner waren, die ihren Reichtum genossen, hatte Kayleigh viel Arbeit. Zwar unterhielt sie mittlerweile einen Rat, wie jeder Halter, doch wie keiner der anderen, arbeitete sie mit den Frauen und Männern zusammen.

Sie unterstützte sie und übernahm Aufgaben. Das sorgte dafür, dass jeder ihrer Räte sich vorbehaltlos für sie einsetzte. Wenn Kayleigh etwas von ihrem Vater gelernt hatte, dann, dass man sich Loyalität erarbeiten musste. Kaufen konnte sie jeder, allerdings war sie dann nicht echt und hielt nur so lange, wie das Geld reichte.

Die ganze Arbeit war jedoch auch einer der Gründe, warum sie noch immer unverheiratet war. Ihre Räte drängten Kayleigh, endlich einen Mann zu ehelichen. Sie war mit ihren dreiundzwanzig schon lange im heiratsfähigen Alter und hätte, wären ihr Vater oder ihre Brüder noch am Leben, sicher schon Mann und Kinder gehabt.

Nun ja, sie hätte Jenson sofort geheiratet, doch er war eben kein Mann von blauem Blut. Er hatte seinen Rang, weil sie ihm diesen gegeben hatte. Ohne den Offizierstitel war er aber in den Augen der menschlichen Adeligen nur ein Rumtreiber, ohne eigenen Wohnsitz oder überhaupt großartigen Besitz. Die Sitten des Adels in Kahár ließen es nicht zu, dass bürgerliches Blut in die höhere Gesellschaft einheiratete. Natürlich würde Kayleigh das gern sofort ändern, doch wer war sie schon?

Eine junge Halbelfe, nicht mal dazu erzogen, eines Tages die Halterin einer Stadt zu sein. Leider gab es genügend Verwandte im Land, die ihr das Leben in dieser Hinsicht schwermachten. Die Menschen waren so engstirnig, was das Erben anging. Als Elf oder Elfe unter den Menschen zu leben, war eine Herausforderung. Zu gern hätten Kayleighs Verwandte der Familie Malwick ihr auch die Stadtrechte abgesprochen, doch diese Möglichkeit war ihnen mit dem Testament ihres Vaters und dem Erbrecht der Elfen genommen worden.

Auch wenn er selbst keine Rechte an der Stadt gehalten hatte, hatte er gewusst, wie seine Familie nach seinem Tod reagieren würde. Er hatte Kayleigh also, im Falle ihre Mutter wäre nicht mehr und des Ablebens beider älterer Brüder, zur eindeutigen und einzigen Erbin gemacht. So wie es auch sein sollte. Daunt wurde von Elfen geführt, nicht von Menschen. Und auch er hatte die Führung ja nur einstweilen übernommen gehabt.

Mit siebzehn war sie Halbwaise geworden, mit achtzehn hatte sie ihr Erbe angetreten. Seit ihrem neunzehnten Lebensjahr war sie damit auf sich allein gestellt, denn ihre Mutter hatte ihr die Stadt überschrieben, Kahár verlassen und war zurück nach Ilhár gegangen. Kayleigh hätte ihr folgen können, doch dann wäre das Vermächtnis ihrer Familie untergegangen.

Daunt wäre womöglich von einer der reichsten Handelsstädte zu etwas verkommen, das niemand mehr anlaufen würde. Ihre unmögliche, menschliche Verwandtschaft hätte mit ihrem Geiz und ihrer Rücksichtslosigkeit schon dafür gesorgt.

„Sehen wir uns vor der Feier?“, fragte sie leise, zog Jenson die Decke vom Gesicht und strich ihm durchs Haar.

„Vermutlich noch eher, Kleines“, grinste er verschlafen.

„Ich freue mich drauf“, erwiderte sie, zog die Decke wieder über seinen Kopf und machte sich daran, den Tag zu beginnen.

2

Jenson

Im Anwesen herrschte Treiben und Hektik, was Jenson an sich vorbeiziehen ließ. Er schloss die letzten Knöpfe seiner Paradeuniform, während er die Flure entlang ging, ohne großartig nach links und rechts zu schauen. Sein Ziel waren die Küche und danach die Ställe. Für den Paraderitt zum Festgelände wollte er, dass sein Hengst perfekt aussah, also übernahm er dessen Aufrüstung selbst.

„Guten Morgen, Lord Highgrade. Wie geht es Euch heute?“, fragte Isabell, das Küchenmädchen, mit einem ehrlichen, wenn auch schüchternem Lächeln.

„Sehr gut, Isa. Ich hoffe, dir auch“, lächelte er zurück.

Ihres wurde breiter und sie knickste. „Wunderbar. Wie immer, wenn ich Euch sehe, Milord.“

Er quittierte ihr das Kompliment mit einem Kuss auf die Wange. „Kein Wort davon zur Lady“, sagte er verschwörerisch und meinte den Kuss.

„Niemals, Milord“, stimmte sie zu, griff den Bruchteil einer Sekunde seinen Arm und ließ ihre Finger sanft über seine Hand gleiten.

Jenson schenkte ihr ein weiteres Lächeln, stahl sich eine Scheibe Brot vom Frühstücksbuffet Kayleighs und verließ die Küche zum Lieferanteneingang. Der kürzeste Weg zu den Stallungen. Dort angekommen traf er auf seine Männer der Wache, die bei ihren Pferden standen und sich unterhielten. Er nickte ihnen grüßend zu, als sie salutierten, ging weiter zum Stall und betrat ihn.

Auch hier war einiges los. Sämtliche Tiere standen vor ihren Boxen angebunden, wurden gestriegelt und gewaschen. Ihre Mähnen wurden geflochten, die Schweife eingebunden. Ein paar standen in der Schlange für den Schmied und einige wurden bereits nach draußen geführt, wo die fertigen Tiere ihren Reitern übergeben wurden.

In einer Box im hinteren Drittel stand noch ein Pferd, um das sich bisher niemand gekümmert hatte. Ein nachtschwarzer, schlanker Hengst. Das Vollblut wies keine andere Farbe auf. Nicht ein Haar an ihm war auch nur eine Nuance heller als der dunkelste Schatten. Mitternacht stellte die Ohren auf und wieherte, als er seinen Besitzer erkannte.

„Na mein Großer? Bist du schon aufgeregt? Heute wird ein großer Tag für dich.“ Jenson schob die Boxentür auf, trat auf seinen tierischen Freund zu und legte ihm eine Hand auf die Nase. „Wirst du dich benehmen und machen, was du gelernt hast?“

Das Tier schnaubte.

„Sehr schön.“ Da sein Knappe das Pferd schon geputzt hatte, wandte Jenson sich um und verließ die Box. Mitternacht folgte ihm, als führe Jenson ihn am Zügel. Die beiden verließen den Stall und er befahl dem Pferd, am Zaun der Koppel stehen zu bleiben. Ein Handzeichen genügte und das Tier verharrte wartend. Jenson holte die Rüstung und das Sattelzeug für Paraden aus dem Lager und begann Mitternacht aufzuzäumen. Nur die Bänder in der Mähne und dem Schweif ließ er weg. Kay würde es später bemängeln, doch wenn er selbst schon wie ein Zirkusaffe aussah, musste er seinem Pferd diesen Firlefanz nicht auch noch antun. Fertig und mit allem Nötigen behangen, was mindestens für eine Parade sein musste, saß Jenson auf den Hengst auf, ließ ihn zwei kleine Proberunden auf dem Vorplatz drehen und gab seinen Männern ein Zeichen.

Den restlichen Vormittag übten sie noch mal die Aufstellungen und Abläufe. Sie korrigierten letzte Fehler und trennten sich zur Mittagsstunde für eine kurze Pause vor Beginn der Feierlichkeiten.

Jedes Jahr zur Sonnenwende im Sommer wurde ein Fest veranstaltet, bei dem die Dankbarkeit an erster Stelle stand. Man dankte seinen Freunden und Verwandten für die Liebe und ihre Hilfe. Den Göttern für Gesundheit und Glück. Dem Schicksal für das Wohl, das es einem zugutekommen ließ. Gerade in Daunt wurde dieses Fest hochgehalten und vor allem hier dankte man dem Schicksal, als wäre es die einzig wahre Gottheit.

Kays Ansicht nach war das totaler Humbug. Auch sie war, dank ihres Vaters, mit dem Glauben an Götter und vor allem an die Schicksalsgöttin Tyche aufgewachsen. Auch sie sprach zu ihr, bat sie um Hilfe und dankte ihr. Doch sie machte sie nicht dafür verantwortlich, wenn es ihr schlecht ging. Sie gab ihr keine Schuld an trüben Tagen und sie machte sich keine Illusionen, dass beten und Hingabe allein, einem alle Türen und Tore öffnete. Die Menschen dachten so, Kayleigh nicht. Und das war einer der Punkte, die Jenson an ihr liebte. Sie sah klar und logisch. Sie wusste, von nichts kommt nichts. Jeder ist Herr seines Schicksals. Karma ist Echo. Sie war die erste Frau, die das so sah wie er.

Im Anwesen war es ruhiger geworden, denn die meisten der Dienerschaft kümmerten sich nun darum, dass alles zum Festplatz gebracht wurde. Jenson bog in den Flur zur Bedienstetentreppe nach oben ein, nahm die achtzehn Stufen, immer zwei auf einmal und stand kurz darauf an der Tür zu Kayleighs Arbeitszimmer. Er lauschte und hörte sie reden, dann einen Mann, Nordin, ihr Schatzmeister, danach eine Frau, die Jenson nicht zuordnen konnte. Er wartete also, bis beide sich verabschiedet hatten, und schob die verborgene Tür erst auf, als die Haupttür zum Ratszimmer zuging.

Kay lehnte rückwärts an der Tischplatte, ein Blatt Papier in den Händen. „Ich dachte schon, du willst da gar nicht mehr rauskommen“, sagte sie, den Rücken noch immer zu ihm gewandt und den Blick auf dem Papier.

„Wer war die Frau?“, wollte er wissen und ging um den Tisch, bis er vor ihr stand.

Sie schaute nicht auf. „Marry. Die Schneiderin. Sie musste noch was ändern. Du hättest reinkommen können. Sie kennt die Tür.“

„Das wusste ich nicht. Warum kenne ich die Frau nicht?“

„Sie kam erst gestern hier an. Ich kenne sie von früher. Wir waren damals schon Freundinnen.“

Jenson legte eine Hand über das Papier und verwehrte ihr damit, weiterzulesen. „Ich sagte doch, ich will die Leute sehen, bevor sie zu dir kommen.“

Kayleigh atmete ein und aus und hob den Blick. „Sie ist in Ordnung. Wir kennen uns schon ewig. Wir haben regelmäßigen Briefkontakt, seit sie weggezogen ist, und sie hat mir dieses Kleid gemacht.“

Er schenkte dem Kleidungsstück keine Beachtung. „Wir hatten eine Abmachung, Kay. So läuft das nicht.“

Sie richtete sich auf, griff die Schärpe seiner Uniform und zog ihn näher. „Bitte entschuldige, Lord Highgrade. Ich werde sie ordnungsgemäß zu dir schicken, damit du deinen Segen geben kannst.“

„Das ist nicht witzig, Kayleigh!“, zischte er. „Ich muss dich nicht an den letzten guten Freund erinnern, der dir ein Messer zwischen die Rippen treiben wollte?!“

Sie senkte getroffen den Blick und legte ihre Stirn an seine Brust. „Du hast ja recht. Bitte verzeih mir. Ich habe nicht daran gedacht.“

Er legte ihr die Arme um und gab ihr einen Kuss aufs Haar. „Bitte denk das nächste Mal nach.“

„Das werde ich.“ Für einen Moment standen sie noch Arm in Arm, dann schob Kay ihn sachte weg und lächelte frech. „So, jetzt will ich aber die Bewunderung, die mir zusteht. Was sagst du zu dem Kleid?“

Jenson nahm etwas Abstand, um sie vollständig betrachten zu können. Sie drehte sich elegant, wobei das hellblaue Kleid sich leicht ausstellte und sanft wogte. Es hatte keine Ärmel, war luftig geschnitten und wirkte sehr sommerlich, mit den vielen leichten Lagen aus dünnem, fast durchscheinendem Stoff. Zusammen mit den offenen Sandalen, dem schlichten Silberschmuck und Kayleighs offenem schwarzem Haar, wirkte es zurückhaltend schön.

Er räusperte sich und meinte: „Na ja. Geht.“

Ihr Ausdruck wurde verwundert und dann enttäuscht. „Es gefällt dir nicht? Weil es blau ist, oder? Aber schwarz ging nicht. Es muss doch fröhlich aussehen.“

Er grinste frech. „Es gefällt mir schon. Aber ganz ohne ist noch schöner.“

„Ganz ohne?“

„Stoff.“

Ihre Miene wechselte von verwirrt zu wissend. „Ist das so? Na, das fänden sicher noch mehr Männer schön. Nicht nur du.“

„Davon ist auszugehen.“

„Du Schuft. Wenn du mich anderen so anpreist ...“

„Dich anzupreisen, würde mir nie in den Sinn kommen. Und wenn ich dürfte, wärst du schon lange meine Frau vor allen Göttern und dem Gesetz.“

„Und trotzdem stört es dich ganz offensichtlich nicht, dass auch andere meine nackte Haut sehen und sich daran erfreuen können.“

„Wir wissen beide, wie wenig es mich stört. Allerdings nur solange du mich weiterhin in dein Bett lässt, mich in meinem besuchst und mich nicht austauschst. Ich kann immerhin stets damit angeben, dich meine Frau zu nennen. Das kann kein anderer.“

„Stimmt wohl.“

Er grinste. „Sollen sie glotzen, bis ihnen die Augen ausfallen, dann werde ich lächeln, zu dir gehen, dich küssen und sie werden sterben vor Neid.“

Kayleigh schüttelte den Kopf. „So durchtrieben.“

„Natürlich.“

„Ich liebe dich.“

„Ich weiß.“

Gemeinsam gingen sie schließlich nach unten, wo er ihr in die offene Kutsche half, die sie erst nach Daunt, dann durch dessen Straßen und später zum Festgelände fahren sollte. Jensons Knappe hatte Mitternacht an den Zügeln und reichte ihm das Leder. Kay zog die Brauen nach oben und schüttelte den Kopf, als sie das Pferd sah. Mit der offenen Mähne und dem ungebundenen Schweif fiel es aus der Masse heraus. Jenson grinste, schwang sich in den Sattel und reihte sich hinter der Kutsche ein, um zu warten, dass es losging.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Sie erreichten die eigentliche Stadt recht schnell, drosselten ihr Tempo aber, als die ersten Leute in Sicht kamen. Die Menschen standen schon weit vor der Stadtmauer links und rechts des Weges, feierten und jubelten der Stadtherrin zu. Es waren längst nicht alles Daunter. So wenige Einwohner wie Daunt zählte, applaudierten und pfiffen hier wohl in der Mehrzahl Auswärtige, die in der Stadt arbeiteten oder Handel trieben. Wie auch immer. Kayleigh war durchaus beliebt und hatte viele Anhänger, die ihr gewogen waren.

Jenson wurde aufmerksamer und ließ den Blick achtsamer über die Leute und die Umgebung schweifen. Leider hatte sich nämlich in den letzten Monaten herausgestellt, dass mit ihrem Erfolg im Halten der Stadt, auch missgünstige Leute gehäufter auftraten. Es hatte allein in den letzten beiden Monaten zwei Anschläge auf Kay gegeben und irgendjemand hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, ihr Droh- und Hassbotschaften zu schicken.

Kayleigh nahm es nicht ganz so ernst wie Jenson. Allerdings hatte sie auch ziemlich viel um die Ohren. Sie verließ sich darauf, dass er da war, und er war es stets. Die Elfenfrau vor ihm in der Kutsche hatte seine volle Loyalität und Unterstützung. Es gab nichts, was er nicht für sie tun würde. Ihre gegenseitige Hingabe machte ihre Beziehung so perfekt. Sie vertrauten einander blind. Sie liebten einander ohne Einschränkungen oder Vorurteile. Sie wussten instinktiv, was der andere brauchte, und gaben es, ohne großartig zu überlegen.

Kayleigh hatte hier eindeutig die größeren Freiheiten. Jenson gewährte sie ihr, weil er seine Frau verehrte. Weil er wollte, dass sie glücklich war. Sie würde es ihm ebenso erlauben, das wusste er. Doch er wollte keine Freiheiten, die andere Frauen beinhalteten. Kayleigh reichte ihm vollkommen. Außerdem war sie jung und eine Elfe, wenn auch nur zur Hälfte. Ihr Temperament und die Wildheit war die einer vollblütigen, genau wie ihr Aussehen, das sie kaum von einer richtigen Elfe unterschied. Er würde sie also ohnehin nicht halten können, wäre er zu besitzergreifend.

Es gab jede Menge Männer, die sie sofort nehmen würde, jedoch von Jensons Präsenz davon abgehalten wurden. Zwar musste er, dank seiner natürlichen Ausstrahlung, kaum etwas dafür tun, dass Konkurrenten auf Abstand blieben, doch es war besser, seiner Liebe ein paar Freiheiten einzuräumen, damit sie eben sah, wie sehr er sie liebte. Wobei er an den Privilegien, die sie genoss, einen ebenso großen Anteil hatte. Wenn auch auf andere Weise. Sie sollte ihren Spaß haben, sich austoben und solange sie zu ihm zurückkehrte, war das in Ordnung. In jüngeren Jahren war er ja keineswegs besser gewesen.

Kayleigh vor ihm winkte den Leuten und freute sich mit ihnen. Sie lehnte sich oft weit über die Seite der Kutsche, um jemandem die Hand zu reichen, oder etwas entgegenzunehmen. Mit argwöhnischem Blick verfolgte Jenson jede ihrer Bewegungen und versuchte, alles genau einzuschätzen, was ihr gereicht wurde. Es war nicht viel nötig, um jemanden zu ermorden. Nicht mal eine Elfe war geschützt vor Giftgeschenken oder Feuerbotschaften. In der Stadt selbst blieb Kay dann dankenswerterweise in der Kutsche und winkte nur noch oder rief Grüße in die Menge. Er hatte sie um diese Rücksicht gebeten. Mit Nachdruck.

Am Haupthandelsplatz hielt die Kutsche für einen Moment, denn vor dem Gefährt hatte sich eine Traube an Menschen gebildet. Jenson schickte ein paar seiner Leute nach vorn, um den Weg freizumachen, und ritt selbst näher ans seitliche Heck der Kutsche heran.

„Entspann dich mal“, lächelte Kay frech. „Du siehst aus, als wolltest du gleich platzen.“

„Mmm“, brummte er lediglich und warf ihr einen missbilligenden Blick zu, bevor er erneut die Menge musterte. Auch hier war viel Lärm, viel Jubel, Pfiffe und Feststimmung. Die Leute an der Straße waren schon mitten in der Sommersonnenwendefeier. Vor den Gasthäusern und Schänken tummelten sich ebenso einige Ansammlungen. Oftmals Männergruppen, die extra für diese Tage nach Daunt gekommen waren, einfach, um zu feiern.

Als Jensons Blick von einer auf die andere Seite glitt, und dabei auch kurz Kayleigh erfasste, sah er, dass sie ebenfalls jemanden entdeckt zu haben schien. Er folgte ihrem Blick und erkannte augenblicklich, wer es war. Der Typ von gestern, um den sie gebeten hatte.

Der Zwerg stand mit seinen Freunden vor einer der Schänken, trank bereits und lachte, doch sein Blick hielt den von Kayleigh fest. Unwillkürlich kribbelte es in Jensons Magen. Diesmal hatte seine Liebe sich einen echten Jungspund ausgesucht. Kein Knabe, der gerade erst das andere Geschlecht entdeckte. Bei allen Göttern, dafür war Jenson dankbar. Aber trotzdem sehr viel jünger als sonst.

Normalerweise bevorzugte sie Männer in Jensons Altersgruppe. Anfang bis Mitte dreißig. Nie waren sie jünger, meist sogar drei, vier Jahre älter. Der da, war vielleicht gerade mal so alt wie sie selbst. Also Anfang zwanzig. Vermutlich war er sogar noch jünger. Es wurmte Jenson ungemein, dass sie diesmal so gewählt hatte. Zum Glück hatte der Hanswurst nicht zugesagt. Wobei ...

Die Kutsche ruckte, Jenson trieb Mitternacht vorwärts und schob sich in das Sichtfeld der beiden. Kayleigh wandte den Blick zu ihm, schmunzelte und ließ sich rückwärts sinken, bis sie gemütlich in der Kutsche lehnte.

Die restliche Fahrt verlief ohne Probleme und die Prozession erreichte wenig später den Festplatz. Er war wirklich schön geschmückt worden. Überall standen Fackeln und Tische, auf denen Köche, Bäcker und Fleischer ihre Gerichte anboten. An großen Holzmasten waren Wimpelketten befestigt, dazwischen baumelten Lampions. Da es noch hell war, waren sie nicht entzündet, doch später am Abend, würde ihr diffuses Licht den Platz in eine wunderbare Atmosphäre tauchen.

Für solch offensichtliche Romantik hatte Jenson nichts übrig. Kayleigh mochte das alles. Zum Glück nicht im Übermaß, sodass seine wenigen Anläufe, es zu versuchen, schnell ein Ende fanden. Hier und da eine Kleinigkeit, ein Wort, eine Berührung, ein Blick. Das reichte für beide.

Da er selbst vor dem Beginn des Festessens noch die Parade reiten musste, blieb Jenson im Sattel sitzen, als Kay aus der Kutsche stieg, zu ihm kam und seine Hand an den Zügeln griff. Er beugte sich zu ihr und nahm die leichte Berührung der Wange an.

„Benimm dich diesmal bitte“, bat sie und meinte seinen letzten Ausbruch aus der Formation zum Winterfest. Er hatte die Parade etwas aufpolieren wollen, indem er zeigte, was Mitternacht bereits gelernt hatte. Die Menge hatte es damals nicht schlecht gefunden. Kayleigh war stocksauer gewesen.

„Ich gebe mir Mühe“, grinste er frech, wofür er einen Schlag aufs Bein bekam. Sie wandte sich betont hochnäsig ab und lief zu ihrem Platz an der Festtafel. Jenson grinste noch immer und machte sich auf den Weg, die Parade zu eröffnen.

3

Kjarten

Ein wenig zu protzig, ging es ihm durch den Kopf, als Kjarten der Menge an Leuten zur Festwiese folgte. Er war das erste Mal auf dem Sommerwendefest in Daunt. Auch anderswo im Land fanden diese Feiern statt, doch bisher hatte er keine besucht, die ähnlich groß gewesen waren. Nicht mal letztes Jahr in Helven, als es noch gestanden hatte, hatte deren Stadthalter solch einen Aufwand betrieben. Und Helven hatte es immer übertrieben. Nun ja, alle anderen Städte im Land wurden auch von Menschen regiert. In Daunt sollten es, wie in der westlicheren, niedergebrannten Hafenstadt, Elfen sein, soweit Kjarten es in Erfahrung hatte bringen können.

Eventuell konnte man Daunt in Sachen Feste feiern, ein wenig mit Agáthariéd vergleichen. Ein wenig. Minimal. Agáthariéd war die Hauptstadt Kahárs. Daunt war ... ein Dorf. Ja. Im Vergleich war es ein Dorf. Kein sonderlich schönes, musste Kjarten sich eingestehen. Auch zu solch einer Gelegenheit, wie heute und trotz der ganzen Wimpel und Fahnen, Girlanden und Lampions war es nicht wirklich hübsch.

Es hätte ihn, wie im vergangenen Jahr, nach Helven verschlagen, doch die Stadt war heute nicht mehr als ein Haufen Asche. Sehr schade, wie er fand. Diese Stadt war eine gewesen, bei der ein Besuch immer gelohnt hatte. Durch diese Umstände jedenfalls hatte er sich in diesem Jahr erstmals für Daunt entschieden.

Wie Kjarten der Menge nun folgte, und seinen Freunden beim Lachen und Schwatzen zuhörte, kam mit jedem Schritt etwas mehr Feststimmung in ihm auf. Vielleicht eine halbe Stunde später zerstreuten sich die Leute mehr und mehr und er fand sich auf einer großen Wiese wieder, die, im Gegensatz zur Stadt, wirklich schön geschmückt war. Es sah zumindest sehr viel mehr nach Fest aus als die paar Wimpel und Girlanden innerhalb der Mauern.

Da er hier zum ersten Mal mitfeierte, suchte er sich vorerst einen Platz am Rand, um dem Treiben zuzusehen und sich einzufinden. Sicher würde auch hier ein Schauspiel stattfinden und noch sicherer, würde es übertrieben protzig sein. Typisch Elfen eben.

Tatsächlich dauerte es nicht lange und ein Herold brachte die Menge nach und nach zum Schweigen. Der Platz in der Mitte der Wiese wurde fluchtartig verlassen, als ein Tross Pferde in eleganter Paraderüstung das Grün einnahm. Mit Bewunderung betrachtete Kjarten die Reiter in ihren wirklich vornehmen schwarzen Uniformen. An den Säumen der Jackenärmel waren silberne Stickereien angebracht, und eine blaue Schärpe lag jedem Reiter quer über der Brust. Ein paar trugen Helme mit langen blauen Federn obendrauf und Umhänge in royalem Dunkelblau.

Kjarten versuchte, die Ränge auszumachen und wie sie in der Formation ritten. Ganz vorn ritt ein Mann, der als einziger einen goldenen Rand um seine Schärpe hatte und auch sonst war bei ihm golden, was bei allen anderen silbern war. Es war der, der sich vorhin so dreist in Kjartens Sichtfeld geschoben hatte. Ebenfalls trug der Mann als einziger einen Helm mit weißer Feder und den blauen Umhang. Alle anderen hatten blaue Federn, aber eben nicht alle einen Überwurf. Sein Pferd war der Uniform angepasst. Die Satteldecke war die einzige mit goldenem Rand.

Ein Offizier? Ganz bestimmt.

Dahinter folgte eine Reihe an Reitern, die sich aufs Haar glichen. Alle blau, schwarz, silbern. Mit blauer Feder und Umhang. Ihre Pferde wurden strenger gehalten. Die Männer ließen sie nicht locker laufen. Der Erste hingegen hatte die Zügel entspannt in einer Hand. Hinter dieser Gruppe Reiter folgte eine große Anzahl Pferde mit einfach Uniformierten. Keine Umhänge, keine Federn, aber silberne Stickereien und Knöpfe und wieder unverkennbar elfisch elegant.

Die Armee, wenn man das so nennen will. Die davor waren also bestimmt eine Art Wache oder so. Leibgarde vielleicht?

Der großen Gruppe folgten schließlich noch drei Bannerträger. Mit Umhängen, silbernem Besatz und blauen Federn am Helm. Sie hielten jeder jeweils eine lange Stange, an deren Enden zweimal die Flagge von Daunt und ein Mal die vom Reich Kahár prangten. Die Daunts zeigten das blau-silberne Wappen der Familie. Eine schwarze Wildkatze hinter einer silbernen Krone liegend, auf einem dunkelblauen Emblem mit silbernem Rand. Das Raubtier schien über die Krone zu wachen, wie ein mystischer Schatten. Die dritte Flagge trug das Insigne von Kahár. Ein verschnörkeltes K auf simplem grasgrünem Hintergrund.

Als die ganze Prozession die Wiese ein Mal komplett abgeritten hatte, teilte sich die Menge und nur die ersten und ein paar der letzten, sowie die beiden Bannerträger mit Daunts Wappen blieben. Der Rest drehte noch eine Runde um die Reiter, die sich in der Mitte der Wiese postiert hatten, und verließ dann den Platz.

So viel Schmuck und Aufwand für zwei Minuten Ritt, überlegte Kjarten. Da hätten sie auch gleich nur die paar reiten lassen können. Er schüttelte den Kopf. Die Elfen zeigten eben gern, was sie hatten. Wenn sie es auch nicht immer mit Vorsatz taten, wie die Menschen. Eitelkeit und Protz waren definitiv zwei ihrer Eigenschaften.

Die verbliebenen Reiter verharrten nun, bis der Platz sich geleert hatte, dann trat der Herold wieder vor und begann einen Monolog vorzutragen, der langweiliger nicht hätte sein können. Währenddessen änderte sich die Formation der Reiter ab und zu, als führten sie ein Schauspiel zum Gesagten auf. Erst als der Sprecher zu dem Punkt kam, wo die Regentschaft über die Stadt, an die junge Stadthalterin übergegangen war, horchte Kjarten wieder genauer hin. Daunt wurde von einer Frau regiert?

Seiner letzten Information nach, war es ein Mann gewesen. Einer der Familie Malwick, die auch im Norden Städte hielten. Wenn er so darüber nachdachte, war das ein Widerspruch, denn die Malwicks waren alle samt Menschen. Daunt aber eine Stadt der Elfen.

Neugierig geworden, wie denn nun die Regentschaft hier aufgebaut war, schob er sich durch die Menge weiter nach vorn und suchte den Herold. Der Mann stand an einer langen Tafel und las seinen Text von einem Stapel Papiere ab. Hinter ihm an dem langen Tisch saßen mehrere Leute. Genauso viele Männer wie Frauen. Sie gehörten zu beiden Völkern. Auch erkannte Kjarten die Frau von vorhin aus der Kutsche. Sie war eine Elfe, das war nicht zu übersehen. Gehörte sie zur Hauptfamilie der Daunts?

Ihre Blicke hatten sich getroffen, als der Tross auf dem Markt zum Stehen gekommen war. Kjarten hatte die Gelegenheit für eine kleine Tändelei auf die Entfernung genutzt. Zumindest so lange, bis der Schnösel sich dazwischen gedrängt hatte. Die Frau war hübsch und offensichtlich von Rang. So wie die Leute sich gefreut hatten, sie zu sehen, war sie auch ziemlich beliebt. Neben ihr am Tisch saß ein älterer Mann, ganz offensichtlich ein Alt-Elf, der streng dreinschaute. Ihr Vater?

Zur anderen Seite saß eine scheinbar junge Frau. Das konnte man bei Elfen immer schlecht festmachen, wenn sie noch in ihren mittleren Jahren waren. Aber auch diese Frau war offensichtlich eine Elfe und sah der neben ihr ungemein ähnlich. Eine Schwester?

Kjarten musterte jedes Gesicht am Tisch, doch wer von den Frauen die Stadthalterin sein sollte, erschloss sich ihm nicht. Keine sah danach aus. Vielleicht die alte Fistel am Tischende? War die überhaupt eine Elfe? Aber warum sollte sie dort sitzen, wäre sie die Stadthalterin?

Der Herold sagte ja außerdem; die junge Stadthalterin. Aber die anderen wirkten zu jung oder eben nicht, als wären sie zu einer Regentschaft fähig. Da wurde Kjarten plötzlich überrascht. Die verbliebenen Reiter auf der Wiese hatten bei den letzten Sätzen des Herolds weiterhin kleine Formationen gebildet, doch nun brach einer, offensichtlich unvorbereitet, aus der Menge aus, lenkte sein Pferd zum Tisch und trieb es so nah daran vorbei, dass der Herold aus dem Weg springen musste.

Die hübsche junge Elfe in dem blauen Kleid ließ den Kopf in den Nacken fallen, senkte den Blick auf die Tischplatte, vergrub das Gesicht für einen Moment in den Händen und schaute dem Reiter schließlich kopfschüttelnd hinterher. Der Reiter, der Offizier, lenkte sein Pferd am Ende der Tafel um, ritt zurück und bremste scharf vor ihr ab. Sie war ihm mit dem Blick gefolgt und schaute nun missbilligend zu ihm auf, wobei sie noch immer den Kopf schüttelte.

Die Menge lachte und klatschte, als der Offizier sein Schwert zog, vom Pferd sprang, es davontrieb und sich der Frau zuwandte. Einige pfiffen und johlten, als er das Schwert hob, seitlich legte, wobei er es nun mit zwei Händen hielt, auf ein Knie sank und es der Frau präsentierte. Mit gesenktem Kopf wartete er, dass sie seine Ergebenheit annahm.

Kjarten dachte schon, sie würde ihn zum Teufel jagen, ihr Gesicht zeigte das zumindest, doch dann stellte sich ein Lächeln auf ihren Zügen ein, das, so klein es auch war, die Menge noch mehr zum Jubeln brachte. Sie erhob sich, gab dem Mann ein Zeichen und er tat es ihr nach. Über den Tisch hinweg reichte er ihr sein Schwert.

Sie strich ein Mal sachte über die Klinge, richtete es gegen ihn und legte die Spitze an seine Brust. „Es soll kein Tag vergehen, an dem ich nicht auf Euch zählen kann, Lord Highgrade. Ich danke Euch, für Eure unerschütterliche Treue und Hingabe und nehme Euren Schwur erneut an.“ Sie senkte die Waffe, drehte sie und übergab sie ihrem Besitzer. Der beugte sich nun selbst über den Tisch und bekam, zu Kjartens restlosem Erstaunen, einen Kuss. Aber nicht einfach einen auf die Wange, aus Höflichkeit. Nein. Einen auf den Mund. Und dazu eine liebevolle Berührung. Solch ein Verhalten war von der Oberschicht definitiv nicht zu erwarten gewesen. Öffentliche Zuneigung zu zeigen, noch dazu zu einem rangniederen Mitglied der Gesellschaft, war ein Tabu.

Lord Highgrade trat zurück, pfiff sein Pferd heran, das auch wirklich sofort kam, schwang sich in den Sattel, wobei sein überaus zufriedenes Grinsen die Menge anheizte, dann trieb er das Tier an und verließ mit wehendem Umhang die Festwiese. Die restlichen Reiter folgten, ohne jegliche Aufforderung. Kjarten zog die Brauen hoch und schob die Unterlippe vor. Das konnte ein angenehmes Fest werden, wenn selbst die Hochwohlgeborenen hier so frei waren.

Kaum waren die Reiter weg, ertönte schon Musik und die Menge an Leuten machte sich über das Essen her. Auch Kjarten suchte sich etwas Leckeres von den vielen Buffets und mischte sich unter die Leute. Seine Freunde, Brady und Kohan, hatten sich bereits an einen Ausschank gestellt und würden diese Umgebung erst verlassen, wenn das Bier dort zur Neige ging. Er selbst schlenderte mal hier hin mal da hin. Einige Frauen und Mädchen warfen ihm Blicke zu, lächelten und musterten ihn von oben bis unten. Er lächelte zurück, riskierte kurze Tändeleien und nahm ihren ausgesprochenen und den unausgesprochenen Zuspruch an. Bei solchen Gelegenheiten fand man recht schnell eine neue Liebschaft und Kjarten hätte gern mal wieder was Festes gehabt.

Der Tag schritt gemütlich voran, ging in einen wunderschönen Nachmittag über, gefolgt von einem lauen Abend. Der Höhepunkt des Festes würde auch hier ein Feuerwerk sein. Die Fachmänner dafür bauten in einiger Entfernung schon seit geraumer Zeit ihr Werk auf, wobei sie von Schaulustigen und Neugierigen umringt wurden. Schließlich war es so weit und die ersten Sterne leuchteten am Himmel. Kjartens momentane Liebelei mit einem hübschen blonden Mädchen wurde von dem Herold unterbrochen.

„Das Feuerwerk beginnt in wenigen Minuten!“, rief er immer wieder, während er die Wiese abschritt.

„Oh!“, stieß die kleine Blonde aus. Kjarten hatte ihren Namen schon zweimal erfragt, aber trotzdem wieder vergessen. „Das wird so schön! So schön! Lady Daunt lässt jedes Jahr die besten Feuerwerker des Landes kommen!“

Stimmt ja. Die -Lady- der Stadt, fiel es Kjarten wieder ein. Er hatte sich hin und wieder mal umgesehen, doch keinen Hinweis darauf erhascht, wer denn nun die neue Stadtherrin war. „Sag mal, wer ist sie eigentlich?“, fragte er seine Tändelei geradeheraus.

„Das weißt du nicht?!“, fragte sie fast ein bisschen empört zurück.

„Ich komme doch nicht von hier“, lächelte er entschuldigend zurück. „Bitte, kläre mich auf, Sonnenscheinchen.“

Sie spitzte die Lippen zu einem koketten Schmunzeln. „Na dann komm mal mit.“ Sie führte ihn in Richtung einer der Tafeln, wo noch immer Speisen und Getränke in Hülle und Fülle angeboten wurden. Erstaunlich, dafür, dass hier doch so viel los war. In anderen Städten musste man bereits um die Reste kämpfen. Ein Stück vor dem Tisch blieb das Mädchen stehen und sah sich suchend um, dann deutete sie in die Menge. „Dort drüben. Sie tanzt mit Lord Highgrade.“

Kjarten folgte ihrem Fingerzeig mit dem Blick und fand den Offizier in einem Tanz mit ... dem Mädchen in dem blauen Kleid?!

„Das ist Lady Daunt?“

„Das ist sie. Sie sieht bezaubernd aus! So ein schönes Kleid!“, schwärmte das Mädchen. „Und ihre Haare! Oh Himmel. Ich wüsste gern ihr Geheimnis.“

Kjarten musterte das Tanzpaar. Lord Highgrade hatte den Helm und den Umhang abgelegt. Sein Blick schien grimmig, doch er lächelte zufrieden. Eine merkwürdige Mischung. Die junge Elfe in dem blauen Kleid, Lady Daunt, hatte ihren Kopf an seine Brust gelegt und wiegte sich mit ihm zur Musik. Das Lied war kein langsames und ihr offensichtlich verliebter Tanzstil passte überhaupt nicht, aber wenn man sie so sah, konnte man das sofort ausblenden.

„Seit wann ist sie noch mal Stadthalterin?“, fragte Kjarten weiter.

„Heute werden es sechs Jahre.“

„Oh. Ihr Jubiläum und die Wende?“

„Ja. Als ihr Vater starb, war sie siebzehn. Ihre Brüder verlor sie noch eher an die See. Ihre Mutter übernahm die Stadt für drei Monate, war dem aber nicht gewachsen. Lady Kayleigh wurde achtzehn, übernahm die Regentschaft zur Sommerwendefeier vor sechs Jahren und ein Jahr später ging ihre Mutter zurück nach Ilhár. Man sagt, sie wäre sonst an gebrochenem Herzen gestorben.“

Kayleigh, halte es in Kjartens Kopf wider. Ein wirklich schöner Name. Ein elfischer. „Sie ist aber eine richtige Elfe, oder?“

„Eine Halbe. Ihr Vater war ein Mensch. Er gehörte zur Familie Malwick und führte Daunt im Namen von Lady Kayleighs Mutter, weil die nicht in der Lage dazu war.“

„Und wie lange geht das da schon?“ Er deutete auf die beiden. „Der Mann ist ja nun nicht in ihrem Rangmetier, oder? Und er ist ein Mensch. Dürfen die das?“

Das Mädchen kicherte. „Ist doch egal, was er ist. Ihre Mutter ehelichte auch einen Menschen. Und genau genommen dürfen sie es nicht. Aber wen schert’s? Lady Daunt ist glücklich und wenn es nach uns ginge, würden wir ihr die Ehe erlauben. Leider haben wir hier keine Stimme. Also gönnen wir ihr, so viel uns möglich ist.“

„Gönnen?“

„Na ja, ja. Eigentlich sollte sie schon lange verheiratet sein. Aber sie will nicht. Ihre Verwandten machen Druck und drohen, ihr die Stadt wegzunehmen, und so was. Aber sie hält dagegen und stellt sich ihnen immer wieder. Daunt mag nicht viele Einwohner haben, aber Lady Kayleigh hat jede Unterstützung von uns. Alle Händler und Kaufmänner stehen auf ihrer Seite. Sie ist gut zu uns und sie ist nicht so distanziert wie andere Stadthalter. Man kann mit ihr wie dem eigenen Nachbarn reden. Natürlich mit Respekt, aber sie ist immer freundlich und hilfsbereit. Das macht ihren Erfolg aus. Egal, was man für ein Problem hat, man kann sie um Hilfe bitten und sie versucht, es zu lösen, wenn es in ihrer Macht steht. Deshalb sehen wir es auch nicht so eng, was sie privat tut.“

„Aber das hier ist nicht privat. Es ist ein öffentliches Fest.“

„Na und? Hast du etwas gegen das Glück einer jungen Frau, die ihre Liebe gefunden hat?“ Diese Frage kam etwas beleidigt, also ruderte Kjarten elegant zurück.

„Ganz sicher nicht. Es steht mir ja auch gar nicht zu, irgendwen zu verurteilen. Es ist nur so ungewöhnlich.“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern.

„Und dieser Lord Highgrade. Wer ist das genau? Wo kommt er her und wie kam er an sie ran?“

Jetzt kicherte die kleine Blonde wieder. „Als Lady Daunt die Stadt übernahm, hatte sie kaum noch Gefolgschaft. Viele waren mit dem Tod ihres Vaters gegangen, weil sie geglaubt hatten, es käme ein fremder Mann, der die Stadt übernehmen würde. Sie suchte also neue Leute. Auch für ihre Garde. Ich war nicht dabei, aber es heißt, Lord Highgrade hätte ihre Bitte abgewiesen, sich der Wache anzuschließen. Sie war aber sehr von ihm angetan und ließ immer wieder nach ihm schicken. Irgendwann hat er ihr einen Vorschlag gemacht und sie nahm ihn an.“

„Was denn für einen Vorschlag?“

„Er hatte wohl gemeint, er würde ihr nur dienen, wenn er sie dafür bekäme.“

„Bekäme wie bekommen?“

Das Mädchen nickte. „Über seine Herkunft ist nichts öffentlich bekannt. Laut dem Gerede war er ein mittelloser Vagabund. Lady Daunt hat ihm den Titel des Offiziers gegeben und die zweite Hälfte von ihrem Bett.“ Die Kleine grinste diebisch.

Kjarten zog die Brauen zusammen. „Der sieht aber viel älter aus als sie.“

„So alt ist er nicht. Er ist dreiunddreißig.“

Nun machte Kjarten große Augen. „Ach?!“ Der Mann sah nicht annähernd wie Mitte dreißig aus. Eher wie vierzig oder fast fünfzig. Vielleicht lag es auch am Dämmerlicht und dem Alkohol in Kjartens Blut. Von seiner Position aus war der da drüben jedenfalls ein alter Sack im Vergleich zu der hübschen Frau in seinen Armen.

„Mhmh“, bejahte das Mädchen. „Er sieht älter aus, weil er viel rumgekommen ist und wohl einige Kämpfe nur knapp überlebt hat. Viel wissen wir nicht, denn er redet selbst nicht über sich. Lady Daunt kennt ihn vermutlich als Einzige am besten.“

Kjarten brummte nachdenklich. So eine Verschwendung, dachte er. So ein hübsches Mädchen und nimmt sich so einen verbrauchten Sack.

„Lass uns tanzen!“, bat die Kleine an seiner Seite unvermittelt. „Dieses Lied ist so schön! Bitte.“ Sie zog an seinem Arm und er folgte ihr. Sein Blick blieb noch kurz bei der Lady und ihrem Offizier.

Gestern war ein Mann bei ihm gewesen, der sich ihm aber nicht vorgestellt, Kjarten jedoch etwas angeboten hatte. Er hatte weder dem Mann noch dem Angebot große Beachtung geschenkt. Jetzt ging ihm durch den Kopf, dass es Lord Highgrade gewesen sein könnte. Vom Auftreten her würde es passen. Kjarten hätte hinschauen sollen, doch der Alkohol und die Stimmung unter den Freunden hatte ihn unaufmerksam sein lassen. Dieses Angebot, war es von Lady Kayleigh Daunt gekommen?

4

Jenson

Jenson achtete kaum auf das Feuerwerk. Er und Kayleigh hatten sich etwas weiter an den Rand der Menge zurückgezogen und waren beide in die Liebkosungen des anderen vertieft. Natürlich konnten sie hier nicht hemmungslos übereinander herfallen, weshalb es bei Küssen und zärtlich intensiven, aber unauffälligen+ Berührungen blieb. In seinem Magen kribbelte es. Hoffentlich war das Feuerwerk bald zu Ende. Dann mussten sie nur noch vielleicht eine halbe Stunde aushalten, bis sie sich zurückziehen konnten, ohne dass es unhöflich wirkte.

„Ich freue mich auf deine Nachtschicht nachher“, raunte sie ihm ins Ohr.

Er grinste an ihrem Hals, den er gerade küsste. „So so.“

„Mhmh. Du hast noch was gut zu machen.“

„Ach ja?“ Er hob den Kopf und schaute sie mit verengten Augen an. „Was denn genau?“

Sie zog eine Braue nach oben. „Die Parade?“

„Ich hab dir die Treue geschworen.“

„Ja und du bist aus der Formation ausgebrochen. Zum wievielten Mal, hast du mir jetzt auf diese Weise deine Loyalität gelobt?“

„Zehn? Elf? Keine Ahnung. Ist das wichtig?“

„Jen!“

Er grinste. „Ach komm. Tief drin hat’s dir gefallen. Es gefällt dir jedes Mal.“

„Denkst du. Ständig brichst du aus. Irgendwann wird dir das zum Verhängnis.“

„Inwiefern denn?“, fragte er, senkte seine Lippen wieder an ihren Hals und fuhr sachte daran entlang. „Willst du mich degradieren?“

Sie seufzte bei der Berührung. „Ich nicht.“

„Niemand sonst kann es.“

„Doch. Wenn sie es mit allen Mitteln wollen, dann fast jeder meiner buckligen Verwandtschaft Kahárs.“

„Blödsinn. Die ...“ Er wurde unterbrochen, als sich jemand näherte und offenkundig keine Anstalten zur Zurückhaltung machte. Jenson hob den Blick in Richtung des Neuankömmlings und seine Stirn legte sich in Falten. Einer seiner Männer der Wache kam herüber, auf seiner Miene stand Vorsicht.

„Was?!“, fragte Jenson schärfer als gewollt. Eine Unterbrechung war im Moment das Letzte, was er gebrauchen konnte.

„Lord Highgrade, darf ich Euch für einen Moment sprechen? Es ist wichtig.“

„So wichtig?“, hakte er mit Unterton nach. Was war jetzt gerade wichtiger als seine freie Zeit mit Kay?

„Ja, Milord“, antwortete der Mann schlicht.

Jenson nahm Abstand von seiner Liebe und küsste ihre Hand. „Lauf nicht weg.“

„Niemals“, lächelte sie ehrlich.

Die Männer entfernten sich ein paar Schritte, dann sprach die Wache leise: „Es wurde ein Mann festgenommen, der vermutlich einen Anschlag auf die Lady ausüben wollte.“

Jensons Herz schlug plötzlich schneller. „Wann?!“

„Vor wenigen Minuten. Einem Zweiten sind wir auf den Fersen. Der Festgenommene hatte mehrere Waffen bei sich und wollte nach Aussage der Zeugen gerade zu Euch und Lady Daunt. Zwei der Männer, die ihn gesehen haben, konnten ihn überwältigen, ein dritter rief uns. Wir haben den Täter sofort in Gewahrsam genommen und Leute ausgesandt, den Entlaufenen zu finden. Er ist in Richtung Stadt geflohen.“

„Verdoppelt sofort die Zahl der Männer, die nach ihm suchen. Bringt die Zusatzwache der Lady unauffällig im Anwesen in Stellung und sorgt dafür, dass der Gefangene keine Möglichkeit zur Flucht hat. Sind die Zeugen noch da und die Männer, die ihn stellen konnten?“

„Ja. Wir haben ihre Namen, wissen, wo sie untergekommen sind, und haben sie gebeten, die Stadt nicht zu verlassen.“

„Gut. Sorgt dafür, dass auch der Geflohene schnellstmöglich gefunden wird, und bringt ihn zu den Kerkern. Schärfste Bewachung! Und achtet auf Unauffälligkeit. Die Menge hier sollte um keinen Preis in Angst verfallen. Es ist nichts passiert, klar?!“

Der Mann neigte ergeben den Kopf. „Natürlich, Milord.“

„Geht“, befahl Jenson. Der Mann ging rasch, aber nicht überstürzt davon. Jenson atmete tief durch und lief zu Kayleigh zurück, die gedankenverloren den letzten Feuerwerkskörpern bei ihrem Farbenspiel zusah. „Milady?“, raunte er ihr ins Ohr.

Sie kicherte.

„Ich bin der Überzeugung, niemand würde es bemerken, wenn wir uns jetzt schon von den Festlichkeiten lossagen. Was meint Ihr?“

„Du willst schon wieder aus der Reihe tanzen?“, fragte sie frech zurück. „Lord Jenson Highgrade. Was soll das noch mit Euch werden?“

Er lachte leise. „Ach komm schon. Ich bin diese protzige Uniform leid. Der Stoff ist fürchterlich steif und die Stiefel eine Grausamkeit für meine Füße.“

„Naturist durch und durch, was?“

„Ich habe nichts gegen Kleider. Sie sollten nur bequem sein. Keine oder nur wenig anzuhaben, ist natürlich immer von Vorteil.“

„Dabei siehst du echt heiß hier drinnen aus.“ Sie zupfte an seiner Schärpe. „Aber gut. Dann will ich mal nicht so sein. Und dich von diesem hinreißenden Übel erlösen. Lass uns gehen, Lord Highgrade. Ich nehme an, dein Pferd ist nicht weit?“

„Ist es nicht. Du willst reiten?“

„Liebend gern.“

Er nahm ihre Hand und führte sie zu den Pferden, wo er einen Knappen heranpfiff, der ihm Mitternacht brachte. Mit einem Schwung hatte er Kay in den Sattel gehoben und saß kurz darauf hinter ihr. Sie juchzte freudig auf, als er dem Tier die Fersen in die Flanken drückte und der schwarze Hengst lospreschte. Mit einer Hand hielt er Kay sicher vor sich, mit der anderen hatte er den Sattelknauf gepackt.

Mitternacht galoppierte fort von der Festwiese und in die dunkle Nacht hinein. Der Himmel hatte nur noch einen minimalen dunkelblauen Akzent und würde bald vollends in Schwärze getaucht sein. Das war Jenson liebste Zeit des Tages. Wenn es dunkel wurde und die Schatten die Oberhand übernahmen.

Er ließ Mitternacht laufen und lenkte ihn nur ab und zu mit den Beinen. Dieses Tier war ein Geschenk in zweierlei Hinsicht. Kayleigh hatte es ihm zu seinem ersten Jahrestag als Offizier geschenkt. Ein erst wenige Tages altes Fohlen, dessen Muttertier Kayleighs eigene Stute war. Und es war perfekt, vom ersten Tag an.

Jenson hatte Kayleigh um ihre Stute beneidet. Hatte ihr das Tier sogar abschwatzen wollen, denn sie ritt sie nicht sehr oft und er fand es schade, ein so prächtiges Pferd auf der Weide stehen zu lassen. Doch die Lady hatte sich vehement geweigert. Die Stute hatte eine sehr gute Abstammung und war ein Geschenk zu ihrem sechzehnten Geburtstag gewesen.

Als Jenson auf ihre Weigerung hin ein wenig in Trotz verfallen war und ihr zwei Mal den Sex verweigert hatte, hatte sie ihn in der darauffolgenden Woche mit dem Fohlen überrascht. Oder zumindest mit der Nachricht, dass Camara tragend war.

Natürlich hatte er gehofft, sie würde ihm nun wenigstens das Fohlen überlassen, doch Kay hatte keine Anspielungen drauf gemacht, also hatte er weiter getrotzt, aber auch nicht danach gefragt. Irgendwann hatte sich wieder Normalität eingestellt, Jenson seinen Trotz überwunden und dafür jede freie Minute bei Kayleighs Stute verbracht.

Kay hatte es freilich registriert, aber weiterhin keinen Ton darüber verloren. Jenson hatte still gehofft, sie mit seinem Verhalten vielleicht dazu zu bewegen, ihm das Fohlen zu geben. Er hatte schweigend gewartet und war am Ende tatsächlich belohnt worden. Mit dem Fohlen, das kurz nach seinem ersten Jahrestag als Offizier geboren worden war, und einer wunderbaren Nacht auf dem Heuboden des Pferdestalls.

Die folgenden Jahre hatte er das Tier selbstständig ausgebildet und geformt. Heute war Mitternachts zweiter offizieller Auftritt gewesen und es machte Jenson ungemein stolz, dass alles reibungslos und ohne jegliche Probleme geklappt hatte. Nun lief der tiefschwarze Hengst auf das Anwesen zu, in dem Kayleigh und Jenson lebten. Sie seit ihrer Geburt. Er seit sie ihn unterschwellig darauf hingewiesen hatte, dass die Gästewohnungen sehr viel näher waren als seine schäbige Zweizimmerbruchbude in der Stadt.

Mitternacht passierte das mächtige Eisentor, galoppierte noch ein Stück, bis zu den Ställen und blieb schließlich vor dem großen Gebäude stehen, als hätte Jenson ihn angehalten. Er glitt vom Rücken des Tieres, griff Kayleighs Hände und half ihr vom Pferd. Mit einem Wink holte er einen Stallburschen heran, der sich verbeugte, die Zügel nahm und Mitternacht wegführte. Jenson ging in die Knie, packte Kayleigh um die Mitte und warf sie sich über die Schulter.

„Jeeen!“, lachte sie, während er sich auf den Weg in ihre Gemächer machte.

Ihre Heiterkeit hielt leider nicht allzu lange an, denn die vermeintlichen Ereignisse auf dem Fest, tobten durch Jensons Gedanken. Jemand hatte versucht, Kay zu ermorden. Schon wieder. Der dritte Anschlag in nur drei Monaten. Irgendwer versuchte mit allen Mitteln, die Stadthalterin von Daunt umzubringen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis derjenige Erfolg hatte.

„Wo bist du denn?“, wollte Kayleigh wissen, setzte noch zwei Küsse auf seine nackte Brust und legte sich schließlich auf ihn, sodass sie Nase an Nase waren. „Wolltest du den Abend nicht nett ausklingen lassen? Was ist denn los?“

Er schloss die Augen, legte ihr die Arme um und drückte sie fest an sich. „Tut mir leid. Ich bin irgendwie abgelenkt.“

„Offensichtlich. Mit was denn? Kann ich dir helfen?“ Ihre Lippen strichen sanft über sein Ohr.

Er schüttelte leicht den Kopf. „Nein. Leider nicht.“

„Es muss schlimm sein, wenn es dich so sehr beschäftigt, dass nicht mal ich dich davon ablenken kann.“

Er brummte. Er wollte es ihr nicht sagen. Sie hatte schon angekündigt, handeln zu wollen, und Jenson wollte das um jeden Preis vermeiden.

„Was ist passiert?“, hakte sie nach, klang etwas autoritärer und es wurde offenkundig, dass er nicht lange schweigen konnte. Aber vielleicht konnte er sie noch ein weiteres Mal überzeugen, die Füße still zu halten.

„Die Wache vorhin“, begann er. Kay hob den Kopf und er ließ etwas in der Umarmung locker, um sie ebenfalls ansehen zu können. „Er hat mir berichtet, dass es wieder jemand versucht hat. Sie haben ihn aber gefasst.“

„Was?! Und das erzählst du mir nicht?!“

„Weil ich weiß, was jetzt kommt.“

Sie machte sich von ihm los und setzte sich auf. Er hielt sie jedoch so, dass sie wenigstens auf ihm blieb. Wenn er ihre Wärme jetzt verlor, täte es noch mehr weh, ihre Enttäuschung über sein Schweigen hinnehmen zu müssen.

Sie sah ihn grimmig an, blieb aber sitzen. „Erzähl! Sofort!“

Er seufzte und berichtete kurz, was die Wache gesagt hatte. Fast flehend fügte er an: „Ich bitte dich, Kay. Tu nichts. Es bringt dich unnötig in Gefahr.“

„Pff! Und was soll ich stattdessen tun? Weiter hier hocken und hoffen, die geben irgendwann auf? Nein! Ich habe die Nase voll! Das muss ein Ende haben!“

„Du kannst aber nichts tun. Wir suchen doch schon. Unsere Spione sind draußen. Wir haben überall Leute. Niemand im Land ist so gut informiert, wie du und ich.“

„Und trotzdem weiß ich immer noch nicht, wer mich tot sehen will! Ich weiß alles, über jeden. Aber diese eine Information habe ich nicht!“

„Kay, bitte beruhige dich.“

„Nein! Ich will mich nicht beruhigen! Das ist der dritte Anschlag! Der Dritte! In so kurzer Zeit! Der Vierte könnte der Letzte werden, Jen!“

Er schluckte schwer, weil das Bild von ihr auf dem Totenbett vor seine Augen trat. Mit einem Ruck setzte er sich auf, nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie so innig, als wäre es der letzte Kuss, den er je von ihr bekommen würde.

Sie löste sich viel zu schnell von ihm und schob ihn ein Stück zurück. „Das muss aufhören“, sagte sie, schon viel leiser und ruhiger. „Ich kann nicht mehr zugucken. Bitte.“