Richtig (v)erziehen - Michael von Känel - E-Book
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Richtig (v)erziehen E-Book

Michael von Känel

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Beschreibung

Der Autor ist ehrlich: Bisher hat sich dieses Büchlein kaum verkauft. Ob dies am Titel liegt? Nein! Dieses Buch will nicht Macht durch Disziplin und Anstand - im Gegenteil! Dieses Büchlein ist entstanden, nachdem der Autor zwanzig Jahre lang als Lehrer die Entwicklungen in der Gesellschaft beobachtet hat. Wer über 1500 Schulkinder unterrichtet und mehrere hundert Elterngespräche erlebt hat, der macht zwangsläufig seine Beobachtungen. Und diese Beobachtungen lassen die Veränderungen in der Gesellschaft ans Licht treten. Und nicht jede dieser Veränderungen ist gut für ein Kind. Und gerade weil dem Autor das einzelne Kind und die Jugend als Gesamtes so sehr am Herzen liegt, hat er sich sehr viele Gedanken gemacht, wie Erwachsene dazu beitragen könnten, dass die grosse, kalte und graue Welt die jungen Menschen nicht kaputtmacht, sondern auch für sie zu einem Paradies des Daseins werden kann. All diese Gedanken haben den Autor verändert. Aus einem systemtreuen Mitläufer ist ein eigenwilliger Aussteiger geworden, der viel mehr auf innere Lehren und auf den menschlichen Verstand vertraut als auf das System, das dem Individuum seine Einzigartigkeit raubt und es gefügig machen will, auf dass es als Zahnrad seine Funktion wahrnehmen kann - ohne das Veilchen am Wegrand je erblickt zu haben. Dieses Büchlein will es weder besser wissen, noch will es tadeln. Es möchte inspirieren. Wer seinem Kind hilft, seinen Willen und seinen Charakter zu entwickeln, indem es über Wertschätzung und sorgsame Betreuung lernt Dankbarkeit und Demut zu empfinden, der tut mehr, als wenn er ihm jeden Wunsch von den Lippen abliesst, auf dass das Kind all seine Selbstwirksamkeit und seine Selbstverantwortung verliert und den Launen des Konsums und Komforts anheimfällt. Richtig verziehen ist einfach. Richtig erziehen ist eine Kunst, die bei den Erwachsenen selbst anfängt. Wer über sich und über die Dinge nachdenkt, der ist auf dem richtig Weg. Mehr ist nicht möglich. Aber das ist schon eine ganze Menge! Anstatt die Entwicklungen in der Gesellschaft zu kritisieren, kann es sich lohnen, mal dieses Büchlein hier zu lesen... Danke, dass Ihnen die Erziehung Ihres Kindes nicht egal ist! Denn diese Welt ist zu schön, als dass man sie ohne Nachkommen, die all das Wunderbare zu schätzen wissen, verkommen lassen würde.

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Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Einleitung

3 Das Marshmallows-Experiment

4 Die Maslows-Pyramide

5 Persönlichkeitsentwicklung

6 Die Ablenkung

7 Der schmale Pfad

8 Gute Eltern sein wollen

9 Die Rolle der Gleichaltrigen

10 Früher war alles schlechter

11 Einleitung

12 Der Schulweg

13 Das Kinderzimmer

14 Der Esstisch

15 Das Wohnzimmer

16 Die Konsumtempel

17 Die Folterkammer

18 Das Federbett

19 Road to hell

20 Ein Hoch auf das Böse-Sein

21 Fazit

Richtig (v)erziehen

Warum lieb sein zu Kindern böse ist

Copyright und Layout:

Michael von Känel

BE/Schweiz

Publikation und weitere Werke:

www.denkmalnach.ch

Teil A – Beobachtungen

1 Vorwort

In diesem Buch wird Erziehung in einem anderen Licht und aus einer anderen Perspektive betrachtet. Lieb sein ist nicht alles! Es gibt andere humanistische Perspektiven, die Kinder wesentlich weiterbringen, als das vermeintliche lieb Sein aus Selbstliebe. Wer an Hintergründen zum Erziehen interessiert ist, der kann in diesem Buch womöglich einige spannende Ansätze finden, die über das herkömmlich Greifbare hinausgehen…

2 Einleitung

Um eines gleich vorwegzunehmen: Ich bin weder Kinderschinder noch Kinderschänder. Auch bin ich kein Erziehungsspezialist und auch meine Kinder verhalten sich immer wieder seltsam. Wahrscheinlich ist das so, weil sie Kinder sind. Und genau deshalb liebe ich sie!

Es liegt mir fern, in diesem Buch jemanden anzuklagen, denn das bringt niemanden weiter. Auch werde ich kein allgemeingültiges Rezept liefern, um Supermenschen zu erschaffen. Das aus dem einfachen Grund, weil jeder Mensch eine eigene Seele hat und darum etwas Einzigartiges und Besonderes ist. Dazu kommt, dass jeder Mensch in einem anderen Umfeld lebt und aufwächst. Nie wird es möglich sein, auf alle weichen Faktoren einzugehen, die die Entwicklung eines Kindes beeinflussen. Denn für das erstgeborene Kind ist die Ausgangslage in einer Familie ganz eine andere als für das jüngste.

Allerdings gibt es überall gewisse Dinge, an denen man sich orientieren kann. Wenn wir zum Beispiel einem Kind die Konsequenzen seines Handelns aufzeigen, indem wir es bestrafen, werden wir eine andere Wirkung erzielen, als wenn wir ihm zu erklären versuchen, welche Folgen sein Handeln hat.

Häufig höre ich: «Das versteht es noch nicht, denn dafür ist es noch zu klein!» An diese Aussage glaube ich nicht. Denn mein Leitsatz lautet vielmehr: «Hohe Gedanken ziehen hohe Gedanken an». Somit vertrete ich die Position, dass man Kindern alles erklären kann. Und auch wenn ihr Intellekt im Moment nicht weiss, was mit den Erklärungen anzufangen ist, werden ständige Erklärungen und Erörterungen in der Denkweise, und als Folge daraus im Verhalten des Kindes Spuren hinterlassen.

Wenn ich in diesem Buch also Beobachtungen und daraus resultierende Ideen präsentiere, dann tue ich das nur, um das Verständnis über die Bedeutung der Erziehung in unserer Gesellschaft zu fördern. Nirgendwo können wir mehr Verantwortung übernehmen. Und nirgendwo nützt der Einsatz finanzieller Mittel weniger als in der Erziehung. Ich weiss, diese Aussage ist krass. Aber gefragt ist nichts Materielles, sondern das, was uns selbst ausmacht. Was tragen wir in uns und wie leben wir? Ist unser Vorbild wertvoll genug, es an die künftige Generation weiterzugeben?

Durch diese Frage erkennen wir, dass Erziehen uns stark fordert. Und nicht nur das. Erziehen verändert uns selbst als Mensch. Ich wage sogar zu behaupten, dass die Kinder ihre Erzieher mehr lehren als die Erzieher die Kinder. Wer also erziehen, und nicht verziehen will, der kommt nicht darum herum, sein eigenes Denken und Handeln ständig zu hinterfragen und zu entwickeln. Und eines müssen wir dabei wissen: Wir können nur erfolgreich erziehen, wenn wir uns unserer Ecken und Kanten, unser Stärken und Schwächen und vor allem unserer Fehlbarkeit bewusst sind.

Sobald wir eigene Fehler eingestehen und uns dafür vor dem Kind entschuldigen können, bildet sich ein Band der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens zwischen uns als Erzieher und dem Kind. Dieses Band der Authentizität ist es, das uns die natürlich Autorität zum erfolgreichen Erzieher verleiht: Ohne Beziehung, keine Erziehung.

3 Das Marshmallows-Experiment

Wer ein Tier in der Wildnis beobachtet, der stellt fest, dass dieses Tier ein fast perfekt ausgeglichenes und ausgewogenes Leben führt. Es frisst, wenn es Hunger hat und etwas zu fressen findet. Es ruht sich aus, wenn es Erholung braucht. Es vermehrt sich dann, wenn die Jahreszeit dafür geeignet ist. Während der Vegetationszeit nimmt das Tier an Gewicht zu, im Winter verbrennt es den Winterspeck und nimmt wieder ab.

Auch wenn dieses Leben hart ist, so lebt das Tier doch gesund und lässt sich nicht zu gefährlichem Verhalten oder unerklärbarem Benehmen verleiten. Sollte dies dennoch der Fall sein, dann kommt das Ökosystem zum Zug, dass dann durch Selektion zu einer Korrektur des Fehlverhaltens führt.

Der Mensch ist kein Tier. Darum lässt er sich viel einfacher verleiten und verführen. Dies ist so, weil der Mensch dem Lustprinzip viel stärker unterliegt als ein Tier. Eine Katze etwa frisst so viel, bis sie keinen Hunger mehr hat. Im Gegensatz dazu gibt es Menschen, die ständig am Essen sind, auch wenn sie wissen, dass das für sie ungesund ist.

Wenn ein Kind wählen kann zwischen Hausaufgaben machen und Fernsehen, dann schaut es von sich aus sehr wahrscheinlich fern. Es geht automatisch den Weg des geringsten Widerstandes. Wir verurteilen es dafür nicht, weil wir dieses Verhaltensmuster nur zu gut von uns selbst kennen.

Ein Kind kann sich also nur entwickeln und auf höhere Stufen des Denkens und Handelns gelangen, wenn es lernt, die ihm innewohnende Lust zu unterdrücken oder aufzuschieben. Das bedeutet im Klartext nichts anderes, als dass es lernt, seinen eigenen Willen zu entwickeln. Wer über einen eigenen Willen verfügt, der kann das Lustprinzip gewinnbringend einsetzen. Denn wenn das Kind auf Konsum verzichten kann und stattdessen seine Aufmerksamkeit einem Gegenstand des Denkens oder Handelns zu widmen vermag, entwickelt es sich anders und vor allem schneller. Diesen Sachverhalt bestätigt das Marshmallows-Experiment: Kinder, die für eine spätere Belohnung auf sofortigen Konsum zu verzichten bereit sind, bringen es im Leben weiter als solche, die sofort nachgeben.

Während früher die Lebensumstände dazu geführt haben, dass ein Kind den Konsum aufschieben und zuerst andere Dinge tun musste, bis es etwa etwas zu essen bekam, sieht es heute in der westlichen Welt völlig anders aus. Alles steht immer und jederzeit frei zur Verfügung. Der einzige Grund für ein Kind unserer Zeit, etwas Angenehmes zugunsten etwas Unangenehmem aufzuschieben oder zu unterlassen, ist sein Erzieher. Der Erzieher hat also die Aufgabe, das Kind vor all dem, was es verführen könnte, zu schützen. Verrückt, nicht?

Jetzt können wir uns noch fragen, weshalb es im Leben eines Kindes so viele Verführungen gibt. Die Antwort ist einfach: Kinder bilden ein wesentliches Kundensegment für diverse Branchen, die ihre Produkte verkaufen wollen. Kinder werden gezielt mit Süssigkeiten auf richtiger Höhe im Ladengestell geködert, so dass sie ihre Eltern so lange vollquengeln, bis diese nachgeben und kaufen. Das ist nur ein winziges Beispiel. Die Folge davon ist, dass die Eltern ihr Geld loswerden und die Kinder dick oder dumm werden. Und nicht nur das: Zucker macht träge und willenlos. Achten Sie doch mal darauf, wie viele Leute eine Tafel Schokolade, wenn sie sie geöffnet haben, ganz aufessen, anstatt nur eine Ecke davon zu geniessen.

Zusammenfassend können wir also Folgendes sagen: Weil gewisse Leute Geld verdienen wollen, nutzen sie das Lustprinzip der Kinder und die Freude der Eltern am Verwöhnen aus und manipulieren damit die natürliche Entwicklung eines Kindes. Abgesehen davon machen sie den Eltern das Erziehen viel schwieriger, als es sonst schon ist.

Paradoxerweise verbringen Eltern heute beim Erziehen schon fast mehr Zeit damit, ihren Kindern Dinge vorzuenthalten, als dass sie Zeit damit verbringen, ihnen Dinge, die zur guten Erziehung beitragen, zu beschaffen. Das ist eine Wohlstandserscheinung. Während früher über 50 Prozent des Familieneinkommens in die Ernährung floss, sind es heute noch etwa fünf bis zehn Prozent. Dafür wird für anderweitigen Konsum, für Freizeit und Schein, viel mehr Geld ausgegeben.

Wer seinem Kind ein Kleidungsstück einer bestimmten Marke kauft und dafür das Doppelte bezahlt, als für ein Noname-Produkt, der geht für Schein Geld verdienen und opfert also Zeit, die er womöglich besser mit seinem Kind verbringen könnte.

Ich verurteile dieses Verhalten keineswegs. Ich möchte damit nur aufzeigen, dass nicht nur Kinder den Verführungen der Gesellschaft und des Kapitalismus unterliegen, sondern auch ihre Eltern. Und darum denke ich, dass wir gut daran tun, die eigentlichen Bedürfnisse eines Menschen etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Nur so können wir uns ein genaueres Bild darüber machen, was ein Mensch braucht, und was eher nicht. Diese Klarheit hilft dann, das Leben und den Haushalt so zu gestalten, dass weniger Zeit ins Verhindern und Verbieten, dafür mehr Zeit ins Fördern, Lehren und Entwickeln investiert werden kann.

4 Die Maslows-Pyramide

In seiner Darstellung der menschlichen Bedürfnisse bedient sich Abraham Maslow einer Pyramide. Diese Pyramide teilt er waagrecht in fünf Stufen ein, in die er die Bedürfnisgruppen der Menschen einordnet. Zuunterst setzt er die Existenz- und Grundbedürfnisse wie Essen, Schlafen, Trinken, Wärme etc. Eine Stufe darüber kommt dann das Sicherheitsbedürfnis. Dazu gehören wohl nicht nur das angstfreie Einschlafen, sondern auch eine gewisse Zuversicht, dass man am nächsten Tag zu leben und zu essen hat und bei Bedarf auf Hilfeleistungen oder Versicherungen zurückgreifen könnte. Auf der dritten Stufe folgt dann das Sozialbedürfnis. Dieses beinhaltet, dass man sich mit anderen Menschen treffen, verbinden, austauschen und verstehen kann. Dies kann sowohl in der Familie als auch in der Gesellschaft der Fall sein. Und womöglich dehnt sich dieses Bedürfnis sogar auf liebgewonnene Haustiere aus.

Bei der vierten Stufe – dieser Balken ist in der Pyramide schon viel schmaler – geht es um das Bedürfnis nach Anerkennung. Dieses Bedürfnis ist für die gesunde Entwicklung von Menschen sehr wichtig. Denn nur mit aufrichtiger Anerkennung können sie den im Buch «Lehrermangel» erklärten natürlichen Minderwertigkeitskomplex in den Griff bekommen. Anerkennung ist, wenn man jemanden, ohne zu urteilen, so nimmt, wie er ist nun mal ist, ihm aber hilft, durch Denken und Handeln vorwärtszukommen und sich zu entwickeln.

Zuoberst, in der Spitze der Pyramide, setzt Maslow das Selbstverwirklichungsbedürfnis. Dieses Bedürfnis konnte auch bei uns im Westen lange nicht vollständig erfüllt werden. Die soziale Herkunft und wirtschaftliche Einschränkungen hinderten die Menschen daran, das zu tun, was sie am liebsten tun würden. So wurde das Selbstverwirklichungsbedürfnis zu einem Motivationsfaktor für Generationen. Alle träumten vom eigenen Häuschen, von der Möglichkeit, dass die eigenen Kinder es besser haben könnten als sie selbst, und sie träumten von der Weltreise, von Champagner, Kaviar und einem Klavier im Wohnzimmer.

Überall auf der Welt versucht auch heute noch der Kapitalismus bei diesem Selbstverwirklichungsbedürfnis einzuhaken und die Leute dazu zu bringen, ihr Geld dafür auszugeben, indem man ihnen durch Werbung und anderweitige Beeinflussung das falsche Gefühl vermittelt, sie könnten ihrer Probleme Herr werden, indem sie sich ihre Selbstverwirklichung in Form von materiellen Gütern kaufen würden.

Wer bereits viel Geld ausgegeben hat und gemerkt hat, dass Reichtum und Besitz nicht glücklicher machen, sondern nur einen Teil der Grundlagen für das Glücklichsein bilden, der erlangt durch diese Erkenntnis viel Freiheit. Diese Freiheit ist quasi das Resultat davon, dass alle Bedürfnisse der Pyramide erfüllt sind. Und die mehrheitliche oder vollständige Erfüllung der Bedürfnisse ermöglichen dem Menschen eine Persönlichkeitsentwicklung.

Während früher ein Mensch also in der Bedürfnispyramide durch Willen, Eifer und Glauben daran, dass er es schaffen wird, nach oben streben und dabei viel Persönlichkeit entwickeln konnte, ist die Situation für unsere Kinder eine ganz andere. Denn unsere Kinder kommen auf die Welt und finden mehr oder weniger alle Bedürfnisse der Maslows-Pyramide bereits erfüllt vor. Also muss bei ihnen die Persönlichkeitsentwicklung künstlich, sprich durch Erziehung induziert werden.

Der Tragweite dieses Umstandes müssen wir uns zuerst bewusstwerden. Während Kinder vor noch nicht langer Zeit zuhause im Haushalt, im Garten oder im Betrieb mitarbeiteten und so Ausdauer, Durchhaltewillen und vieles im Umgang zusammen mit Erwachsenen lernten, müssen diese Situationen heute ständig vom Erzieher künstlich erschaffen werden. Denn unser Haushalt ist so eingerichtet, dass es nur noch wenig Arbeit für Kinderhände gibt. Der Geschirrspüler spült, die Ölheizung heizt, die Mikrowelle wärmt das Fertiggericht und der Staubsauger-Roboter saugt. Wie kann man da Kinder noch sinnvoll beschäftigen? Die Flucht in die digitale Welt und in die Medien ist vorprogrammiert, denn die Plastikspielzeuge verlieren bereits unmittelbar nach dem Auspacken ihre Attraktivität und Bücher lesen ist halt nun mal mit einer gewissen Anstrengung verbunden. Draussen wird der Rasen vom Hauswart gemäht, der Garten besteht aus Steinen und die Bäume stehen nur noch im Wald, weil ums Haus herum müsste man im Herbst zu viele Blätter wegräumen. Dafür ist das Fussballspielen mit Gleichaltrigen wegen herumstehender teurer Autos und wegen der Lärmbelastung schwierig. Und Haustiere halten kann man keine, weil man ja regelmässig Urlaub in einem All Inclusive Ressort verbringt und da nicht noch an das Kaninchen zu denken vermag.

Unter diesen Umständen wundert es nicht, dass Eltern lieber arbeiten gehen und ihre Kinder in die Hände ausgebildeter Betreuer einer Kindertagesstätte geben, als dass sie sich tagelang bemühen, durch künstlich herbeigeführte Situationen Sinn in das Leben ihres Kindes zu bringen. Auch die Grossmutter hat vor der Erziehung ihrer Enkel kapituliert, weil diese das Mithelfen im Garten völlig uncool finden und sich auch nicht mehr gewohnt sind, etwas so lange zu tun, bis es fertig ist.

Und unter dieser Perspektive betrachten wir dann die Institution Schule auch aus einem ganz anderen Blickwinkel. Kommen die Kinder überhaupt noch zur Schule, um etwas zu lernen, oder einfach um gehütet zu werden? Können Lehrkräfte Kinder unterrichten, mit denen nicht mal die Eltern etwas zu tun haben wollen? Macht es überhaupt Sinn, Kinder zu haben, wenn die Betreuung und Erziehung schwierig ist und nicht Spass macht? Gibt es Eltern, die Kinder haben, weil es zum Lifestyle dazugehört oder weil ihnen am Wochenende sonst langweilig wäre?

5 Persönlichkeitsentwicklung

Wenn wir davon ausgehen, dass ein junger Mensch sich nur durch das Bewältigen von Herausforderungen entwickeln kann, dann leuchtet es ein, dass Kinder Herausforderungen benötigen. Im Idealfall stellen sie sich diese Herausforderung selbst. Dies könnte zum Beispiel die Aufgabe sein, den Bach so zu stauen, dass ein möglichst grosser Stausee entsteht. Und tatsächlich können sich Kinder, die gewohnt sind, sich selber zu beschäftigen, lange Zeit etwas tun und dabei sogar noch lernen und schöne Ergebnisse erzielen. Sobald man aber diesen Kindern einen Bildschirm oder ein vermeintlich schönes Spielzeug zeigt, verlieren sie die Lust an dem, was sie vorher getan haben, gänzlich. Es scheint also störende Faktoren zu geben, die Kinder davon abhalten, sich selbst zu beschäftigen.

Als jemand, dem Chancengleichheit wichtig ist, kommen mir die Tränen, wenn ich über diesen Sachverhalt nachdenke. Dies, weil offensichtlich die Familie und die Umgebung des Heranwachsens viel mehr Einfluss haben, als wir denken würden. Das war natürlich schon früher so. Aber heute sind nicht mehr die Kinder benachteiligt, die keine Lerngegenstände zuhause vorfinden. Es sind heute die Kinder benachteiligt, die in ihrem Umfeld wenig Selbstbeschäftigungssituationen, dafür zu viele Ablenkungsgegenstände vorfinden. Und wenn in dieser Situation dann auch noch Betreuungspersonen fehlen, die es aushalten, streng zu sein, Grenzen zu setzen und Forderungen zu stellen, dann wird es für ein Kind, ganz egal welche Haltung wir ihm gegenüber haben, enorm schwierig, sich so zu entwickeln, dass es später über die nötigen persönlichen Eigenschaften verfügt, die es ihm unter anderem erlauben, ein Marshmallow eben nicht sofort zu essen.

Hier setzen wir dann auch das erste Mal beim Thema Erziehen, beziehungsweise Verziehen ein. Wenn es das Ziel der Eltern ist, ihr Kind möglichst häufig glücklich zu machen und ihres Kindes bester Freund zu sein, dann sieht der Pädagoge dunkle Wolken am Himmel aufziehen.

Natürlich kommt es darauf an, wie das Kind glücklich gemacht wird. Wenn dies durch Anerkennung nach einer Leistung oder durch Lob nach einer geglückten Anstrengung des Kindes erfolgt, ist gegen dieses «Glücklich machen» nichts einzuwenden, im Gegenteil!

Wenn das Kind aber mit materiellen Dingen glücklich gemacht wird, oder indem man ihm eine Aufgabe oder eine Bürde abnimmt, dann führt das sehr schnell zum Verziehen. Und da zeigt sich dann auch schon der Unterschied zwischen Eltern, die ihre Erziehungsfunktion wahrnehmen, und Eltern, die der beste Freund ihres Kindes sein wollen.

Erziehende Eltern halten es aus, streng zu sein und nicht nachzugeben, wenn das Kind etwas will und darum quengelt. Zu liebe Eltern geben nach und haben dann fatalerweise auch noch das Gefühl, sie hätten ihrem Kind einen Gefallen erwiesen. Wenn das einmal geschieht, dann lässt sich der Schaden wieder gutmachen. Bildet sich aber eine Gewohnheit daraus, dann werden die lieben Eltern ihr liebes Kind in der Pubertät erst so richtig kennen lernen. Es gilt nämlich auch hier das Sprichwort: Die Zügel lockern kann man immer noch. Sie anziehen hingegen geht nicht mehr. Immer mehr wird das verwöhnte Kind darum in der Adoleszenz Forderungen stellen, und zwar so lange, bis die Eltern aufgrund der gesellschaftlichen Normen gezwungen werden, nein zu sagen. Man nennt das auch das Ausloten der Grenzen durch die Jugendlichen. Wer die Grenzen schon von klein auf kennt, braucht weniger danach zu suchen. Wer aber immer nur «liebe» Menschen um sich hatte, der wird irgendwann mal – meist völlig erstaunt – anecken und sich wundern, warum ein anderer Mensch auf einmal so aufgebracht reagiert. Häufig geschieht das in der Schule, wie im meinem Buch Lehrermangel beschrieben. Die Lehrkräfte melden sich dann nach erfolglosen Erklärungsversuchen bei den Eltern und stellen dann fest, dass die Eltern ihrem Kind nichts mehr zu sagen haben.

Zusammenfassend können wir also festhalten, dass ein Kind grundsätzlich etwas für die Erfüllung seiner Bedürfnisse leisten müssen sollte, damit es sich und seinen Charakter entwickeln kann. Übernehmen die Eltern sämtliche Mühen, und räumen sie alle Hindernisse aus dem Weg, dann glaubt der dadurch werdende kleine Prinz oder die kleine Prinzessin, die Welt funktioniere so. Das Erwachen kommt dann, wenn Aussenstehende die Forderungen nicht zu erfüllen bereit sind. Es ist also äusserst fördernd, wenn bereits das kleine Kind jedes Mal etwas tun muss, wenn es etwas haben möchte, auch wenn es nur danke sagen ist. Es ist nämlich wichtig, dem Kind in der Erziehung nebst Entwicklungssituationen auch feste Werte mit auf den Weg zu geben. So etwa, dass nichts auf der Welt selbstverständlich ist.

6 Die Ablenkung

Starten wir doch gleich mal mit einer Behauptung: In einer Klasse sind die Kinder lerntechnisch am erfolgreichsten, die kein Smartphone besitzen und deren Medienkonsum zuhause gesteuert und limitiert wird.

Im Gegensatz dazu gibt es leider Kinder, die meistens sich selbst überlassen sind und sich darum mit dem am wenigsten Anstrengenden unterhalten, das sie in ihrer Umgebung finden. Diese Kinder verbringen dann Stunden mit digitalen Spielen, mit ziellosem Medienkonsum und mit belanglosen Interaktionen auf Social Media.

Was diese Behauptungen für tiefgreifende Wirkungen auf die Kinder und ihre Entwicklung haben, versuche ich im Teil B etwas genauer zu erklären. Hier möchte ich zunächst nur mal auf das Thema Konzentration eingehen.

Unser Gehirn funktioniert bis zu einem gewissen Punk recht simpel, fast mechanisch, wenn es darum geht, sich Wissen oder Verhalten anzueignen. Nebst diesem, nennen wir es mal «banales Lernen», gibt es weit komplexere menschliche Eigenheiten zu entwickeln. Ich denke da etwa an Emotionen oder an das Entwickeln eines logischen, zielgerichteten Denkens. Die Anforderungen an die Möglichkeiten eines jungen Menschen sind aber bei der Entwicklung aller der genannten Bereiche enorm! Ab einem bestimmten Punkt findet die Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder auf einem so hohen Level statt, dass passive Lernübertragung über Medien oder das Lernen in Interaktion mit Gleichaltrigen nicht mehr ausreichen. Wenn die Wahrnehmung komplexer Gefühle oder Gedanken weiterentwickelt werden soll, dann ist das nur noch über Interaktion mit Vorbildern, also meist Erwachsenen möglich. Und wenn jetzt auf diesem hohen Level etwas durch intensive Auseinandersetzung mit einer Situation oder durch genaues Beobachten eines Vorbildes entwickelt werden soll, dann ertragen weder Intellekt noch Psyche des jungen Menschen eine derart starke und immer wieder auftretende Ablenkung, wie wir sie heute im Umfeld unserer Kinder in Form von digitalen Medien oder materiellen Wohlstandserscheinungen vorfinden.

Es heisst, in der Ruhe liege die Kraft. Aufgrund meiner Erfahrungen kann ich diese Aussage nur bestätigen. Aber wann hat ein Mensch unserer heutigen Gesellschaft noch Ruhe? Wenn der Jogger im Wald seine 45 Minuten läuft, dann hört er dazu Musik, lässt seine Schritte digital zählen, erfasst durch eine Applikation auf seinem Smartphone die gelaufene Strecke und kriegt eine Statistik mit seinen Leistungsparametern nach dem Lauf geliefert, so dass er sich schon während dem Joggen mehr stresst, als dass er sich an der frischen Luft erholen würde. Und solche Sachen passieren im Wald, dort wo es in unserem Umfeld noch fast am ruhigsten ist.

Was erlebt aber ein junger Mensch, wenn er am Morgen erwacht, 36 Messages auf seinem Smartphone erblickt, danach zum Radiohören einen Energydrink runterkippt und schon nach Minuten in gestresster Gangart in den wild rotierenden Bahnhof kommt? Was wirkt im vollgestopften Bahnwagen auf ihn ein, bevor er die wartenden Peergroups auf dem Schulgelände passiert und sich verschiedenste Wortmeldungen zu seinem heutigen Erscheinungsbild anhören muss? Ist eine solche junge Person dann in der Lage, sich intellektuellen Lerninhalten in der Schule zu widmen?

Es gibt Kulturen, in denen gehörten zumindest mal körperliche und/oder mentale Konzentrationsübungen zum festen Tagesablauf. Durch den gesunden Körper zum gesunden Geist zu finden und durch einen gesunden Geist den physischen Körper gesund und fit zu halten, ist auch heute noch eine Maxime, die es nicht zu vernachlässigen gilt. Aber leider findet niemand mehr Zeit dafür. Das ist aber ein riesiger Irrtum! Wenn nämlich ein Tag 24 Stunden hat und ein Mensch davon acht Stunden schläft und acht Stunden arbeitet, was macht er dann in den verbleibenden acht Stunden?

Scheinbar werden wir in unserer sogenannten «zivilisierten» Welt derart stark abgelenkt, dass wir nicht mal mehr Zeit für essenzielle Dinge wie das Essen haben. Stattdessen müssen wir News abchecken, die Mailboxen durchackern, schmalbrüstige Posts liken und kommentieren, die nichtssagenden, meist eher verletzenden Kommentare auf unsere eigenen Posts und Tweets durchkämmen, auf den Onlinebörsen mitbieten und den Werbeanzeigen und Influencern unser Gehör schenken, damit wir nicht abfallen und dadurch auffallen.

Wo in aller Welt bleiben dann die Dinge, die das Leben lebenswert machen? Sie sind mittlerweile schon so schwierig zu finden, dass viele Leute gar nicht mehr wissen, dass es sie gibt. Zwar suchen sie bewusst oder unbewusst nach irgendeinem Sinn in ihrem Leben, aber sie werden nicht fündig. Auch wenn sie um die ganze Welt jetten, bleibt ihr Sehnen nach Glück, Wohlbefinden und Freude immer unerfüllt. Ist das so, weil sie durch die ständige Ablenkung immer davon abgehalten werden, aus der Ruhe die nötige Kraft zu schöpfen, die es zum Entdecken der wesentlichen Dinge im Leben nötig hätten?

Und dann stellt sich am Schluss dieses Kapitels eine zentrale Frage: Können Menschen, die den ganzen Tag etwas hinterherrennen, von dem sie selbst nicht wissen, was es ist, für ihre Kinder eine Vorbildfunktion einnehmen, so dass diese sich ganzheitlich zum Wohle ihrer selbst und zum Wohle der Gesellschaft entwickeln können?

Genau so, wie Erziehende dafür sorgen müssen, dass Kinder ihre Bedürfnisse erkennen und für deren Erfüllung Leistung zu erbringen lernen, müssen die gleichen Erzieher auch dafür sorgen, dass die Ablenkung im Umfeld ihrer Kinder möglichst gering ist. Um dazu fähig zu sein, kommen die Erwachsenen folglich nicht darum, die Ablenkung um sich selbst zu erkennen und sie gezielt zu minimieren, um nicht zu sagen zu eliminieren.

7 Der schmale Pfad

Wenn Eltern ihren Schützlingen Bedürfnisse nicht gleich erfüllen, oder ihnen attraktive Ablenkungen vorenthalten sollen, dann müssen sie sehr stark sein. Dies ist so, weil sie den ganzen Kommerz gegen sich haben. Denn auch die Wirtschaft hat erkannt, dass Kinder Bedürfnisse, und dass die Eltern ihre Schwächen haben. Und in der heutigen Zeit ablenkt, hat, wenn man der Spur folgt, früher oder später mit Geld und Konsum zu tun. Der auf Konsum ausgerichtete kapitalistische Apparat unserer Gesellschaft ist so mächtig, dass er schon längst in der Lage ist, über die Kinder die Eltern zu manipulieren. Wenn Mami keine Markenklamotten kaufen will, dann erklärt ihm ihr süsses Kindlein schon bald, dass es sicher nicht mit solchen Säcken von Kleidern in die Schule wolle, weil es sich so ja schämen müsse. Und folglich hat die vernünftige Mutter dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie bleibt konsequent und standfest, oder sie gibt nach. Wer einmal nachgegeben hat, der wird es wieder tun müssen. Und wer immer konsequent und nicht konsensbereit ist, der verliert nach und nach das Verständnis seines Kindes.

Somit gilt es für die Eltern, die Kunst «des schmalen Pfades» zu erlernen und zu praktizieren. Der schmale Pfad ist die Linie zwischen lieb sein und böse. Zwischen Güte und Strenge.

Eltern sollten sich zudem, wann immer möglich, an das Motto halten: «Niemals aus Prinzip und niemals aus Mitleid!» (Natürlich ist dieses Motto in sich ein Paradoxon, weil niemals ja zwangsläufig ein Prinzip injiziert).

Wenn wir jetzt den «schmalen Pfad» und das genannte Motto bezüglich Prinzips und Mitleid miteinander kombinieren, können wir daraus für die Eltern wichtige Anhaltspunkte für ihr Erziehungsverhalten gewinnen. Wer sich nämlich nicht von «Lieb sein» oder «böse sein» verleiten lässt, der reagiert nicht emotional, sondern rational, normalerweise im Sinne der guten Erziehung des Kindes. Derart erziehende Eltern wissen, das liebevolle Strenge auf Dauer mehr Früchte trägt, als übermässiges Wohlwollen oder bösartiges Ängstigen und Einschüchtern. Die Gradlinigkeit des schmalen Pfades hilft dem Kind zudem, Vertrauen in seine Erzieher aufzubauen, so dass es mit der Zeit seine Bemühungen belohnt sieht, den Anforderungen seiner Eltern zu genügen.

Nebst dieser Loslösung vom emotionalen Verhalten, das die Eltern durch das Beschreiten des schmalen Pfades erreichen, reflektieren die Eltern zudem im Idealfall alle Regeln und Grenzen, die sie ihrem Kind vorgeben und setzen. Eltern sollten nicht aus Prinzip etwas verlangen. Sie sollten aber auch nicht aus Mitleid nachgeben. Etwas aus Prinzip zu tun bedeutet nämlich, dass man etwas Bestehendes einfach so übernimmt, ohne es auf seinen Gehalt zu prüfen. Wir sollten aber immer mit Hilfe unseres Nachdenkens überprüfen, was wir unseren Kindern aufbürden und welche Folgen und Bedeutung es für diese hat. Das schütz uns vor einer moralisierenden oder verängstigenden Erziehungsmethode.

Wenn wir hingegen aus Mitleid handeln, dann tun wir das, weil wir es nicht aushalten, dass das Kind sich emotional oder willentlich anstrengen muss, eine Herausforderung zu meistern, das heisst, ein Problem selbständig zu lösen. Eltern, die ihren Kindern immer alle Hindernisse aus dem Weg räumen, erziehen ihr Kind nach und nach zu einem kleinen Tyrannen. Dies, weil die Kinder so nie lernen, dass die Welt nicht nach ihren Spielregeln funktioniert. In dem sozialen Gefüge der Gesellschaft muss man sich anpassen, damit man andere nicht in ihrer Freiheit verletzt oder einschränkt.

Als Richtlinie sei also den Eltern mit auf den Weg gegeben, dass sie immer für ihr Kind da sein sollten. Das stärkt und festigt das Urvertrauen des Kindes. Wenn sie für ihr Kind da sind, unterstützen sie es in der Bewältigung von Herausforderungen, indem sie den Denkprozess anregen und den Durchhaltewille fördern. Es kann auch helfen, durch positive Verstärkung die Motivation des Kindes zu wecken. Dies sollte aber in einfacher, ständiger Weise geschehen und ohne äussere materielle Anreize erfolgen.

Die Eltern sind immer korrekt und gradlinig in ihrem Verhalten, und sie sind auch immer bereit, dem Kind zu erklären, weshalb sie sich als Eltern entsprechend verhalten. Sie können auch jederzeit erklären, weshalb sie vom Kind bestimmte Verhaltensweisen und Anstrengungen verlangen.

Wir sehen hier sofort, dass das Erziehen von den Eltern viel Selbstdisziplin, Reflektion und eine gute Vorbildfunktion abverlangt. Aber je mehr sich dadurch die positiven Charaktereigenschaften der Eltern entwickeln, je mehr profitiert das Kind von einer natürlich erworbenen Grundhaltung, die ihm als Selbstverständlichkeit den Weg durch sein Leben weisen wird.

Wir wissen, dass nicht alle Eltern und ebenso wenig alle Kinder die gleichen persönlichen Voraussetzungen haben. Man muss auch kein Superheld sein, um Kinder gut zu erziehen. Wir dürfen in grossem Vertrauen zum Sein davon ausgehen, dass Kinder automatisch das erhalten, was sie zum Erwachsenwerden und zu ihrer Entwicklung brauchen. Was die Eltern dazu beitragen, ist eher als das Gewürz in der Suppe, oder als den Duft der Blume zu verstehen. Je mehr wahre positive Eigenschaften vermittelt und mitgegeben werden können, je reichhaltiger wird das Leben des Kindes. Das Kind wird also nicht durch starre Disziplin, drillmässiges Repetieren oder harsches Fördern in eine Richtung zum glücklichen und tragenden Mitglied der Gesellschaft heranwachsen. Viel eher wird jede in ihm geweckte, höhere Emotion, etwa Freude, Mitgefühl, Liebe oder Anteilnahme, sein Leben so bereichern, dass es seinen vorbestimmten Weg gehen und dabei aus dem Vollen schöpfen kann. Aus dem Vollen schöpfen meint, durch Geben viel zu erhalten.

Einen wertvollen Weg der Erziehung zu beschreiten ist wohl nichts anderes, als einem Kind die Möglichkeit zu geben, seine Emotionen zu entwickeln, wobei die positiven Emotionen gefördert und die negativen ausgedünnt werden. Sobald das Kind weitgehend gelernt hat, seine negativen Emotionen zu kontrollieren, ist es auch bereit, seine mentale Entwicklung immer weiter zu entfalten. Je mehr ein Kind lernt, dass Sachverhalte festen Bedingungen unterliegen, und dass man durch Beobachten und Nachdenken diesen Sachverhalten und Bedingungen selber auf den Grund zu gehen vermag, je mehr wird das Kind an Selbstsicherheit und an Freude gewinnen. Eine gute, kräftige Kombination von positiven Emotionen und gereiftem Nachdenken wird das Kind in seiner Adoleszenz zur Erkenntnis führen, dass alles Wahrnehmbare einen Daseinsgrund innehat, denn es zu ergründen gilt. Wer das wunderbare Zusammenspiel des Seins anfängt zu enthüllen, der wird auf ganz andere Weise durchs Leben gehen, als jemand, der den Einflüssen von aussen unterworfen ist, die in erster Linie nur nach seinem Geld oder seiner Abhängigkeit trachten.

Natürlich fällt einem Kind mit positiven Eigenschaften das Meistern von Herausforderungen und somit seine Entwicklung leichter. Wille, Konzentrationsvermögen, Durchhalten, Beobachtungsgabe oder physische und emotionale Robustheit sind Wegbereiter zum Lösen von Aufgabestellungen und anspruchsvollerer Lebenssituationen. Wir können uns fragen, woher diese Eigenschaften kommen. Aber diese Frage mutet wohl etwas an, wie die Frage, ob zuerst das Huhn oder das Ei war. Etwas von allen Eigenschaften bringt ein jedes Kind mit. Wie stark diese aber sind, ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Und inwiefern das Umfeld die Eigenschaften positiv beeinflusst, ist schwierig zu beurteilen. Aber DASS das Umfeld beeinflusst, ist gewiss. Und auch wenn man nicht klar sagen kann, welche Erziehungsbemühung in welcher Situation wie viel bringt – Wohlwollen in der Erziehung dem Kind gegenüber wird immer Früchte tragen! Und womöglich wird es sogar bisher versteckte Eigenschaften und Eigenheiten ans Licht bringen, die das Kind zu einem wunderbaren Individuum und einer starken, begehrten Persönlichkeit erwachsen lassen. Wir sollten also bei der Erziehung immer dran denken, dass wir zwar Leitplanken in Form von Grenzen setzen, dass wir aber auf dem Weg auch Lichter entzünden, die den Weg weisen und im Kind Resonanz erzeugen, so dass es mit der Zeit von sich aus zu scheinen vermag.

Der schmale Pfad ist übrigens gar nicht schmal. Nur die Versuchung, den eigenen Emotionen nachzugeben, ist riesig. Es ist einfach, lieb zu sein und zu verwöhnen. Es passiert auch von selbst, seinem Ärger dem Kind gegenüber freien Lauf zu lassen und ihm gegenüber so Macht und Überlegenheit auszuspielen. Wer aber kontrolliert und überlegt lieb oder streng ist, der wird dafür nach und nach Anerkennung und Liebe von seinem Kind bekommen – weil auch das Kind merkt, dass alles was auf diese Art von seinen Eltern kommt, mehr Wert hat und tiefer gründet, als das oberflächliche Erhalten von Preisen, Auszeichnungen oder schnell ausgesprochenen Lobes, das ohne grosse Gegenleistung verschenkt und dementsprechend schnell wieder vergessen geht.

8 Gute Eltern sein wollen

Jeder Erwachsene möchte gerne ein guter Vater oder eine gute Mutter sein. Auch jede Person im Bildungswesen wäre gerne ein guter Erzieher, der gerecht, geachtet, fair, beliebt, bewundert und geschätzt wird. Aber Achtung! Es ist nicht an den uns befohlenen Kindern und Jugendlichen, uns das in unserem Leben zu geben, was wir vermissen und uns selbst nicht zu geben vermögen. Es ist ein uraltes, natürliches Prinzip, dass die Älteren zu den Jüngeren schauen. Dieses darf nicht umgestossen werden. Es können sonst im Unterbewusstsein des Kindes schwere Schäden entstehen, an denen es lange zu tragen und zu verarbeiten hat.

Wer also ein Kind bekommen möchte, weil er nach dem Sinn des Lebens sucht, und diesen in der Geburt eines Lebewesens sucht, der handelt womöglich etwas eigensinnig. Wer sich der Verantwortung und der damit verbundenen Einschränkungen für das eigenen Leben bewusst ist, und darin eine persönliche Bereicherung und ein wunderbares Entwicklungspotenzial sieht, der kommt wohl aber der guten Mutter oder dem guten Vater schon etwas näher.

Natürlich obliegt es mir nicht, über Berechtigung zu Geburt, das Schenken von Leben und über gute und schlechte Erziehung zu urteilen. Es liegt mir darum auch fern, mich in irgendeiner Weise negativ zu äussern. Aber es ist mir ein grosses Anliegen, darauf hinzuweisen, dass ein Kind und seine Entwicklungsmöglichkeiten zu achtbar sind, als dass man es sich selbst überlässt und ihm wichtige menschliche Errungenschaften wie Liebe und Zuneigung, Anerkennung und Gesellschaft oder Freude und Glück vorenthält.

Weil dem so ist, versuche ich im Folgenden ein paar Wege aufzuzeigen, was gute Eltern ausmachen könnte. Dies unter langfristiger Perspektive und im Sinne der Gemeinschaft, nicht im Sinne des Individuums. Weil die Menschheit kommt nur im Zusammen weiter, nicht aber jeder allein für sich. Wäre dem nicht so, so bräuchte es zum Beispiel nicht Mann und Frau zum Schenken von Leben.

Gute Eltern werden nie müde, ihren Kindern Sachverhalte und Erziehungsmassnahmen zu erklären. Sie tun dies, ohne zu moralisieren und gehen respektvoll mit ihrem Kind um. Sie vergessen aber auch nie, dass sie erwachsen sind und ihre Kinder noch Kinder sind. Darum diskutieren sie nicht mit ihren Schösslingen über Gleichberechtigung zwischen Jung und Alt. Sie weisen viel besser auf den Unterschied in Bezug auf Pflichten und Verantwortung hin, die Eltern im Gegensatz zu Kindern zu tragen haben. Dass sich daraus mehr Rechte für die Eltern ableiten lassen, verstehen die Kinder dann von selbst.

Gute Eltern gehen davon aus, dass jedes Kind viel mehr Entwicklungspotenzial hat, als man gemeinhin glauben würde. Sie versuchen darum ihr Kind in seiner Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Sozial kompetente Kinder werden zwar nicht ein einfacheres Leben führen, sie werden die Welt aber feinfühliger und darum reichhaltiger wahrnehmen. Fördern heisst jedoch nicht, dass die Eltern an den gegebenen Rahmenbedingungen zweifeln, sich negativ über die Schule äussern, welche das Potenzial in ihrem Kinde nicht angemessen zu erwecken vermag, oder dass sie ihr eigenes Leben aufopfern, um das Kind von der Geigenstunde in den Eishockeyunterricht zu chauffieren, damit es dann auch noch reicht, den Termin bei der Hausaufgabenhilfe und Begabtenförderung wahrzunehmen, bevor die Wochenendreise an den nächsten Wettkampf ansteht.

Gute Eltern achten darauf, dass ihre Kinder Ruhezeiten haben und einhalten. Sie ertragen es auch, wenn ihr Kind passiv ist. Gerade in den frühen Jahren sollen Kinder genügend Zeit haben, um nichts zu tun. Denn ein Mensch, der nichts tut, ist offen, um seine Umgebung zu beobachten und wahrzunehmen. Und in Ruhe geübte Menschen nehmen viel mehr wahr, als notorisch beschäftigte. Achten Sie darum darauf, dass zuhause nicht ständig Radio oder Fernseher am laufen sind. Sorgen Sie für frühe Nachtruhe und für Regelmässigkeit im Tagesablauf. Und wenn das Kind dann nach einer Phase des Nichtstuns wieder aktiv wird, dann lasse man es zuerst mal selber etwas machen, anstatt es zu beschäftigen. Das fördert die Eigeninitiative. Dazu ist es gut, wenn genügend Kinderbücher, Bastelsachen oder ein Garten zur Verfügung stehen.

Gute Eltern informieren sich in Bezug auf Ernährung und gesunde Lebensführung. Mit einer falschen Ernährung kann jeder Organismus und jedes Hirn mattgesetzt werden. Wichtig bei der Ernährung ist insbesondere, dass nur zu bestimmten Zeiten und nach Regeln gegessen wird. Wer dem Kind immer dann zu essen gibt, wenn es gerade Hunger hat, und wer ihm nur das gibt, worauf es gerade Lust hat, der nimmt dem Kind die Möglichkeit, sein Lustprinzip überwinden zu lernen. Es ist übrigens so, dass der menschliche Körper mit viel weniger Nahrung auskommt, als wir durchschnittlich pro Tag konsumieren.

---ENDE DER LESEPROBE---