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Eines Tages stürzt über der Bucht der Küstenstadt Haven Port ein Flugzeug ab. Der Pilot, der 16jährige Rick Sky, überlebt zwar wie durch ein Wunder ohne jegliche Verletzungen, allerdings hat er sein Gedächtnis verloren. Als man in den Überresten seines Flugzeuges Teile eines Sprengsatzes entdeckt, findet sich Rick plötzlich inmitten einer Verschwörung wieder, gejagt von einem gefährlichen Killer mit übermenschlichen Kräften. Je näher Rick den Drahtziehern kommt, desto weiter nähert er sich dem Abgrund und droht sich in der Dunkelheit zu verlieren.
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Seitenzahl: 219
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Dieses Buch widme ich meiner Familie.
In Gedenken an
Wolfgang Körner (31.05.2012)
01. Blackout
02. Bruchstücke
03. Der Tod kommt unerwartet
04. Wendungen
05. Gefährliche Begegnung
06. Die Creeps
07. Das Geheimtreffen
08. Gleichgesinnte
09. Kampf der Giganten
10. Showdown über den Wolken
11. Aufbruch in ein neues Abenteuer
12. Blu Harbor
13. Der Schlangenmörder
14. Wer ist Ray Parker?
15. Die Schlange und ihre Beute
16. In der Höhle des Monsters
17. Die Natur des Bösen
18. Das Gift der Schlange
19. Detektive
20. Die rote Tür
21. Ein bekanntes Gesicht
22. Das Tagebuch
23. Die Nacht des Grauens
24. Der Prozess
Diese Geschichte begann im Jahr 1999, an einem kalten und verlassenen Ort. Die Sonne war gerade untergegangen. Im Star Park, dem Stadtpark im Zentrum von Jupiter City, befanden sich nun keine Menschen mehr. Nachdem der Park früher ein beliebtes Ziel der Anwohner, aber auch von Touristen und Durchreisenden war, änderte sich das jedoch, nachdem die Kriminalität in der Stadt explodierte. Die Bäume hatten all ihre Blätter verloren und viele Sträucher waren abgestorben. Leichter Frost bedeckte den Boden. Nur eine einzige Person befand sich an diesem Abend noch im Park. Der Mann auf der alten Parkbank schien nervös zu sein. Sein Blick wanderte immer wieder zwischen seiner Armbanduhr und dem einzigen Eingang des Parks hin und her. Nach mehreren Minuten wurde er ungeduldig. Sollte er gehen? Doch es war ein sehr wichtiges Treffen. Er musste unbedingt jemanden treffen. Der wartende und nervös wirkende Mann war Peter Clark, ein Mann Mitte fünfzig. Der ehemalige Geheimdienst-Mitarbeiter war mittlerweile starker Alkoholiker. Der Job hatte ihn gezeichnet und gebrandmarkt. Seine besten Zeiten lagen schon lange hinter ihm. Vierundzwanzig lange Jahre hatte er für die WSA, die World Security Agency, gearbeitet. Der globale Geheimdienst diente nicht nur dem Schutz eines Staates, sondern einer Staatengemeinschaft und deren Organen und Einrichtungen. Die WSA operierte und agierte als weltweite Schutzeinrichtung. Es waren für Peter Clark harte Jahre der Selbstaufopferung, ohne Privatsphäre, unter ständiger Überwachung und ohne eine eigene Familie. Er lebte nur für seine Arbeit, die unter die höchste Geheimhaltungsstufe fiel. Deshalb pflegte er auch keine sozialen Kontakte. So jedenfalls lauteten die Vorgaben seiner Vorgesetzten. Vor einigen Jahren jedoch stieg Peter aus. Er versteckte sich, denn er wusste Dinge, für die ihn bestimmte Gruppierungen tot sehen wollten. Er lebte fortan auf der Flucht, wechselte alle paar Wochen seinen Wohnort, lebte in ständiger Angst. Das trieb ihn schließlich auch in die Alkoholsucht. Ein paar Tage zuvor machte er jedoch eine Entdeckung, die ihn dazu veranlasste, aus dem Schatten zu treten und einen seiner ehemaligen Kollegen zu kontaktieren. Ellis Richards, brillanter Datenspezialist, war nach Clarks Meinung der Einzige, dem er sich anvertrauen konnte. Sie arbeiteten seit Jahren zusammen und waren so etwas wie Freunde geworden. Das kam dieser Definition so weit nahe, wie man es überhaupt in diesem Beruf sein kann. Ellis würde ihm glauben, ihm helfen. Er hatte dem Treffen sofort zugestimmt und den Treffpunkt ausgewählt.
Peters Nervosität stieg mit jeder verstrichenen Minute weiter an. Als er dann seinen Blick Richtung Parkeingang richtete, stand plötzlich ein Mann vor ihm. Reflexartig sprang Peter auf und checkte sein Gegenüber ab. Der gänzlich schwarz gekleidete Mann war etwa 1,90 m groß, schlank, aber muskulös mit kurzen pechschwarzen Haaren. Er trug einen langen Mantel, dazu Lederhandschuhe. Der hochgestellte Mantelkragen verbarg den Mund seines unerwarteten Besuchers.
„Ich hätte nicht gedacht, dass Sie persönlich hier aufkreuzen würden, aber ich hätte es mir eigentlich denken können“, sagte Peter zu dem geheimnisvollen Mann. Er schien sichtlich nervös zu sein.
Der Unbekannte öffnete seinen Mantel. Peter erkannte seinen diabolisch lächelnden Mund. An der Oberlippe zeichnete sich eine kleine, jedoch dicke und äußerst markante Narbe ab, die das ansonsten makellose Gesicht verunstaltete. Der Mann ging auf Peter zu, der im selben Moment zurückwich.
„Aber Mr. Clark, Sie haben doch hoffentlich keine Angst vor mir? Nun. Ich weiß, dass Sie eigentlich Ellis erwartet hatten. Ich musste ihm vor Kurzem einen unerfreulichen Besuch abstatten, der nicht gut endete. Es war reines Glück, dass ich Ihre Nachricht auf seinem Anrufbeantworter fand. Wirklich nur ein dummer Zufall, der mich auf Ihre Spur brachte. Ansonsten hätte ich nie erfahren, dass Sie noch leben und auch noch im Besitz einer bestimmten Diskette sind − mit angeblich sehr wichtigen Informationen.“ Das Grinsen des Mannes wurde breiter.
Peter war kreidebleich und wurde immer nervöser, er begann aufgeregt zu stammeln. „Sie werden die Diskette nicht bekommen. Ich habe sie nicht bei mir. Sie ist an einem sicheren Ort versteckt, wo nur ich sie finden kann.“
Plötzlich wandelte sich das Grinsen des Mannes. Sein Blick gefror, seine Augen wirkten wie die eines Haies, es war nichts Lebendiges in ihnen zu erkennen. Er trat mit kleinen Schritten an Peter heran, bis er nur noch wenige Zentimeter von ihm entfernt war, beugte sich dann zu ihm vor und flüsterte ihm nur ein einziges Wort ins Ohr. „Gut!“ Dann rammte er ihm eine Klinge, die blitzschnell aus dem Ärmel seines Mantels herausschoss, direkt in die Brust. Peter schrie kurz laut auf. Er keuchte und griff nach dem Arm des Mannes, doch es war zu spät. Kaum zog der Fremde die Klinge aus Peters Brust, fiel dieser auf den kalten Boden des Parks. Er war auf der Stelle tot. Aus der linken Manteltasche zog der Mann ein Tuch heraus und reinigte ohne Hast fein säuberlich die Klinge. Dann ließ er sie im Ärmel seines Mantels verschwinden. Das Tuch warf er in einen Papierkorb und verließ anschließend pfeifend den Park in der Dunkelheit verschwindend.
Vier Wochen waren nach den Geschehnissen im Star Park vergangen. Der Februar zeigte bereits Anzeichen des Frühlings. Es war für diesen Monat ein ungewöhnlich warmer Tag gewesen. Die Bewohner der großen Küstenstadt Haven Port, einst direkt an einer großen Bucht erbaut, ahnten noch nichts von den Ereignissen, die in nur wenigen Momenten ihren Anfang nehmen würden und ihr Leben nachhaltig für immer verändern sollten. Es waren nur ein paar Sekunden vergangen, nachdem die große Glocke am Kirchturm 12 Uhr schlug, da hörten die Anwohner der Küstenstadt einen lauten Knall. Direkt über der Hafenbucht gab es in etwa zwanzig Metern Höhe eine riesige Explosion. Der gigantische Feuerball verharrte in der Luft. Kurz danach stürzten brennende Wrackteile vom Himmel hinab ins Wasser. Die Feuerwehr und die Küstenwache rückten in Windeseile aus und erreichten wenige Minuten nach der Explosion den Hafen. Mit Löschschiffen fuhren sie die Bucht hinaus. An der Absturzstelle angekommen, fanden sie nur schwimmende, teils noch stark brennende Wrackteile vor.
Ann Sky bereitete gerade in der Küche das Essen vor, wie sie es jeden Tag tat. Wie immer beim Abwasch blickte sie gedankenverloren aus dem Küchenfenster hinaus auf die Bucht. Seit fünf Jahren lebte sie in Haven Port und bis zu diesem Tag war nie etwas Aufregendes in dieser Stadt passiert. Das änderte sich schlagartig, als ein Knall die Fenster ihrer Küche zum Vibrieren brachte und sie draußen über der Bucht eine Explosion sah. Ann glitten die frisch gespülten Teller aus der Hand, die auf dem Küchenboden klirrend zerbrachen. Die Menschen, die gerade noch in der Einkaufsmeile spazieren waren, rannten Richtung Hafen. Jeder wollte sehen, was passiert war. Die Schaulustigen drängelten und stießen sich gegenseitig zu Boden. Minuten nach der Explosion flogen bereits die privaten Löschflugzeuge von Cunnings Industries, einem ansässigen Großkonzern, über die Absturzstelle. Die Küstenwache konnte derweil einen Überlebenden aus dem Wasser ziehen. Er schien wie durch ein Wunder unverletzt zu sein und hatte keine sichtbaren Verbrennungen. Es war ein junger Mann, gerade mal sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Die Notärzte stellten vor Ort keine inneren Verletzungen fest, nicht einmal oberflächliche Wunden wie Schnitte oder Kratzer. Er war vollkommen unverletzt. Ebenfalls anwesend war auch die hiesige Polizei. Der leitende Ermittler, ein gewisser Montgomery Wesley, versah bereits über 30 Jahre seinen Dienst und stand kurz vor seiner Pensionierung. Er war schon vor fast zwanzig Jahren ergraut. Wesley war schon lange seinen Beruf müde geworden und freute sich auf seinen Ruhestand. Der junge Mann wurde gerade auf einer Trage zu einem Krankenwagen gebracht, als er am Unglücksort eintraf.
„Was haben wir hier?“, fragte Wesley seine Kollegen vor Ort.
„Nichts, Sir. Keine Brieftasche, keine Ausweise, nichts, was uns etwas über seine Identität verraten würde.“
Keine zehn Minuten später wurde der Junge ins nahe gelegene Krankenhaus gebracht, wo er immer noch ohne Bewusstsein war. Durch eine angeordnete Blutabnahme und den Abgleich mit der dortigen Datenbank kam es zu einer Übereinstimmung. Es handelte sich um Rick Sky, einen jungen Mann aus Haven Port, der zwei Jahre zuvor bereits für tot erklärt worden war. Die Ärzte sowie die Ermittler standen vor einem Rätsel. Detective Wesley ließ die nächsten Angehörigen ermitteln, dadurch konnten sie die Mutter des Jungen in Haven Port ausfindig machen. Es war Ann Sky.
Ann hatte in der Zwischenzeit Besuch von ihrem alten Bekannten Tom Robertson bekommen, den sie sofort nach dem Zwischenfall in der Bucht angerufen hatte. Er war ihr einziger Freund in Haven Port. Die Explosion hatte sie beunruhigt und sie wollte deswegen nicht alleine sein. Tom war ein Wissenschaftler, der vor einigen Jahren für die Regierung gearbeitet hatte, mittlerweile jedoch freischaffender Wissenschaftler war und eigene Forschungen betrieb. Sie saßen gerade am Esstisch, als das Telefon klingelte. Ann nahm den Telefonhörer ab. Die Krankenschwester am anderen Ende der Leitung erklärte ihr, dass man ihren Sohn Rick gefunden habe. Ann blieb wie erstarrt stehen. Sie konnte es nicht glauben: Ihr Sohn, den sie über zwei Jahre lang für tot gehalten hatte, sollte am Leben sein! Nachdem sie den ersten Schock verdaut hatte, machte sie sich zusammen mit Tom auf den Weg ins Krankenhaus.
Zur selben Zeit wurden die verbrannten Überreste geborgen und für nähere Untersuchungen zu einem speziellen Hangar der Polizei im Hafenviertel gebracht. Es konnte bereits bei der Bergung festgestellt werden, dass es sich dabei ursprünglich mal um ein kleines Flugzeug gehandelt hatte. Vor dem Eingang und dem Parkplatz des Krankenhauses hatte sich eine große Menschenmasse versammelt, darunter viele Schaulustige, hauptsächlich aber Leute von der örtlichen Presse. Sie versuchten fieberhaft in das Gebäude zu gelangen, denn jeder wollte als Erstes an Informationen gelangen. Im Eingangsbereich wurden Ann und Tom bereits von Polizisten erwartet und anschließend von Detective Wesley in Empfang genommen.
„Mrs. Sky? Ich bin Detective Wesley, ich leite in diesem Fall die Ermittlungen. Sie müssten uns bestätigen, dass es sich bei dem gefundenen Jungen um Ihren vermissten Sohn handelt.“
Ann nickte nur kurz und lief an Wesley vorbei, sie wollte Rick sehen. Eine Krankenschwester brachte sie in das von Beamten bewachte Zimmer. Ann erkannte sofort ihren Sohn und schluckte heftig. „Das ist mein Junge, ohne jeden Zweifel, er ist es. Seine Haare sind dunkler geworden, aber er ist es zu 100 Prozent.“
Der Detective machte sich Notizen auf seinem kleinen Schreibblock, den er immer in seiner Jackentasche bei sich trug. Allmählich wachte Rick auf. Er wirkte zwar noch etwas benommen, aber das verging nach ein paar Sekunden. Jedoch wurde schnell festgestellt, dass er an einer vorübergehenden Amnesie litt, denn er konnte weder seine Mutter erkennen, noch wusste er, wo er war oder was überhaupt geschehen war. Selbst seine eigene Identität war ihm unbekannt. Er wusste nichts mehr aus seinem bisherigen Leben. Die Ärzte versicherten Ann, dass nach solch einem Unfall derartige Komplikationen vorkommen konnten und sie ihm einfach ein paar Tage Zeit geben sollte. Eine Woche lang musste Rick jedoch im Krankenhaus bleiben, zur Beobachtung. In dieser Zeit kam Ann jeden Tag. Sie brachte Kleidung und Bilder mit, um Rick zu helfen, seine Erinnerungen wieder zurückzubekommen. Doch sie kamen nicht zurück. Durch seine Mutter erfuhr er so viele Dinge über sich, über sein angebliches Leben. Es waren zu viele Informationen auf einen Schlag, um sie direkt verarbeiten zu können. Er erfuhr von seinen Brüdern, zum Beispiel von John, seinem ältesten Bruder. Dieser arbeitete in Jupiter City für die World Security Agency. Dann gab es noch Riley, einen Soldaten, der sich zu dieser Zeit im Auslandseinsatz befand. Auch erfuhr er von seinem angeblichen Tod zweieinhalb Jahre zuvor. Er war auf einem mehrwöchigen Segelausflug mit seinem Vater Jeff gewesen. Als sie in einen heftigen Sturm gerieten, kenterte ihr Boot und beide galten als verschollen, bis nach sechs Monaten Suche die Leiche von Jeff geborgen wurde. Auch die Überreste des Segelschiffes wurden gefunden. Aber von Rick fehlte weiterhin jegliche Spur. Da dadurch die Chancen für Ricks Überleben gegen null tendierten wurde er ebenfalls für tot erklärt.
„Ich bin also vor zwei Jahren zusammen mit meinem Vater auf hoher See verschwunden … Aber wie bin ich dann vor einer Woche mit dem Flugzeug hier angekommen? Wo war ich die letzten zwei Jahre?“, fragte er sich.
Rick war frustriert, er konnte sich einfach an nichts erinnern. Er hatte auch das ständige Rumliegen im Krankenhaus satt, er wollte so schnell wie möglich mit seiner Mutter nach Hause gehen. Nach mehrmaligem Nachfragen gaben die Ärzte nach und Ann konnte ihren Sohn endlich mitnehmen.
Tom holte die beiden mit seinem Wagen ab und brachte sie zu Anns Haus in der etwa 15 Minuten entfernten Deaver Street. Ricks altes Zimmer war mittlerweile ein Arbeitszimmer. Tom stellte ein altes Reisebett auf und so konnte sich Rick etwas hinlegen und ausruhen. Während er in seinem Zimmer lag, konnte er Ann und Tom miteinander flüstern hören.
„Die Polizei hat das Flugzeug freigegeben, sie haben die Untersuchungen abgeschlossen. Sie sind sich sicher, dass Rick der einzige Passagier war und dass er die Maschine selbst geflogen ist. Da ich Wesley schon lange kenne, konnte ich ihn dazu bringen, die Umstände zu verschleiern. Offiziell gab es einen Funktionsfehler und dadurch fing der Motor Feuer. So kam es zur Explosion. Die Wahrheit jedoch ist, dass sich an Bord ein Sprengsatz befand, dieser wurde durch einen Funkzünder ausgelöst. Jemand wollte, dass Rick nicht lebend in Haven Port ankommt. Ann, jemand wollte verhindern, dass wir erfahren, dass er noch am Leben ist. Ich konnte Wesley überreden, mir die Überreste des Flugzeugs zu überstellen. Sie bringen die Teile in meine Werkstatt.“ Toms Stimme klang leicht zittrig, er schien nervös zu sein.
Rick konnte Toms Emotionen fühlen. Am Abend saßen sie beim Abendessen. Da sagte Rick: „Ich habe euer Gespräch gehört.“ Tom und Ann sahen ihn überrascht an. „Wie konntest du uns hören, Rick, wir waren im Erdgeschoss und hatten die Tür geschlossen“, fragte ihn seine Mutter. „Ich weiß nicht, wie, aber ich konnte euch so gut verstehen, als wären wir in demselben Raum.“ Rick war verunsichert. Er wusste nicht, dass sich Ann und Tom in einem anderen Stockwerk während des Gesprächs befunden hatten. Dann sah er Tom an und fuhr fort: „Ich weiß über die Bombe Bescheid. Lass mich dir helfen, Tom“. Rick wollte schließlich auch herausfinden, wer er war und was passiert war. Nach kurzem Zögern versprach Tom, ihn dabei zu unterstützen. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, sagte Ann. Tom sah sie verständnisvoll an: „Mach dir keine Sorgen, es wird alles gut werden.“ Rick und Tom beschlossen, am nächsten Tag damit zu beginnen, den Ereignissen gemeinsam auf den Grund zu gehen. Ann war davon nicht begeistert, aber sie stimmte zu. Sie wusste insgeheim, dass es so am besten war.
Am nächsten Tag kam Tom früh am Morgen vorbei und holte Rick ab. Sie fuhren in die Stadt. Rick sollte Haven Port kennenlernen, ehe sie zur Werkstatt gingen. Zuerst liefen sie die Deaver Street hinunter bis zu der kleinen Mulley-Bäckerei, dann ging es Richtung Hafen. Haven Port war eine große Hafenstadt. Am Hafen angekommen erzählte Tom, wie dieser noch vor einigen Jahren voll von ansässigen Firmen war, viele davon Boots- und Flugzeugverleiher, Lieferdienste, Shops für Ersatzteile und Speditionen. Der Hafen war früher die Haupteinnahmequelle der Stadt gewesen, bis Cunnings Industries den kompletten Hafen übernommen hatte. Sämtliche Geschäfte mussten nach und nach dichtmachen, da sie den Konkurrenzkampf nicht gewinnen konnten. Auf der anderen Seite der Bucht, gegenüber den mit Brettern vernagelten ehemaligen Firmen, thronte ein gigantischer Wolkenkratzer − der Firmensitz von Cunnings Industries. In der obersten Etage des Gebäudes befand sich das Büro von Charles Cunnings, dem Gründer und Geschäftsführer. Tom beschrieb ihn als einen aalglatten Geschäftsmann, der vor nichts zurückschreckte, um das zu bekommen, was er wollte. Was Cunnings begehrte, war die Stadt, die er sich auch nahm. Es gab keine Einrichtung, keine Behörde in Haven Port, die nicht insgeheim von Charles Cunnings kontrolliert wurde. Er war der mächtigste Mann der Stadt. Tom wusste, wenn sie erfahren wollten, was an jenem Morgen in der Bucht passierte, dass sie es früher oder später auch mit Cunnings Industries zu tun bekommen würden. Als Nächstes sollte Rick die Stadtmitte Haven Ports kennenlernen. Dort befanden sich alle wichtigen Einrichtungen und Geschäfte, laut Tom spielte sich dort auch das gesellschaftliche Leben der Stadt ab. Rick saugte alle Informationen neugierig auf. Es war zwar alles neu für ihn, aber er wollte so viel wie möglich über die Stadt erfahren, in der er lebte.
Im Zentrum von Haven Port lag der große Marktplatz. Dort stand auch das Rathaus, der Sitz des Bürgermeisters Mackoy. Direkt daneben befand sich das Polizeirevier. Offiziell wurden alle Beschlussfassungen der Stadt von diesen Gebäuden aus getroffen, jedoch wussten die meisten Menschen, dass in Wahrheit Cunnings aus dem Cunnings-Industries-Wolkenkratzer im Hintergrund die Fäden zog. Durch sein enormes Vermögen und den Einfluss, den er hatte, war er insgeheim Herrscher von Haven Port. Niemand wehrte sich bisher dagegen, wieso auch, verdankte die Küstenstadt ihren Wohlstand doch gerade Charles Cunnings. Der Reichtum Haven Ports zog aber auch viele Kriminelle und Verbrecher an, die etwas davon abhaben wollten. Haven Port besaß allerdings einen entscheidenden Vorteil, denn es war ideal gelegen. Die Stadt befand sich in einer großen Bucht, umringt von riesigen Klippen, durch die nur eine kleine Öffnung existierte, durch die Schiffe und Flugzeuge zur Stadt gelangen konnten. Diese Öffnung in den Klippen wurde von Flugabwehrgeschützen bewacht, die verhindern sollten, dass Unbefugte in die Stadt eindrangen. Auf der Spitze der Klippe befanden sich ebenfalls Abwehrgeschütze, die das Überfliegen der Klippen verhindern sollten. So sollte sichergestellt werden, dass nur die Öffnung zum Erreichen der Stadt genutzt wird und so eine sichere Kontrolle der Einreisen gewährt werden würde. Die ganze Verteidigung übernahm die Sicherheitsabteilung von Cunnings Industries. Der Schutz der Stadt war allerdings mehr als berechtigt, lauerten auf hoher See doch gefährliche Luftpiraten. Diese tauchten vor einigen Jahren auf und überfielen seitdem ständig Frachter und schossen andere Flugzeuge ab. Über den Anführer der Piraten war nichts bekannt, nur dass er ein äußerst gefährlicher Mann war und als großer und starker Anführer galt, den niemand im Kampf besiegen könne. Bisher konnte den Piraten kein Einhalt geboten werden, da niemand wusste, wo sich ihr Lager befand und sie immer aus dem Nichts aufzutauchen schienen. Nachdem Tom und Rick ihre Stadtführung abgeschlossen hatten, gingen sie in Toms Werkstatt, die sich außerhalb der Stadt befand. Tom hatte bereits mit seinen Nachforschungen am Wrack der Maschine begonnen. Das Cockpit war zum größten Teil noch vorhanden, so wie ein Großteil der Außenhülle. Die Flügel waren komplett zerstört und es klaffte auf der rechten Seite ein großes Loch, durch das Rick vermutlich bei der Explosion hinausgeschleudert wurde. Es befanden sich weder Fracht noch Unterlagen oder andere hilfreiche Informationen an Bord. Zudem wies nichts auf Ricks Verbleib in den letzten zwei Jahren hin. Jedoch fand Tom bei der genaueren Untersuchung des Sprengsatzes etwas Interessantes heraus. Die Bombe gehörte zu einem speziellen Typ eines Sprengsatzes. Es war keinesfalls die Konstruktion eines Amateurs, sondern das Ergebnis von Profis. Tom wusste, dass diese spezielle Art von Sprengsatz hauptsächlich von Agenten der Sektion Alpha, einem früheren Geheimdienst, benutzt wurde. Er freute sich über diese Erkenntnis, auch wenn es eine beunruhigende Entdeckung war. Allerdings hatten sie jetzt eine konkrete Spur, der sie folgen konnten. Tom hatte einen alten Bekannten, der früher bei der Sektion Alpha gearbeitet hatte. Er hoffte, dadurch vielleicht weitere Hinweise zu erhalten. Der Kontakt war schon lange Zeit abgebrochen, doch Tom hatte eine Ahnung, wo man Phil finden konnte. Rick war dankbar für Toms Hilfe, doch er wollte den Kontaktmann allein aufsuchen. Er musste einfach selbst etwas tun. Tom erinnerte sich daran, dass Phil sich jeden Freitag im Technologie-Museum in Haven Port aufhielt. Jedenfalls tat er das vor einigen Jahren. Tom war sich aber sicher, dass Phil immer noch Stammgast war oder zumindest jemand vor Ort einen Hinweis auf Phils Verbleib haben könnte. Aus einer kleinen Schublade holte er einen Zettel hervor, auf dem er die Adresse notierte. Das Museum befand sich in der Innenstadt, nicht weit entfernt von dem Krankenhaus, in dem Rick behandelt wurde. Da es erst Dienstag war, musste Rick allerdings noch etwas mit seinem Besuch des Museums warten. Rick machte sich trotzdem auf den Weg, er wollte die Stadt auf eigene Faust erkunden. Während sich der Tag dem Ende zuneigte, wurden auch die Straßen nach und nach menschenleer. Hatte am Tag noch reger Betrieb geherrscht, so war es jetzt wie ausgestorben. Die Stadt schien kalt, fast bedrohlich. Rick kam an einem Schaufenster vorbei, in dem mehrere Fernseher ausgestellt waren. Eines der Geräte war eingeschaltet. Es lief ein Bericht über einen geheimnisvollen Schatten, der seit Jahren bereits in der Stadt Jupiter City gesichtet wurde. In letzter Zeit wurden die Sichtungen jedoch häufiger. Diese schattenhafte Erscheinung trat immer in Gegenwart von Verbrechen auf und vereitelte diese. Die ominöse Gestalt galt seit jeher als Beschützer der Armen und Schwachen und zugleich als Fluch für Gesetzlose. Doch in letzter Zeit verliefen die Angriffe auf Verbrecher immer härter und gnadenloser. Der „Schatten“, wie er in den Medien genannt wurde, veränderte sich allmählich vom Beschützer zum selbst ernannten Richter und Henker, der auch vor einem Mord nicht mehr zurückschreckte. Rick war fasziniert von der geheimnisvollen Gestalt und fragte sich, ob es sich dabei um einen Menschen handelte oder etwa um etwas Übersinnliches. Rick fühlte sich in diesem Moment selbst wie eine Art Schatten, ein Ausgestoßener, eine verlorene Seele, die ihren Platz in der Welt suchte. Er fühlte sich alleine. Ohne die Erinnerung an sein früheres Leben wusste er nicht, wo sein Platz war. Es kam ihm vor, als würde er von Dunkelheit umringt werden, die versuchte, ihn vollkommen einzuhüllen und zu verschlingen. Er spürte, wie er in sie hineingezogen wurde. Er war davon überzeugt, sich bald in der Dunkelheit zu verlieren. Plötzlich wurde er von einer leisen, doch liebevollen Stimme aus seinen Gedanken gerissen.
„Interessantes Programm, was du da schaust.“
Als Rick sich erschrocken umdrehte, blickte er in das lächelnde Gesicht einer jungen Frau. Ihre rehbraunen Augen lenkten sofort seinen Blick auf sie. „Wie bitte, ich ähm, was sagtest du?“, stammelte er vor sich hin. Dann bemerkte er, dass die Fernseher bereits alle ausgeschaltet waren. Er wusste nicht, wie lange er schon gedankenverloren ins Leere gestarrt hatte.
„Du sahst so verloren aus. Ich dachte, vielleicht kann ich dich ja zurück ins Hier und Jetzt holen.“ Sie lächelte ihn unaufhaltsam weiter an, bis Rick auch nur noch zurücklächeln konnte.
In nur wenigen Augenblicken konnte sie ihn verzaubern. All seine schlechten und negativen Gedanken waren wie weggeblasen. Sie war etwas kleiner als er, vielleicht um die 1,73 m groß, mit einer sehr sportlichen Figur. In seinen Gedanken kreisten nur noch Fragen über diese geheimnisvolle junge Frau, die da so lieblich vor ihm stand. Sie musste ungefähr in seinem Alter sein, dachte er, vielleicht sogar ein bis zwei Jahre älter. Ihr dunkelbraunes Haar wehte leicht im Wind, der durch die Straße zog. Sie hatte etwas an sich, das ihn faszinierte. Spürte er bei vielen Menschen, die er traf, negative Schwingungen, so spürte er bei ihr nur Positives. Sie schien ein reines Herz zu haben und könnte niemandem etwas Böses tun. Nach kurzem Überlegen sammelte er sich und antwortete der jungen Frau: „Tut mir leid, ich war total in Gedanken vertieft. Ich hatte dich gar nicht bemerkt vorhin. Du hast mich völlig überrascht.“
Sie fing an zu lachen. „Ja, das hatte ich gemerkt. Ich bin übrigens Rebecca. Vielleicht sieht man sich mal wieder“, sagte sie, lief an Rick vorbei und ging die Straße hinunter.
Während sie davonlief, blickte sie noch einmal kurz über ihre Schulter und warf ihm ein weiteres Lächeln zu. Rick war wie versteinert und blickte ihr hinterher, dann rief er ihr nach. „Ich bin Rick. Rick Sky. War mir eine Freude, dich kennenzulernen.“
Sie lief weiter, ohne sich noch einmal umzudrehen, doch sie lächelte vor sich hin. Auch Rick fing an zu lächeln, während er ihr hinterhersah, ehe sie in eine Seitenstraße abbog und aus seinem Blickfeld verschwand. Auf dem Weg nach Hause konnte er nicht aufhören, über sie nachzudenken. Er ging all die Merkmale noch einmal durch, die sich bei ihm von Rebecca eingebrannt hatten. Zum einen ihre wunderschönen langen braunen Haare. Oder ihre Augen, in denen er sich sofort verloren hatte. Er hoffte, sie so bald wie möglich wiederzusehen. Als er in die Deaver Street kam, bemerkte er eine Gestalt, die vor dem Haus seiner Mutter umherschlich. Er konnte sie nicht genau erkennen. Bevor er nahe genug herankam, um sie richtig erkennen zu können, verschwand sie in der Nacht. Rick wollte ihr zuerst noch hinterher, doch dann bemerkte er, dass die Haustür offenstand. Sofort stürmte er in das Haus seiner Mutter und fing an, nach ihr zu rufen, doch niemand antwortete. Sofort erkannte er, dass die einzelnen Räume verwüstet waren. Sämtliche Schränke und Schubladen waren durchwühlt worden. Auf dem Boden lagen diverse Dokumente und Bilder verstreut herum. Rick ging in jeden Raum des Hauses, um nach seiner Mutter zu suchen, doch sie war nirgends zu finden. Im Schlafzimmer seiner Mutter entdeckte er hinter einem Bild an der Wand einen versteckten Safe. Dieser stand einen Spaltbreit offen. Als Rick in den Safe sah, lag lediglich eine leere Mappe darin. Was auch immer für Dokumente darin verwahrt wurden, sie waren wohl gestohlen worden. Rick sah sich weiter in dem durchwühlten Zimmer seiner Mutter um. Es fanden sich keine Anzeichen dafür, dass seine Mutter während des Einbruchs im Haus gewesen war. Jedenfalls entdeckte er keine sichtbaren Kampfspuren. Auf dem Boden lag ein kleines Schmuckkästchen, dieses war ebenfalls leer. Allerdings sah er, als er sich hinunterbückte, dass sich unter der Kommode, vor der das Kästchen lag, eine kleine Münze befand. Beim Durchsuchen der Schränke muss das Kästchen zu Boden gefallen sein und sich dabei geöffnet haben. Rick kam zu dem Schluss, dass der Einbrecher nicht bemerkt hatte, dass die