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Begleiten Sie die Helden bei ihrem rauen Kampf gegen Outlaws und Revolverhelden oder auf staubigen Rindertrails. G. F. Barner ist legendär wie kaum ein anderer. Seine Vita zeichnet einen imposanten Erfolgsweg, wie er nur selten beschritten wurde. Als Western-Autor wurde er eine Institution. G. F. Barner wurde als Naturtalent entdeckt und dann als Schriftsteller berühmt. Seine Leser schwärmen von Romanen wie "Torlans letzter Ritt", "Sturm über Montana" und ganz besonders "Revolver-Jane". Der Western war für ihn ein Lebenselixier, und doch besitzt er auch in anderen Genres bemerkenswerte Popularität. Von Brazos ist nichts zu sehen, dafür blicken ihn sieben, acht Männer seltsam an. Er ist noch nicht einen Schritt von der Tür weg, als es hinter ihm kratzt. Jemand macht einen kleinen Satz. Der Mann muß in der Nische neben dem Windfang gestanden haben. In der Sekunde, als sich hinter ihm der Mann bewegt, weiß Lane es, aber er kann nichts mehr tun. Die Blicke jener Leute am Tresen des Frontier Saloon haben eine gewisse Bedeutung gehabt. Das erkennt Lane um zwei Sekunden zu spät. Jetzt drückt sich ein Revolverlauf in seine Seite. »Ich würde stillstehen, Lane. Keine Bewegung, keinen Trick! Das Ding in meiner Hand geht sonst los.« Lane steht still. Alles blickt zu ihm hin. Niemand rührt sich. Sie betrachten Lane mit einer Mischung aus Schreck und Neugierde. Anscheinend haben sie etwas geahnt, aber Lane ist mit seinen Gedanken zu sehr bei Brazos gewesen, um die Blicke gleich richtig zu deuten. Ein Stuhl schurrt. Der zweite Mann hat also den Harmlosen gespielt, links an einem Tisch gesessen und nur darauf gewartet, daß der andere Lane den Revolver in den Rücken preßte. »Ganz ruhig!« sagt der erste Mann noch einmal drohend.
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Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Von Brazos ist nichts zu sehen, dafür blicken ihn sieben, acht Männer seltsam an. Er ist noch nicht einen Schritt von der Tür weg, als es hinter ihm kratzt. Jemand macht einen kleinen Satz. Der Mann muß in der Nische neben dem Windfang gestanden haben.
In der Sekunde, als sich hinter ihm der Mann bewegt, weiß Lane es, aber er kann nichts mehr tun.
Die Blicke jener Leute am Tresen des Frontier Saloon haben eine gewisse Bedeutung gehabt. Das erkennt Lane um zwei Sekunden zu spät. Jetzt drückt sich ein Revolverlauf in seine Seite.
Und dann sagt der Mann, der schnell wie eine Klapperschlange gewesen ist:
»Ich würde stillstehen, Lane. Keine Bewegung, keinen Trick! Das Ding in meiner Hand geht sonst los.«
Lane steht still. Alles blickt zu ihm hin. Niemand rührt sich. Sie betrachten Lane mit einer Mischung aus Schreck und Neugierde. Anscheinend haben sie etwas geahnt, aber Lane ist mit seinen Gedanken zu sehr bei Brazos gewesen, um die Blicke gleich richtig zu deuten.
Ein Stuhl schurrt. Der zweite Mann hat also den Harmlosen gespielt, links an einem Tisch gesessen und nur darauf gewartet, daß der andere Lane den Revolver in den Rücken preßte.
»Ganz ruhig!« sagt der erste Mann noch einmal drohend. »Lane, nur keine Narrheit begehen. Ich schieße dich nieder.«
Der zweite Mann ist nun schräg von hinten herangekommen und entreißt Victor Lane, der Linkshänder ist und seinen Revolver auch an der linken Hüfte im Halfter stecken hat, die Waffe.
Ob sie von der Armee geschickt worden sind? fragt sich Lane. Der eine Bursche redet nicht wie jemand, der den Armee-Umgangston gewohnt ist. Nun, die haben mich in eine prächtige Bilderbuchfalle laufen lassen.
Im gleichen Moment, als er das Klappen der Tür rechts des Tresens hört und den Kopf leicht herumdreht, sieht er einen Mann.
In dieser Sekunde weiß er alles.
Litton James kommt zur Tür herein, und ohne Lane aus den Augen zu lassen, auf ihn zu und verzieht seinen brutalen, schmallippigen Mund zu einem höllischen Grinsen.
»Hallo, Captain!« sagt Litton höhnisch. »Das ist ein Wiedersehen nach meinem Geschmack, denke ich. Lange habe ich auf diesen Tag gewartet. Es ist immer schlecht, sich mit der Armee anzulegen, aber du gehörst jetzt nicht mehr dazu, du bist Zivilist, Lane. Wartest du immer noch auf Brazos?«
Lane schweigt einen Moment. Der Gedanke, daß Litton niemals den Trick mit Brazos gestartet haben würde, wenn er ihn nicht hätte, ist nur kurz. Aber nach diesem Gedanken ist Lane sicher: Litton James muß Brazos er-wischt haben.
»Jetzt nicht mehr, Litton«, antwortet er kühl. »Wo hast du ihn gelassen?«
Litton James trägt keine Jacke und keinen Revolvergurt. In seinem breiten Ledergürtel steckt nur ein Messer. Er ist kein guter Mann mit dem Revolver, aber ein gefürchteter Messerheld.
James grinst. Er steht etwa vier Schritte vor Lane und hört hinter sich das Stiefelschurren. Alles, was bis jetzt am Tresen gestanden hat, zieht sich in die linke Ecke des Saloons zurück. Jeder hier ahnt, daß es zu einem Kampf kommen wird. Die Leute weichen zurück, um Platz für die beiden Kämpfer zu machen.
»Du glaubst doch nicht, daß ich ihm etwas getan habe, mein Freund?« fragt Litton James mit leichtem Spott. »Er ritt in den Stall und muß wohl den Balken nicht gesehen haben. Dann stieß er sich den Kopf und fiel vom Pferd, und ich fand ihn. Ich habe ihn sehr sorgfältig behandelt.«
Mehr braucht er nicht zu erzählen. Sie haben Brazos im Stall aufgelauert, ihn niedergeschlagen und danach gebunden. Brazos ist ausgeschaltet.
»Gut durchdacht«, stellt Lane fest. »Und wie soll es weitergehen, Litton?«
»Hiermit«, antwortet Litton und klopft an sein Messerheft. »Bei einer Schießerei könnte jemand verletzt werden, der nichts mit der Sache zu tun hat. Ich hoffe, du siehst das ein, Lane. Hast du nicht immer gesagt, man solle Verluste möglichst klein halten?« Der nackte Hohn ist zu offenkundig. Litton James hat sich etwas ausgerechnet und seine Maßnahmen auf sein Ziel abgestimmt. Er scheut das Risiko einer Schießerei. Aber weder das, noch einen Kampf mit dem Messer hat Lane jemals haben wollen. Die Erklärung für James’ Verhalten liegt in seinem rachsüchtigen, nachtragenden Charakter. Litton vergißt nie etwas, schon gar nicht eine Blamage und Demütigung vor mehr als zwanzig Leuten einer Armeekommission.
»Und wenn ich nicht will, was dann?« fragt Lane lauernd. »Litton, sei kein Narr. Ich mußte es damals melden, das war meine Pflicht.«
Littons Mundwinkel ziehen sich herab.
»Pflicht?« fragt er giftig und verliert seine Beherrschung, als er sich an jenen Tag erinnert, der ihn unmöglich machte. »Das war eine verfluchte Gemeinheit von dir. Du hast mir das Geschäft mit der Armee und einigen anderen Leuten verdorben. Ich wußte nichts von der Herkunft der Pferde!«
»Die Armee kauft keine gestohlenen Pferde«, erwidert Lane kühl. »Als Leiter der Kommission mußte ich melden, was ich in Erfahrung gebracht hatte. Lüge dir nicht in das eigene Hemd, Litton. Du hast genau gewußt, daß die Pferde gestohlen waren. Hättest du nicht versucht, die Armee zu betrügen, dann wärest du heute noch im Geschäft.
Nun gut, du willst es so haben. Beschwere dich nicht hinterher über die Folgen.«
»Folgen, für wen?« fragt Litton bissig. »Es wird keine geben, denn am Ende bist du tot, Mr. Lane – Captain außer Dienst, unehrenhaft aus der Armee entlassen. Kein Mensch wird einem ehrlosen Wicht auch nur eine Träne nachweinen. Die Armee hat dich ausgestoßen, du bist fertig.«
Vielleicht hat Lane es geahnt, denn solche Dinge sprechen sich schnell herum. Daß Litton James die ganze Wahrheit so wenig wie viele andere kennt, ändert nichts an der Tatsache: Die Armee hat Victor Lane unehrenhaft ausgestoßen. Und Litton ist Schurke genug, um damit Propaganda gegen Lane zu machen. Seine Rachsucht kennt keine Grenzen.
»Für jemand, der ein schmutziger Pferdedieb ist, weißt du eine ganze Menge«, antwortet Lane eiskalt. »Litton, ich gebe dir einen Rat: Fang nichts an, es könnte das letzte sein, was du tust.«
Litton James grinst nur, sein linkes Augenlid zuckt.
In der nächsten Sekunde bekommt Lane einen derben Stoß. Der Mann hinter ihm hat ihn mit dem Stiefel in die Kniekehlen getreten.
Victor Lane knickt ein, stürzt nach vorn und landet auf allen vieren am Boden. Vor ihm zieht Litton James blitzschnell sein Messer und hält es Lane entgegen.
»Das war für den Pferdedieb«, sagt James grimmig. »Noch ein Wort in der Richtung, dann erlebst du die Hölle. Du hast jetzt deine Chance, Lane.
Iven, mach schon!«
Der zweite Mann bewegt sich, dann surrt es kurz. Vor Victor landet das Messer mit einem dumpfen Pochen in den Dielen und zittert leicht nach. Es ist ein Bowie-Knife, und es gleicht Lit-ton James’ Waffe wie ein Ei dem anderen.
»Nimm es, steh auf und kämpfe!« zischt James wild. »Du hast keine andere Möglichkeit: du mußt dich wehren, wenn ich auf dich losgehe. Steh auf, Lane, ich lasse dir eine Chance.«
Victor Lane, dem die Kniekehlen schmerzen, blickt starr auf das Messer. Er kennt den verschlagenen, listigen James zu gut, um ihm blindlings zu vertrauen. Litton geht selten ein Risiko ein. Es könnte möglich sein, daß er das Messer vorher präpariert hat, so daß es abbricht.
Schweigend greift Victor Lane nach dem Heft des Messers, zieht die Nahkampfwaffe aus der Diele und biegt an der Klinge. Nach einem prüfenden Blick legt er das Messer zurück, hebt den Kopf und sieht sich um.
Die Leute sind nun an die Wände und hinter die Tische zurückgewichen. Sie beobachten Lane wie einen Mann, der bereits vom Tod gekennzeichnet ist, und glauben wohl, daß er nicht kämpfen will. Aber es kommt anders, denn Lane fragt:
»Hat jemand ein Bowie-Knife hier, das er mir leihen will?«
Litton James zuckt heftig zusammen. In seiner Unbeherrschtheit flucht er sofort wild los.
»Du verdammter Schurke, das also hat es zu bedeuten. Du mußt noch schlechter sein, als man es sich von dir erzählt, Lane, sonst würdest du mein Messer genommen haben. Nur wer so schäbige Gedanken hat, traut einem anderen einen Betrug zu. Verdammt sei deine schwarze Seele!«
Einer der Männer in der Tresenecke bewegt sich vorsichtig. Der Mann hat ein Bowie-Knife, läßt es über die Tresenplatte schlittern und sagt gepreßt:
»Lane, das Messer ist so gut und scharf wie kaum ein anderes. Nehmen Sie es, es ist in Ordnung.«
Victor Lane erhebt sich bedächtig. Er tritt das James-Messer nach rechts an die Wand, geht dann im Bogen an James vorbei und greift nach dem Messer auf dem Tresen. Der Mann hat nicht übertrieben, die Klinge ist haarscharf geschliffen.
»Danke, mein Freund«, murmelt Lane nach einem kurzen Nicken. »Du bekommst es gleich zurück.«
»Nur nicht von dir, du Schurke!« meldet sich Litton James höhnisch. »Ich werde es ihm geben. Und es wird nicht ein Blutstropfen daran sein. Schade, einen so leichten Kampf führe ich nicht gern, aber ich lasse dir den ersten Hieb. Herum mit dir, hier bin ich.«
Lane streift gelassen seine Jacke ab, entledigt sich der Weste und tritt dann drei Schritte vom Tresen weg.
»Nur noch etwas, Litton«, sagt er kühl, als er James gegenübersteht, »von dem du nichts wissen kannst: Das Urteil gegen mich ist aufgehoben. Ich könnte zu jeder Zeit wieder in die Armee eintreten, ich will nur nicht mehr. Und jetzt, Mister, fangen wir an.«
Im selben Augenblick springt er vorwärts.
Lanes Klinge faucht vor James hoch. Sie trifft nicht. Dafür aber kommt jener Doppelsatz, dieser Schrittwechsel aus dem Sprung, den Lane damals beobachtet hat. James springt derart schnell vorwärts, daß Lane um ein Haar in das Messer gerät. Vic kann noch wegzucken, macht dann genau den gleichen Schritt wie James.
Vic Lane zieht die linke Hand mit dem Messer zurück, schlägt aber dafür mit der rechten Faust zu. Er trifft das Kinn von James. Der schwere Mann prallt an den Tresen. Lane packt ihn, und als Schild benutzend steht Lane eine Sekunde darauf in der Ecke links des Tresens, aus der einige Zuschauer springen.
Lane hat James einmal kämpfen sehen. Auch wenn es zwei Jahre her ist, so glaubt Lane doch, daß sich der Kampfstil von James nicht geändert haben wird.
Damals ist James einem Angriff ausgewichen, hat aber aus dem Rücksetzen einen Konterhieb geführt, der seinem Gegner den Unterarm durchbohrte und ihn lähmte.
Einer der Männer schreit los, als
Lanes rechte Hand zuschnappt. Der Ruck sagt dem Mann genug, er stolpert leicht und weiß, daß Lane ihm den Revolver aus dem Halfter gerissen hat. Vic Lane hält James nur noch mit der rechten Hand, in der linken aber hat er den Colt jenes Mannes.
Der zweite Bursche, der Vic an der Tür in Empfang genommen hat, stiert entsetzt auf den Revolver.
Lane sagt eiskalt und drohend:
»Wenn ihr zieht, steht ihr keine Sekunde mehr. Ich drücke sonst ab!«
Der Mann, ein hagerer, älterer Pferdejägertyp, einer aus dem wilden, rauhen Rudel, das James bei jeder Schlechtigkeit hilft, zieht die Hand zurück, als sei der Kolben seines Revolvers glühend geworden.
»Hände hoch!« fährt Lane ihn scharf an. »Hoch damit!«
Irgendwo rechts hinter Lane hüstelt jemand, um dann leise zu sagen:
»Billy, ich schätze, diesmal haben sich die Burschen den falschen Mann ausgesucht. Hast du jemals gesehen, daß Iven Boones so gehorcht hat?«
Der hagere Boones ist kreidebleich geworden. Er zuckt zusammen, als Lane dem schweren James einen Stoß gibt. James rutscht am Tresen entlang, dann fällt er auf die Dielen. Vic Lane geht los.
»Ich würde an deiner Stelle den Revolver nie auf jemanden richten, den ihr zuwenig kennt«, sagt Lane grimmig, als er ihm den Lauf seiner Waffe auf die Weste setzt. »Ist dir nicht gut, Boones?«
Seine rechte Hand schnappt zu, entreißt Boones die Waffe und schleudert sie weg. Dann holt er kurz aus.
Ehe Boones wegzucken kann, trifft ihn Lanes stahlharte Faust am Kinnwinkel. Der hagere Mann seufzt einmal, kippt nach hinten und fällt neben der Tür zu Boden.
Vic Lane wendet sich langsam um, entwaffnet auch den zweiten Mann und holt sich das Messer.
Niemand spricht. Sie starren ihn wie einen Geist an und rühren sich nicht, als er auf den Mann zugeht, der ihm das Bowie-Knife geliehen hat.
»Danke, mein Freund. Das Messer ist wirklich gut«, sagt Lane ernst. »Und hier, Mister, der Revolver.«
Er wirft dem anderen Mann den Revolver zu.
Lane hebt jenes Messer auf, das ihm James für den Kampf geben wollte. »Jetzt wollen wir mal sehen, ob mein Verdacht richtig gewesen ist.«
Lane drückt mit einem Nagel auf die Messerheftnieten. Es klickt leise, als die Nieten herausfallen. Sie landen auf der blanken Tresenplatte aus Messing.
Jeder sieht es nun. Einige Männer drängen sich gleich darauf um den Tresen, und irgendwer sagt bissig:
»Wenn das keine verdammte Schweinerei ist, dann will ich nicht mehr Morse heißen. Der verdammte Kerl James, seht euch das an. Er hat die Nieten durchgekniffen und nur so weit in das Heft geschoben, daß die Klinge sich beim ersten Schlag lösen mußte. Ist das eine verteufelte Art zu siegen, he? Lane, wie haben Sie es gewußt?«
Vic Lane zuckt die Achseln und blickt finster auf Litton James herab.
»Wer Pferde stiehlt und andere, die gestohlen worden sind, der Armee zu verkaufen versucht, der kämpft nie ehrlich. Den Trick mußte ich befürchten, ich kenne James zu gut. Well, will jemand hinausgehen und sehen, wo sie ihre Pferde abgestellt haben?«
»Nicht nötig«, meldet sich einer der Männer. »Ich habe sie drüben im Majestic-Hof gesehen. Ich habe auch Brazos Flint kommen sehen, Lane. Er ritt hier in den Hof. Daß sie ihn niedergeschlagen haben, davon sah ich allerdings nichts.«
Lane nickt nur, blickt dann kurz auf Boones, der sich zu regen beginnt, und tritt vor ihn hin. Boones stöhnt, wälzt sich herum und kommt schließlich in die Hocke. So kauert er, bis er Lane vor sich erkennt und erstarrt.
»Du kannst mit deinem Freund und James verschwinden«, sagt Lane. »Sage dem Narren, er soll mir nie mehr vor die Stiefel laufen, sonst könnte es sein, daß er vor ihnen liegenbleibt und nie wieder aufsteht. Dasselbe gilt für euch zwei.«
Er deutet auf den Tresen, geht zu dem zerlegten Messer und läßt die Einzelteile direkt vor James auf die Dielen fallen. Danach macht er die Hintertür auf und tritt hinaus, als wenn nichts gewesen wäre. Der Sa-loon, in dem er sich mit Brazos Flint treffen wollte, wäre um ein Haar der Platz seiner letzten Verabredung geworden.
Kaum betritt Lane den Hof, als er rechts den dunklen Schatten eines Mannes erkennt. Seine Hand zuckt zum Revolver, jedoch würde er ohnehin keine Chance haben. Der Mann dort könnte ihn erschießen, doch er bewegt sich nicht und sagt:
»Ich bin es, Lane, Sheriff Ryan. Soll ich etwas tun, dann müssen Sie es sagen. Dieser verschlagene Halunke
James macht mir genug Ärger, wenn er mit seinen wilden Burschen hier ist. El Paso ist eine Grenzstadt und ohnehin wild genug. Mein Freund, Sie können verteufelt geschickt mit einem Messer umgehen. Wo haben Sie das gelernt?«
»Bei den Apachen«, erwidert Lane, der Sheriff Ryan gut kennt. »Und den Rest hat dann die Armee besorgt. Nein, Ryan, ich will nichts unternehmen, keine Anzeige gegen Litton
James. Der Mann bringt sich eines Tages selbst um.«
»Wie Sie wollen, Lane«, antwortet er dann gleichmütig. »Aber denken Sie nicht, daß Sie jetzt besonders klug handeln. Sie sollten Litton James besser kennen. Ehe er sich selbst umbringt, fürchte ich, wird er einen anderen töten. Und wenn ich mich nicht gewaltig irre, dann sind Sie der Mann, Lane.«
»So?« fragt Lane ganz ruhig. »Vielleicht meinte ich das, als ich sagte, er würde sich selbst umbringen, Ryan. Passen Sie ein wenig auf, daß er mir nicht mit einem Gewehr in den Rücken kommt. Danke, Sheriff!«
»Lane, wenn Sie nicht verdammt aufpassen, dann sind Sie bald ein toter Mann.«
Danach wendet er sich um und geht davon. Er ist ein verteufelt guter Menschenkenner und ein eisenharter Sheriff. Sicher hat er mit seiner Warnung recht.
Litton James wird nicht eher ruhen, bis er Lane tot vor sich liegen sieht.
*
Als Lane den Deckel der Futterkiste öffnet, sieht er auf Brazos Flints Rücken. Sie haben Flint Hände und Füße so gebunden, daß der dicke Mann gekrümmt in der Kiste steckt. Man hat ihn hineingezwängt und einen schweren Hafersack auf den Kistendeckel geworfen.
Vic Lane hat Mühe, Brazos herauszuwuchten. Und erst in dem Moment, als er Brasos’ Gesicht sehen kann, erkennt er, wie sie ihn behandelt haben. Man kann sich in Brazos Flint täuschen. Und anscheinend haben sie sich in ihm so geirrt, wie andere es auch tun würden. Zwar ist Flint beleibt, aber er ist dennoch ein guter Kämpfer, der über erstaunliche Behendigkeit verfügt. Wie hart die Sache hier im Stall gewesen sein muß, ist ohne viel Mühe an Flints länglicher Beule zu erkennen. Brazos ist ohne Besinnung.
Dich haben sie ja ganz schön er-wischt, stellt Lane bitter fest. Und das alles meinetwegen.
»He, Brazos, aufwachen!«
Aber Brazos Flint regt sich nicht.
Lane geht mit schnellen Schritten zum Wassereimer. Dort taucht er sein Halstuch ein, preßt es wenig später auf Brazos Flints Stirn und wartet. Es dauert etwa zwei Minuten, bis Brazos sich zu regen beginnt. Der dicke Mann stöhnt, hebt die Hände an den Kopf und sagt keuchend:
»Ich hatte nur eine Hoffnung: daß sie dich nicht so wie mich erwischen würden. Sie kamen aus den Boxen wie ein Rudel Wölfe. Ich konnte Billy Meeker noch eins übergeben, dann schlug mir Boones seine Faust auf die Nase. Ist sie gebrochen?«
»Ich glaube nicht, Brazos‹«, antwortet Lane trocken, »aber dein Kopf hat mehr abbekommen.«
Flint brummt mürrisch: »Ich werde Litton und seine Burschen schon noch treffen. Sie wollten dich haben, und weil ich sie im Saloon gesehen und mir einige Dinge ausgerechnet hatte, mußte ich verschwinden. Das ist ein Gesindel. Was hast du mit den Burschen gemacht?«
Lane erzählt es ihm, während Flint versucht, auf die Beine zu kommen. Er schafft es jedoch nicht. Stöhnend sinkt er wieder auf die Knie und hält sich den Kopf.
»Mein Gott, um mich dreht sich alles, Banditengesindel, verdammtes! Captain, hast du ein paar Minuten Zeit, bis ich mich erholt habe?«
»Sicher, Brazos.«
»Du hättest ihn auf die Nase fallen lassen sollen«, gibt Flint zurück. »Er ist gefährlich wie eine Klapperschlange. Zertritt ihr den Kopf, ehe sie dich beißen kann. Ich dachte immer, du hättest mehr Erfahrung mit Schlangen als andere Leute. Heiliger Moses, mein Kopf! Hat dich Jennings getroffen?«
Lane verzieht das Gesicht, holt den Eimer und feuchtet das Tuch wieder an. Brazos Flint blickt zu ihm hoch, bemerkt den finsteren Ausdruck und seufzt.
»Ja, ich habe ihn gesprochen.«
»Na und?« fragt Flint drängend. »Was hast du ihm geantwortet? Du bist rehabilitiert, dein Kommando steht dir wieder offen, Vic. Was willst du tun?«