Romana Extra Band 17 - Jane Waters - E-Book

Romana Extra Band 17 E-Book

JANE WATERS

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Beschreibung

DIE ROTE MUSCHEL von WATERS, JANE
Flirtet der attraktive Skipper im Jachthafen von Teneriffa etwa mit ihr? Beim Blick in Patricios meerblaue Augen ist Justine sofort hin und weg. Sie kann ihm einfach nicht widerstehen! Doch nach einer leidenschaftlichen Nacht muss sie jäh fürchten, dass er nur mit ihr spielt …

FEURIGE NÄCHTE IN ARGENTINIEN von MORTIMER, CAROLE
Sie ist die lang verschollene Schwester eines argentinischen Milliardärs! Plötzlich darf die freiheitsliebende Beth keinen Schritt mehr ohne den Bodyguard Raphael Cordoba machen. Eine Qual! Denn Raphael ist so arrogant wie attraktiv - und weckt verbotenes Verlangen in ihr …

KÖSTLICH PRICKELND WIE CHAMPAGNER von FIELDING, LIZ
Der sexy Weltenbummler Alexander West ist absolut nicht der Richtige für eine Karrierefrau wie sie! Das erkennt Sorrel auf den ersten Blick. Warum spürt sie dann in seiner Nähe dieses köstliche Prickeln? Liegt es wirklich nur am Champagnersorbet, von dem sie gerade genascht hat?

VERLIEBT IN EINEN STOLZEN GRIECHEN von LAWRENCE, KIM
Ist der kleine Nicky tatsächlich sein Sohn? Schockiert muss der griechische Multimillionär Angolos Constantine erkennen, dass Georgies Kind ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Hat er seine Ex etwa zu Unrecht für eine Betrügerin gehalten und aus seinem Leben verbannt?

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Seitenzahl: 691

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Jane Waters, Carole Mortimer, Liz Fielding, Kim Lawrence

ROMANA EXTRA BAND 17

IMPRESSUM

ROMANA EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Erste Neuauflage by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, in der Reihe: ROMANA EXTRA, Band 17 - 2014

© 2013 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, für Jane Waters: „Die rote Muschel“

© 2013 by Carole Mortimer Originaltitel: „A Touch of Notoriety“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Jeannette Bauroth

© 2013 by Liz Fielding Originaltitel: „Anything but Vanilla …“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN HEAT Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Dorothea Ghasemi Deutsche Erstausgabe by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg, in der Reihe: ROMANA EXTRA, Band 17 - 2014

© 2005 by Kim Lawrence Originaltitel: „Pregnant by the Greek Tycoon“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alexa Christ Deutsche Erstausgabe 2006 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe: JULIA EXTRA, Band 254

Abbildungen: Glowimages / F1online, holbox / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733740344

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

JANE WATERS

Die rote Muschel

Als Patricio die schöne Justine auf dem Quai erblickt, erwacht spontan sein Begehren. Schafft er es, ihr Herz in nur zwei Wochen zu erobern? Ein verführerisches Spiel beginnt – mit ungeahnten Folgen …

CAROLE MORTIMER

Feurige Nächte in Argentinien

Beth zu beschützen, scheint für einen Profi wie Raphael Cordoba kein Problem – solange er die goldene Regel beherzigt: Lass dich niemals mit einer Kundin ein! Doch Beth ist einfach viel zu sexy …

LIZ FIELDING

Köstlich prickelnd wie Champagner

Mit ihrem sinnlichen Körper und dem scharfen Verstand ist Sorrel die perfekte Frau für Alexander! Leider scheint sie nichts als ihre Karriere im Kopf zu haben. Wie kann er das nur ändern?

KIM LAWRENCE

Verliebt in einen stolzen Griechen

Soll sie mit Angolos in seine prunkvolle Villa nach Griechenland zurückgehen? Georgie hat nie aufgehört, ihren Ex zu lieben. Erwidert er ihre Gefühle, oder geht es ihm nur um den gemeinsamen Sohn?

Die rote Muschel

1. KAPITEL

Auf dem Meer funkelte gleißend das Licht. Leichter Wind kräuselte das weite Wasser, darüber vollzogen ein paar Möwen kreischend ihre Kunstflüge. Die Schiffe am Horizont muteten an wie zarte Pinselstriche, und den blauen Himmel kreuzte gerade ein in der Sonne glitzerndes Flugzeug.

Die vom Atlantischen Ozean umspülte Insel Teneriffa galt als Ort des ewigen Frühlings und lockte das ganze Jahr über mit angenehmen Temperaturen. An der Ostküste war es rund um die Inselhauptstadt im März aber noch etwas ruhiger, und die meisten Boote lagen fest vertäut an ihren Liegeplätzen.

Nah an der City, im großen Hafen von Santa Cruz, befand sich auch die „Marina del Atlántico“. Eigentlich hatte Justine den Jachthafen gar nicht besuchen wollen … nie mehr!

Doch eben, auf dem Nachhauseweg, hatte sie es sich anders überlegt. Es war wie eine Eingebung gewesen. Nun tastete sie in ihrer Tasche nach der Schatulle, in der sie ihre größte Kostbarkeit stets bei sich trug: Ihr Schatz war nur drei Zentimeter lang, hatte zart geschwungene Klappen von Purpurrot bis Pink, leuchtete im Inneren lavendelfarben und an den flügelartigen Außenlippen strahlend orange. Ein so grandioses Farbspiel bei einer so kleinen Muschel! Sie war eine Rarität, und heute hatte Justine zum ersten Mal ein zweites Exemplar gesehen. Schon hatte sie den Besitzer fragen wollen, ob er etwas über die besonderen Kräfte der Muschel wüsste – aber im letzten Moment hatte sie es sich anders überlegt. Eine Wissenschaftlerin, die daran glaubte, dass diese kleine Muschel ihr irgendwann das große Glück bringen würde … das war doch lächerlich!

Für einen Moment schloss sie die Augen, spürte den warmen Wind über ihr Gesicht streichen wie die zarte Berührung einer unsichtbaren Hand. Leise seufzte sie beim Gedanken an ihren Vater, der ihr immer so präsent erschien, wenn sie am Meer war. Doch alles, was sie daran erinnerte, dass es den Seemann wirklich gegeben und dass er das Herz ihrer Mutter gebrochen hatte, war diese zauberhafte und geheimnisvolle Muschel …

Jetzt war Justine am Wasser angekommen und ging nachdenklich den Quai entlang. Boote aller Größen schaukelten sanft auf und ab. Sie warf einen Blick auf die Uhr. Bis zum Abendessen blieb noch Zeit, und sie verspürte keine Lust, zu Louise zurückzugehen. Dort in der Wohnung war es so bedrückend. Heute brauchte sie mal eine Weile für sich, ohne die Tränen und Probleme ihrer Freundin.

Schließlich musste auch sie gerade gründlich über ihr Leben nachdenken. Und deswegen war es vielleicht doch richtig, an den Ort zurückzukehren, an dem einst auch ein Seemann ihr Herz gebrochen hatte. Genau hier, an dieser Stelle. Fast hätte sie für diesen Lügner sogar ihre rote Muschel hergegeben!

Auf einmal fröstelte sie, und die Kehle wurde ihr eng. Rasch steckte sie eine lose Strähne in ihrem Haarknoten fest und zog ihren Lippenstift nach – fast so, als ahnte sie, dass sie plötzlich beobachtet wurde.

„Die da, Chef!“ Mario sah gebannt durch das Fernglas. „Ich glaube, ich habe schon die Richtige gefunden. Die könnte es sein!“

„Ach, lass deine Scherze.“ Patricio fuhr sich mit einer müden Geste über die Stirn. Seit dem frühen Morgen hatte er auf der „Ocean Star“, seinem schwimmenden Zuhause, im Büro gesessen. In den nächsten Tagen würde er durch den Verkauf einer Superluxusvilla in Barcelona eine schwindelerregende Summe kassieren – auf einen Schlag. Das war phänomenal! Wie lange hatte er auf diesen Coup hingearbeitet, der ihn wieder auf die Sonnenseite des Lebens bringen würde?

Doch statt der erhofften Freude verspürte er nur diese große Leere, die sich durch nichts – weder durch eine heiße Affäre noch durch seine Arbeit und wahrscheinlich schon gar nicht mit dieser Jetset-Party am Abend – füllen ließ.

„Schlägst du nun ein?“, drängelte Mario weiter. „Folgende Wette: Frauen, die nicht nur hübsch, sondern auch intelligent sind, würden sich niemals ernsthaft für dich interessieren, wenn du nur ein normaler Skipper wärst wie ich.“

Nun lachte Patricio auf. „So ein Unsinn!“

Mario ließ das Fernglas sinken und sah ihn fast ein wenig feindselig an. „Unsinn? Von wegen, Chef, darum geht es ja gerade! Ich schwöre dir, die tollen Frauen wollen dich nur haben, weil du Geld hast, das ist alles. Ohne Geld bist du für die wirklich interessanten Frauen überhaupt nicht interessant.“

Patricio schüttelte den Kopf. Mario kam manchmal auf ziemlich seltsame Ideen! Fast ein Jahr war er nun mit ihm unterwegs, er war ein guter Skipper und sein Mädchen für alles. Doch manchmal, wenn sie an langen einsamen Abenden bei ein paar Drinks zusammensaßen und Mario zu redselig wurde, verzog sich Patricio lieber in seine komfortable Kapitänskabine. Am liebsten würde er genau das auch jetzt tun, aber im Moment war er einfach zu erschöpft, um aufzustehen.

Mario blickte wieder durch das Fernglas. „Doch, diese Frau dort hat Klasse. Chef, schau doch mal! Super Figur, sexy, schick angezogen, und dumm ist sie bestimmt nicht. Könnte eine Touristin sein.“ Er hielt ihm nun das Fernglas hin, doch Patricio rührte sich immer noch nicht.

„Nun komm schon! Willst du es dir nicht selbst beweisen? Dann beweise es eben mir! Wenn du eine Frau wie diese auch ohne Euroscheine in der Hand in dich verliebt machen kannst, dann … denk dir selbst was aus. Aber wenn ich gewinne, und du erreichst nicht mehr als einen Flirt oder eine einzige Nacht, dann spiele ich hier auf der Jacht mal den Chef!“

Patricio zog fragend die Augenbrauen hoch.

Übermütig fuhr Mario fort: „Dann darf ich mich hier eine Nacht lang mit der Frau meiner Wahl und dem besten Champagner vergnügen. So wie du das manchmal machst.“

„Langsam, langsam“, warf Patricio nun ein, doch Mario war nicht zu stoppen: „Abgemacht? Los, abgemacht! Und jetzt schau durchs Fernglas!“

Etwas widerwillig folgte Patricio der Aufforderung. Nicht, dass sein Skipper ihm irgendetwas zu sagen hatte. Doch er hatte auch keine Lust, ewig mit dem Burschen zu diskutieren. Außerdem war es fast schon ein wenig amüsant, wie sich dieser in die Wette hineinsteigerte. Andererseits aber musste er zugeben, dass Mario eine wunde Stelle getroffen hatte. Denn hatte er etwas Ähnliches nicht am eigenen Leib erfahren müssen? Die Frauen und das Geld … In seinem Inneren zog sich etwas zusammen.

Er richtete sich auf und stellte das Fernglas scharf. Überrascht hielt er die Luft an. Diese vermeintliche Touristin, die dort den Quai entlanglief, besaß tatsächlich das gewisse Etwas. Sie hatte eine grazile Figur mit sexy Rundungen, die durch ihr eng anliegendes grünes Kostüm dezent betont wurden. Durch den straffen Haarknoten wirkte ihr Gesicht ein wenig streng, doch gleichzeitig war auf tausend Meilen zu erkennen, wie hübsch sie war. Im Gegensatz zu den meisten Ladys, die er kannte, verdeckte sie ihre Augen nicht mit einer Sonnenbrille. Das gefiel ihm.

„Also was ist jetzt? Wenn du dich nicht beeilst, ist sie weg!“, drängte Mario.

Patricio verspürte den seltsamen Impuls, aufzustehen und der Unbekannten tatsächlich zu folgen. Doch das war absurd! Er lief keiner Frau hinterher, niemals wieder. Das hatte er nicht nötig, doch sein Skipper ging ihm mehr und mehr auf die Nerven. Also hörte er sich schließlich sagen: „Aha. Und als wer, bitte, soll ich mich ausgeben?“

„Du bist ich“, sagte Mario wie aus der Pistole geschossen. „Du bist einfach nur der Skipper hier! Ich wette, du wirst die Dame dann nicht besonders beeindrucken können, egal, wie charmant du bist.“

„Das ist lächerlich.“

„Ist es nicht! Ich weiß, wovon ich rede. Ich sehe doch, wie die Frauen dich umschwärmen, weil du diese Jacht besitzt und teure Klamotten trägst. Allein deine neue Uhr! Wie viel ist die wert? Meine Jahresgehalt?“

Nachdenklich sah Patricio auf sein Handgelenk, dann blickte er wieder zu der Frau, die sich gerade entfernte. Dann, plötzlich, begann die Wette, ihn zu reizen. Vielleicht weil er Mario endlich zum Schweigen bringen wollte, vielleicht weil sein Stolz angestachelt war, vielleicht weil er sich einfach nur langweilte. Jedenfalls vergaß er in diesem Moment, dass er sich geschworen hatte, nie wieder um eine Frau zu wetten …

Als er aufstand, streifte er seine Uhr ab und steckte sie in die Tasche. Für seinen Skipper symbolisierte so eine teure Uhr den größten Erfolg, aber eine wirklich intelligente Frau würde sich davon nicht blenden lassen. Oder? Er blickte an sich hinunter. Die legere Freizeitkleidung war von bester Qualität, aber unauffällig. Das würde gehen.

„Also ja?“, fragte Mario, überrascht und erfreut zugleich.

„Okay“, erwiderte Patricio nur und trat auf den Steg, der von der Jacht ans Ufer führte.

„Du hast zwei Wochen, um ihr Herz voll und ganz zu erobern! Vielleicht auch drei. Aber dann muss sie dir zu Füßen liegen, einverstanden?“, rief Mario ihm hinterher und setzte nach: „Chef! Aber was gewinnst du, wenn ich verliere? Das müssen wir noch vereinbaren …!“

Patricio zögerte. Eigentlich hatte er nicht vor, noch so lange auf Teneriffa zu bleiben. Sobald in den nächsten Tagen der entscheidende Anruf aus Barcelona kam, würde er sich nur noch um die Krönung seiner Arbeit kümmern. Doch in der Zeit, in der er mehr oder weniger untätig herumsaß, konnte er ja erst einmal mitspielen.

Er warf Mario über die Schulter einen kurzen Blick zu. „Es reicht mir als Gewinn, wenn du mich künftig nie mehr zu einer solchen Wette aufforderst.“ Dann ging er los, die Augen fest auf den Rücken dieser Frau gerichtet, die er nun also erobern würde – ganz einfach dadurch, weil er Patricio war und nicht der bald wieder millionenschwere Geschäftsmann.

„Suchen Sie etwas? Kann ich Ihnen helfen?“

Justine fuhr herum, als sie die tiefe, wohlklingende Stimme hörte. Einen Moment lang war sie sprachlos. Nur eine Armlänge von ihr entfernt stand ein fremder, sehr attraktiver Mann, der sie mit seinen Augen, blau und tief wie der Ozean, fixierte.

Dabei war sie doch eben noch ganz allein hier auf dem Quai gewesen. Er musste von einem der schicken Boote gekommen sein, die hier lagen. Als sie sich nicht rührte, fragte er dasselbe noch einmal in ihrer Muttersprache Englisch, wieder in diesem samtigen Tonfall. Blut stieg in ihre Wangen, obwohl sie sonst eigentlich nie rot wurde.

„Ich verstehe Sie sehr gut.“ Endlich fand sie ihre Fassung wieder und fuhr in perfektem Spanisch fort: „Danke, aber ich komme allein zurecht.“ Hoffentlich klang das abweisend genug, denn ganz bestimmt ließ sie sich hier im Jachthafen nie wieder von einem Fremden ansprechen. Schon gar nicht von einem so gut aussehenden Fremden!

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Unbekannten. Diese meerblauen Augen waren faszinierend. Immer noch starrte sie ihn an. Sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig. Seine Lippen hatten einen sinnlichen Schwung, und die dunklen Bartstoppeln auf dem markanten Kinn machten das schöne, sonnengebräunte Gesicht nur noch interessanter. Dazu diese breiten Schultern, die durchtrainierte Statur … Diese Erscheinung war wohl geradewegs ihrer Fantasie entsprungen!

Doch die Erscheinung wollte trotz ihrer abweisenden Worte nicht verschwinden. Weiterhin musterte er sie unverhohlen und intensiv. Eigentlich war das schon empörend. Was bildete er sich ein? Justine verschränkte die Arme vor der Brust und räusperte sich. Zum Glück trug sie heute ihre beste Kleidung, ein teures grünes Kostüm. Darin fühlte sie sich immer ein bisschen unnahbar. Und das würde sie diesem Fremden gegenüber auch bleiben.

„Ich habe Sie hier noch nie gesehen“, fuhr der Mann fort und lächelte nun noch einnehmender.

Doch sie ließ sich nicht blenden. Das alles hatte er wohl vor dem Spiegel geübt. „Nun, ich bin auch seit Jahren nicht hier gewesen“, sagte sie, obwohl sie sich gar nicht weiter auf ein Gespräch einlassen wollte. Nur schien ihr Wille auf einmal wie lahmgelegt …

Patricio war selbst ein wenig irritiert. Aus der Nähe sah die Frau noch viel besser aus, als er bis eben angenommen hatte. Ihre Augen waren hellbraun mit einem bernsteinfarbenen Schimmer und funkelten angriffslustig. Ihre Haut war makellos und glatt, die vollen Lippen hatten die Farbe von Rosen.

Er konnte gar nicht anders, als seinen Blick ausgiebig über ihre schlanke Gestalt gleiten zu lassen, die in dem perfekt geschnittenen Kostüm so sexy wirkte. Diese Lady hatte Klasse, das sah er auf einen Blick. Am liebsten hätte er spontan ihren strengen Haarknoten gelöst, um zu sehen, wie sie mit dem offenen Haar aussah. Doch das kam erst später, viel später …

Er streckte ihr die Hand hin. „Ich heiße … Patricio. Patricio Costa.“ Einen Moment hatte er darüber nachgedacht, ob er sich vielleicht einen anderen Namen verpassen sollte, weil er fortan ja nur noch ein Skipper war. Doch nun war es ihm so herausgerutscht.

Sie zögerte und runzelte ein wenig die Stirn. „Sind Sie eine Art Fremdenführer? Ich brauche keine Erklärungen, vielen Dank.“

Schon wandte sie sich wieder ab. Die Schöne gab sich recht widerspenstig. Aber das machte die Sache nur interessanter. Als sie sich anschickte, einfach fortzugehen, folgte er ihr. „Sie sprechen sehr gut Spanisch. Wo haben Sie das gelernt?“

„Und Sie haben eine ziemlich direkte Art, fremde Frauen anzusprechen“, gab sie kühl zurück, ohne den Schritt zu verlangsamen. „Es tut mir leid, aber ich muss weiter.“

Jetzt musste er geschickt am Ball bleiben, denn es konnte nicht sein, dass er die Wette verlor, bevor sie richtig in Gang gekommen war. „Sie wirkten so verlassen, das ist alles. Ich helfe nun mal gern“, beeilte er sich zu sagen und setzte wieder sein bestes Lächeln auf. „Verraten Sie mir wenigstens Ihren Namen?“

Tatsächlich blieb sie nun stehen und musterte ihn skeptisch. „Also gut. Justine Perlman. Darf ich nun weitergehen?“

„Nein.“ Er nahm ihre Hand, die schmal war und sich zerbrechlich anfühlte. „Glauben Sie mir, es ist eigentlich nicht meine Art, fremde Frauen einfach so anzusprechen“, sagte er wahrheitsgemäß. „Aber ich konnte nicht anders, als ich Sie eben sah. So einfach ist das.“

„Soso“, erwiderte sie etwas spöttisch.

Patricio musste fast lachen. Was er hier von sich gab, war wirklich nicht sehr originell. Aber er war es eben nicht gewohnt, Frauen nachzulaufen, normalerweise kamen die Frauen zu ihm. „Sind Sie beruflich auf Teneriffa?“, fragte er.

„Nein, das bin ich nicht. Was wollen Sie noch alles wissen? Ich mache hier nur einen kleinen Spaziergang, bin schon wieder weg und …“

„Ich habe eine bessere Idee“, fiel er ihr mit sanftem Nachdruck ins Wort. „Ich begleite Sie ein Stück. Ich wollte gerade Kaffee trinken gehen und kenne ein schönes Hafenlokal in der Nähe. Darf ich Sie zu einer Tasse einladen?“

„Sie sind wirklich hartnäckig.“ Nun endlich lächelte sie ein wenig und zeigte eine Reihe perlweißer Zähne. Doch schnell wurde sie wieder ernst. „Ich glaube jedoch, dass das keine gute Idee ist.“

„Warum denn nicht?“, wischte er ihren Einwand beiseite und ließ erst jetzt ihre Hand wieder los. „Auf jeden Fall haben wir die gleiche Richtung“, setzte er seine Überredungskünste weiter ein, denn der Weg führte direkt in die Stadt.

Langsam wurde Justine nervös. Sonst wusste sie sich eigentlich gut zu helfen, aber im Moment war sie ratlos. Offensichtlich ließ sich dieser Patricio Costa nicht abwimmeln, und sie konnte ja wohl kaum davonrennen. Nun, dann würden sie eben ein paar Schritte zusammen gehen, und an der Straße konnte sie sich in ein Taxi retten.

Außerdem war seine Begleitung gar nicht so unangenehm … Im Gegenteil. Ein prickelndes Gefühl durchströmte sie.

Als sie weitergingen, wagte sie einen zweiten Blick. Sein Profil war ebenmäßig, seine schwarzen Haare glänzten in der Sonne, und ein paar Strähnen fielen ihm in die Stirn. Etwas Geheimnisvolles umgab ihn. Er blickte sie mit seinen irritierend blauen Augen an, die eine ganz eigene Magie hatten.

„Und woher kommen Sie?“, fragte sie – abermals entgegen ihrem Willen.

„Vom spanischen Festland. Aber ich bin viel unterwegs … Ich bin Skipper auf einer privaten Jacht. Wir fahren viel herum, steuern immer interessante Häfen an.“

Sie blieb wie angewurzelt stehen. Ein Skipper! Das musste ein Scherz sein! Sofort tauchte überdeutlich jene Szene vor ihr auf, als sie mit ihrer Freundin Louise vor fünf Jahren hier am Jachthafen spazieren gegangen war. Auch damals waren sie auf dem Quai angesprochen worden, von zwei Spaniern, angeblichen Jachtbesitzern, einer davon ein gewissenloser Herzensbrecher …

„Was ist los, warum bleiben Sie stehen?“

Sie versuchte, nicht so durcheinander zu wirken, wie sie war, und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, nichts.“ Und so war es eigentlich auch: Absolut unnötig, die jetzige Situation mit der damaligen zu vergleichen. Da vorn an der Ecke würde sie sich von dem Skipper mit den meerblauen Augen verabschieden und ihn so schnell wie möglich wieder vergessen.

„Also, wo haben Sie so gut Spanisch gelernt?“, fragte Patricio nochmals. Lässig hatte er seine Hände in die Hosentaschen geschoben, war offensichtlich ganz entspannt – im Gegensatz zu ihr.

„Ich bin Wissenschaftlerin.“ So viel konnte sie von sich preisgeben. Das war schließlich ein unverfängliches Terrain, und sie sprach gerne über ihren Beruf. „Meeresbiologin, um genauer zu sein. Ich habe gerade mein Studium in London beendet, und Spanisch habe ich gelernt, damit ich auch in wärmeren Gefilden meiner Arbeit nachgehen kann. Auf einem Schiff in der Nordsee kann es nämlich sehr kalt werden“, sagte sie scherzhaft – allmählich begann ihr das Gespräch sogar Spaß zu machen.

„Eine Wissenschaftlerin! Wie interessant!“ Patricio sah sie überrascht an. „Und bei Ihrer Arbeit kreuzen Sie also die Meere?“

Justine schmunzelte. Viele Männer reagierten so. Offensichtlich weckte sie mit ihrer zierlichen Erscheinung zunächst ganz andere Vorstellungen. Doch sie hatte sich schon immer leidenschaftlich für die Ozeane interessiert. Das Meer war das Einzige, was sie mit ihrem Vater verband. Das Meer und die Muscheln.

Schon als kleines Mädchen hatte sie diese neugierig und sehnsüchtig zugleich betrachtet, und an jeder Küste tat sie bis heute nichts anderes, als den Strand abzusuchen. Nun, als frischgebackene Meeresbiologin mit Studienabschluss, wollte sie sich künftig dafür einsetzen, die Artenvielfalt in den Gewässern zu erhalten. „Die Meere kreuzen, das klingt vielleicht etwas zu romantisch. Es ist harte Arbeit, aber sie macht Spaß“, antwortete sie.

„Das glaube ich. Und was interessiert Sie am meisten?“

„Heute habe ich eine phänomenale Muschelsammlung besichtigen dürfen!“, entfuhr es ihr viel zu schnell, dabei ging das den Fremden nun wirklich nichts an. Als Patricio fragend und amüsiert zugleich die Augenbrauen hob, relativierte sie ihre Begeisterung sogleich wieder: „Aber das ist eher ein privates Interesse.“

Sie hatten den Quai verlassen und waren an der großen Straße angekommen, die die Marina von der Stadt trennte. Hier toste der Verkehr, und die eben noch leicht verzauberte Stimmung war wie weggeblasen.

Nein, sie war ganz bestimmt nicht wegen eines neuen Urlaubsabenteuers in den Jachthafen gekommen! Matthew kam ihr in den Sinn. Er hatte es nicht besonders begrüßt, dass sie nun für einige Wochen auf Teneriffa war, denn er wollte die freie Stelle in der Stiftung für Meeresforschung bald besetzen – mit ihr. Ein beruflicher Traum! Doch was war der Preis dafür?

„Ich gehe nun allein weiter.“ Rasch hielt sie Patricio die Hand hin, denn es war höchste Zeit, diese verwirrende Begegnung zu beenden. Der attraktive Spanier brachte sie viel zu sehr durcheinander und war womöglich auch so ein Herzensbrecher …

„Auf keinen Fall“, widersprach er jedoch, nahm ihre Hand und hielt sie fest.

Ihr wurde warm, ihre Kehle wurde trocken. Sie wollte ihre Hand zurückziehen, doch sie konnte sich nicht rühren. „Kommen Sie, dort hinten ist gleich das Café. Erzählen Sie mir ein bisschen von Ihrer Arbeit, sie interessiert mich wirklich.“

Widerstrebende Impulse stiegen in ihr auf. Ja, nein, ja, nein … Warum ließ er sie nicht einfach gehen?

Doch offensichtlich hatte Patricio nicht vor, ihre Hand loszulassen, bevor sie Ja gesagt hatte. Seltsam, bei jedem anderen Mann wäre ihr so etwas furchtbar aufdringlich vorgekommen, doch bei ihm fühlte sie sich geschmeichelt.

„Also gut“, sagte sie schließlich lächelnd. Eine Tasse Kaffee, was war denn schon dabei? So streng musste sie es mit ihrem Schwur, sich niemals wieder auf einen Seemann einzulassen, nun auch nicht nehmen. „Aber danach gehe ich, und Sie werden mich nicht wieder aufhalten!“, sagte sie scherzhaft und warnend zugleich.

Wenig später rührte Patricio in seinem Kaffee. Mit seinen Fragen hatte er ins Schwarze getroffen, mehr und mehr taute die hübsche Wissenschaftlerin auf.

Versonnen betrachtete er ihre warmen hellbraunen Augen und beobachtete, wie sie lebhaft gestikulierte, als sie abermals diese angeblich phänomenale Muschelsammlung hier auf der Insel erwähnte und dann auf die Gefahren für das sensible Ökosystem der Meere zu sprechen kam. Eigentlich aber hörte er gar nicht richtig zu. Er war viel zu sehr von ihr eingenommen, wie sie so begeistert von ihrem Beruf erzählte.

Dann aber horchte er auf.

„Die Menschheit kann auf ihre technischen Errungenschaften stolz sein, ja. Aber zum Beispiel jene Superreichen, die aus purer Langeweile durch die Gegend jetten oder mit ihren Luxusjachten die Meere durchpflügen, dafür habe ich wenig übrig“, sagte sie und sah ihn nun fast misstrauisch an. „Ist der Besitzer der Jacht, auf der Sie arbeiten, auch so einer?“

„So einer? Wie meinen Sie das?“

„Jemand, der mit seiner Zeit und seinem Geld nichts Besseres anzufangen weiß, als sich auf Kosten der Natur zu amüsieren?“

Erst jetzt merkte Patricio, dass er immer noch in seiner Tasse rührte. „Äh … nein. Das glaube ich kaum“, erwiderte er, obwohl er sich tatsächlich ein wenig angesprochen fühlte. Manchmal, um seiner inneren Leere zu entkommen, fuhr er mit seiner geliebten Jacht tatsächlich ziellos durch die Gegend.

„Also arbeiten Sie auf keinem diese Luxusschiffe?“, bohrte Justine weiter.

Er gab sich geschlagen. „Die Jacht dient gehobenen Ansprüchen“, antwortete er vorsichtig und lachte.

Sie aber blieb ernst. „Gerade wohlhabende Menschen könnten so viel für die Umwelt tun, stattdessen denken sie jedoch nur an ihr eigenes Vergnügen.“ Nun kaute sie nachdenklich auf ihrer Unterlippe, und Patricio hätte sich am liebsten spontan über den Tisch gebeugt, um sie zu küssen. Doch später, später …

Eins hatte er gelernt: Wollte man Frauen erobern, musste man ihnen zunächst aufmerksam zuhören, wenn sie über etwas sprachen, das ihnen am Herzen lag.

Justine aber sprach nicht weiter, sondern sah auf ihre Uhr. „Oh, es ist schon spät!“

„Aber Sie haben noch nicht verraten, warum Sie nach Teneriffa gekommen sind.“ Das sagte er nun nicht mehr aus taktischen Gründen, sondern weil es ihn interessierte.

Auf einmal wirkte sie betrübt und zuckte mit den Schultern. „Ach, das ist keine schöne Geschichte.“

„Dann erzählen Sie mir diese nicht so schöne Geschichte eben beim nächsten Mal. Ich kenne ein äußerst exquisites …“ Er stockte, denn schließlich musste er improvisieren und so tun, als habe er kein Geld. „… äh, ich meine, eine gemütliche Tapasbar, wo wir essen gehen könnten.“

Sie sah ihn fest an. „Lieber nicht.“

Unmerklich stieß er die Luft aus. Das war nun wohl die erste Hürde der Wette. Könnte er Justine gleich ins exklusivste Restaurant der Stadt einladen, würde sie vielleicht nicht so zögern … Doch es musste auch so funktionieren!

„Sagen Sie Ja.“ Er ließ sie nicht aus den Augen.

„Wirklich, es geht nicht …“

Nun legte er alle Macht und Kraft in seinen Blick. „Oder ich könnte Ihnen ein paar zauberhafte Flecken auf der Insel zeigen. Wir machen einen kleinen Ausflug, der Ihnen sehr gefallen wird!“

„Als Touristin bin ich eigentlich nicht hier …“

„Warum dann?“

Wieder legte sich dieser Schatten über ihr wunderschönes Gesicht. Hielt sie sich vielleicht wegen eines anderen Mannes hier auf? War sie unglücklich liiert? Nun, er würde es noch herausfinden.

Die Wette jedenfalls wurde zunehmend interessant.

Sag Ja! beschwor er sie jetzt auch innerlich. Da endlich gab sie nach, sah ihm fest in die Augen und sagte fast ein wenig kämpferisch: „Also gut!“

Na also, die erste schwierige Klippe hatte er umschifft. Zufrieden lehnte er sich zurück, auch wenn ihr Tonfall ihn ein wenig verwunderte. Aber es wäre doch gelacht, wenn er das Herz der hübschen Meeresbiologin nicht innerhalb von ein paar Tagen ganz und gar erobern würde.

Nein, ganz sicher war es nicht sein Skipper, der als Nächstes eine wundervolle Nacht mit einer wunderschönen Frau auf der „Ocean Star“ verbringen würde.

2. KAPITEL

Patricio saß etwas abseits und beobachtete das Geschehen. Am Buffet, das von Kaviar bis Hummer mit sämtlichen Köstlichkeiten aus dem Meer beladen war, drängelten sich die piekfeinen Gäste. Champagner und bunte Cocktails wurden von Kellnern in Livree serviert, die eilfertig herumliefen und ein künstliches Lächeln zur Schau trugen.

Frauen in teuren Designerkleidern wiegten ihre Hüften zum Takt der viel zu lauten Musik. Die Party fand im besten Hotel von Santa Cruz statt, doch schon jetzt war er gelangweilt. Dabei hatte er vor wenigen Jahren noch gedacht, derlei High-Society-Events würden sein Leben bereichern.

Dann lieber zurück auf die „Ocean Star“, dachte er und stand auf. Wenigstens hatte er eben den Verkäufer der Villa getroffen, die er schon so lange haben wollte, und sich mit ihm auf einen fairen Preis geeinigt. In ein paar Tagen, wenn er das Geschäft in Barcelona abgewickelt hatte, würde er sich hier auf Teneriffa sein erstes eigenes Anwesen leisten können. Endlich! Sein Immobiliengeschäft, das er nach der katastrophalen Niederlage vor drei Jahren wiederaufgebaut hatte, lief gut. Er konnte stolz sein auf sich. Doch etwas fehlte in seinem Leben …

„Du willst doch nicht etwa schon gehen?“

Eine nur allzu bekannte Stimme ließ ihn aufhorchen. Für einen Moment schien das Blut in seinen Adern zu gefrieren, aber nur für einen kleinen Moment. Schon hatte er sich wieder im Griff. Monica. Monica war hier!

Er ließ seinen Blick auf ihr ruhen. Sie sah fantastisch aus. Makellos wie immer, gertenschlank. Nun trug sie also Blond. Er hatte sie lange nicht mehr gesehen, alle Gedanken an sie verdrängt, jedes Treffen mit ihr vermieden.

Aber in diesem Moment, als er sie so überraschend wiedersah, wusste er: Die Geschichte mit ihr war für immer vorbei. Er betrachtete sie und empfand keinerlei emotionale Regung.

Das war am Nachmittag mit Justine anders gewesen. Den ganzen Abend schon schweiften seine Gedanken zu der hübschen Meeresbiologin und dem nächsten Rendezvous, zu dem er sie überredet hatte.

„Monica! Ich wusste nicht, dass du hier bist“, sagte er beherrscht.

„Ist ja auch eine Überraschung!“ Schon trat sie auf ihn zu, legte den Arm um ihn und zog ihn ein Stück zu sich hinunter. Sie küsste ihn auf beide Wangen und drückte sich an ihn. Steif ließ er es über sich ergehen, dann machte er sich los und trat einen Schritt zurück. „Alles in Ordnung?“

„Aber ja!“, erwiderte sie. „Ich wusste, dass du hier bist. Deswegen habe ich einen kleinen Abstecher nach Teneriffa zu dieser Party gemacht. Ich bleibe ein paar Tage auf der Insel. Lädst du mich auf deine Jacht ein? Du fährst immer noch die ‚Ocean Star‘, wie ich hoffe?“

„Nun mal langsam …“ Wie unbeteiligt sie fragte! Die Jacht war das Einzige, was er damals aus seinem Besitz hatte retten können, und tatsächlich hatte er dort ziemlich aufregende Nächte mit Monica verbracht.

„Ich weiß, du musst mir schrecklich böse sein“, redete sie einfach weiter, spielte dabei mit einer Haarlocke und probierte wieder diesen Augenaufschlag, mit dem sie glaubte, alles zu bekommen. „Was passiert ist, tut mir sehr leid. Wirklich!“

Einen Augenblick war er sprachlos. Da tauchte seine einstige große Liebe – die ihn ganz nebenbei tödlich gekränkt hatte – wie aus dem Nichts auf und wischte alles mal so eben beiseite! Typisch Monica. Was immer sie bisher in ihrem Leben gewollt hatte, hatte sie auch bekommen. Er hingegen wusste, wie es war, alles zu verlieren …

„Ich glaube nicht, dass wir uns noch etwas zu sagen haben. Es wäre besser, du suchst dir jemand anders, mit dem du dir hier die Zeit vertreiben kannst“, sagte er nun brüsk.

Monica winkte einem der Kellner. „Bringen Sie zwei Whisky mit etwas Eis, bitte!“ Dann trat sie wieder nah an Patricio heran und legte eine Hand auf seine Schulter: „Lass uns doch erst einmal einen Drink nehmen. Wir haben uns so lange nicht gesehen …“

„Ich wollte gerade gehen.“

„Bitte!“

Widerwillig setzte er sich auf eines der eleganten Ledersofas und schwieg, bis der Drink gebracht wurde. Es lag ihm auf der Zunge, nach Ramón zu fragen, doch er hatte sich geschworen, diesen Namen nie mehr in den Mund zu nehmen. Das aufsteigende bittere Gefühl war aber nicht zu leugnen.

Schließlich war Ramón einmal sein bester Freund gewesen. Und während ihm durch Monicas überraschendes Auftreten eben klar geworden war, dass er ihren Schlag verschmerzt hatte, ließ ihm Ramóns Verrat noch lange keine Ruhe. Schon deswegen musste der bevorstehende große Coup in Barcelona gelingen, allein der Genugtuung wegen.

Sie stieß sein Glas gegen seines, es klirrte leise. „Habe ich recht, und dies hier ist immer noch dein Lieblingsdrink?“, fragte sie und setzte wieder ihr gewinnendes Lächeln auf.

„Was soll das?“, fuhr er sie an. „Du tauchst hier auf und beginnst eine Plauderei, als sei nie etwas geschehen!“ Er nahm einen großen Schluck.

Sie hörte auf zu lächeln. „Das mit Ramón und mir ist vorbei.“

„Das geht mich nichts mehr an.“

„Doch“, flüsterte Monica nun. „Weil alles ein großer Fehler war.“

Er sah sie entgeistert an. „Was soll das heißen?“

„Ramón war ein Fehler. Er kann dir nicht das Wasser reichen, Patricio. Doch das habe ich erst jetzt verstanden.“

Das sollte wohl ein Scherz sein! Patricio lachte ungläubig auf. Als Ramón vor drei Jahren durch einen cleveren Schachzug das gesamte Firmenvermögen an sich gebracht hatte, hatte Monica ihn, Patricio, ohne mit der Wimper zu zucken, verlassen, um mit seinem neuen Erzfeind um die Welt zu jetten – ein Luxus, den er ihr damals plötzlich nicht mehr bieten konnte.

Wie bitter war diese Erinnerung! Dabei hatte Patricio die Firma mitaufgebaut, hatte mehr als die Hälfte des Gewinns eigenhändig erwirtschaftet. Nur eine winzige vertragliche Klausel hatte er ignoriert, als er mit Ramón die Firma gründete … Doch nun war er wieder da, stärker als je zuvor.

„Das ist ein schlechter Scherz, Monica“, sagte er und trank sein Glas leer. Es fühlte sich völlig sinnlos an, dieses Gespräch zu führen. Nichts, rein gar nichts konnte sie wiedergutmachen.

Doch Monica schien ganz anderer Meinung zu sein. „Ich habe mich so für dich gefreut, als ich hörte, dass du geschäftlich wieder erfolgreich bist.“

„Ach, daher weht der Wind!“ Er betrachtete sie kühl. „Jetzt also bin ich für dich wieder interessant, allein des Geldes wegen.“

Monica zog einen Schmollmund. „Ja, ich liebe Geld, das ist kein Geheimnis. Aber das ist nicht alles. Ich habe dich wirklich vermisst und oft darüber nachgedacht, ob es nicht ein Fehler war, dich zu verlassen. Ich möchte eine zweite Chance.“

Patricio war viel zu verblüfft, um auf der Stelle aufzustehen und zu gehen. Monicas Selbstbewusstsein war schon immer unerschütterlich gewesen, eingeflößt mit der Muttermilch. Sie war eine reiche Erbin aus Madrid, die auf allen Hochzeiten tanzte.

Als Patricio gemeinsam mit Ramón ganz oben auf der Welle des Erfolgs schwamm, war sie ihm wie eine Göttin erschienen. Doch heute wusste er, dass sie dem Teufel näherstand. Er blickte auf die Eiswürfel in seinem Glas. Genau das hatte sie mit seinem Herzen gemacht, gemeinsam mit Ramón – es war zu Eis geworden. An Liebe und Freundschaft glaubte er nicht mehr.

Plötzlich trat jemand an sie heran, und er sah auf. Da war schon wieder einer dieser Fotografen, die für die Klatschspalten der Zeitschriften Fotos schossen. Doch nicht mit ihm, nicht mehr. Während Monica ein strahlendes Lächeln aufsetzte und sich noch ein Stück zu ihm beugte, hielt er die Hand vors Gesicht, als der Fotograf abdrückte.

Abrupt stand er auf. Nie wieder wollte er mit dieser Frau auf einem Foto abgebildet sein. Und außerdem – so fiel ihm plötzlich ein – sollte er auch wegen dieser Wette mit Mario öffentlich besser erst einmal nicht mehr in Erscheinung treten. Schließlich war er ja nur ein Skipper, und was hatte der auf einer solchen Party zu suchen?

Monica sah ihn missbilligend an und stand ebenso auf. „Früher wolltest du auf allen wichtigen Events abgelichtet sein“, bemerkte sie spitz. „Und jetzt würde ich gerne wissen …“

Mit einer abwehrenden Handbewegung brachte er sie zum Schweigen und dachte unwillkürlich: Wie recht Mario hat! Frauen wie Monica blieben mir ohne Geld tatsächlich vom Leib – aber auch Justine? „Es gibt keine zweite Chance, hast du verstanden?“, sagte er scharf. Und als Monica ihn mit großen Augen ansah, fügte er sicherheitshalber hinzu: „Außerdem bin ich längst an einer anderen Frau interessiert.“ Sie brauchte ja nicht zu wissen, dass er sich seit ihrem Verrat in keine andere mehr verliebt hatte.

Ohne sich noch einmal umzusehen, verließ er die Party. Doch wie er Monica kannte, würde sie herausfinden wollen, wer die Glückliche war. Nun also musste er doppelt vorsichtig sein – seine wahre Identität vor Justine verbergen und die Meeresbiologin aus der Öffentlichkeit heraushalten. Wider Erwarten jedoch reizte ihn dieses Spiel mehr und mehr. Die innere Leere begann sich zu füllen – taute etwa das Eis in seiner Brust?

Sie sah ihn schon von Weitem. Treffpunkt war das Café in der Nähe der Marina, in das Patricio sie schon einmal gelockt hatte. Viel zu früh war sie vorhin hier gewesen und hatte beschlossen, vor dem Eingang zu warten.

Justine schüttelte über sich selbst den Kopf. Was für eine Schnapsidee, sich auf diesen Ausflug einzulassen! Damit hatte sie sich doch nur beweisen wollen, dass sie die Vergangenheit hinter sich gelassen hatte und kein Seemann ihr je wieder zu nahe kommen konnte – selbst dann nicht, wenn er so umwerfend gut aussah wie Patricio.

Sie beobachtete ihn. Sein Gang war aufrecht und stolz. Er strahlte ungeheures Selbstbewusstsein aus, und seine ganze Erscheinung passte gar nicht dazu, dass er „nur“ ein Skipper war.

Wieder einmal dachte sie an Pablo und Juan, die sie mit Louise in der „Marina del Atlántico“ kennengelernt hatte. Beide Männer waren ebenso Skipper gewesen und passten damals auf zwei Luxusjachten auf. Dabei jedoch hatten sie sich – wohl um ihre weiblichen Eroberungen zu beeindrucken – als stolze Besitzer ausgegeben. Mit Erfolg. Sofort hatten sich Justine und Louise faszinieren lassen, verliebten sich schnell und durchschauten das Spiel erst ganz am Schluss. Doch die Hochstapelei war nicht das Schlimmste an der Sache gewesen …

Nun war Patricio ganz nah, die Augen zielstrebig auf sie gerichtet. Offensichtlich war er ziemlich gut in Form – sein Körper wirkte wie gestählt, gleichzeitig bewegte er sich natürlich und geschmeidig. Er war so … elegant. Viel eleganter als Pablo damals. Gleich also würde sie also wieder in diesen meerblauen Augen versinken, dabei wollte sie das überhaupt nicht! Ihre Hände wurden feucht. Blieb noch eine Chance auszusteigen?

Als Patricio vor ihr stand, begann ihr Herz, schneller zu schlagen.

„Hallo“, sagte er mit seiner samtigen Stimme, und sie wusste im gleichen Augenblick: Nein, es gibt kein Zurück. Doch am Ende des Tages würde sie endgültig klarstellen, dass keine weiteren Treffen stattfinden würden. Das war eindeutig zu gefährlich. Ihre körperliche Reaktion verriet sie.

Sogar Louise hatte am Abend zuvor sofort bemerkt, dass etwas passiert war. Und da sie keine Geheimnisse voreinander hatten, hatte sie ihrer Freundin von ihrem kleinen Flirt erzählt. Nur dieses kleine Detail hatte sie ausgelassen …

„Du hast also jemanden kennengelernt, der dir gefällt?“, hatte Louise gefragt.

„Hm, ja.“ Justine hatte herumgedruckst und so natürlich erst recht Louises Neugier geweckt. Halb scherzhaft und halb ernst, als ahnte sie schon etwas, hatte ihre Freundin nachgehakt: „Aber doch bitte keinen Mann, der irgendetwas mit der Seefahrt zu tun hat?“

„Nein …“, hatte Justine spontan gelogen. Denn damit hatten sie schließlich beide keine guten Erfahrungen gemacht. Nicht nur, dass Pablo sie damals ohne ein weiteres Lebenszeichen verlassen hatte. Nun war auch Louises Glück heftig ins Wanken geraten und erinnerte Justine einmal mehr an ihren Schwur: In jeden Mann wollte sie sich verlieben, aber bestimmt nie wieder in einen Seemann!

„Nein, keine Angst, Patricio lebt auf dem Festland und ist … Geschäftsmann. Ja, er macht hier nur Urlaub“, hatte sie Louise also erzählt, denn sonst hätte die Freundin sie wohl für verrückt erklärt.

Als sie sich nun an das Gespräch mit Louise erinnerte, während Patricio sie wieder so intensiv ansah, begannen ihre Wangen zu brennen. Wenn du wüsstest, dass ich sogar schon für dich gelogen habe, dachte sie. Gleichzeitig aber wurde ihr klar, warum sie das getan hatte: weil sie sich – wider alle Vernunft – den einzigen Tag mit diesem atemberaubend attraktiven Spanier durch Louises Einwände nicht hatte verderben lassen wollen. Egal, was seit damals passiert war.

Bewundernd ließ Patricio den Blick über Justines schlanken Körper gleiten. Heute trug sie eine eng anliegende weiße Hose und ein blaues Seemannshemd, das ihr ausnehmend gut stand. Und wie schön die langen hellbraunen Haare aussahen! Glänzend flossen sie über ihre Schultern. Ihr zartes Gesicht kam ihm heute noch anziehender vor, ihre rosigen Lippen wirkten so unschuldig wie die eines jungen Mädchens.

Kaum waren sie ein paar Schritte gegangen, fasste er Justine sanft an der Schulter, und sie blieben stehen. Bei seiner Berührung zuckte sie leicht zusammen, doch er ließ seine Hand auf ihr ruhen, als er sagte: „Ich finde, wir sollten uns nicht mehr so förmlich anreden. Wir sollten uns duzen, was meinst du?“

„Gern.“ Ihre Augen schimmerten im Sonnenlicht. Wunderschön.

„Und nun nehmen wir den Bus“, sagte er mit ein wenig Unbehagen, weil ihm das nun doch etwas seltsam vorkam. Noch nie war er auf Teneriffa mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen, doch genau darauf hatte Mario beharrt, als sie sich vorhin nochmals über ihre Wette unterhalten hatten. „Du bist ein Mann mit kleinem Einkommen. Darum geht es doch gerade: keine Extras!“

Und so fügte Patricio hinzu: „Leider kann ich mir hier keinen Wagen leisten.“ Dabei dachte er sehnsüchtig an das schicke Cabriolet, das ihm sonst auf der Insel zur Verfügung stand.

Einen kurzen Augenblick wirkte sie überrascht, sagte dann aber leichthin: „Klar, kein Problem!“ Und so winkte er ein Taxi heran, das sie schnell zum Busbahnhof bringen würde. Wenigstens diesen Miniluxus wollte er sich erlauben.

„Warst du schon einmal in Garachico?“, fragte er, als sie im Wagen saßen. Wenn sie wüsste, dass er gerade dabei war, dort in dem reizvollen Hafenstädtchen sein erstes eigenes Anwesen zu erwerben! „Es ist einer der schönsten Orte, den ich kenne. Es liegt allerdings auf der anderen Seite der Insel.“

„Nein, aber ich wollte schon immer mal dorthin“, erwiderte sie erfreut.

„Perfekt.“ Patricio lächelte und lehnte sich bequem zurück. „Und nun verrätst du mir endlich, was du hier tust, wenn du weder als Touristin noch beruflich hergekommen bist. Da haben wir unser interessantes Gespräch nämlich abgebrochen.“

Justine schlug ihre schlanken Beine übereinander und sah aus dem Fenster. „Ach, es ist wegen meiner Freundin Louise. Sie lebt hier und hat Probleme. Ich versuche, ihr ein wenig zu helfen.“

„Was ist passiert?“

Nun blickte sie ihn an, und wieder entdeckte er diesen Hauch von Traurigkeit in ihren Augen. „Na ja, wir waren schon einmal hier auf der Insel, vor fünf Jahren. Damals haben wir uns einen Traum erfüllt und machten ein paar Wochen Urlaub. Und wir … ich meine, Louise hat sich in einen Skipper verliebt und ihn dann auch tatsächlich geheiratet.“

„Klingt doch ganz gut!“, bemerkte Patricio spontan. „Wo ist das Problem?“

Sie kniff die Lippen zusammen. Offenbar ging die Geschichte nicht gut weiter, aber das hatte sie ja bereits angedeutet.

„Louise war sich lange nicht sicher, ob es richtig war, England zu verlassen und ihn zu heiraten“, fuhr Justine fort. „Doch sie tat es aus Liebe, außerdem wurde sie schwanger. Sie bekamen das Kind und kauften eine Wohnung, haben sich damit aber wohl etwas übernommen. Nun ist das zweite Kind unterwegs, doch ihr Mann ist immerzu auf See, Louise ist viel zu viel allein. Sie ist einsam, dadurch gibt es Streit. Doch am schlimmsten sind wohl die finanziellen Sorgen. Nun soll auch noch die Wohnung zwangsversteigert werden …“

Patricio hörte aufmerksam zu – zumindest was die Wohnung betraf, war dies ein nicht untypisches Schicksal. Besonders in Spanien hatten in letzter Zeit viele Menschen ihre Immobilie verloren. Fast unmerklich schüttelte er den Kopf. Er selbst würde niemals auf Kosten derer sein Geld machen wollen, die ohnehin schon um ihre Existenz kämpfen mussten. Deswegen hatte er sich von Beginn an auf Luxusimmobilien spezialisiert und da auch keinen Skrupel, an den Reichsten der Reichen große Summen zu verdienen.

„Könnte ich doch nur das nötige Geld für ihre Wohnung auftreiben! Dann wären wenigstens diese Sorgen gelöst, und bei meiner Freundin würde sich vieles bessern. Aber leider kann ich es auch nicht herbeizaubern“, sagte Justine traurig, während ihm durch den Kopf schoss: Ich könnte so einfach helfen …

Als das Taxi hielt, sagte Justine: „Männer auf See sind eine heikle Sache. Es gibt so viele unglückliche Geschichten.“ Sie biss sich auf die Lippe. Diesen Gedanken hatte sie doch eigentlich für sich behalten wollen! Es ging Patricio nichts an, dass auch sie einst einem Skipper verfallen war – und auch nicht, dass sie ihren Vater ans Meer verloren hatte.

Er war eine Urlaubsliebe ihrer Mutter gewesen. Gleich nach ihrem Kennenlernen hatte er ihr ein paar Muscheln geschenkt, darunter das zauberhafte Exemplar, das nun Justine gehörte. Nach ein paar Wochen aber zog es ihn wieder zur See, und ihre Mutter merkte zu spät, dass sie mit Justine schwanger war. Bis heute bereute sie, damals nicht gleich auf den geheimnisvollen Spruch reagiert zu haben, der laut einer Sage mit der roten Muschel verbunden war:

Schenkt dir die Liebe eine gleiche Muschel zurück,

bedeutet dies unzerstörbares, ewig gemeinsames Glück.

„Hätte ich damals eine weitere rote Muschel gesucht und sie deinem Vater geschenkt, so wäre er bei mir geblieben, dann wäre die Liebe zu mir stärker geworden als seine Liebe zur See.“ Das hatte die Mutter stets geglaubt und ihr eines Tages die Muschel geschenkt. „Vielleicht kann sie wenigstens dir Glück in der Liebe bringen!“

Patricio sah sie nun ernst an und fragte, als könnte er ihre Gedanken lesen: „Nur weil manche Frauen mit Seeleuten schlechte Erfahrungen machen, gilt das doch wohl nicht für alle Skipper, oder?“

Justine konnte nicht gleich antworten. Wieder musste sie schmerzvoll an Pablo denken. Ja, sie hatte ihn angebetet, und er hatte ihr die Sterne vom Himmel versprochen und wahre Liebe geschworen. Justine hätte ihm leicht verziehen, dass er sie angelogen und sich als Jachtbesitzer ausgegeben hatte, obwohl er keiner war, schließlich hatte sie sich in Pablo verliebt und nicht in eine Jacht!

Nein, das Schlimmste war, wie er sie verlassen hatte. Sie war von einem Tagesausflug mit Louise zurückgekommen, und der Bootsliegeplatz war leer gewesen. Einfach so – leer! Dabei hatte sie sich überlegt, Pablo genau an diesem Tag als Zeichen ihrer Liebe die rote Muschel zu schenken … Aber der wahre Jachtbesitzer war zurückgekommen und hatte den Befehl zum Aufbruch gegeben.

Und danach: Funkstille. Viele Wochen und unzählige Tränen später löschte sie seine Nummer aus ihrem Handy. Das Meer hatte also nicht nur ihren Vater, sondern auch den ersten Mann verschluckt, dem sie wirklich vertraut und den sie geliebt hatte. Würde sie jemals über diese herben Enttäuschungen hinwegkommen? Wenigstens aber hatte sie ihre Muschel nicht an einen Hochstapler und Lügner verschenkt.

Patricio musterte sie weiterhin, doch jetzt sie wich seinem Blick aus und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er sollte ihren Schmerz nicht sehen. Wie zu ihrer Rettung hielt genau in diesem Moment das Taxi, und Patricio hatte es plötzlich eilig: „Komm, da wartet schon der Bus!“

Schnell versuchte sie, wieder heiter auszusehen, und mahnte sich: Vergiss wenigstens für einen Tag die Vergangenheit! Außerdem war dies hier eine völlig andere Geschichte als die mit Pablo – allein schon deswegen, weil Patricio nicht vorgab, jemand anderes zu sein, als er in Wirklichkeit war.

Sie fuhren mit dem Bus auf die westliche Seite Teneriffas. Die größte der sieben kanarischen Inseln bot eine fantastisch abwechslungsreiche Natur. Alle Nuancen von Grün fanden sich auf dem Eiland wieder – es gab Palmen und Bananenstauden, Kiefern- und Regenwälder, Weingärten und saftige Wiesen. Der Norden war subtropisch, der Süden im Sommer sonnenverbrannt. Im Zentrum der Insel herrschte majestätisch der Teide, einer der mächtigsten Vulkane weltweit und der höchste Berg Spaniens. Überall auf der Insel erinnerten die meist dunklen Sandstrände an den vulkanischen Ursprung. Vor fünf Jahren hatte Justine bereits viele schöne Flecken kennengelernt. Garachico jedoch fehlte noch auf ihrer Liste.

Angeregt unterhielten sie sich über die Schönheiten der Insel, bis sie am Rand der Ortschaft aus dem Bus stiegen. Von einer Anhöhe hatten sie einen atemberaubenden Blick über die Landschaft. Der im Meer vorgelagerte Felsen, das Wahrzeichen des alten Hafenstädtchens, verlieh diesem nicht nur das gewisse Etwas, sondern auch seinen Namen: „Kleine Insel“, so die ursprüngliche Bedeutung von Garachico. Halbkreisförmig breitete sich der Ort auf einer Lavazunge aus. Die roten Dächer der Häuser leuchteten im warmen Sonnenlicht, der Himmel war strahlend blau, ebenso das Meer.

Langsam gingen sie die Straße entlang, die ins Zentrum führte, als Patricio in einen kleinen Seitenweg abbog.

„Wohin gehst du?“, fragte Justine.

„Nur einen kleinen Umweg.“

Dann standen sie vor einem schmiedeeisernen Zaun, um den sich blühende Zweige rankten. Das Gebäude dahinter – oder besser gesagt, die hübsche Villa – war wie viele der anderen Häuser weiß getüncht und hatte ein großes Flachdach, das als Terrasse diente. Eine zum Meer gerichtete Glasfront versprach einen grandiosen Blick. Der Garten war etwas verwildert, doch er hatte ein bezauberndes Flair. Still war es hier, nur die Vögel zwitscherten, und es ging ein angenehm warmer, leichter Wind.

„Ist das schön“, flüsterte Justine. Unwillkürlich tastete sie in ihrer Tasche nach der Schatulle mit ihrer wertvollen Muschel, als brauchte sie eine stumme Zeugin für diesen seltsam überwältigenden Augenblick. Patricio selbst betrachtete das Haus lange und nachdenklich, aber er sagte keinen Ton. Irgendetwas musste es hiermit auf sich haben.

„Wer wohnt hier?“, fragte Justine.

„Keine Ahnung“, antwortete er jedoch nur.

Nachdem sie noch ein paar Atemzüge lang die bezaubernde Atmosphäre genossen hatten, setzten sie ihren Weg fort. Patricio war während des Spaziergangs durch die pittoreske Altstadt weiterhin seltsam schweigsam.

Doch immer wieder sah er sie von der Seite an, was ihr Herz ins Stolpern brachte. Auf der „Plaza de la Libertad“, dem zentralen Platz mit den schmucken, bunten Häusern, setzten sie sich schließlich auf eine Bank unter einer Palme und beobachteten das Treiben um sie herum. Hier trafen sich Touristen wie Einheimische, um den Nachmittag zu genießen.

„Wie schön wäre es, hier zu leben!“, stieß Justine aus vollem Herzen aus. Wenn sie ehrlich war, gefiel ihr das Leben im grauen London nicht besonders. Sie liebte den Geruch des Meers, den Seewind und die Sonne. Vielleicht war das das Erbe ihres Vaters.

Am liebsten würde sie auswandern, um irgendwo im Süden zu leben und zu arbeiten. Doch nun musste sie erst einmal anfangen, ihr eigenes Geld zu verdienen, und deswegen sollte sie das Angebot von Matthew bald annehmen – wenn er doch nur nicht so viel von ihr erwarten würde! Schließlich dachte er nicht nur an eine Zusammenarbeit, sondern glaubte auch fest an eine Partnerschaft. Und er war damit nicht allein: Auch ihre Mutter und ihr Stiefvater drängten zu dieser Beziehung. Das war ziemlich belastend.

Patricio musterte sie. „Hier würdest du gerne leben?“, brachte er sie wieder in die Gegenwart zurück.

Sie musste lachen. Was für eine Frage! „Aber ja, warum denn nicht? Es ist wundervoll hier.“

Nun rieb sich Patricio nachdenklich über das Kinn, und seine blauen Augen nahmen einen seltsamen Schimmer an.

„Was ist?“, fragte sie etwas verunsichert. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“

Er schüttelte langsam den Kopf. „Was könnte falsch daran sein, an einem solchen Ort leben zu wollen?“ Sein versonnener Blick verwirrte sie.

Plötzlich tauchte in Justine jäh die Vision auf, wie sie hier mit Patricio für immer zusammen war – in dieser schönen Villa dort oben … Ganz deutlich sah sie sich mit ihm Arm in Arm in diesem Haus vor der großen Glasfront stehen.

Hatte sie jetzt etwa den Verstand verloren? Was für ein Unsinn! Patricio würde bald wieder in See stechen und sie verlassen, so wie es auch ihr Vater und Pablo getan hatten.

„Justine …“

Patricios Stimme hatte jetzt einen unerwartet sanften Klang. Er rückte ein kleines Stück näher zu ihr, fast konnte sie die Wärme seines Körpers spüren. Kurz schloss sie die Augen. Kleine heiße Wellen durchströmten sie, und sie hielt den Atem an. Wie weit wollte sie den Dingen heute ihren Lauf lassen?

Abrupt stand sie auf. Nein, sie durfte keine Affäre mit dem Spanier beginnen. Wenn sie sich wieder in einen Seemann verliebte, würde es viel zu sehr wehtun. Sie musste zur Vernunft kommen!

Außerdem war es nicht fair Matthew gegenüber, der darauf wartete, dass sie sich hier über ihre Gefühle klar wurde. Er leitete diese Stiftung in London, die tolle Projekte zum Schutz der Meere verfolgte, und wenn Justine dort zu arbeiten begann und sich auch auf eine partnerschaftliche Beziehung mit ihm einließ, dann wären sie ein unschlagbares Team – so zumindest glaubte es Matthew.

Patricio verschränkte die Arme vor der Brust. Was für ein romantischer Augenblick, und sie entzog sich ihm! Die Engländerin machte es ihm wirklich nicht leicht. Lag es wirklich daran, dass er sie nicht mit einer dicken Brieftasche beeindrucken konnte? Und wieso hatte sie ihn mit ihrer Äußerung, hier leben zu wollen, eben so aus der Bahn geworfen?

„Gehen wir etwas trinken.“ Er ließ sich seine kurze Verwirrung nicht anmerken und stand auf. Vielleicht würden ein, zwei Gläser Champagner Justine sanftmütiger machen.

Dankbar nickte sie.

Da aber fiel ihm wieder ein, dass er gar nicht in jenes edle und verschwiegene Hotel gehen konnte, das er hier sonst immer besuchte. Schließlich kannte man ihn sowohl an der Rezeption als auch im Restaurant, und Justine würde sich wohl ziemlich wundern, warum ein einfacher Skipper so bevorzugt behandelt wurde.

Nein, ein normales Lokal und ein Glas Landwein mussten genügen, obwohl er sie am liebsten gleich hier und heute noch verführt hätte – ganz entgegen seiner sonstigen Taktik.

Nun klingelte auch noch sein Telefon, und da er diesen wichtigen geschäftlichen Anruf aus Barcelona erwartete, konnte er das Läuten leider nicht ignorieren. Ausgerechnet jetzt! Damit war auch noch der letzte Zauber der Situation verflogen. Außerdem würde er sich sofort verraten …

„Entschuldige mich bitte einen Moment!“, sagte er also und wandte sich rasch ab. Als er sich ein paar Schritte entfernte, spürte er deutlich Justines verwunderte Blicke im Rücken. Verdammt! Diese Wette stellte sich als viel komplizierter heraus als erwartet. Doch dies stachelte sein Begehren nur noch mehr an.

3. KAPITEL

Grübelnd saß Patricio auf dem Deck der „Ocean Star“. Die ersten Sonnenstrahlen ergossen sich glitzernd über das weite Wasser und färbten den Himmel orangerot. Mit seiner Jacht hatte er schon das halbe Mittelmeer durchkreuzt, aber Teneriffa war eindeutig eine seiner Lieblingsinseln.

Deswegen würde er hier auch diese verwunschene Villa erstehen, sein erstes Eigentum, ein wundervolles Feriendomizil. Mit diesem Schmuckstück würde er endlich seine Familie beeindrucken können, denn schließlich war sein Vater, ein solider Beamter, wenig begeistert gewesen, als er damit begonnen hatte, mit Immobilien schnelles Geld zu machen. Er hatte ihm eine geschäftliche Niederlage prophezeit und wegen Ramóns niederträchtigem Verrat schließlich auch recht behalten– fast.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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