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Verschneite Cottages, kuschelige Cafés und die ganz große Liebe – 3 wunderbare Weihnachtsromane in einem Bundle
Annie Darling, Winter in Bloomsbury:
Die himmlischen selbstgebackenen Köstlichkeiten, die Mattie im Tearoom der kleinen Buchhandlung in Bloomsbury serviert, sind weit über die Grenzen des Londoner Stadtteils bekannt. Eigentlich müsste der Dezember mit seinen leuchtend geschmückten Straßen und duftenden Weihnachtsplätzchen für Mattie die schönste Zeit des Jahres sein – wenn ihr vor Jahren nicht ausgerechnet an Heiligabend das Herz gebrochen worden wäre. Es gibt nur eins, was Mattie noch schlimmer findet als die Feiertage: ihren unverschämten, aber gleichzeitig ziemlich attraktiven Kollegen Tom. Doch als mitten im Weihnachtstrubel die gesamte Belegschaft ausfällt, müssen Mattie und Tom den Laden plötzlich ganz allein führen ...
Heidi Swain, Träume sind aus Zimt und Zucker:
Als ihre Freundinnen Hilfe brauchen, zögert Ruby nicht lange und eilt zurück in ihre verträumte Heimatstadt Wynbridge. Auf dem Weihnachtsmarkt soll sie Leckereien aus dem beliebten Kirschblütencafé verkaufen – der perfekte Ferienjob! Zwischen duftenden Plätzchen und wärmendem Glühwein kann Ruby von ihrer Zukunft träumen. Doch dann taucht ihr Exfreund Steve am Nachbarstand auf, über den sie nie wirklich hinweggekommen ist. Und plötzlich fällt es ihr alles andere als leicht, sich auf die Köstlichkeiten in ihrer Auslage zu konzentrieren …
Natalie Cox, Winterwunder für die Liebe:
An Weihnachtswunder hat Charlie noch nie geglaubt. Dabei könnte sie dieses Jahr ganz gut eines gebrauchen, denn ihr Freund hat sich gerade von ihr getrennt. Um nicht allein in London feiern zu müssen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Feiertage bei ihrer Cousine zu verbringen, die eine kleine Hundepension auf dem Land führt. Charlie freut sich auf gemütliche Tage im verschneiten Cottage, prasselndes Kaminfeuer, heißen Kakao und einen glitzernd geschmückten Baum – doch die quirligen Vierbeiner halten sie mehr auf Trab als erwartet. Und auch der charmante Hundebesitzer Hugo lässt ihr Herz schneller schlagen. Vielleicht gibt es doch noch ein Weihnachtswunder für Charlie? Wenn nur der furchtbar eingebildete Tierarzt Cal nicht wäre ...
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Seitenzahl: 1477
Veröffentlichungsjahr: 2021
Verschneite Cottages, kuschelige Cafés und die ganz große Liebe – 3 wunderbare Weihnachtsromane in einem Bundle
Annie Darling: Winter in Bloomsbury
Die himmlischen selbstgebackenen Köstlichkeiten, die Mattie im Tearoom der kleinen Buchhandlung in Bloomsbury serviert, sind weit über die Grenzen des Londoner Stadtteils bekannt. Eigentlich müsste der Dezember mit seinen leuchtend geschmückten Straßen und duftenden Weihnachtsplätzchen für Mattie die schönste Zeit des Jahres sein – wenn ihr vor Jahren nicht ausgerechnet an Heiligabend das Herz gebrochen worden wäre. Es gibt nur eins, was Mattie noch schlimmer findet als die Feiertage: ihren unverschämten, aber gleichzeitig ziemlich attraktiven Kollegen Tom. Doch als mitten im Weihnachtstrubel die gesamte Belegschaft ausfällt, müssen Mattie und Tom den Laden plötzlich ganz allein führen ...
Heidi Swain: Träume sind aus Zimt und Zucker
Als ihre Freundinnen Hilfe brauchen, zögert Ruby nicht lange und eilt zurück in ihre verträumte Heimatstadt Wynbridge. Auf dem Weihnachtsmarkt soll sie Leckereien aus dem beliebten Kirschblütencafé verkaufen – der perfekte Ferienjob! Zwischen duftenden Plätzchen und wärmendem Glühwein kann Ruby von ihrer Zukunft träumen. Doch dann taucht ihr Exfreund Steve am Nachbarstand auf, über den sie nie wirklich hinweggekommen ist. Und plötzlich fällt es ihr alles andere als leicht, sich auf die Köstlichkeiten in ihrer Auslage zu konzentrieren …
Natalie Cox: Winterwunder für die Liebe
An Weihnachtswunder hat Charlie noch nie geglaubt. Dabei könnte sie dieses Jahr ganz gut eines gebrauchen, denn ihr Freund hat sich gerade von ihr getrennt. Um nicht allein in London feiern zu müssen, bleibt ihr nichts anderes übrig, als die Feiertage bei ihrer Cousine zu verbringen, die eine kleine Hundepension auf dem Land führt. Charlie freut sich auf gemütliche Tage im verschneiten Cottage, prasselndes Kaminfeuer, heißen Kakao und einen glitzernd geschmückten Baum – doch die quirligen Vierbeiner halten sie mehr auf Trab als erwartet. Und auch der charmante Hundebesitzer Hugo lässt ihr Herz schneller schlagen. Vielleicht gibt es doch noch ein Weihnachtswunder für Charlie? Wenn nur der furchtbar eingebildete Tierarzt Cal nicht wäre ...
Die Autorinnen:
Annie Darling lebt in einer winzigen Londoner Wohnung, in der man vor lauter Bücherstapeln kaum laufen kann. Ihre großen Leidenschaften sind Liebesromane und ihre Katze. Nach »Der kleine Laden in Bloomsbury«, »Sommer in Bloomsbury« und »Verliebt in Bloomsbury« ist dies Annie Darlings neues Buch in deutscher Sprache.
Heidi Swain hat Literatur studiert und als Journalistin gearbeitet, ehe sie endlich den Mut fand, ihren Kindheitstraum in die Tat umzusetzen: Sie belegte einen Kurs für Kreatives Schreiben und begann mit ihrem ersten Roman. Nach ihrem wunderbaren Debüt »Frühling im Kirschblütencafé« geht mit diesem Buch die Geschichte um das kleine Nähcafé im verträumten Städtchen Wynbridge weiter.
Natalie Cox war schon immer ein großer Fan romantischer Liebesgeschichten. Als sie alles ausgelesen hatte, was ihr in die Finger kam, beschloss sie, endlich ihr eigenes Buch zu schreiben. Ihr schokoladenbrauner Labrador saß dabei die ganze Zeit neben ihr. Natalie Cox lebt in London, verbringt aber auch gerne Zeit in ihrem kleinen Häuschen in Wales.
Romantische Weihnachten–very british!
Annie DarlingWinter in Bloomsbury
Heidi SwainTräume sind aus Zimt und Zucker
Natalie CoxWinterwunder für die Liebe
3 Romane in einem Band
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»Winter in Bloomsbury«
Aus dem Englischen von Ivana Marinović
Copyright © 2018 by Annie Darling
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2020 by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Umschlag: Favoritbüro
Umschlagmotiv: © Lee Avison/Trevillion Images; © Aleksandr Ozerov; Yury Smelov; Vitalina Rybakova; Vova Shevchuk; off5173; Serdanik; Rusya007/shutterstock
Redaktion: Lisa Wolf
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
»Träume sind aus Zimt und Zucker«
Aus dem Englischen von Veronika Dünninger
Copyright © 2016 by Heidi-Jo Swain
Published by Arrangement with Simon & Schuster UK Ltd., London WC1X 8HB, England.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by Penguin Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Covergestaltung: Bürosüd
Covermotiv: StockFood / Kompanik, Hannah; www.buerosued.de
Redaktion: Rabea Güttler
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
»Winterwunder für die Liebe«
Aus dem Englischen von Maria Hochsieder
Copyright © 2018 by Natalie Cox
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2019 by Penguin Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Covergestaltung: favoritbüro
Covermotiv: © Dean Drobot, Marina Zezelina, fotohunter, tvetchinina/Shutterstock
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
978-3-641-29056-6V001
www.penguin-verlag.de
Annie Darling
Gewidmet Mr. Mackenzie,dem prachtvollsten Exemplar von Katerhaftigkeit überhaupt.
30 Tage bis Weihnachten
»Auf Wiedersehen! Beehren Sie uns bald wieder!«
Mit einem strahlenden Lächeln begleitete Matilda Smith die letzten Gäste des Tages zur Tür der Teestube neben dem Happy Ends und beeilte sich, hinter ihnen abzuschließen. Das Handy in ihrer Taschenschürze hatte die gesamten letzten fünf Minuten vor eingehenden Nachrichten gesummt wie eine wutentbrannte Biene.
Mattie zog ihr immer noch vibrierendes und blinkendes Smartphone hervor. Der Absender war immer derselbe.
KRISENSITZUNG!!!!!
Die dringlichen Großbuchstaben ließen Mattie kalt. Sie war seit sieben Uhr früh auf den Beinen, und ihre Füße standen kurz davor, den Dienst zu quittieren, also würde diese sogenannte Krisensitzung auf sie verzichten müssen.
»Ich dachte, Mr. Beiger Anorak würde niemals gehen«, beklagte Mattie sich über ihren treuesten Stammkunden. »Ich hätte große Lust, ihm zu sagen, dass er einen Vierertisch maximal eine Stunde in Beschlag nehmen darf.«
»Wenigstens hat er den Tisch dieses Mal geteilt«, merkte Cuthbert an, während er Jezebel, die kapriziöse Kaffeemaschine, sorgsam und liebevoll auf Hochglanz polierte. Nachdem Matties ehemalige Barista, Paloma, gekündigt hatte, um auf Weltreise zu gehen, hatte Mattie zunächst starke Zweifel gehegt, ob sie je wieder jemanden finden würde, der mit der äußerst temperamentvollen Jezebel umzugehen wusste – bis sie den zweiundsiebzigjährigen Cuthbert Lewis traf.
Matties Handy vibrierte erneut. Noch eine Nachricht von der jungen Frau, die dringend damit aufhören sollte, Nachrichten in Großbuchstaben zu tippen. Wieso schrieb sie nicht einfach, worum es eigentlich ging?
DASISTKEINPROBEALARM, SONDERNEINECHTERNOTFALL!!!!!
»Wetten, dass es kein Notfall ist«, entfuhr es Mattie laut.
»Na, gibt es Ärger?«, erkundigte sich Cuthbert.
»Nur die übliche Panikmache von nebenan.«
Cuthbert neigte wissend den Kopf zu den gläsernen Flügeltüren linkerhand der Theke. »Stimmt schon, sie haben durchaus einen Hang zur Panikmache. Wohingegen du und ich mehr von der ruhigen Sorte sind.«
Nun, da Mr. Beiger Anorak endlich fort war, konnte Mattie damit beginnen, den Boden zu wischen. Sie tauchte den Mopp in den Eimer mit heißem Seifenwasser, den sie gerade aufgefüllt hatte. »Ja, bei uns hier ist panikfreie Zone. Nicht wie bei denen drüben.«
Mattie und Cuthbert hatten ihren eigenen kleinen Herrschaftsbereich innerhalb der weitläufigen Räumlichkeiten des Happy Ends, der Buchhandlung, die hinter den verglasten Flügeltüren lag. Die Teestube verfügte über ihre eigenen Traditionen, ihre eigene Art, die Dinge anzugehen, ihre eigenen Regeln und Gesetze, aber sie koexistierte recht friedlich mit dem Buchladen nebenan. So sorgten sie dafür, dass sich keine Gäste mit unbezahlten Büchern in die Teestube verirrten und sie mit Essen und Trinken vollkleckerten. Sie vergewisserten sich tagtäglich, dass Strumpet – der korpulente, gefräßige Kater, der Verity, der Managerin des Happy Ends, gehörte – sicher in der Wohnung über dem Laden eingeschlossen blieb. (Es hatte schon mehrere Zwischenfälle gegeben, bei denen Strumpet ausgebrochen war und sich schnurstracks auf den Weg zur Teestube gemacht hatte, wo er gezielt jeden Schoß ansteuerte, auf dem er ein Stückchen Kuchen abstauben konnte.)
KRISENSITZUNGIMMIDNIGHTBELL. JETZT!!!!! WARUMIGNORIERSTDUMEINENACHRICHTEN? HABEICHSCHONERWÄHNT, DASSESSICHUMEINENNOTFALLHANDELT?
»Warum sie sich nicht dazu bequemen kann, die fünfzig Meter rüberzuspazieren und es mir persönlich zu sagen, bleibt mir ein Rätsel«, murmelte Mattie, die beim Wischen innegehalten hatte, um die nächste panische Nachricht zu lesen.
»Eine Frau in ihrem Zustand kann nun mal nicht durch die Gegend spazieren, wie es ihr beliebt«, gab Cuthbert zu bedenken, während er Jezebel eine letzte liebevolle Politur verpasste.
Cuthbert hatte recht. Cuthbert hatte für gewöhnlich bei allem recht.
Mattie stocherte mit dem Mopp in einer schwer zugänglichen Ecke herum. »Ja, schon … aber … sie schafft es doch auch, für diese sogenannten Krisensitzungen bis zum Midnight Bell zu laufen«, wandte sie ein. »Soll ich dich entschuldigen?«
»Ja, sei so gut. Die Liebe meines Lebens hat sicher schon das Abendessen vorbereitet.« Mit der Liebe seines Lebens meinte Cuthbert Cynthia, seine Ehefrau. »Und du, du hältst so lange deinen wohlverdienten Schönheitsschlaf, mein Schatz«, wies er seine heimliche Gespielin an, während er eine Spezialschutzhülle über Jezebel zog. »Morgen ist wieder ein arbeitsreicher Tag, also brauchst du deine Ruhe.«
Es wäre zu verlockend gewesen, Cuthbert zu fragen, ob er und Jezebel gerne ein wenig allein sein wollten. Doch Mattie schüttelte nur den Kopf und klopfte Cuthbert auf die Schulter, als sie sich an ihm vorbeiquetschte (hinter der Theke war es ziemlich eng), um den Eimer auszuleeren und die restlichen Sachen aufzuräumen. »Wir sehen uns morgen wieder, Cuthbert.«
»Allerdings, das werden wir«, bestätigte Cuthbert, während er sich für den fünfminütigen Fußweg zu seiner Mietwohnung in dem wunderschönen Art-déco-Genossenschaftsgebäude ums Eck seinen Mantel überzog und einen eleganten Filzhut aufsetzte.
Und wieder meldete sich Matties Telefon.
HÖRSTDUWOHLAUF, MICHZUIGNORIEREN, MATTIE! WARUMTUSTDUDAS?
Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, auf wenigstens eine dieser ach so dringenden Nachrichten zu antworten, beschloss Mattie.
Ich ignoriere dich nicht. Ich erledige nur meine Vorbereitungen für morgen und komme zu euch ins Midnight Bell, sobald ich fertig bin. Ich hoffe, dass dann ein großes Glas Weißwein und eine Schüssel Käsepommes auf mich warten. Kuss, Mattie
Sie musste nicht einmal einen ganzen Schritt machen, um die winzige Arbeitsküche zu betreten, die lediglich durch einen mit kleinen Teekännchen bedruckten Vorhang von den Augen der Öffentlichkeit abgeschirmt wurde. Tatsächlich war die Küche so winzig, dass Mattie, wenn sie ihre Arme ausstreckte, beide Wände berühren konnte.
Doch sie streckte die Arme nicht aus. Stattdessen wusch sie sich die Hände und machte sich an die Zubereitung des Blätterteigs für das französische Frühstücksgebäck: Croissants, Pains au chocolat, Pains aux raisins und diverse andere buttrige Köstlichkeiten. Der Teig musste über Nacht ruhen, deshalb konnte Mattie auch noch nicht mit den anderen im Pub hocken und sich einen Chenin Blanc hinter die Binde kippen.
Bevor sie die Schürze ablegte und ihre Handtasche aus dem einzigen Schrank holte, der in der Küche Platz fand, zog Mattie ihre Puderdose hervor, um das bestätigt zu sehen, was sie ohnehin schon wusste: Ihr Gesicht – mit dem Teint heller, zarter Karamellsauce und einigen vereinzelten Sommersprossen auf der Nase – benötigte eine großzügige Schicht matten Puders, um die sichtbaren Spuren eines langen, mühsamen Arbeitstags über einem heißen Backofen verschwinden zu lassen. Nachdem sie einen Hauch von ihrem matten roséfarbenen Lippenstift aufgetragen, die Wimperntusche aufgefrischt und rasch überprüft hatte, ob der Eyeliner vom Morgen noch an Ort und Stelle war, musste sie sich nur noch vergewissern, dass sie keine Mehl- und Fettflecken auf ihrer schwarzen Hose und dem schwarzen Pulli hatte – und schon war Mattie ausgehbereit.
Hilfreich war, dass Mattie ihren Stil gefunden hatte, an den sie sich strikt hielt. Den Film Ein süßer Fratz hatte sie in einem Alter gesehen, in dem man noch leicht zu beeindrucken gewesen war, und obwohl sie mittlerweile eine überaus erwachsene Frau von achtundzwanzig Jahren war, wünschte sie sich immer noch, Audrey Hepburn zu sein – die Buchhändlerin, die mit Fred Astaire nach Paris jettete und für ein Modemagazin modelte, wenn sie nicht gerade in zwielichtigen Jazz-Bars tanzte.
Dabei war es so, dass Mattie nicht nur direktneben einem Buchladen arbeitete, sie war auch schon in Paris gewesen. Tatsächlich hatte sie zwei ganze Jahre dort gelebt und mehrfach in zwielichtigen Jazz-Bars getanzt. Aber das war lange her, und Paris war mittlerweile für sie gestorben. Trotzdem kleidete sie sich immer noch wie Audrey Hepburn in Ein süßer Fratz: das lange dunkelbraune Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, während der dichte, stumpfe Pony den perfekten Rahmen für ihre geschwungenen Brauen abgab, die sich über ihren Augen wölbten, die exakt den Farbton des Nerzmantels hatten, den ihre Großmutter einst besessen hatte.
Und ganz wie Audrey kleidete auch Mattie sich fast ausschließlich schwarz. Bereits vor Paris hatte sie das oft getan, seit sie zurück war, trug sie jedoch kaum eine andere Farbe mehr. Im Sommer eine schwarze Baumwollbluse mit hochgekrempelten Ärmeln, eine schwarze knöchellange Röhrenhose und dazu ein und dasselbe Paar Birkenstock-Sandalen. An Wintertagen, so wie heute, tauschte sie die Bluse gegen einen Pulli, die knöchellange Hose gegen eine längere Variante und die Birkenstock-Sandalen gegen ein Paar schwarzer Chucks.
Jeden Tag das gleiche Outfit zu tragen (Mattie besaß zahlreiche schwarze Hemden, Pullis und Hosen, sowohl kürzere als auch lange – war ja nicht so, als ob sie tagtäglich dieselben zwei Kleidungsstücke tragen würde, bis sie von sich aus Richtung Wäschekorb krochen) war praktisch und zeitsparend. So musste sie sich nicht den Kopf zerbrechen angesichts eines Kleiderschrankes voller unterschiedlicher Farben und Schnitte. Was nur gut war, denn als Mattie endlich auf die kopfsteingepflasterte Rochester Mews hinaustrat und die Tür hinter sich abschloss, war klar, dass sie dieselbe Tür am nächsten Morgen um halb acht auch schon wieder aufschließen würde. Das war eben das Los einer Frau, die höllisch viel Frühstücksgebäck in den Ofen schieben musste, bevor die Teestube um neun Uhr öffnete.
Matties Handy vibrierte beharrlich.
WOSTECKSTDU? WIELANGEKANNESSCHONDAUERN, EINENBLÄTTERTEIGZUSAMMENZUPAMPEN?
Aber das war morgen. Und Mattie wollte nicht an morgen denken, vor allem nicht an jenen Teil, der vorsah, dass sie um sechs aufstand, wenn es draußen noch dunkel war. Stattdessen würde sie an das große, kühle Glas Weißwein denken, das hoffentlich schon auf sie wartete.
Mattie wurde nicht enttäuscht. Kaum dass sie die schwere Holztür zum Pub aufschob, der sich gleich um die Ecke zum Happy Ends befand, und den Geruch nach Fisch and Chips vom Imbiss gegenüber gegen den Bierdunst eintauschte, winkte ihr jemand hektisch zu.
»Mattie! Hier drüben!«, schrie Posy – Besitzerin des Happy Ends und Verfasserin etlicher unnötig dramatischer Kurznachrichten –, ganz so, als hätten sie sich nicht ihren üblichen Ecktisch unter den Nagel gerissen und Mattie wüsste womöglich nicht, wo sie saßen. »Dein Wein steht auch schon bereit!«
Mattie ließ sich dankbar auf einen leeren Hocker fallen und schnappte sich das Glas Chenin Blanc. »Danke!«, stieß sie inbrünstig aus. »Und Prost.«
Während sie miteinander anstießen, suchte Mattie die Augen ihrer Kollegen nach Spuren von Panik ab. Posy, der man die Schwangerschaft mittlerweile deutlich ansah und die sich dementsprechend an Holunderblütenlimonade hielt, das Glas auf ihrem Babybauch ruhend, wirkte eigentlich ganz gelassen. Verity, die Managerin der Buchhandlung, nippte an einem Gin Tonic und hatte einen leicht gehetzten Gesichtsausdruck – andererseits wirkte Verity immer leicht gehetzt. Und dann war da noch Tom, doch Mattie kümmerte es nicht wirklich, in welchem Gemütszustand Tom sich befand, denn Tom stand auf ihrer Liste.
Matties Liste war, wie Tom durchaus wusste, keine Liste, auf der man sich wiederfinden wollte, und das war auch der Grund, warum sie ihn ignorierte.
»Wie geht’s euch?«, fragte sie an Posy und Verity gewandt. »Wie lief es heute in der Welt des Bücherverkaufens?«
»Sehr, sehr geschäftig«, erwiderte Posy mit leiser Befriedigung. Sie rieb sich über den Kugelbauch und ließ einen ganz sanften, vornehmen Rülpser los. »Na endlich. Habe ich schon erwähnt, dass ich furchtbare Verdauungsprobleme habe?«
Das hatte sie allerdings erzählt. Und zwar mehrmals pro Tag, nachdem sie die drei ersten kritischen Monate hinter sich gelassen hatte und endlich hinausposaunen konnte, dass sie schwanger war. Nun war es bis zur Geburt nicht mehr lange hin, und sie konnte Tomaten nicht einmal mehr ansehen, geschweige denn eine essen.
»Also, ich habe mal irgendwo gelesen, dass, wenn man in der Schwangerschaft Verdauungsbeschwerden hat, man ein Baby mit ungewöhnlich vollem Haar bekommt«, verkündete Verity, was wenig zu Posys Aufmunterung beitrug.
»Sebastian hat extrem viele Haare, also ist es ganz klar seine Schuld«, erwiderte sie bekümmert. »Ich wünschte, ich hätte mich stattdessen in einen Glatzkopf verliebt.«
So faszinierend dieses Gespräch auch sein mochte, es erklärt nicht, warum Mattie so eilig herbeizitiert worden war. »Was sollten denn jetzt die ganzen Notfall-Nachrichten?«, fragte sie daher. »Wird die Rochester Mews etwa abgerissen?«
»Was? Nein! Die Sache ist viel ernster.« Posy holte tief Luft und wandte sich mit plötzlich verängstigter Miene zu Mattie um. »Weißt du, welches Datum wir heute haben?«
War das so eine Art Fangfrage, oder hatte es mit den Schwangerschaftshormonen zu tun? Mattie sah zu Verity, die den Kopf schüttelte, wie um zu sagen, dass Posy sie bereits etwas Ähnliches gefragt hatte. Erst da überwand Mattie sich, Toms Blick zu kreuzen. Unwillkürlich zuckte sie zusammen, und Toms Oberlippe verzog sich spöttisch, was bedeutete, dass er im Begriff war, einen nervigen Kommentar fallen zu lassen. Doch bevor er das tun konnte, klatschte Posy in die Hände.
»Es ist der 25. November!«, rief sie. »Der 25.! Ist dir klar, was das bedeutet, Mattie?«
»Ist das einer dieser sinnlosen Feiertage, die von irgendwelchen Werbefuzzis oder PR-Leuten erfunden wurde? Nationaler Tortentag? Nein, das wüsste ich. Nationaler Knuddel-einen-Welpen-Tag?«
»Also, ich glaube, es muss sich um den Nationalen Mach’s-der-Schwangeren-recht-Tag handeln«, murmelte Tom mit einem kleinen feixenden Grinsen – irgendwer sollte ihm mal sagen, dass ihn das nicht unbedingt attraktiver machte.
»Nein! Wohl eher der Nationale Nerv-die-Schwangere-Frau-Tag«, blaffte Posy und stieß Tom den Ellbogen in die Rippen, was ihm das dämliche Grinsen umgehend aus dem Gesicht wischte. »Es ist nur noch ein Monat bis Weihnachten! Nein, schlimmer! Der November hat bloß dreißig Tage, also sind es eigentlich nur noch dreißig Tage bis Weihnachten. Dreißig Tage!«
Für ihr panische Feststellung erntete sie ratlose Blicke.
»Und was bitte überrascht dich daran genau?«, erdreistete sich Tom zu fragen; er rückte seine Hornbrille zurecht, um Posys rot geflecktes Gesicht zu mustern. »Man kann den Fernseher nicht anmachen, ohne über eine gefühlsduselige, kitschige Weihnachtsreklame mit winterlichen Waldbewohnern zu stolpern, und die Supermärkte verhökern schon seit August Mince Pies und anderes Weihnachtsgebäck.«
Da hatte Tom nicht unrecht. »Dir muss doch auch aufgefallen sein, dass sämtliche Straßen in London schon weihnachtlich geschmückt sind?«, hakte Mattie nach.
Posy legte die Hände seitlich an den Babybauch. »Oh, tut mir leid, dass ich zurzeit etwas zerstreut bin«, sagte sie beleidigt.
»Ich habe das Thema Weihnachtsaktionen und verlängerte Ladenöffnungszeiten bereits mehrfach angesprochen«, übernahm Verity in versöhnlicherem Tonfall. »Außerdem haben wir uns ausführlich darüber unterhalten, neue Lichterketten für die Bäume vor dem Laden zu besorgen.«
»Nein. Nö. Daran kann ich mich nicht erinnern«, beharrte Posy, deren Stimme gefährlich zu zittern begann, was bedeutete, dass sie jeden Moment losweinen würde. Denn wenn sie nicht gerade versuchte, zu rülpsen, versuchte Posy, nicht zu weinen – die Schwangerschaft setzte ihr wirklich zu. »Und jetzt habe ich eine E-Mail von der Einzelhändlervereinigung der Rochester Street bekommen, in der sie mich bitten, meinen Anteil für die gemeinsame Weihnachtsdeko zu zahlen, und alle anderen Läden verlängern ihre Öffnungszeiten …«
»Ja, auch das habe ich schon erwähnt«, murmelte Verity, woraufhin Mattie ihr einen mitfühlenden Blick zuwarf. »Tatsächlich schon mehrfach.«
»Dann hättest du es eben energischer tun sollen«, erwiderte Posy, wobei sie auf der Bank hin und her rutschte, um eine bequemere Sitzposition zu finden. »Es ist noch so viel zu tun. Wir haben noch nicht mal Lametta aufgehängt oder einen Büchertisch mit Geschenkempfehlungen gemacht.« Sie rang die Hände. »Mattie! Warum verkaufst du immer noch keine Mince Pies? Du bist doch sonst so organisiert.«
Mattie bildete sich durchaus etwas auf ihr Organisationstalent ein, hatte aber nicht vor, den Köder zu schlucken. Sie würde jetzt nicht ausflippen. »Mein Weihnachtsbackplan steht, und er tritt exakt am 1. Dezember in Kraft, keinen Tag früher. Nicht jeder ist scharf auf Weihnachten, sobald die Uhren zurückgestellt werden.«
»Bei Pret-A-Manger gibt es schon seit Wochen Weihnachtssandwiches, genauso wie bei Marks & Spencer«, sagte Tom. Tja, er musste es ja wissen, schließlich holte er sich sein Mittagessen überall, nur nie in der Teestube. Hätte er das getan, müsste er nun nämlich auch keine Käsepommes in sich reinstopfen.
Mattie presste die Lippen zusammen. Sie würde nicht ausflippen. O nein. Auch wenn Tom in ihr immer den Drang weckte, auszurasten und wie eine wütende Katze loszufauchen. »Tja, die großen Buchhandelsketten haben ihre Weihnachtsaktionen schon vor Wochen angeleiert«, konterte sie ruhig.
Tom hob sein Weinglas, wie um »Touché« zu sagen, doch auf Posy hatte es den gegenteiligen Effekt; sie stöhnte wie unter großen Schmerzen und umklammerte ihren Bauch, als könnte jeden Moment ein Alien herausplatzen.
»Wir müssen ein Weihnachts-Brainstorming abhalten. Und zwar JETZT!«, verkündete sie schrill.
»Ich dachte, das hier wäre ein Weihnachts-Brainstorming?«, erwiderte Mattie, denn Posy liebte Brainstormings beinahe genauso sehr wie ihren Mann Sebastian, Tragetaschen mit Bücherzitaten und Liebesromane.
»Es ist mehr so ein Art Vorweihnachts-Brainstorming-Brainstorming«, erklärte Tom überflüssigerweise, während er den Griff nicht von der Schüssel Käsepommes löste und sie aus Matties Reichweite schob, als sie danach griff. »He, bestell dir deine eigenen.«
»Bis zum 1. Dezember ist noch jede Menge Zeit, um unsere Weihnachtspläne umzusetzen«, erklärte Verity nachdrücklich, wobei sie die Schüssel aus Toms Griff befreite und zu Mattie zurückschob. »Und auch wenn ich es hasse, die Pfarrerstochterkarte auszuspielen, aber eigentlich sollte man bis Heiligabend gar keinen Weihnachtsschmuck aufhängen. Und eigentlich sollten wir auch kein Weihnachts-Brainstorming ohne Nina abhalten. Nina liebt Weihnachten.«
»O ich vermisse Nina!«, rief Posy aus, und eine erste Träne begann mit ihrem langsamen Abstieg über die rechte Wange.
»Alle vermissen Nina«, erwiderte Mattie sanft, denn wenn Posy einen ihrer emotionalen Momente hatte, war es das Beste, keine allzu lauten Geräusche von sich zu geben. »Aber sie ist schon bald wieder da, stimmt’s? Sie wollte doch nur sechs Monate weg sein, als sie im Mai abgereist ist, und jetzt haben wir schon Ende November.«
Nina war ein heißgeliebtes, momentan leider jedoch abwesendes Mitglied der Happy-Ends-Familie, da sie mit ihrem Freud Noah auf einem Roadtrip durch die USA unterwegs war und währenddessen aus der Ferne am Marketingauftritt des Ladens feilte. Mit ihrer impulsiven Art bildete sie den perfekten Gegenpol zu der ruhigen Verity, der panischen Posy und Tom. Dem mürrischen, sarkastischen, überheblichen Tom.
»Tja, ich hoffe, sie kommt noch vor dem Geburtstermin zurück«, jammerte Posy. »Ich würde mich ganz gerne in den Mutterschutz verabschieden, bevor die Wehen einsetzen. Gott! Wehen! Ganz ehrlich, dieser angebliche Schwangerschaftsspaß ist eine einzige Dauerkatastrophe. Habe ich schon meine geschwollenen Knöchel erwähnt? Aber egal, was wollen wir jetzt wegen Weihnachten unternehmen? Es gibt noch so viel zu klären und keine Zeit! Wir sind am Arsch. Wir sind so was von am Arsch.«
»Sind wir nicht. Das Weihnachtsangebot der Teestube steht und ist startbereit«, sagte Mattie etwas verzweifelt – sie war nun mal kein großer Weihnachtsfan, und das ganze Theater im Vorfeld des 25. Dezembers bescherte ihr ein bleiernes Gefühl im Magen. »Ich meine, wie lange kann es schon dauern, ein bisschen Lametta aufzuhängen?«
»Wir werden schon etwas mehr tun müssen, als nur Lametta aufzuhängen«, erwiderte Posy, deren Tränen nun einen beständigen Fluss bildeten.
Tom, der mittlerweile einen Ausdruck blanken Grauens auf seinem sonst eher hochmütigen Gesicht zeigte, rückte ab, um etwas Distanz zwischen sich und die schluchzende Frau neben ihm zu bringen. Hilfe!, flehte er stumm an Mattie und Verity gewandt.
Mattie zuckte die Achseln. Verity seufzte, dann beugte sie sich vor.
»Ich wollte eigentlich damit warten … Aber, na ja, was du heute kannst besorgen … und es gibt ja keinen Grund, die Neuigkeit hinauszuzögern, jedenfalls nicht, wenn wir ab sofort abends länger aufhaben wollen, und es ist auch wirklich keine große Sache, eigentlich nur eine halbgroße …«
Veritys Wortschwall hatte Posys Tränenfluss gestoppt, dafür blickte sie nun vollkommen entsetzt drein. Selbst Tom schien zu begreifen, dass diese Situation es erforderte, kurzzeitig die Finger von den Käsepommes zu lassen.
»Ach, du liebe Güte, kündigst du etwa?«, fragte er, was, angesichts der zutiefst bestürzten Miene, auch Posys erste Vermutung gewesen war.
»Nein! Sei nicht albern, warum sollte ich kündigen?«, entgegnete Verity verdutzt. »Wie kommt man nur auf so eine seltsame Schlussfolgerung. Obwohl … auf gewisse Weise kündige ich wohl doch.«
»Bitte, Very, mein Blutdruck hält so viele Schocks nicht aus«, stöhnte Posy.
»Herrgott, Very, spuck’s aus, oder ich bring mich gleich um«, blaffte Tom, und ausnahmsweise stimmte Mattie ihm zu.
Verity blickte theatralisch gen Himmel. »Ich kündige …« Sie hielt inne, woraufhin alle kollektiv die Luft anhielten, was wiederum Mattie zu der Vermutung veranlasste, dass Verity das Ganze etwas zu sehr genoss. »… mein Mietverhältnis für die Wohnung über dem Laden. Auch wenn ich mich durch eure Angst, ich würde das Happy Ends verlassen ziemlich bestätigt fühle. Es ist schön zu wissen, dass man gebraucht wird.«
»Eine schreckliche Sekunde lang dachte ich schon, ich müsste die Umsatzsteuererklärung ganz allein machen, und mein Leben zog blitzartig an mir vorbei«, sagte Mattie, woraufhin Posy etwas mühsam ihr Glas über den Tisch streckte, um solidarisch mit ihr anzustoßen.
»Nicht nur du«, sagte sie, bevor sie ihr bekümmertes Gesicht Verity zuwandte. »Wann ziehst du aus? Im neuen Jahr?«
»Na ja, ein bisschen früher. Wenn wir mit den verlängerten Ladenöffnungszeiten loslegen, was bedeutet, dass wir sonntags aufhaben, dann muss ich wohl … na ja, übermorgen raus, wenn das okay ist«, erklärte Verity entschuldigend. »Ich könnte zwar bis Neujahr warten, aber Johnny hat einen dieser modernen Heißwasserhähne installieren lassen, sodass ich im Nu Tee machen kann, und er hat einen neuen Fenstersitz in meiner Lieblingsleseecke einbauen lassen, der wirklich sehr gemütlich ist, und ich bin ja sowieso die ganze Zeit bei ihm … Oh! Ja, ich würde also bei Johnny einziehen«, fügte sie hinzu, als ob das überhaupt zur Debatte gestanden hätte.
Johnny war Veritys Freund. Ein schicker Architekt, der – beinahe wie Mr. Darcy aus Veritys Lieblingsbuch Stolz und Vorurteil mit seinem »schönen Park in Pemberley« – ein Haus mit fünf Schlafzimmern in Canonbury hatte, jedoch niemanden, mit dem er es teilen konnte. Bis jetzt.
»Oh! Very! Warum hast du denn nicht schon früher was gesagt?«, rief Posy und griff nach Veritys Hand. »Lass uns den Ring sehen. Oh … kein Ring.«
»Weil wir nicht verlobt sind. Wir leben bloß zusammen.«
»Ein Leben in Sünde«, intonierte Tom, die Hände wie zum Gebet gefaltet, nun da er, ohne einen Gedanken an die anderen zu verschwenden, sämtliche Käsefritten verspeist hatte. »Und das als Pfarrerstochter.«
»Tom, du weißt doch, dass das Ninas Spruch ist. Den kannst du nicht bringen«, rügte ihn Verity. »Und außerdem, hallo? Willkommen im 21. Jahrhundert.«
Mattie freute sich für Verity, das tat sie wirklich. Auch wenn das Zusammenwohnen mit einem Mann ungefähr ihrer Vorstellung der Hölle entsprach. Sie gab sich Mühe, aufrichtig erfreut zu lächeln, während sie sich überlegte, was wohl der angemessene Zeitraum wäre, bevor sie Posy fragen, bitten, ja, anflehen könnte, ihr zu gestatten …
»Tja, wenn Very auszieht, dann nehme ich ihr Zimmer«, sagte Tom ganz ruhig, als wäre es bereits beschlossene Sache, dass er mietfrei in der Wohnung über dem Laden leben würde. »Das ist nur fair, oder?«
»Warte, nein, das ist überhaupt nicht fair!«, rief Mattie. »Ich wollte gerade fragen, ob ich das Zimmer haben kann.«
»Tja, da hättest du eben schneller sein müssen«, entgegnete Tom in diesem herablassenden Tonfall, der in Mattie den Wunsch weckte, ihm den nächstbesten schweren Gegenstand über den Schädel zu ziehen – in diesem Fall ein Feuerlöscher. »Wie auch immer, die Wohnung ist für Mitarbeiter der Buchhandlung gedacht.«
»Die Teestube ist ein wesentlicher Bestandteil der Buchhandlung«, erwiderte Mattie eisig, obwohl sie normalerweise darauf bestand, dass sie – obwohl sie äußerst dankbar für die Laufkundschaft der Liebesromankäufer war – ein eigenständiges Geschäft führte. »Trotzdem, vielen Dank, dass du mir das Gefühl gibst, Teil der Happy-Ends-Familie zu sein.«
»Für den Fall, dass du es vergessen haben solltest: Ich bin schon viel länger im Happy Ends als du in der Teestube.«
»Du hast doch ewig nur Teilzeit gejobbt«, erwiderte Mattie ruhig, obwohl sie innerlich wütete. »Ich wette, wenn man alle Stunden zusammenzählt, die ich in der Teestube verbrachte habe, sind es deutlich mehr, als du im Laden gearbeitet hast. Ich bin jeden Morgen um halb acht da, an den meisten Abenden gehe ich nicht vor zwanzig Uhr, und jetzt willst du mir auch noch die zwei Stunden Schlaf rauben, die ich durch den kürzeren Weg bekommen könnte.«
»Du reagierst gerade völlig über«, erwiderte Tom ungerührt, obwohl er nach vier Jahren eigentlich lange genug mit Frauen zusammengearbeitet hatte, um zu wissen, dass es quasi einem Verbrechen aus Hass gleichkam, einer Frau zu sagen, dass sie überreagierte, wenn sie genau richtig reagierte. »Posy. Die Entscheidung liegt bei dir.«
Posy stieß auf. »Mein Sodbrennen ist wieder da. Ihr zwei habt mir Sodbrennen beschert, und ich habe gerade große Lust, die Wohnung keinem von euch zu geben.« Sie rülpste erneut. »Ich darf mich nicht aufregen, also müsst ihr untereinander ausmachen, wer die Wohnung bekommt. Morgen«, fügte sie hinzu. »Aber jetzt geht erst mal einer von euch los und holt mir noch eine Holunderblütenlimonade, weil ich rülpsen muss, wie noch nie zuvor eine Frau gerülpst hat.«
»Du hast doch die letzte Stunde ständig gerülpst«, erdreistete sich Verity und bewies damit einmal mehr, dass sie wesentlich mutiger war als Mattie.
Posy seufzte. Dann rülpste sie erneut. »Glaub mir, das ist erst die Aufwärmrunde«, sagte sie niedergeschlagen. »Irgendwo in meiner Bauchgegend steckt ein wahres Ungeheuer, das gerade erst dabei ist, sich Gehör zu verschaffen.«
29 Tage bis Weihnachten
Am nächsten Morgen, gleich nach dem ersten Ansturm von Kunden, die sich gierig auf Matties Frühstücksgebäck und den Kaffee stürzten, den sie extra aus Paris bezog, gingen sie, Posy und Tom die Wohnung im Obergeschoss besichtigen.
Mattie wollte sich gar nicht erst große Hoffnungen machen, trotzdem hatte sie sich eine leidenschaftliche Ansprache zurechtgelegt, warum ausgerechnet sie in Veritys bald schon geräumtes Zimmer einziehen musste. Ihr Herz raste wie verrückt, als sie durch die verschiedenen Nebenräume der Buchhandlung eilte, am Kassentresen im Hauptverkaufsraum vorbei, eine Tür hindurch und eine Treppe hinauf. Wenn sie hier wohnen würde, wäre sie jetzt schon zu Hause, anstatt jeweils eine Stunde lang – länger noch, wenn der Verkehr am Kollabieren war – von Hackney und wieder zurück zu pendeln.
»Ich wollte es dir schon seit Längerem sagen, Posy, aber die Schwangerschaft steht dir wirklich ausgesprochen gut«, sagte Tom geschwollen, als Posy die Tür aufschloss.
Er war doch wirklich das Allerletzte! Seine Versuche, sich bei Posy einzuschleimen, waren geradezu lachhaft durchschaubar; es war ausgeschlossen, dass Posy darauf hereinfiel.
»Das ist ja so lieb von dir«, sagte Posy mit einem rührigen Lächeln, und Matties galoppierendes Herz raste gleich noch etwas schneller. »Netter Versuch, Tom, aber ich bin als neutrale Beobachterin hier, und außerdem vermerke ich dich im Sexuellen-Belästigungs-Buch.«
»Du weißt so gut wie ich, dass das Sexuelle-Belästigungs-Buch nicht existiert«, murmelte Tom, während er einen Schritt zur Seite machte, um Mattie den Vortritt zu lassen, weil er doch immerhin über ein Minimum an Manieren verfügte, was sie ihm durchaus zugestand. »Und wenn es wirklich existieren würde, dann würdest du wohl feststellen, dass die einzige Person, die an diesem Arbeitsplatz sexuell belästigt wird, ich bin. Vornehmlich von postmenopausalen Frauen, die erschreckend übergriffig sein können … und dann, anstatt von meinen Kolleginnen Unterstützung zu erfahren, werde ich nur noch weiter gedemütigt.«
Mattie war es unverständlich, was diese sogenannten postmenopausalen Frauen in Tom sahen. Rein objektiv betrachtet sah er ja ganz annehmbar aus – so viel hätte sie zugeben müssen, wenn sie unter Eid gestanden hätte. Er war groß und durch das weizenblonde Haar, das vorne zu einer Tolle hochfrisiert und hinten sowie an den Seiten kurz war, sogar noch ein wenig größer. Mattie hatte ihm nie tief genug in die Augen geblickt, um zu wissen, welche Farbe genau sie hatten – allerdings verbargen sie sich auch hinter einer altmodischen Hornbrille, die aussah wie ein Kassengestell aus den Fünfzigerjahren, was bei ihm aber irgendwie passte. Seine Figur schien okay, auch wenn Mattie nicht unbedingt viel Zeit damit verbrachte, darüber zu spekulieren, wie Tom wohl unter seinen Klamotten aussah. Gott bewahre!
Toms körperliche Attribute mochten ja ganz passabel sein, seine Outfits jedoch absolut nicht. Er trug Hosen, die aussahen, als hätten sie mal einem Dorfpfarrer oder einem langweiligen Stubenhocker gehört, der vor ungefähr achtzig Jahren gelebt hatte und eine Vorliebe für dunkle Tweedstoffe hegte. An seinen ausschließlich weißen Hemden war nichts zu beanstanden, aber die Krawatten, die er trug – manchmal sogar eine gestrickte Krawatte oder eine keck gepunktete Fliege –, sowie die Strickjacken mit den Lederflicken an den Ellbogen waren durchweg eine Beleidigung für Matties Augen.
Und dann war da noch seine Persönlichkeit. Mattie wusste, dass Tom sehr belesen war – immerhin hatte er die letzten vier Jahre in der Buchhandlung gejobbt, während er gleichzeitig seinen Doktor in Philosophie oder spätmittelalterlicher Literatur oder sonst irgendeinem staubtrockenen Fach gemacht hatte. Er weigerte sich beharrlich, Details preiszugeben, weshalb Mattie davon ausging, dass es sich um ein unfassbar ödes Thema handeln musste – oder warum sonst die ganze Geheimniskrämerei? Jedenfalls sorgte Tom dafür, dass niemand vergaß, dass er zur Bücherelite gehörte. Wann immer sich die Möglichkeit bot, musste er betonen, wie sehr er ihnen intellektuell überlegen war, und ließ eine seiner superschlauen Bemerkungen voll hochtrabender Wörter fallen. Eigentlich war es merkwürdig, dass er in einer Buchhandlung für romantische Literatur arbeitete, zumal sich seine Lippen bei jeglicher Erwähnung romantischer Literatur spöttisch verzogen.
Mattie konnte nicht nachvollziehen, warum Posy ihn so lange wie möglich im Laden beschäftigt und ihm, als er schließlich mit seiner Doktorarbeit fertig war, sogar eine Vollzeitstelle angeboten hatte. Oder warum Tom keine akademische Laufbahn einschlagen wollte. Wahrscheinlich, weil es in der akademischen Welt nur so von spießigen, anmaßenden Typen in Tweed wimmelte und er im Happy Ends zumindest als Kuriosität punkten konnte.
Jedenfalls war es ausgeschlossen, völlig ausgeschlossen, dass er ihr diese Bude vor der Nase wegschnappen würde, dachte Mattie, als sie einen Blick in das geräumige Wohnzimmer mit dem wunderhübsch gekachelten alten Kamin und den überquellenden Bücherregalen zu beiden Seiten warf. Abgesehen davon gab es auch eine ziemlich scheußliche geblümte dreiteilige Couchgarnitur. »Es ist viel gemütlicher, als es aussieht«, versicherte Posy unnötigerweise. »Und gleich auf der anderen Seite vom Flur befindet sich das Bad. Wir haben gerade erst eine neue Wanne einbauen lassen.«
»Perfekt, gefällt mir, was du daraus gemacht hast«, murmelte Mattie.
»So viel mehr als nur perfekt«, schleimte Tom. »Es passiert selten, dass ich eine Badewanne finde, die lang genug ist, dass ich mich darin ausstrecken kann.«
»O nein, ich halt mich da raus«, trällerte Posy. Heute früh war sie wesentlich besser gelaunt als am Vorabend. Anscheinend hatte sie sich zum Frühstück eine Flasche Gaviscon genehmigt, was ihre Verdauungsprobleme vorübergehend in Schach hielt. »Und das da ist Ninas Reich. Es ist das größere der beiden Schlafzimmer, aber das tut nichts zur Sache, da Nina hoffentlich schon bald wieder zurück ist.«
»Dann hat sie also noch nichts gesagt?«, erkundigte sich Mattie, während sie gemeinsam vor Ninas geschlossener Tür standen.
Posy schüttelte den Kopf. »Nein, sie hat sich zwar sehr mit diesem Marketing-Zeug reingehängt, aber jedes Mal, wenn ich sie frage, wann sie zurückkommt, ignoriert sie mich. Das ist wirklich ärgerlich. Zumal ich hochschwanger bin.«
»Du bist gerade mal im achten Monat. Ich denke, du hast noch ein paar Wochen«, meinte Tom und wandte sich von der Tür ab, wodurch ihm auch die wütenden Blitze entgingen, die Posy auf ihn abfeuerte.
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie herausfordernd. »Wann warst du denn das letzte Mal hochschwanger?«
Das lief ja viel besser, als Mattie es sich erhofft hatte. Tom war drauf und dran, sich um Kopf und Zimmer zu reden, ohne dass sie nachhelfen musste. Trotzdem, ein kleiner Stupser konnte nicht schaden.
»Männer kriegen ja auch keine Periode. Oder die Wechseljahre. Oder müssen irgendwelche absurden Schönheitsideale einhalten, um den patriarchalen Vorstellungen einer perfekten Frau zu entsprechen«, bemerkte sie mit einem traurigen Seufzen.
»Gut gesprochen, Mattie, aber ich bleibe trotzdem neutral«, erwiderte Posy mit einem tadelnden Blick. »Wollt ihr noch die Küche sehen, bevor wir uns das Zimmer anschauen? Und Finger weg von der Tür, Tom! Ich lasse dich da bestimmt nicht reingehen, damit du es dir unter den Nagel reißt, indem du behauptest, dass Erster-sein rechtsverbindlich wäre. So wie damals, als es im Midnight Bell nur noch eine Portion Käsepommes gab.«
»Das war doch nur einmal!« Dennoch entfernte Tom sich von Veritys Zimmertür und durchquerte den Flur Richtung Küche, wobei er kurz vor einer seltsamen Klingelvorrichtung an der Wand stehen blieb, um sie liebevoll zu tätscheln. »Gott hab dich selig, Lady Agatha.«
Die erste Besitzerin des Buchladens war eine gewisse Lady Agatha Drysdale gewesen, die das Geschäft von ihren Eltern geschenkt bekam, um sie von ihren Suffragetten-Aktivitäten abzulenken, wenn auch mit mäßigem Erfolg: Denn Lady Agatha war, was das Frauenwahlrecht anging, genauso leidenschaftlich bei der Sache wie mit Büchern.
»Das ist eine Butlerklingel, die Lady Agatha anbringen ließ, um ihre Angestellten aus dem Laden rufen zu können«, erklärte Posy, während sie diese nun ebenfalls liebevoll tätschelte. »Anscheinend sind die Drahtleitungen schon seit den Siebzigern zerfallen, was wirklich ein Jammer ist. Es wäre toll gewesen, sie ab und zu betätigen zu können, als Sam und ich noch hier wohnten.«
Posy und ihr jüngerer Bruder Sam hatten beinahe ihr ganzes Leben über der Buchhandlung gewohnt. Lavinia, Lady Agathas Tochter, die den Laden damals geerbt hatte und, dem Hörensagen nach, eine großartige Frau gewesen war, stellte Posys Vater als Leiter der Buchhandlung ein und übergab ihrer Mutter die Führung der Teestube, doch beide verunglückten vor etwa zehn Jahren bei einem Autounfall. Lavinia ließ Posy und Sam weiterhin über der Buchhandlung wohnen, und als sie starb, vermachte sie Posy sowohl die Wohnung als auch den Laden. Außerdem hatte sie Posy offenbar gleich noch Sebastian, ihren ungemein schneidigen, wenn auch unfassbar rüpelhaften Enkel hinterlassen, denn mittlerweile waren die beiden verheiratet, erwarteten ein Kind und wohnten in Lavinias ehemaligem Haus auf der anderen Seite von Bloomsbury.
»Oder du hättest natürlich auch eine Nachricht schreiben können«, entfuhr es Mattie gedankenlos. Sofort wünschte sie, sie hätte es nicht getan, denn es klang, als würde sie Lady Agathas Andenken beflecken, was nicht der Fall war. Mattie war einfach nur pragmatisch veranlagt. Abgesehen davon hatte sie das Gefühl, dass es ihr nicht anstand, die Butlerklingel zu tätscheln, daher neigte sie einfach nur respektvoll den Kopf, als sie auf dem Weg zur Küche daran vorbeikam.
»Die ist ja wirklich furchtbar klein«, ließ Tom verlauten, als sie die altmodischen Küchenschränke in Augenschein nahmen, die in einem sonnigen Primelgelb gestrichen und mit blauen Zierleisten sowie einer grauen Resopal-Arbeitsfläche verkleidet waren. Die Küche war nicht annähernd so winzig wie die Küche in der Teestube – es gab sogar Platz für einen kleinen Esstisch, zwei Stühle und einen Kühlschrank mit Gefrierfach –, und Mattie hatte nicht vor, sich von Tom entmutigen zu lassen.
»Die Küche ist wunderschön, und überhaupt tut die Größe nichts zur Sache. Ich habe schon mal eine dreischichtige Torte auf einem Campingkocher zubereitet.« Ha, da hatte er’s! Am liebsten hätte sie nachgelegt und Tom die Zunge rausgestreckt, doch sie verkniff es sich, auch wenn es sie alle Kraft kostete.
»Und jetzt zum Zimmer«, verkündete Posy und legte ihre Hände an die Stelle, wo einst ihr Magen gewesen war, um ihre Babykugel mit beruhigenden Kreisen zu reiben, was sie immer dann tat, wenn sie emotional aufgewühlt war. »Das war früher mein Zimmer. Es hat eine passable Größe, und die Fenster gehen auf den Platz hinaus.«
Sie schob sich an Mattie und Tom vorbei, den Weg zurück, den sie gekommen waren, um die Tür zu einem Zimmer zu öffnen. Dem Zimmer. Dem allerperfektesten Zimmer überhaupt. Es war gemütlich und kuschelig, aber auch geräumig genug für ein Doppelbett, einen Kleiderschrank, eine Kommode und, natürlich, mehrere Bücherregale. Es verfügte über zwei große Fenster, und selbst an diesem kühlen Novembertag fiel das Licht der schwachen Wintersonne herein.
»Das ist aber hübsch!«, entfuhr es Mattie ganz aufrichtig.
»Ich nehme es«, sagte Tom in so bestimmtem Tonfall, als wolle er Mattie herausfordern, ihm zu widersprechen. »Ich arbeite viel länger in der Buchhandlung als Nina und Verity, trotzdem haben sie den Vortritt bei den Zimmern bekommen, was äußerst unfair war, auch wenn ich es damals nie angesprochen habe.« Er tippte sich an die Brust. »Das hat mich sehr verletzt, Posy.«
»Ach, du meine Güte!« Posy verzog das Gesicht. »Es war doch nur so, dass Verity den Laden leitet, außerdem dachte ich mir einfach, dass es weniger peinlich wäre, wenn Verity und Nina sich die Wohnung teilen, da sie nun mal beide Frauen sind.«
»Das Einzige, was peinlich ist, ist so eine rückständige Einstellung«, erwiderte Tom vorwurfsvoll.
Mattie erkannte ihre Chance. »Wie kannst du Posy nur rückständig nennen!«, empörte sie sich schockiert. »Und das, wo sie doch schwanger ist! Posy, du weißt sehr gut, wie unwohl sich Tom fühlen würde, mit Nina zusammenzuwohnen, da Nina nun mal eine Frau ist. Aber ich bin auch eine Frau, deshalb wäre das überhaupt kein Problem.«
»Nina ist meine liebe, teure Freundin«, entgegnete Tom, dessen Augen hinter den Brillengläsern wütend funkelten, obwohl seine ach so teure Freundin Nina ihr einmal gesteckt hatte, dass sie vermutete, dass Tom gar keine Brille brauchte und sie einfach nur trug, damit er noch mehr wie ein spießiger Nerd aussah. »Außerdem haben wir das 21. Jahrhundert, und wenn du mich nicht mit einer Frau zusammenziehen lässt, hätte ich – auch wenn ich es nicht will – einen glasklaren Fall sexueller Diskriminierung fürs Gericht.«
»Ja, klar, netter Versuch«, höhnte Mattie, obwohl sie bereits spürte, wie ihr die Wohnung entglitt.
Tom nickte nachdrücklich. »O ja, vielleicht sogar beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es ist deine Entscheidung, Posy.«
»Ist es nicht«, entgegnete Posy, die sich unauffällig aus dem Zimmer zurückzog. »Ich fälle prinzipiell keine Entscheidungen, die meinen Blutdruck in die Höhe treiben könnten. Ich bin schon gestresst genug von diesem ganzen Weihnachtsthema. Ihr werdet das wohl zwischen euch ausmachen müssen. Ganz wie die vernunftbegabten, reifen Erwachsenen, von denen ich weiß, dass ihr sie sein könnt.«
Mattie hasste es zu betteln, aber nur weil sie etwas hasste, war das noch lange kein Grund, es nicht zu tun.
»Nein, Posy, bitte! Bitte, lass mich das Zimmer haben. Ich muss um sieben Uhr dreißig, spätestens aber acht hier sein. Ich stehe jeden Morgen um sechs auf. Sechs Uhr! Dazu kommen die Vorbereitungen jeden Abend, was bedeutet, dass ich praktisch nie vor einundzwanzig Uhr zu Hause bin, wodurch ich kein Sozialleben habe. Außerdem wohne ich mit meiner Mutter zusammen. Also, bitte, Tom. Komm schon, sei kein Arsch.«
»Ich bin kein Arsch«, erwiderte Tom, obwohl er sich, was Mattie betraf, wie ein Vollarsch benahm. »Außerdem ist meine aktuelle Wohnsituation ebenfalls alles andere als ideal«, fügte er steif hinzu, presste jedoch die Lippen zusammen, als Mattie und Posy ihn gespannt ansahen.
»Alles andere als ideal, sagst du?«, hakte Posy nach, wobei sie wieder ins Zimmer trat; ihre Augen leuchteten bei der Aussicht, endlich etwas, irgendwas, über Toms Privatleben zu erfahren.
»Ja«, erwiderte Tom ungerührt, »das sagte ich. Mehr müsst ihr über meine persönlichen Angelegenheiten nicht wissen.«
»Oh!«, machte Mattie und riss ihre Augen übertrieben weit auf. »Oh, wie komisch!«
»Was ist komisch?«, fragte Posy, die sich schwerfällig auf Veritys hübschem blauen Samtsessel niederließ.
»Tja, ist doch komisch, dass Tom seine persönlichen Angelegenheiten für sich behalten, aber trotzdem in die WG über dem Laden einziehen möchte.« Mattie setzte ein zutiefst bekümmertes Gesicht auf, als hätte man ihr gerade verkündet, dass ihre liebste französische Blockschokolade in Großbritannien nicht mehr erhältlich wäre. »Es tut mir leid, Tom, aber mir ist schleierhaft, wie du diese für dich so wichtige Work-Life-Balance aufrechterhalten willst, wenn du das Zimmer nimmst.«
»Das ist kein Problem, denn im Unterschied zum Rest von euch bin ich durchaus in der Lage, die Dinge voneinander zu trennen und außerdem ein Vorhängeschloss an meiner Schlafzimmertür anzubringen«, erwiderte Tom unnachgiebig.
Posy schnaubte. »Ja, klar. Ich hab dich in der Vergangenheit immer wieder um kleine Reparaturen gebeten, und nichts davon hast du hinbekommen.«
»Vielleicht wollte ich auch einfach nicht«, entgegnete Tom.
Posy stand die Wut ins Gesicht geschrieben, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie neutral war, und sank in den Sessel zurück. »Das müsst ihr zwischen euch ausmachen«, wiederholte sie.
Es war klar, dass Tom keinen Millimeter nachgeben würde, doch Mattie sah ebenfalls nicht ein, weshalb sie das tun sollte, also gab es nur einen Ausweg.
»Wir werden eine Münze werfen«, beschloss sie. »Ich sehe keine andere Lösung, du etwa?«
»Nein«, pflichtete Tom ihr bei und kramte bereits eine Handvoll Kleingeld aus der Hosentasche. »Kopf oder Zahl?«
»Kopf«, antwortete Mattie und drückte fest die Daumen, als Tom Posy eine Ein-Pfund-Münze reichte.
»Besser, du erweist uns die Ehre«, sagte er mit einem breiten Grinsen, als würde ihm die Wohnung bereits gehören. »Als neutrale Drittpartei sozusagen.«
Posy warf die Münze, schaffte es aber nicht, sie aufzufangen, sodass sie runterfiel, von der Fußleiste abprallte und über den Boden kullerte; Mattie und Tom wären um ein Haar mit den Köpfen zusammengestoßen, als sie hinüberstürzten, um zu sehen, welche Seite oben gelandet war.
»Oh. Zahl«, sagte Tom und machte sich nicht einmal die Mühe, seine Schadenfreude zu verbergen. »Leider Pech gehabt, Mattie.«
»Ja, tut mir auch leid«, sagte Posy, dann wedelte sie schwach mit den Händen. »Entschuldigt, könntet ihr mir bitte aus dem Sessel helfen? Oder wahlweise einen Kran mieten?«
Tom und Mattie nahmen jeweils einen Arm und hievten Posy aus den blauen, samtenen Tiefen. Im Moment blieb Mattie nichts weiter übrig, als in die Teestube zurückzukehren und vielleicht, wenn sie den ganzen Tag wie ein Ochse schuftete, ganze fünfzehn Minuten früher als sonst Feierabend zu machen.
»Alles in Ordnung, Mattie?«, erkundigte sich Posy, als sie in den Flur traten. »Wenn es läuft wie bisher, wird Tom sowieso bald jemanden kennenlernen und mit der Liebe seines Lebens zusammenziehen. Wer hätte schon gedacht, dass innerhalb eines Jahres Nina, Verity und ich in festen Beziehungen stecken würden? Ich glaube, Lavinia muss den Laden vor ihrem Tod mit einem Zauber belegt haben. Mattie? Mattie, ich weiß ja, dass du aufgebracht bist, aber könntest du bitte weitergehen? Unten wartet allerhand Arbeit und so.«
Mattie stand wie festgewurzelt da und starrte eine geschlossene Tür an, hinter der sich womöglich ein … »Ist das eine Abstellkammer?«, fragte sie, denn falls es eine große Kammer wäre, dann könnte sie doch vielleicht …
»Oh, da willst du nicht reingucken. Da ist nichts«, erwiderte Posy rasch, eine Hand auf Matties Rücken gelegt, um sie vorwärtszuschieben. »Rein gar nichts.«
»Ich will ja nicht derjenige sein, der fragen muss, aber war das früher nicht Sams Zimmer?«, erkundigte sich Tom mit leidgeprüfter Miene.
»Sein Zimmer? Wohl kaum«, erwiderte Posy und drängte sich an Mattie vorbei, um einen menschlichen, schwangeren Schutzschild vor der Tür zu bilden. »Und überhaupt ist da Zeug drin. Jede Menge Zeug.«
»Und noch mal: Ich will wirklich nicht derjenige sein, der fragen muss, aber wenn du von ›Zeug‹ redest, meinst du dann damit eine enorme Anzahl von Büchern, die du (a) bisher nur noch nicht in dein riesiges Haus in Bloomsbury geschafft hast oder (b) nicht schaffen kannst, weil du Sebastian verschwiegen hast, dass da noch mehr sind, nachdem du zwei ganze Umzugswagen davon in seiner Wohnung untergebracht hast? Oder heißt es vielmehr (c), dass du in Wahrheit Nina vor ein paar Monaten getötet hast und dies der Ort ist, an dem sich ihre verwesende, in Müllsäcke gepackte Leiche befindet? Ich meinte schon, ich hätte so einen seltsamen Geruch wahrgenommen …«
Posy verpasste Tom einen schwachen Klaps auf den Arm. »Selbstverständlich habe ich Nina nicht getötet. Ich glaube, der Geruch kommt einfach nur von Veritys neuester Meditationskerze.«
»Womit nur noch (a) und (b) übrig wären«, schlussfolgerte Mattie und baute sich mit verschränkten Armen vor Posy auf, sodass sie nicht entkommen konnte. »Also? Was ist es?«
»Na gut, es ist (a)«, gestand Posy. »Und auch ein bisschen (b). Das war mal Sams Zimmer, und jetzt ist es der Aufbewahrungsort für meine überzähligen Bücher.« Sie machte einen Schmollmund, den Sebastian Thorndyke bestimmt dazu gebracht hätte, dem Ausbau ihres ohnehin schon riesigen Hauses zuzustimmen, damit Posy noch mehr Bücher unterbringen könnte. »Ich habe sämtliche Regale und Bücherschränke vollgestopft, und Sebastian hat mich auf meine Erstausgabe von Spiel im Sommer schwören lassen, dass für jedes Buch, das ich neu ins Haus schleife, ein anderes rausfliegt. Das war wirklich sehr unverschämt von ihm.«
Mattie hatte noch nie kapiert, was es mit den Happy-Ends-Angestellten und ihren viel zu vielen Büchern auf sich hatte. »Im Ernst jetzt, Posy, könntest du nicht einfach auf digital umstellen? Hast du eine Vorstellung davon, wie viele Bücher auf einen E-Reader passen?«
Posy gab ein abfälliges Schnauben von sich.
»Besser, du gehst da nicht rein«, riet ihr Tom, während er gleichzeitig den Arm an seiner wütenden Chefin vorbeistreckte, um die Tür zu ihrer inoffiziellen Bibliothek zu öffnen. »Schau, da drin kann sich keine Katze umdrehen. Noch nicht mal eine ganz kleine.«
Mattie spähte durch die Tür, und für einen Moment dachte sie, dass Tom ärgerlicherweise recht hatte. Da stapelten sich Berge von Büchern, Büchern und noch mehr Büchern – es war ein Wunder, dass die Bodendielen noch nicht nachgegeben hatten. Doch als sie versuchte, sich das Zimmer ohne Bücher vorzustellen, war es … zwar nicht riesig, aber definitiv geräumiger als eine Abstellkammer.
»Ein Einzelbett würde da problemlos reinpassen«, befand sie, was völlig in Ordnung war, da sie ihr Bett sowieso mit niemandem teilte, seit … Wie auch immer, sie hatte nicht vor, ihr Bett mit irgendwem zu teilen. Nie mehr. »Und eine Kleiderstange. Vielleicht sogar ein Hängeregal an der Wand.«
»Na ja, ich denke mal … ich könnte Sebastian gegenüber unauffällig erwähnen, dass ich ein paar Bücher übersehen hätte«, überlegte Posy, ihren Babybauch reibend. »Außerdem trage ich sein Kind unter dem Herzen, was ein äußerst hilfreiches Argument ist, wenn ich eine Diskussion gewinnen will. Abgesehen davon kam Sam in diesem Zimmer jahrelang prima zurecht.«
Mattie drehte sich grinsend zu Tom um. »Tja, ich schätze mal, dann ziehen wir beide ein.«
»Ja, ich schätze, das tun wir«, bestätigte Tom mit einem verdatterten Blinzeln.
Mattie gestikulierte in Richtung des Zimmers. »Und ich bin mir sicher, dass du es da drin richtig bequem haben wirst. Wenn es gut genug für Sam war, dann wird es das für dich bestimmt auch sein.«
»Warum bitte sollte ich in diese bessere Besenkammer ziehen?«, fragte Tom ungläubig.
»Weil du ein Mann bist, deswegen«, antwortete Mattie mit einer abfälligen Handbewegung, ganz so, als stünde hier Toms sogenannte Männlichkeit zur Debatte.
»Das ist umgekehrter Sexismus«, protestierte Tom.
»Ist es nicht. Es ist nur so, dass ich eine Frau bin, deshalb besitze ich ganz offensichtlich mehr Dinge als du«, erklärte Mattie lapidar. »Klamotten und so.«
Tom musterte Mattie von oben bis unten und wedelte dann abfällig mit der Hand. »So viele Klamotten kannst du gar nicht haben. Du trägst doch jeden Tag dasselbe.«
»Von wegen dasselbe! Ich besitze jeweils mehrere Exemplare. Ich bin doch kein Schmutzfink, der nicht auf seine Körperhygiene achtet.« Mattie war selten zuvor so eingeschnappt und gleichzeitig so paranoid gewesen, dass sie sich wünschte, sie könnte unauffällig unter ihrer Achsel schnuppern.
»Trotzdem habe ich Verys Zimmer beim Münzwerfen bereits gewonnen, also wirst du dich mit dem hier begnügen müssen.« Tom lächelte selbstzufrieden, als ob sein überragender Intellekt wieder einmal triumphiert hätte.
»Das ist nicht fair. Wir werfen noch einmal«, verlangte Mattie und hätte am liebsten mit ihren Chucks auf den Boden gestampft.
Zu guter Letzt verlor sie auch diese Runde – mittlerweile traute sie Tom durchaus zu, eine gezinkte Münze zu besitzen, nur um beim Münzwerfen zu gewinnen –, und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich ein mattes Lächeln abzuringen und zu sagen: »Na schön, ich hoffe, du wirst in deinem unnötig großen Zimmer glücklich.«
»Danke, das werde ich ganz sicher«, erwiderte Tom mit einem weiteren anmaßenden Lächeln.
Erst als sie sich wieder auf heimischem Terrain befand, konnte Mattie ihren wahren Gefühlen freien Lauf lassen.
»Ich hasse ihn!«, rief sie zur Überraschung von Cuthbert und mehreren Kunden aus.
»›Hass‹ ist aber ein sehr starkes Wort«, meinte Cuthbert tadelnd und legte seine Hände über ein paar von Jezebels Hebeln, als wollte er nicht, dass die Kaffeemaschine derart harsche Dinge mitanhörte.
»Bei Weitem nicht stark genug«, entgegnete Mattie und stapfte in die Küche davon, die leider, leider über keine Tür verfügte, die sie hätte zuknallen können.
28 Tage bis Weihnachten:
Gleich am nächsten Abend – dem letzten, den sie bis nach Weihnachten frei hätten –, sollten Verity und Posys Bücher aus- und Tom und Mattie einziehen.
Die Logistik war nicht gerade ideal. Genaugenommen war sie ein Albtraum. Mattie war gestern erst spät von der Arbeit nach Hause gekommen und hatte dann bis tief in die Nacht ihre irdischen Besitztümer zusammengesammelt, wobei sie sich lediglich mit Kaffee wachhielt. Dann hatte sie die Arbeit eines ganzen Tages auf den Vormittag gelegt, damit sie nach dem Mittagsandrang schnell nach Hackney zurückfahren konnte, um den Rest zu packen.
Bereits um fünfzehn Uhr schlossen das Happy Ends und die Teestube heute ihre Türen, damit der große Umzug vonstattengehen konnte. »Es wird ja wohl nicht so lange dauern, ein paar Bücherkisten zu verladen«, hatte Posy heiter verkündet, doch das erwies sich als Trugschluss.
Trotz einer ganzen Reihe hektischer Kurzmitteilungen zum zeitlichen Ablauf wurden, als Mattie um sechzehn Uhr mit dem Auto ihrer Mutter vorfuhr, Posys Bücher immer noch hinausgetragen, während gleichzeitig Verity und Johnny versuchten, den blauen Samtsessel heil das schmale Treppenhaus runterzubekommen.
Mit den zwei Umzugswagen, die bereits auf dem kleinen Platz vor dem Laden standen, blieb nicht gerade viel Raum zum Parken. Mattie wollte gerade wieder rückwärts rausfahren, als hinter ihr ein wütendes Hupen erklang und ihr Weg von einem anderen Van versperrt wurde. Sie konnte im Rückspiegel das Gesicht von Tom ausmachen, der wild in ihre Richtung gestikulierte.
Sie war versucht, ihm zur Antwort den Mittelfinger zu zeigen. »Gott, der Typ ist echt null entspannt.«
Ihr Bruder Guy, der mitgekommen war, um zu helfen, drehte sich prompt herum, jaulte jedoch auf, als Mattie ihn in die Rippen stieß. »Ich kenne noch jemanden, der null entspannt ist«, beschwerte er sich. »Ich wollte nur sehen, ob er süß ist.«
»Tja, die Mühe kannst du dir sparen«, erwiderte Mattie, während sie vorsichtig mit dem kleinen Nissan vorfuhr, um im hintersten Eck der Rochester Mews zu parken, gleich neben der Reihe alter, leerstehender Läden, von deren Sanierung Sebastian immer mal wieder sprach. »Du hast Tom doch schon getroffen, also solltest du wissen, dass er nicht süß ist. Er ist das Anti-Süße in Person. Außerdem bin ich total entspannt, vielen Dank auch.«
Guy wechselte einen Blick mit Matties bester Freundin Pippa, die ebenfalls zum Helfen mitgekommen war. »Wenn du es sagst.«
»Kommt schon, Leute«, ermahnte sie Pippa. »Ich habe es euch schon dreimal gesagt: Es braucht Teamwork, damit ein Traum wahr wird.«
Mattie verkniff sich ein Augenrollen. Pippa arbeitete als Spezialprojektmanagerin für Sebastian (so hatte Mattie damals überhaupt von der leerstehenden Teestube gehört, und so hatte Pippa heute zwei Stunden freibekommen), was bedeutete, dass sie über ein unglaubliches Organisationstalent verfügte und ein Riesenfan von motivierenden Ansprachen voller inspirierender Floskeln war.
»Und ob ich das sage«, erwiderte Mattie unbeirrt, da sie superentspannt war und überhaupt lieber sterben würde, als Guy das letzte Wort zu überlassen. Außerdem konnte sie sich mit ihrem großen Bruder problemlos alle zwei Minuten in die Haare kriegen, ohne auch nur ansatzweise ins Schwitzen zu geraten. Tatsächlich erledigte sie alle möglichen Dinge ohne großes Aufheben – so konnte sie sich gleichzeitig um den Mittagsansturm sowie eine ausgefallene Last-Minute-Bestellung für eine Geburtstagstorte kümmern und währenddessen Jezebel bändigen, wenn Cuthbert gerade fünf Minuten weg war, ohne dass sie deswegen rot anlief, fluchte oder die Bestellung für einen Latte Macchiato mit Mandelmilch, aber ohne Schaum versemmelte. Es gab nur zwei Männer, die es schafften, sie auf hundertachtzig zu bringen, und einer von ihnen war Tom … was ihn noch lange nicht zu etwas Besonderem machte, sondern einfach nur zu einer echt nervigen Nervensäge.
Die drei stiegen im selben Moment aus dem Nissan, wie auch Tom aus seinem Van kletterte, der nun die Zufahrt zum Hof blockierte – denn Tom mochte zwar einen Doktortitel haben, aber er verfügte über kein bisschen praktischen Verstand.
Anlässlich des großen Umzugs – und wohl auch, weil körperliche Arbeit anstand –, hatte Tom seine Fliege und Strickjacke abgelegt und trug nun einen mottenzerfressenen Pullunder über einem extrem unvorteilhaften beigebraunen Hemd. Und er war nicht allein gekommen … tatsächlich hatte er ein paar Menschen mitgebracht. Im Gegensatz zu ihrem spießigen Freund bevorzugten Toms Kumpels (waren das ernsthaft seine Kumpels?) enge Jeans und weit ausgeschnittene T-Shirts, die einiges an muskulöser Männerbrust preisgaben. Sie schienen allesamt Tribal-Tattoos um die Arme und übermäßig viel Stylingprodukte im Haar zu haben – mehr Gel und Wachs als irgendeine Frisur benötigte. Mattie wollte nicht glotzen, doch Guy schritt bereits zielsicher hinüber.
»Tom!« Guy und Tom hatten sich schon mehrere Male bei diversen Veranstaltungen im Happy Ends, einschließlich der Eröffnung der Teestube, getroffen. Jetzt schüttelten sie einander herzlich die Hand, und Guy grinste – dieser Verräter. Er konnte aber auch nie der Versuchung widerstehen, Mattie eins auszuwischen. »Sollen wir Very und Posy vielleicht helfen, die Sachen rauszutragen, damit wir den Einzug noch vor Mitternacht über die Bühne kriegen?«
»Ich wollte gerade das Gleiche vorschlagen«, erwiderte Tom, was Mattie stark bezweifelte. »Schließlich wird es bald schon dunkel.«
»Ich koche uns mal einen Kaffee«, beschloss Mattie, denn mit Guy und Pippa – die bereits ihre Tabelle durchging, die sie erstellt hatte, um einen möglichst reibungslosen und zeiteffizienten Transport von Matties Besitztümern und Mobiliar zu gewährleisten –, sowie Tom und seinen drei … Helfern, konnten sie bestimmt auf Mattie verzichten, um die schweren Kisten zu schleppen. Außerdem durfte Mattie es nicht riskieren, ihre Rührbesenhand zu verletzen.
»Ich hätte lieber einen Tee!«, rief Posy, die sich auf einer der Bänke in der Mitte des Platzes niedergelassen hatte, von wo aus sie das Geschehen am besten beaufsichtigen konnte. Sie trug einen riesigen Daunenmantel und hatte eine Wolldecke um sich geschlungen, obwohl es für einen fortgeschrittenen Novembernachmittag eigentlich ziemlich mild war.
»Warum brauchst du Tee? Ist dir kalt? Das hättest du sagen sollen!« Sebastian Thorndyke war im Nu an der Seite seiner Angetrauten. »Ich sagte doch, dass du nicht mitkommen musst, Morland.«
»Und ich sagte, dass ich dir keine Gelegenheit geben werde, meine heißgeliebte Sammlung von Hanni und Nanni-Büchern zum nächsten Antiquariat zu karren«, gab Posy zurück. »Außerdem möchte ich keinen Tee, weil mir kalt ist. Ich möchte Tee, weil ich durstig bin.«
Sebastian fiel vor seiner Frau auf die Knie, ohne sich darum zu scheren, dass er einen Anzug trug, der wahrscheinlich mehr kostete, als Mattie in einem Monat verdiente. »Bist du dehydriert? Schmerzen deine Nieren? Drückt dir das Baby auf die Nieren?«
Posy tätschelte liebevoll seine Hand. »Ich kann auch einfach nur Durst haben, weil meine letzte Tasse Tee ungefähr eine Stunde her ist.«
»Ich gehe und setze Wasser auf«, sagte Mattie, und auch wenn sie Sebastian generell viel zu überheblich fand, so liebte er Posy doch abgöttisch und schien sie unfassbar glücklich zu machen. Abgesehen davon jedoch war er für den Anlass nicht annähernd passend gekleidet. »Ich hätte ja nicht gedacht, dass ein Anzug sich eignet, um Bücherkisten durch die Gegend zu hieven.«
Sebastians hochmütige Miene wurde gleich noch hochmütiger. »Ich schleppe nicht!«, verwehrte er sich, als hätte Mattie ihn eines minderschweren Einbruchs beschuldigt. »Ich bezahle andere fürs Schleppen. In diesem Fall Sam und seinen Kumpel, der das Pech hat, Pants zu heißen.«
Genau in diesem Moment kamen Sam und Pants, jeweils mit einer großen Kiste bepackt, aus dem Laden.
»Mittwochs haben sie eine Stunde früher Schulschluss, also hat sich alles großartig gefügt. Ihr macht das super, Jungs!«, rief Posy aufmunternd, und Mattie eilte in die Teestube, um für die hart arbeitenden Jungs eine Stärkung vorzubereiten.
Bis die letzte Bücherkiste verladen wurde, hatte sie bereits zwei Runden Tee und außerdem einen Schwung Schoko-Haselnuss-Cookies gemacht, die sie gerade hinausbrachte, als Verity die Wohnung zum letzten Mal verließ, und zwar mit ihrem kostbarsten Besitz: In einer speziellen Plastikkiste, unglücklich maunzend, befand sich Strumpet, ihr korpulenter Britischer Kurzhaarkater. Zwar würde er in Canonbury in einem Prachtbau mit fünf Schlafzimmern und einem riesigen Garten residieren, doch das kam nicht ansatzweise dagegen an, ums Eck von einem Fish-and-Chips-Imbiss sowie einem schwedischen Feinkostgeschäft mit eigener Lachsräucherhütte zu wohnen.