Ruby Fairygale (Band 4) - Das Tor zur Feenwelt - Kira Gembri - E-Book
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Ruby Fairygale (Band 4) - Das Tor zur Feenwelt E-Book

Kira Gembri

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Beschreibung

Band 4 der spannenden Fantasyreihe zum Eintauchen in eine andere Welt … Noah hat eine Einladung in die Feenwelt bekommen! Klar, dass Ruby ihren besten Freund dorthin begleitet. Doch die beiden erwartet eine böse Überraschung: Der Hohe Rat der Feen begegnet ihnen äußerst misstrauisch. Ruby und Noah müssen unbedingt beweisen, dass die Fabelwesen auf ihrer Pflegestation bestens aufgehoben sind! Als sich plötzlich immer mehr Banshees, Feen und Kobolde auf Patch Island tummeln, gerät die Lage allmählich außer Kontrolle … Im vierten Band dieser Fantasy-Reihe wartet ein neues Abenteuer auf Ruby und ihre Freunde. Voller Fantasie und untermalt von stimmungsvollen Illustrationen erzählt Bestseller-Autorin Kira Gembri die Fortsetzung der Geschichte für Kinder ab 10 Jahren. Der Titel ist auf Antolin gelistet.

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Seitenzahl: 251

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Inhalt

Ein Kobold schlägt Alarm

Kratzbärte und Feuerköpfe

Romantische Runkelrüben

Die Einladung

Ausflug in die Feenwelt

Vor dem Hohen Rat

Geheimnisse auf dem Dachboden

Genau das passende Rezept

Zurück auf der Lichtung

Felicity

Portale über Portale

Glibber aus dem Hexenkessel

Ein neuer Plan

Picknick mit plötzlichem Ende

Fabelwesen – nein, danke!

Vollversammlung mit Magie

Eine kunterbunte Truppe

Vor verschlossenen Türen

Eine Ladung Steine

Brendas Quelle

Die Warnung

Gespräch von Schlappohr zu Schlappohr

Ab nach Merrymill

Ein feenhaftes Ablenkungsmanöver

Ich spiele Weihnachtsmann

Auf der Suche

Alte Bekannte

Verwandeln verboten

Mein Dad

Kein schönes Willkommen

Brendas Geheimnis

Ende gut – alles gut?

Ein Abschied und ein festes Versprechen

1. KAPITEL

Ein Kobold schlägt Alarm

Seit Noahs Ankunft auf Patch Island war ihm schon jede Menge Erstaunliches zugestoßen. Er hatte die magische Pflegestation kennengelernt, zugesehen, wie ich mich dank meiner Pooka-Kräfte in Tiere verwandelt hatte, und mit mir zusammen übernatürliche Gefangene aus einem Labor befreit. All das hatte er gut verkraftet, aber jetzt wirkte Noah so entsetzt wie noch nie.

„Das darf doch nicht wahr sein“, ächzte er und starrte seine neuen Schulsachen an, als wären es Dracheneier. „Ich soll dieses ganze Zeug alleine lernen und die erste Prüfung ist schon nächste Woche? Für wen halten die mich eigentlich?!“

„So läuft das eben im Fernunterricht“, sagte ich schulterzuckend, aber Noah schien ernsthaft erschüttert zu sein. Er ließ seinen Kopf auf den Esstisch sinken und verfehlte dabei nur knapp einen Teller mit einem Stück Apfeltorte, das vom Nachmittagstee übrig geblieben war.

„… binam’rsch“, hörte ich ihn undeutlich murmeln.

Ich verkniff mir ein Kichern. „Was hast du gesagt?“

Noah setzte sich wieder gerade hin. „Nichts. Alles cool. Ich hab das im Griff.“ Angewidert beäugte er die Liste mit den Unterrichtsthemen, die in sechs Tagen geprüft werden sollten. Als ich die Punkte ebenfalls überflog, kamen mir nur wenige bekannt vor – immerhin war Noah ein Jahr älter als ich. Im Gegensatz zu ihm war ich aber an selbstständiges Lernen gewöhnt. Seit zwei Jahren wurde ich von meiner Großmutter unterrichtet und Nana blieb als Tierärztin nicht genug Zeit, um mich ständig anzuleiten oder zu kontrollieren.

„Das Wichtigste ist, sich alles gut einzuteilen“, sagte ich und hoffte, dass ich nicht zu lehrermäßig klang. In Wirklichkeit konnte ich mich selbst nur wenig für Schulaufgaben begeistern, schon gar nicht für Mathe. Aber wenn ich mal Nanas Praxis übernehmen wollte, führte kein Weg daran vorbei. „Außerdem müssen wir so tun, als würden wir in einem Klassenzimmer sitzen“, fuhr ich fort, „und dürfen uns nicht ständig von irgendwas ablenken –“

Ein Scheppern unterbrach mich. Es hörte sich an, als hätte jemand die Klinke der Haustür heruntergedrückt und sie dann gleich wieder schwungvoll losgelassen. Ich ahnte, was das zu bedeuten hatte: Offenbar versuchte eine sehr, sehr kleine Person, die Tür zu öffnen, indem sie bis zur Klinke hochsprang und sich daran festklammerte. Beim dritten Mal war diese Methode offensichtlich erfolgreich. Knarrend schwang die Tür auf und ein Trippeln näherte sich. Dann hatte unser Überraschungsgast die Wohnstube erreicht.

„Fitz!“, rief ich aus. „Was machst du denn hier?“

Der Kobold war noch zu sehr außer Atem, um zu antworten. Keuchend stützte er sich auf seine Knie und ich stellte fest, dass er einen reichlich mitgenommenen Eindruck machte. Normalerweise trugen Kobolde grüne Hüte, auf die sie sehr stolz waren, aber Fitz schien seinen verloren zu haben. Außerdem wirkte sein Bart sogar noch struppiger als sonst.

„Hast du dich wieder erkältet?“, fragte ich beunruhigt. „Soll ich Nana aus der Praxis holen, damit sie dich untersucht?“

Fitz schüttelte heftig den Kopf. Er schnappte noch einmal nach Luft, dann brüllte er aus voller Kehle: „SCHLÄGEREI!“

Noah ließ seinen Kuli fallen. „Was?“

„Da prügeln sich welche!“, sprudelte Fitz hervor. „Hauen sich die Hucke voll, pürieren sich die Rüben doll! Kloppen sich zu Matschemus, putzen Zähne mit dem Fuß …“

„Das haben wir schon kapiert, aber wo?“, fragte ich ungeduldig.

„Im Gasthaus von der pingeligen Menschenfrau!“, krakeelte der Kobold und mein Magen zog sich vor Schreck zusammen. Das Graham’s Inn war nicht nur Restaurant, Hotel und Postamt in einem, sondern auch der sauberste Ort auf der ganzen Insel. Kein Gast würde es wagen, dort Chaos zu veranstalten – bis auf den alten Fergus. Aber der warf höchstens mit zusammengeknüllten Servietten und er war auch viel zu dürr, um irgendjemandem gefährlich zu werden. Trotzdem glaubte ich Fitz sofort, denn Kobolde schwindelten fast nie. Sie waren sogar etwas zu ehrlich, oder anders ausgedrückt: Die kleinen Kerle benahmen sich meistens rotzfrech.

„Was gammelt ihr denn noch hier herum wie zwei faule Kartoffeln?“, quäkte Fitz nun auf allerbeste Kobold-Art. „Schwingt die Hufe, Menschenkerl und Pookamädel!“

Sofort liefen wir zur Tür und Schmuggel folgte uns nach draußen. Normalerweise konnte man den Wolfshund nur schwer von seinem Lieblingsplatz vor dem Kamin weglocken, doch in brenzligen Situationen blieb er immer an unserer Seite. Er wehrte sich nicht einmal, als Fitz auf seinen Rücken sprang. Gemeinsam rannten wir über den Hof zu dem Nebengebäude, in dem sich die Tierarztpraxis befand. Momentan wurde Nana dort von ihrer ehemaligen Studienkollegin Winnifred Appleton unterstützt, weil sie vor Kurzem eine Herz-OP gehabt hatte. Auch Noah und ich versuchten, ihr so viel Arbeit wie möglich abzunehmen – aber eine Schlägerei im Gasthaus klang nach einem Notfall, bei dem wir ihre Hilfe gebrauchen konnten. Niemand schaffte es besser als meine Nana, die kauzigen Inselbewohner zu beruhigen. Genau das stellte sie auch gerade unter Beweis, als wir in die Praxis kamen.

„Nein, es bedeutet nicht, dass dein Schafbock dich nicht leiden kann“, sagte sie freundlich zu Bauer Orin, der mit hängenden Mundwinkeln vor ihr stand. „Er büxt nur ständig aus, weil ihm langweilig ist. Du solltest einfach einen besseren Riegel am Weidentor anbringen und dafür sorgen, dass Johnny ausreichend Beschäftigung hat.“

„Aber ich lese ihm ja schon täglich aus der Zeitung vor …“, begann Orin, da trat Winnie aus dem kleinen Labor hinter dem Behandlungszimmer und entdeckte uns an der Tür.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie mit ihrer zarten Stimme und dem typischen schüchternen Lächeln.

Spontan beschloss ich, es genau wie Fitz zu machen. „Schlägerei!“, japste ich. „Im Graham’s Inn!“

„Wie bitte? Wir sind doch hier nicht im Wilden Westen“, sagte Nana kopfschüttelnd, aber sie griff sofort nach ihrer Arzttasche. Auch Orin und Winnie schienen der Sache auf den Grund gehen zu wollen. Alle zusammen machten wir uns auf den Weg zum Inselzentrum – doch am Hoftor hielt ich einen Moment lang inne. Unschlüssig schaute ich mich um, auf der Suche nach tiefschwarzem Fell.

Noah, der meine Gedanken erraten hatte, zog mich am Jackenärmel. „Wir können deinen Dad ruhig alleine lassen, er ist immerhin erwachsen“, sagte er ein bisschen spöttisch.

Ich biss mir auf die Unterlippe, dann setzte ich mich wieder in Bewegung. Noah hatte recht: Wahrscheinlich würde es André gar nicht auffallen, dass wir fort waren. Und wenn doch, dann wäre es ihm bestimmt egal. Mein Vater und ich hatten uns dreizehn Jahre lang nicht gesehen, wir waren also wie Fremde füreinander. Da half es auch nicht gerade, dass er derzeit in der Gestalt eines Hundes feststeckte. Bei unserem ersten und einzigen Gespräch hatte er nämlich versucht, mich von meinen Wandlerfähigkeiten zu „befreien“, weil er sie als eine Art Krankheit empfand. Er hatte es immer gehasst, ein Pooka zu sein, und war jahrelang auf der Suche nach einem Heilmittel gewesen. Im Eifer des Gefechts hatte er allerdings nicht mich mit seinem neu entwickelten Mittel geimpft, sondern sich selbst – gerade, als er unabsichtlich die Gestalt gewechselt hatte. Niemand wusste, wie lange seine Magie nun betäubt sein würde und wann er wieder zu einem Menschen werden konnte. Inzwischen hätte ich zwar die Möglichkeit gehabt, mich zu verwandeln und in der Tiersprache mit André zu reden, aber das traute ich mich nicht. Vielleicht fand mein Vater es ja immer noch unerträglich, dass ich genau wie er ein Pooka war.

Ein heftiger Windstoß riss mich aus meinen Gedanken und ich lief ein bisschen schneller, um die anderen einzuholen. Hinter der nächsten Wegbiegung konnte man bereits das Inselzentrum erkennen, das aus einer Kirche, Kathleens Bäckerei, dem alten Schulgebäude und dem Graham’s Inn bestand. Beim Anblick des Gasthauses stieg ein flaues Gefühl in mir hoch. Ich hatte noch nie eine echte Schlägerei gesehen! Unwillkürlich stellte ich mir lauter riesige, grobschlächtige Kerle vor, die sich gegenseitig mit Stühlen bewarfen. Dabei war der kräftigste Mann auf Patch Island vermutlich Kathleens Ehemann Cormack und der konnte keiner Fliege was zuleide tun. Trotzdem hielt ich nervös den Atem an, als Nana die Tür öffnete – und dann starrten wir alle verblüfft in die Gaststube. Dort rauften tatsächlich einige Kerle miteinander, und ja, sie benahmen sich genauso wild wie Banditen aus einem Cowboyfilm. Aber keiner von ihnen war größer als eine Limonadenflasche.

2. KAPITEL

Kratzbärte und Feuerköpfe

Noah begann zu lachen. „Ein Koboldkampf? Ist das dein Ernst, Fitz?“ Er lehnte sich an den Türrahmen und schüttelte den Kopf. „Willst du uns das nächste Mal auch zu Hilfe holen, wenn sich ein paar Katzen um einen alten Fisch balgen?“

„Selber alter Fisch“, krächzte Fitz empört und gestikulierte in Richtung der winzigen Männlein, die einander grölend über Tische und Stühle jagten. „Das hier ist eine gefährliche Schlacht zwischen zwei gegnerischen Clans! Kratzbärte und Feuerköpfe sind die allerschlimmsten Feinde, und wenn wir aufeinandertreffen, fließt Blut!“

„Oder Ketchup“, brummte Bauer Orin und deutete zum Tresen. Dort hatten sich ein paar Kobolde die roten Flaschen geschnappt und spritzten einander von oben bis unten voll. Jetzt entdeckte ich Brenda Graham, die hinter dem Tresen in Deckung gegangen war. Nur hin und wieder lugte sie hervor und zeterte irgendetwas, das ich bei dem ganzen Trubel nicht verstand.

„O Gott, die Arme!“ Winnie rannte los und wäre beinahe von einer fliegenden Suppenkelle getroffen worden. Bauer Orin konnte sie gerade noch zur Seite ziehen. Gemeinsam liefen sie weiter zum Tresen, um der aufgelösten Brenda beizustehen. Nana hatte inzwischen einen vorbeischlitternden Topf mit dem Fuß gestoppt und hob ihn hoch.

„Noah, hol mir mal die Suppenkelle“, kommandierte sie, während sie auf den nächsten Stuhl und von dort auf einen Tisch kletterte. Ohne zu zögern, stürzte Noah sich ins Getümmel, während ich Schmuggel vor der Tür festband.

„Zu welcher Gruppe gehörst du?“, fragte ich Fitz, der den Kampf mit geballten Fäustchen beobachtete.

„Zu den Kratzbärten natürlich!“ Fitz sprang von Schmuggels Rücken auf meinen Arm und reckte das Kinn in die Höhe. „Wir kommen schon seit Ewigkeiten aus der Feenwelt hierher und normalerweise gehen uns die garstigen Feuerköpfe aus dem Weg. Patch Island ist eindeutig unser Revier!“

„Kratzbart-Blödsinn!“ Zwei zottelhaarige Kobolde, die ganz in der Nähe ein Katapult aus Löffeln und einem Salzfässchen bauten, hatten Fitz gehört. „Die Insel passt perfekt zu uns und zu euch passt eher ein Misthaufen – ein Misthaufen mit Würmern und Schimmel obendrauf!“

„Redet ihr gerade von eurem Lieblingsessen?“, höhnte Fitz.

„Warte nur, du Witzfigur!“ Einer der Feuerkopf-Kobolde nahm Anlauf und sprang auf das Ende des Katapults. Das Salzfässchen wurde in unsere Richtung geschleudert, flog aber zum Glück an Fitz vorbei. Klirrend traf es auf einen Spiegel, der neben der Eingangstür hing, und schlug ein faustgroßes Loch hinein. Mit einem Aufschrei kam Brenda hinter dem Tresen hervor und stürmte in unsere Richtung, um den Schaden aus der Nähe zu begutachten. Nana hämmerte inzwischen mit der Suppenkelle gegen den Kochtopf in ihrer Hand. „Aufhören!“, brüllte sie und schaffte es tatsächlich, den Lärm zu übertönen. „Wer nicht sofort stillsteht, bekommt lebenslanges Bonbon-Verbot!“

Von einer Sekunde auf die andere schienen sämtliche Kratzbärte zu erstarren. Die Feuerköpfe, die sich auf Patch Island ja noch nicht auskannten, blickten sich irritiert um. „Was für Bonbons denn?“, fragte einer und knuffte seinen Nebenmann noch einmal in die Seite.

„Eine Spezialität meiner Freundin Kathleen O’Sullivan“, erklärte Nana. „Aber wenn ihr euch nicht zusammenreißt, wird sie sämtlichen Kobolden ab jetzt Gemüse anstelle von Bonbons in die Tütchen stecken!“

„Waaaas? Gemeines Gemüse statt zartes Zuckerzeug?“, ächzte einer der Kobolde und ein anderer rief: „Hand aufs Herz, ist das ein Scherz?!“

„Nein, mein voller Ernst. Es gibt dann nur noch Karottenstücke“, verkündete Nana mit Grabesstimme. „Und Rosenkohl.“

Die Kobolde stöhnten auf. Rosenkohl schienen sie alle zu fürchten, egal ob Kratzbart oder Feuerkopf. Einer von ihnen schraubte sogar eine Ketchupflasche auf und versuchte, die rote Soße aus seinem Bart zurück durch die Öffnung zu quetschen.

„Na also.“ Meine Großmutter kletterte vom Tisch und öffnete ihre Arzttasche. „Alle mit Beulen und blutigen Schrammen kommen jetzt bitte hier rüber, die anderen helfen beim Aufräumen. Wehe, wenn jemand auch nur an weiteren Schabernack denkt!“

Die kleinen Raufbolde nickten artig, wirkten aber ziemlich verkrampft. Nicht an Schabernack zu denken, war für Kobolde definitiv eine Herausforderung.

„Ist wirklich alles in Ordnung?“, erkundigte sich Bauer Orin bei Winnie, die gerade zur Erste-Hilfe-Station kam.

„Aber ja“, sagte sie schüchtern. „Sie haben mir das Leb… also, jedenfalls die Lesebrille gerettet.“ Sie deutete auf die Brille, die an einem Kettchen um ihren Hals hing, und wurde dabei ein wenig rot. Bauer Orin räusperte sich, doch ehe er antworten konnte, schob Brenda Graham sich zwischen den beiden durch. Ihre Augen blitzten und sie schnaufte vor Wut wie eine Dampflok.

„Mit Aufräumen ist es nicht getan!“, rief sie. „Wer ersetzt mir das kaputte Geschirr? Und dieser Spiegel gehörte meiner Großmutter! So ein schönes altes Stück bekomme ich nie wieder!“

„Ich hab in der Feenwelt auch einen Spiegel. Den kannst du haben, Menschenfrau. Ungefähr sooo riesig!“, sagte ein Kobold und zeigte mit seinen Armen die Größe einer Untertasse.

Brenda sah nicht so aus, als wüsste sie dieses Angebot zu schätzen. Während Nana und Winnie mehrere kleine Kampfwunden versorgten und wir anderen mit dem Aufräumen begannen, schimpfte sie ununterbrochen vor sich hin. „Ich hab’s satt, dass sich die Fabelwesen nicht benehmen können“, sagte sie und fischte mit anklagender Miene zwei Stiefelchen aus einem halbvollen Bierkrug. „Es geht ja nicht nur um die Kobolde. Die Feen wollen ständig rauschende Feste feiern und dann alle hier übernachten. Wenn ich sage, dass es nur zwei Zimmer gibt und eines davon belegt ist, werden sie sauer. Letztens haben sie meine Tomaten pechschwarz gezaubert – versucht mal, mit so was ein appetitliches Sandwich zu machen! Und von dem grauen, affenartigen Wesen, das sich hier herumtreibt, will ich gar nicht erst reden.“ Angewidert verzog sie das Gesicht beim Gedanken an den Ghul, den wir aus dem Labor meines Vaters befreit hatten. Eigentlich war der durch Andrés Experimente immer noch niedlicher und harmloser als andere Ghule. Er versuchte nicht, irgendwem die Finger abzuknabbern, sondern stöberte lieber im Müll nach fauligen Essensresten. Alles in allem hätte es also deutlich schlimmer sein können, doch ich ahnte, dass dieser Hinweis Brenda kaum beschwichtigen würde.

Winnie legte ihre Hand sanft auf Brendas Arm. „Mein Zimmer wird ja bald frei“, sagte sie. „Ich fahre am Montag heim nach Merrymill, dann hast du hoffentlich etwas weniger Ärger.“

„Oh, Sie reisen wieder ab? Wie schade. Meine Schafe mochten Sie viel lieber als Ihre garstige ehemalige Kollegin“, sagte Bauer Orin. Anscheinend war ihm entfallen, dass er eine Weile für Nanas erste Vertretungstierärztin, Mrs Silverton, geschwärmt hatte. Überhaupt wirkte er ungewöhnlich gesprächig, während ich selbst kein Wort mehr herausbrachte. Dass Winnie bereits nächste Woche abreisen wollte, hatte ich ja ganz vergessen! Ich konnte nur hoffen, dass Mam und Flynn bald nach Patch Island zurückkommen würden – nicht nur, weil ich die beiden vermisste, sondern weil Nana noch immer Unterstützung gebrauchen konnte.

Es dämmerte bereits, als sämtliche Raufbolde verarztet waren und wir das Chaos in der Gaststube einigermaßen beseitigt hatten. Danach stand unser üblicher Rundgang durch die magische Pflegestation auf dem Programm. Viele Verbandswechsel, Pillenvergaben und Streicheleinheiten später konnten wir uns endlich auf den Heimweg machen. Zu Hause angekommen, ging Nana noch einmal in die Praxis, um alles für den nächsten Tag vorzubereiten. Noah ließ sich wieder vor seine Schulsachen plumpsen, aber ich setzte mich nicht zu ihm. Stattdessen griff ich nach dem Hörer unseres altmodischen Telefons und wählte Flynns Nummer, die ich vor zwei Tagen auf einem Klebezettel notiert hatte. Mein Halbbruder und Mam hatten lange Zeit mit ein paar anderen Pookas im Verborgenen gelebt, fast vollständig abgeschnitten von der restlichen Welt. Doch seit wir herausgefunden hatten, dass wir unsere Wandlerfähigkeiten mit einem besonderen Tee unter Kontrolle halten konnten, wagten sie sich langsam aus ihrem Versteck hervor. Flynn besaß nun auch zum allerersten Mal in seinem Leben ein eigenes Handy.

„Hey, Zwerg“, begrüßte er mich und ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. Er redete zum Spaß gerne wie ein fieser großer Halbbruder, obwohl er nicht mal ein Jahr älter war als ich.

„Hast du meinen Namen vergessen?“, gab ich zurück. „Kein Wunder, ich warte schließlich schon ewig auf Mam und dich!“

Flynn stieß einen Seufzer aus. „Ja, tut mir leid“, sagte er zerknirscht, „eigentlich wollten wir längst wieder auf Patch Island sein. Aber wir wussten nicht, wie schrecklich kompliziert es ist, ein normales Leben anzufangen! Die meisten von uns haben keine Ausweise, keine ordentlichen Klamotten und Grandpa will, dass wir uns alle mal beim Arzt durchchecken lassen, weil wir das bisher nie getan haben … Es wird also noch eine Weile dauern, bis wir fertig sind.“

Ich schluckte und versuchte, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. „Verstehe. Dann grüß bitte Mam von mir und sag ihr, dass ich mich sehr auf sie freue.“

„Und auf mich nicht?“, fragte Flynn mit gespielter Entrüstung.

„Doch, du Blödmann.“

„Bis bald, Wichtelbaby.“

„Bis bald!“ Ich legte den Hörer auf die Gabel und drehte mich um. Als ich meine Großmutter an der Stubentür sah, zuckte ich wie ertappt zusammen.

„Was ist denn, Süße? Du machst ein Gesicht, als hätte dir ein Ghul in den Tee gespuckt!“, sagte Nana. Sie lächelte, wirkte aber auch ziemlich erschöpft.

„Es ist alles okay. Nur …“ Ich zögerte, dann gab ich mir einen Ruck. „Mam und Flynn werden uns noch nicht so bald auf den Pflegestationen helfen können. Es wäre doch gut, wenn Winnie deine Assistentin bleibt, bis sie kommen, oder? Wollen wir sie bitten, ihre Abreise zu verschieben?“

Zu meiner Überraschung wurde Nana augenblicklich ernst. „Ruby, nein. Versprich mir, sie auf keinen Fall dazu zu drängen.“

„Aber warum denn nicht?“, protestierte ich. „Sie würde bestimmt Ja sagen!“

„Ganz genau. Und zwar, weil sie ihr halbes Leben lang von Mildred Silverton ausgenutzt wurde“, sagte Nana fest. „Natürlich wäre es schön, wenn sie ihren Aufenthalt verlängern würde, aber diese Entscheidung muss ganz allein von ihr kommen. Zur Not schaffen wir es auch ohne ihre Hilfe, mein Schatz. Und jetzt möchte ich gerne ein Bad nehmen.“

Sie wartete, bis ich widerwillig genickt hatte, dann ging sie aus der Stube. Unbehaglich lauschte ich ihren langsamen Schritten, da klatschte es plötzlich hinter mir.

Noah hatte sein Mathebuch auf den Esstisch fallen lassen und hielt beide Hände wie die Schalen einer Waage in die Luft. „Die Wahl liegt bei dir, Ruby“, sagte er feierlich. „Machen wir jetzt unsere Schulaufgaben – oder schmieden wir einen Plan?“

3. KAPITEL

Romantische Runkelrüben

Du hast Nana doch gehört“, sagte ich missmutig und setzte mich zu Noah an den Esstisch. „Wir dürfen Winnie auf keinen Fall überreden.“

Noah grinste mit Unschuldsmiene. „Das tun wir auch nicht. Aber wir bringen sie dazu, dass sie von sich aus hierbleiben will!“

Verständnislos schaute ich ihn an. „Möchtest du sie hypnotisieren?“

„Viel besser! Wir verkuppeln sie mit Bauer Orin. Oder hast du etwa nicht gemerkt, wie die beiden miteinander geflirtet haben?“

Vor Verblüffung blieb mir einen Moment lang der Mund offen stehen. „Das soll ein Flirt gewesen sein?! Ich wette, in keiner Liebesgeschichte der Welt geht es um Schafe und Suppenkellen!“

„Okay, sie waren sehr zurückhaltend“, räumte Noah ein. „Aber es hat gefunkt zwischen den beiden, da bin ich mir ganz sicher. Man müsste ihnen nur einen kleinen Schubs geben. Zum Beispiel, indem man einen perfekten gemeinsamen Abend für sie organisiert!“

„Und wie würde so ein Abend deiner Meinung nach aussehen?“, wollte ich wissen.

Nachdenklich stützte Noah seinen Kopf in die Hand. „Puh, keine Ahnung. Ich zum Beispiel fände einen Star-Wars-Marathon mit Pizza toll.“

„Raumschiffe und Käsefäden? Da verliebt man sich natürlich in Lichtgeschwindigkeit!“

Noah schnippte einen Radiergummi in meine Richtung. „Was stellst du dir denn unter einem perfekten Abend vor, wenn ich fragen darf?“

„Na ja, ich fände es schön, auf einer Decke unterm Sternenhimmel zu sitzen“, antwortete ich. „Dazu vielleicht eine Thermoskanne mit Kakao und Marshmallows …“ Ich brach ab und spürte, wie meine Wangen unter Noahs Blick heiß wurden.

„Sieh mal einer an. Picknickdecken sind also cooler als Raumschiffe, ja?“, zog er mich auf.

„Ist doch auch egal“, sagte ich schnell. „Jedenfalls wäre keins von beidem das Richtige für Orin und Winnie. Erwachsene mögen lieber ein schickes Essen bei Kerzenschein und Musik, glaube ich.“

„Gute Idee!“ Noah richtete sich auf, als wollte er am liebsten gleich in die Küche rennen und ein Drei-Gänge-Menü zaubern. „So hat mein Dad auch immer meine Mom besänftigt, wenn er mal wieder zu lange auf Reisen war. Sollen wir das gleich morgen hier veranstalten?“

Ich schüttelte den Kopf. „Lieber im Graham’s Inn, damit Nana nichts davon mitbekommt. Du erzählst Winnie einfach, dort wäre ein kleines Abschiedsfest für sie geplant.“

„Und was machst du?“

„Ich sorge dafür, dass Bauer Orin nicht in seiner ollen Latzhose erscheint“, erwiderte ich. „Du erinnerst dich vielleicht an einen ganz bestimmten schwarzen Herrenpullover …?“

Noah begann zu lachen. Dabei funkelten seine Augen wie das Meer und ich spürte, dass mir ein bisschen leichter ums Herz wurde. Nicht nur, weil Noahs gute Laune so ansteckend war – ich dachte auch gerne daran zurück, was ich mit dem schwarzen Pullover alles erlebt hatte. In diesem Riesenteil war ich zu meinem ersten richtigen Treffen mit Noah gegangen und ein andermal hatte ich mich damit getarnt, um nachts zum verzauberten Kutter meines Vaters zu fahren. Obwohl beide Erlebnisse nicht nur angenehm gewesen waren, hatten sie doch einen guten Ausgang genommen. Hoffentlich würde sich der Pullover auch in Sachen Liebe als Glücksbringer erweisen!

Am folgenden Abend musste ich allerdings feststellen, dass es schon schwer genug war, Orin zum Mitkommen zu bewegen. „Kapier ich nich‘“, brummelte er, als ich mit dem frisch gewaschenen Pullover und einem extrabreiten Lächeln vor ihm stand. „Warum soll ich mich fürs Graham’s Inn schick machen? Und was ist das für ’ne komische Party, von der niemand weiß?“

„Wir haben vergessen, die Einladungen rechtzeitig zu verteilen“, behauptete ich. „Und jetzt hat fast niemand Zeit! Aber Winnie hat eine kleine Abschiedsfeier verdient, meinst du nicht auch?“

Das schien Orin zu überzeugen. „Na schön, aber ich wechsle jetzt nicht extra meine ganzen Klamotten“, sagte er und zog den Pullover einfach über seine Latzhose. Seufzend entschied ich, dass das reichen musste, und begleitete ihn zum Inselzentrum. Als wir das Gasthaus betraten, war ich sogar froh, dass Orin sich nicht schicker gemacht hatte. Winnie, die alleine an einem Tisch saß, trug nämlich eine graue Strickweste und sah reichlich verwirrt aus. Nur Brenda Graham schien die Sache Spaß zu machen. Noah hatte sie in unseren Plan eingeweiht und als begeisterte Leserin kitschiger Liebesromane war sie Feuer und Flamme. Leider schoss sie aber ein klein wenig über das Ziel hinaus.

„Herzlich willkommen, die Dame und der Herr“, säuselte sie, als würde sie Orin nicht schon ihr Leben lang kennen, und zündete auf dem Tisch drei dunkelrote Kerzen an. „Heute Abend gibt es bei mir Erlesenes vom Rind mit ausgebackenen Kartoffelstäbchen oder allerlei zarte Schätze vom Feld.“

„Häh?“, machte Bauer Orin und ließ sich Winnie gegenüber auf einen Stuhl fallen.

„Hackbraten mit Pommes oder Gemüseeintopf“, übersetzte Noah grinsend. Im Gegensatz zu ihm fand ich das Ganze überhaupt nicht komisch. Verflixt, Orin und Winnie sahen so aus, als wären sie auf einer Beerdigung anstatt bei einem romantischen Date! Am liebsten hätte ich mich zu ihnen an den fein gedeckten Tisch gesetzt, um die Stimmung ein bisschen aufzulockern. Noah drängte mich allerdings zur Tür, während er Orin und Winnie über die Schulter hinweg zurief: „Wir, äh, müssen jetzt leider Rubys Grandma auf der magischen Pflegestation helfen. Aber ihr zwei genießt hoffentlich den Abend!“

„Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie das tun werden“, jammerte ich, als er mich auf die Straße bugsiert hatte. „Ich hab da ein ganz mieses Gefühl!“

„Vielleicht brauchen sie nur ein bisschen Zeit, um locker zu werden“, meinte Noah schulterzuckend. „Das erfahren wir wohl erst morgen. Deine Nana wird sich schon fragen, wo wir stecken. Und wir sind nun mal keine Mäuschen, die unterm Tisch lauschen könnten …“

Ich hob die Augenbrauen. „Interessante Idee“, erwiderte ich bedeutungsvoll.

Als Noah begriff, worauf ich hinauswollte, gab er ein Stöhnen von sich. „Ruby, nein! Das wollte ich damit nicht vorschlagen!“

„Komm schon, du bist doch sicher genauso neugierig wie ich!“

„Na schön, ich werd die Tür einen Spalt offen halten“, sagte Noah widerwillig. „Aber mach schnell, ja? Und halt dich bloß von Brenda fern, die kriegt einen Schreikrampf, wenn sie dich sieht.“

Ohne zu zögern, richtete ich den Blick auf meine Füße. Seit ich wieder regelmäßig Nanas Spezialtee trank, konnte ich mich auch ohne Meerwasser verwandeln, aber ich brauchte meine ganze Konzentration. Ein paarmal atmete ich ruhig ein und aus, dann hatte ich plötzlich das Gefühl, in die Tiefe zu stürzen. Als mein Gesicht nur noch wenige Zentimeter vom Boden entfernt war, hatten sich meine Hände und Füße bereits in winzige Pfötchen verwandelt. Teilweise waren sie nackt, teilweise mit schwarzem Fell bedeckt. Und meine Güte, was hatte ich für niedliche Zehen!

Eine Weile blieb ich staunend auf dem Boden hocken, während das typische Kribbeln und Brennen in meinem Inneren abflaute. Obwohl ich mich nun schon so oft verwandelt hatte, fühlte es sich jedes Mal wie ein Wunder an. Außerdem war ich noch nie zuvor eine Maus gewesen. Witternd hob ich mein Schnäuzchen und fühlte, wie ein Luftzug durch meine langen Schnurrhaare strich. Gleichzeitig lieferte mir mein Geruchssinn massenhaft Informationen. Ich wusste, dass vor einer Weile ein frecher Mäuserich hier vorbeigelaufen war und eine Duftmarke auf den Boden gesetzt hatte. Ich erschnupperte das Putzmittel, mit dem Brenda immer die Türklinke des Gasthauses polierte. Mir fiel sogar auf, dass der Boden unter mir noch ein bisschen nach meinen Turnschuhen roch.