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Ruth, die Mörderin, ist eine Security-Angestellte. Auf offener Bühne erschießt sie den frischgekürten Nobelpreisträger bei einem Festakt im Leipziger Rathaus. Das Mordmotiv hat jedenfalls mit einem philosophischen Traktat zu tun, wofür der Nobelpreis verliehen wurde. Aber wer ist der Verfasser? Ist das Traktat ein Plagiat? Die Leipziger Mordkommission ermittelt und wird dabei auch mit der uralten Fra-ge konfrontiert: Was die Welt im Innersten zusammen-hält? In der 'CERN' - der 'Europäischen Orga-nisation für Kernforschung' in Meyrin bei Genf - versuchen Wissenschaftler vieler Länder eine endgültige Antwort zu fin-den. Man will deshalb einen neuen noch größeren Teilchenbeschleuniger für viel Milliarden Euro bauen. Aber es gibt auch Wissenschaftler, die der Meinung sind, dass man längst genug über den Aufbau der Materie wisse, man solle das Geld lieber in die Entwicklung der Nuklear-technologie stecken, um mit klimafreund-lichen Kernkraftwerken die Probleme der Klimaerwärmung lösen zu können. Verschiedene Geheimdienste versuchen, die jeweiligen Interessen ihrer Länder zu schützen. Auch der Vatikan muss reagie-ren. Eine Glaubenskrise steht ins Haus! Ein altes, fast vergessenes Traktat von Professor Olaf Paulus, das den sogenann-ten 'URKNALL' ad absurdum führt, wird in diesem Streit zufällig nach oben gespült. Schließlich findet das Nobelpreiskomitee den Verfasser des 'Traktates' für würdig, den diesjährigen Nobelpreis für Philoso-phie zu erhalten, was dessen Todesurteil bedeutet.
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Seitenzahl: 364
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ruth, die Mörderin, ist eine Security-Angestellte. Bei einem Festakt im Leipziger Rathaus erschießt sie auf offener Bühne den frischgekürten Nobelpreisträger.
Das Mordmotiv hat jedenfalls mit einem philosophischen Traktat zu tun, wofür der Nobelpreis verliehen wurde. Aber wer ist der Verfasser? Ist das Traktat ein Plagiat?
Die Leipziger Mordkommission ermittelt und wird dabei auch mit der uralten Frage konfrontiert:
Was die Welt im Innersten zusammenhält?
In der 'CERN' - der 'Europäischen Organisation für Kernforschung' in Meyrin bei Genf - versuchen Wissenschaftler vieler Länder eine endgültige Antwort zu finden. Man will deshalb einen neuen noch größeren Teilchenbeschleuniger für viel Milliarden Euro bauen. Aber es gibt auch Wissenschaftler, die der Meinung sind, dass man längst genug über den Aufbau der Materie wisse, man solle das Geld lieber in die Entwicklung der Nukleartechnologie stecken, um mit klimafreundlichen Kernkraftwerken die Probleme der Klimaerwärmung lösen zu können.
Verschiedene Geheimdienste versuchen, die jeweiligen Interessen ihrer Länder zu schützen. Auch der Vatikan muss reagieren. Eine Glaubenskrise steht ins Haus!
Ein altes, fast vergessenes Traktat von Professor Olaf Paulus, das den sogenannten 'URKNALL' ad absurdum führt, wird in diesem Streit zufällig nach oben gespült.
Schließlich findet das Nobelpreiskomitee den Verfasser des 'Traktates' für würdig, den diesjährigen Nobelpreis für Philosophie zu erhalten, was dessen Todesurteil bedeutet.
Der Autor
- lebt in Leipzig. Verheiratet, zwei Kinder.
Studierte Geophysik, Literatur und Philosophie.
Seit 1984 freiberuflich als Schriftsteller, Kabarettist und Fotograf.
Vorwort
Kapitel 1 - Tag des Doppelmordes: Drei Schüsse, zwei Tote
Kapitel 2 - drei Monate vor dem Doppelmord im Leipziger Rathaus: Besuch aus Rom
Kapitel 3 - zehn Wochen vor dem Doppelmord: Das Knallhorn
Kapitel 4 - acht Wochen vor dem Doppelmord: Büro-Philosophen
Kapitel 5 - acht Tage vor dem Doppelmord: Pflaumenkuchen
Kapitel 6 - sechs Tage vor dem Doppelmord: Erinnerung an alte Zeiten
Kapitel 7 - sechs Tage vor dem Doppelmord: Männer-WG
Kapitel 8 - sechs Tage vor dem Doppelmord: Panikraum
Kapitel 9 - sechs Tage vor dem Doppelmord: Einladung nach Leipzig
Kapitel 10 - sechs Tage vor dem Doppelmord: Erpressung
Kapitel 11 - fünf Tage vor dem Doppelmord: Sturz von 'droben'
Kapitel 12 - drei Tage vor dem Doppelmord: Der Falsche
Kapitel 13 - zwei Tage vor dem Doppelmord: Er lebt noch!
Kapitel 14 - zwei Tage vor dem Doppelmord: Die 'Vogelscheuche'
Kapitel 15 - ein Tag vor dem Doppelmord: Der Cellist
Kapitel 16 - ein Tag vor dem Doppelmord: Rückkehr nach Leipzig
Kapitel 17 - der Tag des Doppelmordes: Suizid
Kapitel 18 - Tag des Doppelmordes: Alarm im 'Alten Rathaus'
Kapitel 19 - ein Tag nach dem Doppelmord: Wurm-, Zeit- und andere Löcher
Kapitel 20 - ein Tag nach dem Doppelmord: Alle meine 'ICHs'
Kapitel 21 - ein Tag nach dem Doppelmord: Cui bono?
Kapitel 22 - ein Tag nach dem Doppelmord: Leichenfund im Steinbruch
Kapitel 23 - zwei Tage nach dem Doppelmord: 'City-Security'
Kapitel 24 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Der Tote vom Steinbruch
Kapitel 25 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Zwischenbilanz im Fall: 'Weltformel'
Kapitel 26 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Baskenmütze und Brille
Kapitel 27 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Katzenallergie
Kapitel 28 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Fahrt nach Tübingen
Kapitel 29 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Leckerli für den Papst
Kapitel 30 - zwei Tage nach dem Doppelmord: Mir helfe gerne!
Kapitel 31 - drei Tage nach dem Doppelmord: Was oder wer?
Kapitel 32 - drei Tage nach dem Doppelmord: Zwei Nobelpreisträger
Kapitel 33 - drei Tage nach dem Doppelmord: Der kleine Tresor
Kapitel 34 - vier Tage nach dem Doppelmord: Ein Projektil im Konzertflügel
Kapitel 35 - drei Tage nach dem Doppelmord: Rettung des Glaubens
Kapitel 36 - vier Tage nach dem Doppelmord: Schuss- und Schlussbilanz
Epilog
Die naive Vorstellung der Menschen in grauer Vorzeit, die Erde sei eine Scheibe und werde auf den Rücken von drei Elefanten getragen, die ihrerseits auf dem Rücken einer Schildkröte stehen, scheint heutzutage lächerlich Sie ist aber nicht lächerlicher, als jene moderne Theorie, dass das All infolge eines Urknalls entstanden sei.
Das All ist in Raum und Zeit schlicht und einfach unendlich, existiert schon immer, wird immer existieren und ist in ständiger Veränderung befindlich.
Partiell kann es im All durchaus zu Ereignissen führen, die einem Urknall ähneln.
Den Beweis dafür haben die Theoretischen Physiker, mit Unterstützung von Mathematikern und Philosophen in den letzten Jahrzehnten längst erbracht - sie können nämlich die Weltformel, die den Urknall und den Zustand des Alls vorher erklären könnte, nicht finden.
Nicht ums Verrecken!
Für die Frage nach dem Zustand des Alls vor einem Urknall gibt es nicht einmal den kleinsten Ansatz einer Erklärung. Die einzige Erklärung ist nach wie vor: Gott!
Eine wirklich atheistische, faktenorientierte Wissenschaft muss den Urknall ins Reich der Märchen und Sagen verabschieden.
1998 / Stephan Dettmeyer / "Aus meinem Tagebuch"
Drei Schüsse, zwei Tote
Leipzig / 'Altes Rathaus' - Sonntag, 12. Dezember - nachmittags
'FESTAKT' steht auf der Schrifttafel neben dem Eingang zum 'Alten Rathaus'.
Danach folgt die Information:
'Das Museum bleibt heute geschlossen!'
Die beiden Angestellten der Firma 'City-Security', die sich am Treppenaufgang, der zum Festsaal in die erste Etage des Alten Leipziger Rathauses führt, in ihren schmucken dunkelblauen Uniformen postiert haben, schließen die schmiedeeisernen Torflügel. Die Teilnehmer am Festakt zu Ehren von Professor Olaf Paulus, der vor drei Tagen den Nobelpreis für Philosophie in Stockholm erhalten hat, sind erschienen und sitzen bereits oben im Festsaal auf ihren Plätzen.
Die Kollegin der beiden Security-Männer, die oben an der Tür zum Festsaal steht und die Gültigkeit der Einladungen kontrolliert hat, schließt jetzt die Saaltür.
Ein Dutzend Scheinwerfer, einige farbig, richten sich auf die Bühne. Das Rednerpult ist noch leer. Im hinteren Bereich der Bühne sitzen vier festlich in schwarz gekleidete Musiker mit ihren Instrumenten auf barocken, mit dunkelgrünem Samt bezogenen Stühlen. Eine Dame, drei Herren. Einer der Herren gibt das Zeichen. Die Bögen beginnen, die Instrumente in Schwingung zu versetzen. Aus dem Festsaal heraus hört man die Musik bis nach unten. Es ist ein klassisches Stück, das von dem Streichquartett intoniert wird - 'Romanze op. 116 Nr. 3 für Violinen und Cello' von Rüdiger Baldauf.
Der Festakt zu Ehren der Nobelpreisverleihung an Professor Olaf Paulus beginnt.
Nicht wenige der Gäste des Festaktes, vor allem diejenigen, die Professor Olaf Paulus aus dem Universitätsbetrieb kennen, wundern sich noch immer darüber - und das mit einer heftigen Spur von Missgunst! - , dass so einer, der seit Jahren nichts mehr veröffentlicht hat und sich mit Vorlesungen zum Thema 'Kabbala und Mystik im Judentum' am philosophischen Institut über Wasser hält und nur noch dem Ruhestand entgegensegelt, eine derartige Würdigung erfährt. Sein 'Traktat über eine ultimative Weltformel', wie der Titel der Broschüre lautet, die den Anlass für die Nominierung zum Nobelpreis lieferte, hat er vor knapp dreißig Jahren - Anfang der Neunziger - geschrieben! Die darin niedergeschriebenen Ideen haben zu keinem Zeitpunkt Beachtung, geschweige wissenschaftliche Anerkennung gefunden. Das Traktat war eigentlich - ohne Wellen zu schlagen - in der Vergessenheit versunken.
Es war verjährt! Im morastigen Bodensatz der Wissenschaften nachhaltig kompostiert.
Und nun … wie Phoenix aus der Asche … steht die Broschüre nach der Bekanntgabe des diesjährigen Nobelpreisträgers für Philosophie Anfang Oktober auf den Bestsellerlisten im Bereich 'Sachbuch' seit drei Wochen ganz oben. Nicht zu fassen!
Professor Dr. Hubert Hürlimann, seines Zeichens Chef des Sektors 'Nukleartechnologien' in der 'CERN' - der 'Europäischen Organisation für Kernforschung' in Meyrin bei Genf -, der dieses alte Traktat von Olaf Paulus vor Monaten zufällig und mit Hilfe von 'google' ausgegraben und zum Gegenstand seiner Betrachtungen über das Verhältnis von Philosophie und Theoretischer Physik herangezogen hatte, sitzt nun neben dem frischgebackenen Nobelpreisträger in der ersten Reihe des Festsaals im 'Alten Leipziger Rathaus' und lauscht mit der Ergriffenheit eines Musikkenners dem Streichquartett.
Als Vertreterin der Generaldirektorin der 'CERN' ist außerdem die Assistentin, Frau Dr. Sabrina Pinozetti, anwesend, die einige Reihen weiter hinten platzgenommen hat.
Vor dem 'Alten Rathaus' unterbrechen einige Passanten, die an diesem milden Frühlingsnachmittag unter den Rathaus-Arkaden entlangspazieren, ihren Schaufensterbummel und lauschen der Musik, die sich gedämpft in die sonntägliche Ruhe mischt.
"Was für ein schreckliches Gefiedel!", raunt der eine Security-Mann seinem Kollegen zu. Der antwortet zustimmend:
"Katzen wären billiger!"
Das Reporter-Team des 'mdr'-Fernsehens, das diesen Festakt festhalten und dokumentieren soll, hat sich mit Kamera und Mikrofon seitlich vor der Bühne postiert. Zwei Pressefotografen erkennt man an ihren professionellen Fotoausrüstungen.
Bevor es aber endlich zu einem festlichen Dinner im Restaurant des 'Alten Rathauses', das sich im Erdgeschoss befindet, kommen wird, müssen sich die Medienleute wie auch die geladenen Gäste, noch etwas gedulden.
Nach der - gefühlt - endlosen Romanze für Violinen und Cello verbeugen sich die vier Musiker und überlassen die Bühne den nun folgenden Rednern für Lobpreisung und Beglückwünschungen. Die wichtigste Rede von allen ist natürlich die der Bundesministerin für Kultur und Wissenschaft. Gemeißelte Worte!
Der Nobelpreisträger und frischgebackene Ehrenbürger der Stadt Leipzig sitzt in der ersten Reihe und lässt an kleinen Bewegungen der Hände und Schultern seine Ergriffenheit erkennen. Als in einer der Ansprachen der Satz fällt, dass er als Wessi nach Leipzig kam und jetzt ein echter Leipziger sei, lacht er herzlich mit.
Bevor der Nobelpreisträger, dem es nun zum Ende des Festaktes zusteht, sich ans Rednerpult zu begeben und allen ausführlich für Glückwünsche und Lobpreisungen zu danken, kommen die Musiker aus ihrer Garderobe zurück und nehmen auf ihren Stühlen auf der Bühne Platz, um nach den Worten des Nobelpreisträgers den Festakt mit einem weiteren Musikstück - Wolfgang Amadeus Mozart, Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur - KV 218 - Ausgabe für drei Violinen - festlich zu beenden. Der Cellist fehlt, weil er für das Stück nicht benötigt wird.
Professor Paulus geht langsam und infolge seines Unfalles, der ihn beinahe gehindert hätte, den Nobelpreis persönlich in Stockholm in Empfang zu nehmen, leicht hinkend die wenigen Schritte auf die Bühne bis zum Rednerpult. Den linken Arm trägt er in einem schwarzen Dreiecktuch und am Kopf einen Verband, der aber von seiner unbedingt zu seinem Image gehörenden Baskenmütze weitestgehend verdeckt wird. Der weiße Oberlippenbart ist schmal gestutzt.
Der Nobelpreisträger legt einen Zettel vor sich auf das Rednerpult und nimmt seine Brille, die mit den getönten Gläsern und dem schwarzen Gestell beinahe an eine Blindenbrille erinnert, ab, um den Text, den er eigentlich auswendig kennt, notfalls ablesen zu können. Er spricht mit leisen, aber gut akzentuierten Worten in das Mikrofon.
"Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister …"
Als die beiden Security-Männer, die unten am Treppenaufgang stehen, den ersten Schuss hören, begreifen sie nicht sofort, dass es ein Schuss aus einer Waffe ist und dass er oben im Festsaal abgefeuert wurde. Sie schauen suchend hinaus auf den Marktplatz, … vielleicht ein verspäteter Silvesterböller? Oder ein Verkehrsunfall? Islamistischer Terror?
Doch nach dem zweiten Schuss sind sich beide sicher:
"Das kommt von oben!"
Während sie die breite Treppe zum Festsaal hinaufeilen, kommen ihnen bereits einige Gäste in Panik entgegen.
Da nun die Saaltür offensteht, an der eigentlich ihre Kollegin stehen soll, hört man schon im Treppenaufgang deutlich die Aufforderung, die über die Tonanlage ertönt. Es ist eine kräftige Frauenstimme.
"Alle bleiben auf ihren Plätzen! Keiner verlässt den Saal! Ich habe noch genügend Patronen im Magazin! Seien sie vernünftig! Ich will keine weiteren Toten - der hier reicht mir."
Die beiden Security-Männer schauen vorsichtig um den Türrahmen herum in den Saal. Sie trauen ihren Augen nicht - es ist ihre Kollegin von der 'City-Security', die 'Doktorn', wie sie genannt wird, die vorn auf der Bühne am Rednerpult steht und mit der Dienstwaffe drohend ins Publikum zielt.
Sie sind von ihrer Kollegin einiges gewohnt… - ein irrer Typ, aber nicht doof! - , lautete die allgemeine Einschätzung unter den Kollegen in der 'City-Security'. Aber was war das jetzt?
"Die Doktorn dreht durch!", stellt der eine Security- Mann fest, was der andere durch sein Nicken bestätigt.
Neben dem Rednerpult liegt der erschossene Nobelpreisträger. Die Baskenmütze ist ihm vom Kopf gerutscht. Er liegt auf dem Bauch. Ein Rinnsal von Blut sickert langsam aus seiner Brust, die Stufen, die zur Bühne hinaufführen, hinab.
Die Frau in der Security-Uniform, die einer der beiden Security-Männer als 'die Doktorn' bezeichnet hat, spricht über die Tonanlage mit nun erhobener, fast hysterischer Stimme:
"Mein Name ist Ruth Morgenstern. Ich bin Doktor der Philosophie. Professor Paulus ist ein Dieb! Er hat meine Arbeit geklaut und als seine ausgegeben! Sein 'Traktat über eine ultimative Weltformel' ist ein Plagiat! Da ist nur der Titel von ihm, der Inhalt ist vollständig wortwörtlich von mir! Mir gebührt der Nobelpreis! Mir! Mir! Mir! Die Idee ist mein Baby! Möge es ein lan-ges Leben haben. Ich verlasse nun diese Welt. Tschüss!"
Es fällt der dritte Schuss.
Die Security-Frau schießt sich mit ihrer Pistole den Lauf unter das Kinn haltend, in den Kopf. Ihr Schädel explodierte förmlich.
Die drei Musiker mit ihren Violinen sitzen geschockt einige Sekunden lang starr wie die berühmten Salzsäulen, und teilweise mit Blut bespritzt im hinteren Teil der Bühne auf ihren Stühlen, bevor sie aufspringen und sich im Seitengang in Sicherheit bringen.
Keiner bemerkt, dass da einer aus dem Streichquartett - der Cellist - jetzt fehlt und das Streichquartett nur noch ein Streichtrio ist.
Die Violinistin, die in der Mitte sitzt, wäre beinahe von einem Schuss getroffen worden.
Die Agentin des französischen Geheimdienstes, eine äußerlich recht unscheinbare jüngere Frau mit 'Mireille-Mathieu-Frisur', meldet per Handy der Einsatzzentrale in Paris, dass der Nobelpreisträger soeben ermordet wurde.
Das war allerdings nicht die einzige Meldung über den Mord, die nicht über die offiziellen Medien in verschiedenen Winkeln der Erde eingeht.
Auch der Vatikan bleibt so wenig im Ungewissen wie der chinesische Geheimdienst.
Besuch aus Rom
Meyrin bei Genf / 'Europäischen Organisation für Kernforschung' ('CERN') / Büro Generaldirektorin Dr. Fabiola Garbatore
einen Monat vor der Bekanntgabe der neuen Nobelpreisträger
ein Donnerstag, nachmittags
FRAU DR. FABIOLA GARBATORE, an deren Bürotür in schwarzen Lettern auf dem hochglanzpolierten Messingschild nach wie vor 'Generaldirektor' wie bei allen ihrer Vorgänger steht, hat die Tür soeben mit Nachdruck ins Schloss geschlagen und steht mit gesenktem Kopf vor ihrem Schreib-tisch.
Dass sie das Schild nicht Genter gerecht hat abändern lassen - Generaldirektorin! -, betrachtet sie als ihren kritischen Beitrag zum Thema 'Genter-Mode'.
Lasst doch mal die Frauen im Dorf!
Diese ganze Genter-Problematik, die sie eher spöttisch und sich daran erheiternd verfolgt, ist natürlich nicht verantwortlich für ihren momentanen Zustand. Mit den Armen stützt sie sich ab, um nicht auf die Schreibtischplatte zu fallen. Sie könnte im Übrigen, wie es so gerne in Fernsehen von erbosten Menschen gezeigt wird, ringsum alles kurz- und kleinschlagen.
Zumindest dieses blöde Telefon - diese Erfindung des Teufels! - an die Wand krachen! Man sollte grundsätzlich nicht den Hörer abnehmen, wenn es klingelt. Oder noch besser, gleich den Gesprächseingang sperren!
Gestern waren es die Herren des Finanzkuratoriums, die ihr mit ihren Befürchtungen auf den Wecker gegangen sind, und heute meldet sich für sechzehn Uhr aus heiterem Himmel - und nur eine halbe Stunde vor sechzehn Uhr! - dieser unangenehme, sehr sachliche Sekretär des Papstes an.
"Wegen außerordentlicher Dringlichkeit!", hatte er betont.
Da hatte sie sich schon gefreut, einen Tag nicht außer Haus sein zu müssen und einigen liegen gebliebenen Bürokram erledigen zu können, da kommt der aus Rom!
Als hätte er geahnt, dass sie im Büro ist! Oder hat der seine Quellen hier im Haus?
Das wäre natürlich kein Wunder. Seit sie vor zwei Jahren zum ständigen Mitglied der 'Päpstlichen Akademie' berufen wurde, deren Aufgabe darin besteht, den Papst über die neuestens Entwicklungen der Wissenschaft zu informieren und gezielt Projekt zu unterstützen - und andere nicht - hatte sie selbst einige Personaleinstellungen, die ihr vom Vatikan vorgeschlagen wurden, in den verschiedenen Bereichen des Forschungszentrums, von den Wissenschaftlern bis hin zum Reinigungspersonal, eingefädelt. Vertrauenspersonen. Zuträger. Informanten.
Ja, der Vatikan weiß Bescheid, was hier läuft! 'Opus Die' - der Geheimdienst des Vatikans hat die Lauscher überall!
Es würde sie auch nicht wundern, wenn dieser Kardinal Monsignore Steffen Müller eine führende Position im 'Opus Die' innehätte. Dass einer schon in jüngeren Jahren - also unter fünfundsechzig - die Anrede 'Monsignore' beanspruchen darf, ist ungewöhnlich. Als Führungsfigur im 'Opus Die' wäre das denkbar.
Frau Dr. Fabiola Garbatore hatte bisher abgelehnt, Mitglied im 'Opus Die' zu werden, obwohl sie mit ihren Doktortiteln - 'Dr. rer. nat.' und 'Dr. Phil.' - alle Voraussetzungen mitbringen würde für eine Mitgliedschaft als 'Numerianerin'. Aber der Gedanke, dass dann ihre sämtlichen privaten Einnahmen bis auf ein schmales Taschengeld der Organisation zufließen würden, und erst recht die Verpflichtung, ein zölibatäres Leben führen zu müssen, wollen ihr nicht gefallen.
Sie beharrt darauf, auch ein erfülltes Leben vor dem Tod zu leben!
Mit Mann und Mäusen - sozusagen!
Über den überfallartigen Besuch aus dem Vatikan ärgert sich Fabiola Garbatore jedenfalls sehr, aber noch viel mehr über die verflixte Situation, die der Anlass dafür ist.
Hätte sie da was verhindern können? Dieses hundertmal verfluchte Traktat! Was soll sie diesem Kardinal Monsignore Steffen Müller sagen?
Lange bevor im Nobelkomitee für Physik, das den jeweiligen Preisträger aus einer Liste von nominierten Kandidaten auswählt, auch nur einer der Mitglieder etwas von einem 'Traktat über eine ultimative Weltformel' hatte lauten hören, war die Kacke bereits am Dampfen gewesen!
Innerhalb der 'CERN' hatte die Problematik vor Monaten - erst ganz langsam, dann immer schneller - begonnen, zu köcheln, zu brodeln und schließlich zu sieden.
Viele Köche waren beteiligt. Chefkoch war Dr. Hubert Hürlimann, einer der Ressortchefs und als solcher verantwortlich für 'Nukleartechnologien' und deren friedliche Nutzung zur Energiegewinnung.
Der Streit entzündete sich an dem Plan der 'CERN' einen neuen gigantischen - und gigantisch teuren! - Teilchenbeschleuniger bauen zu wollen, mithilfe dessen man noch effizienter Elementarteilchen miteinander kollidieren lassen und damit tiefer in die letzten Geheimnisse der Materie vorstoßen könnte.
Könnte!
Dr. Hubert Hürlimann argumentierte vehement:
"Der wissenschaftliche Zweck des neuen Beschleunigers stellt ein unverantwortliches Wunschdenken dar! Es ist die reine Geldvernichtung! Neue Lösungen für die Energiegewinnung aus nuklearem Brennstoff hingegen können das Klima retten. Da muss das Geld hinfließen!"
Fest steht - das Projekt des neuen gigantischen Teilchenbeschleunigers - 'Future Circular Collider', kurz 'FCC' - begann zu wackeln. Sechsundzwanzig Milliarden sollte alleine der Bau verschlingen! Jährliche Betriebskosten eine Milliarde! Die kritischen Stimmen häuften sich.
"Milliarden für ein Hobby von Spinnern!", provozierte Dr. Hubert Hürlimann.
Und zusammen mit der Diskussion um das Projekt geraten nebenbei wieder die gesamte theoretische Physik und der Glauben an Gott ins Schussfeld.
In den Zeiten der Existenz sozialer Medien - angefangen bei 'Facebook' bis 'X' - ist die Diskussion auch nicht mit Willkür abzubremsen oder totzuschweigen! Es schäumt und gärt! Seit Monaten schon!
Generaldirektorin Dr. Fabiola Garbatore findet:
"Es ist zum Mäusemelken! Wie hatten die es im Mittelalter schön!"
Den Papst interessiert die finanzielle Seite des Projektes übrigens weniger. Auch wenn die Vatikan-Bank beteiligt ist. Aber die Herren vom Finanzkuratorium, einschließlich des Direktors der 'Vatikanbank' - das sogenannte 'Institut für die religiösen Werke' -, konnte die Generaldirektorin mit dem Hinweis, dass eine alternative Ausrichtung der Forschung in Richtung Nuklearsektor - weg vom Beschleuniger! - nicht wesentlich billiger sein würde, einigermaßen beruhigen.
"Man werde auch dann zig Milliarden von den Banken brauchen!", hatte sie mit gutem Gewissen versichern können.
"Nein, das Geld ist nicht das Problem!", sagte sie noch einmal zu sich selbst, nachdem sie das Gespräch mit dem Direktor der Vatikanbank beendet hatte.
Und das Gerangel und der Streit um die Milliarden für die Forschungen des 'CERN' gehören nun einmal zu ihrem Job. Ihre Hauptaufgabe lautet - Geld beschaffen! Egal, wofür!
Sie hat im Übrigen nichts gegen den Nuklearsektor an sich ... - nur der Teilchenbeschleuniger ist bereits kurz vor dem Start. Die meisten Messen sind gelesen.
Wenn es jetzt nicht dieses Hickhack gäbe …! Zum Teufel mit diesem Paulus-Traktat! Und Hürlimann gleich hinterher!
Oft bedauert Fabiola Garbatore, dass sie nicht mehr direkt in der Forschung arbeiten kann. Alleine das Teamwork, das Miteinander mit anderen, die das gleiche Ziel haben, fehlt ihr sehr. Nie hätte sie geglaubt, wie einsam man als Generaldirektorin sein kann.
Ja, sehr einsam und ständigen Anfeindungen ausgesetzt!
Dass das auch anderen Leuten an der Spitze von Hierarchien - egal wo! - ebenso gehen wird, scheint in der Natur von Hierarchien zu liegen. Sie sind wie alpine Gebirgsmassive - oben wird die Luft eben dünn!
Wenn der Kardinal Monsignore Steffen Müller pünktlich ist, und das ist er meistens, hat sie noch eine Viertelstunde, um sich seelisch und thematisch vorzubereiten. Und natürlich noch mal auf die Toilette - Pipi und Make-up! Händewaschen nicht vergessen!
Kardinal Monsignore Steffen Müller ist pünktlich, weil er einfach mit seinem Hubschrauber nicht das Straßen- und Autobahnnetz von Rom bis Genf benutzen muss. Er landet auf dem markierten Rondell, das als Hubschrauberlandeplatz auf dem Gelände des 'CERN' in Meyrin dient.
Auch er benutzt, bevor er sich dem Vorzimmer zum Büro der Generaldirektorin nähert, die Besucher-Toilette. Die blonden halblangen Haare striegeln, ein paar erfrischende Spritzer Wasser ins Gesicht und Pipi! Händewaschen nicht vergessen!
Sein eleganter dunkelblauer Leinenanzug sitzt wie angegossen. Ein hellblaues Hemd, eine blaugrau gestreifte Krawatte und weiße Segeltuchschuhe ergänzen sein Äußeres. Dass er ein hohes Amt in der katholischen Kirche begleitet, erkennt nur, wer um die Bedeutung des kleinen runden Medaillons, das an seinem Revers steckt, weiß.
Er hat eine schlanke sportliche Figur, wie sie eben ein Leichtathlet haben sollte. Dreisprung war seine Spezialdisziplin gewesen, in der er es immerhin zur Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften der Leichtathletik geschafft hatte.
Auf dem Messingschild an der Tür zum Vorzimmer des Büros der Generaldirektorin steht 'Genter gerecht' - 'Sekretariat der Generaldirektorin / Dr. Sabrina Pinozetti'.
Die Sekretärin, Frau Dr. Pinozetti gehört übrigens auch zu denen, bei deren Einstellung die Generaldirektorin persönlich ihren Einfluss geltend gemacht hatte. Allerdings nicht, weil eine Empfehlung aus dem Vatikan vorlag, sondern weil sie wenigstens eine weibliche Seele um sich haben wollte, die auch italienisch spricht und mit der sie mal schwatzen kann. Von Frau zu Frau - versteht sich! Nicht von Frauin zu Frauin!
Sabrina Pinozetti ist also keine eigentliche Sekretärin, sondern viel mehr persönliche Referentin und Bodyguard. Schutzengel für Leib und Seele der Generaldirektorin.
Trotz seiner Wichtigkeit ist sich Kardinal Monsignore Steffen Müller nicht zu schade, nach dem Klopfen an der Vorzimmertür auf das 'Herein!' zu warten.
Es ertönt nach wenigen Sekunden.
Er tritt ein.
Sabrina Pinozetti, die nach außen 'Sekretärin' spielt, hat diesen Mann noch nicht gesehen und ist einfach baff!
Wenn dieser Mann tatsächlich im Zölibat lebt, ist es ein Jammer für die gesamte Weiblichkeit! Der kleine Seufzer, den sie sich erlaubt, bemerkt Kardinal Monsignore Steffen Müller nicht. Mit der Andeutung eines Dieners stellt er sich vor:
"Kardinal Müller aus Rom. Ich bin bei Frau Doktor Garbatore für sechszehn Uhr angemeldet."
Automatisch schaut Sabrina Pinozetti auf ihre Armbanduhr und stellt fest:
"Pünktlich wie die Maurer!"
Kardinal Monsignore Steffen Müller lächelt. Sabrina Pinozetti lächelt zurück. Und lächelt noch einmal.
"Äh, wenn sie die Freundlichkeit hätten, mein Eintreffen zu melden?", bittet nun der Kardinal leicht irritiert.
Frau Pinozetti erinnert sich ihrer Funktion als Sekretärin, springt erschrocken auf und geht eilig mit großen Schritten quer durch den Raum zur Tür des Büros der Generaldirektorin:
"Pardon, Herr Kardinal! Ich dachte, sie kennen den Weg."
Sie klopft an die Tür und öffnet gleichzeitig einen Spalt, um hineinschielen zu können. Ein kurzer Blickkontakt mit der Chefin - alles okay! - dann öffnet sie die Türe vollständig:
"Bitte, Herr Kardinal, die Frau Generaldirektor erwartet sie!"
Der Kardinal verbessert im Vorbeigehen:
"Man pflegt gemeinhin, mich mit Monsignore anzusprechen, mein Kind!"
Die soeben als 'mein Kind' bezeichnete reife Frau und Mutter von drei Kindern, schließt hinter dem 'Monsignore' die Tür und amüsiert sich ein bisschen von wegen - 'Mein Kind!'
Und wenn sie es richtig übersetzt, dann hat er damit 'Sie kleines Würstchen!' gemeint.
Für die Generaldirektorin wird es nun ernst. Vom Wohl und Wehe des Vatikans hängt nicht nur ihre Stellung als Generaldirektorin der 'CERN' und ihr Status als Mitglied der 'Päpstlichen Akademie' ab, sondern das Wohlergehen ihrer ganzen Familie - '…bis ins dritte Glied gewissermaßen!' - ab. Man fällt bei der katholischen Kirche, ähnlich wie bei der Mafia, nicht nur als einzelnes Individuum in Ungnade, wenn man fällt!
Nach den beiderseits überaus freundlichen Begrüßungsworten, und nachdem der Kardinal gemein-sam mit der Generaldirektorin an dem edlen runden Konferenztisch, der in einer Art Wintergarten steht, platzgenommen haben, beginnt die Schlacht:
"Verehrte Signora Garbatore, unsere gemeinsame Mutter, das Schiff unseres Glaubens, die katholische Kirche, segelt seit Jahren in schwerem Gewässer. Ich muss ihnen nicht aufzählen … - Kindesmissbrauch, Homosexualität, Größenwahn einiger Bischöfe, Gleichberechtigung, Zölibat … - und nun wieder ein Schlag ins Zentrum unseres Glaubens … - ja, wofür haben wir sie denn hier installiert, Signora Garbatore!? Dafür, dass hier unter ihrem Dach ein Glaubenskrieg ausgelöst wird? Ich sage nur - das Paulus-Traktat! Der Heilige Vater ist in höchstem Maße erregt."
Am Ende hat der Kardinal die Stimme wieder etwas gesenkt.
Die Generaldirektorin, Frau Dr. Fabiola Garbatore, setzt mit großem Selbstbewusstsein in Körperhaltung und Stimme zur Gegenrede an:
"Monsignore, bei aller Verehrung für den Heiligen Vater muss ich darauf aufmerksam machen, dass mir dieser Professor Paulus, der aus unserer Sicht zweifelsohne ein Saulus ist, weder disziplinarisch noch moralisch unterstellt oder verpflichtet ist. Bevor es aus vielerlei Zufällen dazu kam, dass dessen philosophisches Traktat zum Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen um die Probleme der Theoretischen Physik wurde, hatte ich keine Ahnung von der Existenz eines solchen Traktates. Als ich von seiner Existenz erfuhr, war es bereits in aller Munde. Und nicht nur im Munde der Wissenschaft, sondern auch in diesem riesigen Maul, in diesem gigantischen Schlund der sozialen Medien. Die altbewährten Strategien des Totschweigens oder der inquisitorischen Ausmerzung greifen nicht mehr."
Kardinal Monsignore Steffen Müller faltet seine Hände:
"Sehr richtig verehrte Signora Garbatore, auch wir müssen mit der Zeit gehen! Ketzer auf dem Scheiterhaufen grillen, ist 'out'. Das kann man bedauern oder nicht - doch das Internet dürfen wir den Feinden des Glaubens nicht kampflos überlassen. Die Verleihung des Nobelpreises an den Autor des Traktates wäre Öl ins Feuer für die Ketzer in aller Welt."
Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu:
"Und - ganz nebenbei verehrte Signora Garbatore, es ist ja schon einmal gelungen, bei einer ähnlich heiklen Problematik, die Albert Einstein mit seiner Relativitätstheorie für den christlichen Glauben Anfang des 20. Jahrhunderts heraufbeschworen hatte, die Verleihung eines Nobelpreises um Jahre zu verzögern. Üben Sie ihren Einfluss auf die Mitglieder der Nominierungskommission geschickt aus! Dieser Paulus darf nicht nominiert werden!"
Das Gespräch zwischen dem Kardinal und der Generaldirektorin währt noch zehn Minuten.
Monsignore Steffen Müller informierte die Generaldirektorin der 'CERN' auch über gewisse Informationen, die man aus nicht exakt identifizierbaren, aber gut informierten Quellen habe. So sei der Wissenschaftsstreit in der 'CERN' auch für die wirtschaftlichen Interessen verschiedener Staaten interessant geworden. Deutsche Konzerne möchten gerne wieder Atomkraftwerke bauen. Neue intensive Forschungen wären nötig, um Atomkraftwerke unter ökologischen Gesichtspunkten wieder salonfähig zu machen.
Frankreich benötigte dringend für seine aktuellen Atomkraftwerke zukunftsweisende Innovationen und Technologien. Statt dieses neuen Beschleunigers wünscht man sich mit den Milliarden neue intensive Forschungen im Bereich der Nukleartechnologien - von Sicherheitsproblemen bis Entsorgung.
Präsident Macron habe persönlich angewiesen, die Ideen von Paulus zu unterstützen, um die Forschung auf dem Nuklearsektor mit frischem Geld der 'EU' forcieren zu können.
China setzt auf eine Strategie, die den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen langfristig vorsieht, ist aber vorläufig voll auf Atomkraftwerke orientiert. In aller Welt will man sie bauen. Den Weltmarkt beherrschen!
"Tja…", Monsignore Steffen Müller lächelt, "es ist ein bisschen wie im Haifischbecken! Auch der russische Hai zieht seine Kreise! Und die schärfsten Zähne haben wahrscheinlich streng-gläubige islamische Haie, mit denen man allerdings nicht an einem Strick ziehen möchte."
Kardinal Monsignore Steffen Müller verabschiedet sich schließlich von der Generaldirektorin in der übereinstimmenden Auffassung, dass verhindert werden muss, dass Professor Olaf Paulus den Nobelpreis in Stockholm in Empfang nehmen kann.
Alle möglichen Drähte zu den Mitgliedern des Nobelkomitees müssen aktiviert werden.
'Opus Die' sei natürlich alarmiert und stehe flankierend bereit. Es darf kein Schaden für die katholische Kirche und den Glauben entstehen.
Man hat nicht mehr allzu viel Zeit! Die Bekanntgabe der neuen Nobelpreisträger erfolgt in circa vier Wochen.
Amen!
Das Knallhorn
Leipzig / Gaststätte 'Palmgarten'
ein Mittwoch, abends
ICH - DR. PHIL. RUTH MORGENSTERN, wie immer noch an meiner Wohnungstür steht - hatte Olaf Paulus, meinen ehemaligen Chef - Professor und Doktor der Philosophie -, über fünfundzwan-zig Jahre nicht gesehen. Und eigentlich auch vergessen.
Dann, eines schönen Mittwochs gegen siebzehn Uhr, als ich wie immer, außer, wenn ich eine Nachtschicht in der 'Security' übernehmen musste, meinen Stammplatz in der Gaststätte 'Palmgar-ten', im Leipziger Süden eingenommen hatte, saß er allein an einem Tisch - linkerhand, wenn man in den Gastraum hereinkommt.
Ich hockte wie immer auf dem hochbeinigen Stuhl an der rechten Flanke des Tresen - vom Eingang her geradehin. Je nachdem, wie ich den Hocker und mich auf ihm drehe, habe ich entweder vor mir den Tresen oder einen Überblick über den ganzen Raum, außer der Nische - rechterhand um die Ecke.
Mein Platz ist also für jemanden, der seine Einsamkeit überspielen und irgendwie nicht wahrhaben will, ideal.
Olaf Paulus studierte die Speisekarte.
Aber ich erkannte ihn nicht.
Ich registrierte lediglich einen älteren Kerl mit einem schmalen weißen Oberlippenbart und Glatze, die er mit einer schiefsitzenden Baskenmütze zu verdecken versuchte. An seiner Stuhllehne hing ein schwarzer Stock mit silbernem Griff. Er trug eine Brille mit getönten Gläsern und einem schwarzen Gestell. Die Gläser, die ihre Tönung je nach Helligkeit veränderten, wiesen jetzt in der schummrigen Gaststätte nur eine geringe Tönung auf. Die Kleidung wirkte konservativ, aber elegant. Jackett, Hemd, Schlips - bräunlich bis Ocker. Hose Beige. Schuhe Rot!
Hoppla! Mut hat er schon!
Mehr an Reaktion war nicht zu verzeichnen, was mich betraf. Selbst die Baskenmütze ließ mich nicht stutzig werden. Es war einfach zu abseitig, dass er es sein könnte.
Ich trug noch mein 'Dienstkostüm' - die Uniform der 'Security-Firma', in der ich nun bald vier Jahre angestellt bin. Mein erstes Bier an diesem Abend - Glas mit Henkel, Radeberger Pilsner null-kommadrei! - ging schon langsam zur Neige.
Mein kunstledernes Blouson mit der Aufschrift 'City-Security' hatte ich über die Lehne des Barstuhles gehängt.
Ich selber hing so meinen Gedanken nach, denen ich aber nicht recht folgen wollte. Eine Vorstufe von Dösen.
In der Gaststätte war noch nicht viel los, was mich hätte ein bisschen ablenken können.
Die unscheinbare jüngere Frau, die im rechten Teil des Raumes mit dem Rücken zu mir an einem Zweimanntisch platznahm, war uninteressant für mich. Höchstens die 'Mireille-Mathieu-Frisur' fand ich ein bisschen hübsch.
Aber insgesamt - kein Hingucker! Wahrscheinlich für Männer erst recht keiner! - mutmaßte ich, was vielleicht etwas gemein von mir war.
Was kann eine dafür, wenn sie keine Sexbombe ist?! Irgendwann ging sie nach draußen vor die Tür der Gaststätte, um eine Zigarette zu rauchen.
Auch das noch! Raucher!
Auf ihrem Tisch lag die Zigarettenschachtel, aus der sie sich eine herausgeschnippt hatte. Die Sorte kannte ich von einem früheren Kollegen - französische ''Gitanes'. Sehr stark, glaube ich.
Das Abendgeschäft im 'Palmgarten' beginnt erst später. Einzige echte Ablenkung war für mich lediglich der alte Kerl.
Mein Gott, der guckt, als wäre ich das achte Weltwunder!
Der dachte wahrscheinlich, ich kriege das nicht mit - er schaute nur immer so ganz flüchtig, fast verstohlen. Zum Quieken! Jedes Mal, wenn der glaubte, ich gucke durch die Fenster drüben zur Straße raus, dann guckte der zu mir.
Typischer Duckmäuser!
Wenn er guckt, dann sieht der mich seitlich von rechts im Profil. - überlegte ich mir.
Bevor er wieder zu mir guckte, streckte ich mich leicht gerade in der Lendenwirbelsäulengegend, um meinen Busen etwas besser ins Licht zu setzen.
Immerhin bin ich… rein von der Figur her… nicht aus dem Leim gegangen… toi, toi, toi! Aber trotzdem:
Kann der nicht wo anders hingucken? Knallhorn!
Bestimmt grämte der sich, dass er meinen Hintern nicht in seiner gesamten Wucht und Urtümlich-keit auf die Netzhaut bekam. Im Profil ist mein Hintern auch nur ein Arsch wie jeder andre!
Nein, ich könnte mich über den Kerl amüsieren. Eben wieder so ein Blickwischer! Wie zu-fällig!
Wobei, das musste ich dem Knallhorn zu seiner Entlastung mildernd zugestehen - außer mich auf dem Barhocker am Tresen gab es tatsächlich nicht viel anzugucken an diesem spätnachmittäglichen Mittwoch.
Die unscheinbare junge Frau, die eben eine Weile vor der Tür eine Zigarette durchgezogen hatte, war scheinbar wirklich irgendwie 'unscheinbar'.
Otto, der Chef vom 'Palmgarten', saß in seinem alten Schalensessel neben dem Tressen - halb im Gang zur Küche - und las die 'Bild-'Zeitung', insofern es da etwas zu lesen gibt. Aber die Bilder schaute er sich wirklich sehr intensiv an.
Otto ist ein optischer Typ, glaube ich. Er sieht auch immer sofort, wenn ich den Laden betrete, ob es mir gut geht, oder scheiße.
Meistens scheiße!
Aber sonst - es war nichts los.
Was sollte der Kerl also mit seinen Blicken hier in der leeren Kneipe schon anfangen, als mich ab und zu anzugucken?
Oder hat der ein Date? Wartet der womöglich gar nicht auf seine Frau, sondern… auf wen dann?
Früher hatten wir Rendezvous.
Der Unterschied ist, dass man zu einem Date auf ziemlich unkomplizierte Art und Weise kommen kann. Einfach sich irgendwo im Internet auf einem Partnersuch-Portal anmelden und los! Schön wäre es allerdings, wenn es wirklich so einfach klappen würde. Das heißt, bis zum Date geht es ja immer noch, aber dann…!
Die schönsten Übereinstimmungen, der, auf der Plattform hinterlegten Profile, sind keine Garantie.
Ich hatte es schon seit längerer Zeit mit der Partnersuche aufgegeben. Mein letzter Versuch war mit 'www.seitensprung66.de'.
Ich sinnierte weiter so vor mich hin. Mit meiner inneren Stimme zu kommunizieren war ich, mangels anderer Stimmen, gewohnt. Ich blieb vorerst beim Thema 'www.seitensprung66.de'.
Wenn das Knallhorn das wüsste! Bei 'seitensprung66.de' - da bin ich ja immer noch aktiv.
Aber ich suchte bereits seit geraumer Zeit nicht mehr nach einem Partner. Es war letztlich bei 'www.seitensprung66.de' genauso sinnlos, wie auf den weniger unzweideutigen Plattformen.
Auch auf 'www.topp-partner.de', dem angeblich niveauvollsten Portal, suchten die Männer vorwiegend kurze Abenteuer und nicht mich.
Viel zu alt! Nein, aktiv war ich in anderer Richtung!
Vor der Live-Cam!
Das hatte sich ganz zufällig ergeben. Lediglich um einmal herauszufinden, was denn die weibliche Konkurrenz, die mich anscheinend andauernd ausstach, mehr anzubieten hat, als ich, hatte ich mich eine Weile - eben aus Neugier - mit einer neuen kostenlosen 'gmx'-Adresse als Mann mit einem Phantasie-Profil bei 'seitensprung66.de' angemeldet.
Ich hatte es dann als Pseudo-Mann aber nicht geschafft, mit einer Frau zu einem Date zu kommen. Mein Phantasie-Profil war scheinbar für Frauen zu lahm.
Aber was ich mitkriegte, das war, dass nicht wenige meiner Konkurrentinnen sich schon mit ihren Profilbildern sehr aggressiv vermarkteten. Pornofotos von der freizügigsten Sorte!
Wirkliche Live-Kontakte, oder Dates, waren gar nicht deren Ziel. Die versuchten lediglich, die Männer vor ihre 'Live-Cams' zu locken. Und abzukassieren!
Die Miststücke!
Ich Miststück verdiente dann schon im zweiten Monat mit meiner 'Live-Cam' mehr, als bei der 'Ci-ty-Security'.
Beine breit und der Rubel rollt! Männer! Ich möchte eigentlich kein Mann sein.
Und das Knallhorn saß ahnungslos rum und wartete.
Wenn es der Teufel will, dann hat sich der Kerl da drüben auch schon mal bei mir auf 'www.seitensprung66.de' eingeklickt!
Ich griente in seine Richtung.
Sind doch alle gleich! Wichser!
Das Wort 'Wichser' denke ich oft abfällig, wenn ich diese mittelalte Sorte von Männern sehe, die sich bei mir in die 'Live-Cam' häufig einklicken. Wobei ich natürlich bei einem Chat nicht die echten Namen erfahre, aber das Alter kommt schon irgendwie rüber.
Der alte Kerl, dieses Knallhorn, der mich in Abständen anglotzte, schien mir im geeigneten Alter, um bei mir Kunde zu sein,
Der guckt, und guckt… ohne zu bezahlen, übrigens! Ich müsste glatt hingehen, und ihm meine Mütze hinhalten. Fünfmal geguckt - zehn Euro bitte! Für ihre schmutzigen Gedanken!
Es war nichts los im 'Palmgarten'!
Die unscheinbare jüngere Frau mit der 'Mireille-Mathieu-Fri-sur', die im Rücken von dem alten Kerl saß, nippte noch immer an ihrem ersten Bier. Sie las jetzt in einem Buch.
Wie kann man zum Buchlesen in die Kneipe gehen?
Ich saß immer nur rum, sinnierte oder quatschte mit Otto oder irgendeinem Kerl, der mich anzumachen versuchte. Ob ich mich zu den Alkoholikern rechnen muss, weiß ich nicht genau. Das heißt, wenn es nach diesen Krümelkackern von Ärzten gehen würde, bei denen man schon bei nur drei Flaschen Bier täglich in eine Klinik gehört, dann bin ich zweifelsohne ein absoluter Vorzeige-Alkoholiker!
Oder - Ehre wem Ehre gebührt! - Vorzeige-Alkoholikerin! Kein Abend unter zwei Promille! Aber immer bloß freitags! Heute ist Mittwoch!
Wenn ich es irgendwie einrichten kann, lasse ich mich deshalb freitags vorsichtshalber von einem Kerl nach Hause bringen. Und wenn der will, dann kann er mich. Wenn er nicht will, dann muss er.
Ich bin wirklich eine echt verworfene Schlampe geworden. Aber heute ist Mittwoch!
Eigentlich erstaunlich, dass mich der alte Kerl doch immer wieder so verstohlen anguckte!
Gut, die Schlampe leuchtet mir nicht aus jedem Knopfloch vor.
Ich lachte nur so ein ganz kleines bisschen vor mich hin in mein Bierglas hinein, was natürlich der Kerl sofort zum Anlass nahm, zu gucken, ob ich noch dasitze!
Seit gut zwei Jahren war ich nun schon bei der Security.
Macht eigentlich Spaß.
Auch wenn die Nachtdienste irgendwo in irgendeinem dämlichen Objekt, was unbedingt vor bösen Eindringlingen beschütz werden muss, unendlich lang sind… - aber wozu gibt es Fernseher und Handys und Laptops!
Die Kollegen in der Security nennen mich 'Doktorn' - 'die Doktorn'! Ich fühle mich akzeptiert. Manchmal holt sich sogar der Chef, ohne dass es die andern merken, meine Meinung ein, wenn es etwas Kniffliges zu entscheiden gibt.
Wahrscheinlich bin ich doch noch nicht restlos verblödet. Wenn der Kerl da drüben wüsste, dass ich einen Doktortitel habe! Dass ich die 'Weltformel' entdeckt habe! Tja… - es ist unglaublich, aber wahr. Eine Revolution für Philosophie und die theoretische Physik! Von mir!
Allerdings - wenn mich einer fragen würde - … ich kriege beim besten Willen nicht mehr ganz zusammen, was ich mir damals so alles ausgedacht hatte. Damals vor fast dreißig Jahren!
Das ist ebenso - wer rastet, der rostet. Die Kati Witt kriegt heutzutage ja auch keinen dreifachen Axel mehr aufs Eis. Und der Einstein, der musste sich im Alter immer wieder von anderen Wissenschaftlern erklären lassen, was in seiner Relativitätstheorie eigentlich alles drinsteckt!
Aber wer sollte mir erklären, was in meiner 'Weltformel' steckt, wenn sie keiner kennt?
Und ich… ich weiß eigentlich nur noch - ziemlich verschwommen -, im Universum herrscht der Zufall, nicht die Wahrscheinlichkeit. Und das was an Gesetzmäßigkeiten herrscht, das herrscht immer.
Ich musste mir bei meinen gewaltigen Gedanken, die mich selbst erschütterten, erstmal noch den Rest Bier aus meinem Glas in die Kehle gießen und bei Otto einen dringenden großen 'Kognak' be-stellen.
"Den billigen!"
Otto schenkte aus der teuren Flasche ein.
"Netter Zug! Danke!"
Otto beeilte sich tatsächlich… also, im Rahmen seiner Möglichkeiten, der ihm von seiner Übergewichtigkeit gesetzt wird… und schenkte mir auch noch ein neues Pilsner ein.
"Zum Wohl, Frau Security!", sagte Otto.
Von Frau Professor zu Frau Security! Wenn das kein Aufstieg war!
Ich schüttelte innerlich mein weises Haupt und gab Otto einen Wink. Ich brauchte noch einen Kognak.
Die Security-Blouson Jacke ziehe ich übrigens immer aus und behalte sie aber an meinem Platz. Die hängt dann über der Lehne des Barhockers und verschafft mir sozusagen Rückenschutz. Das Base-Cap behalte ich auf. Mit dem Schirm nach vorn. Hinten aus der Lücke zwischen dem Stoff und dem verstellbaren Schließband lasse ich einen kleinen Pferdeschwanz rausbaumeln. Das gibt mir einen jugendlichen Touch. Bildete ich mir jedenfalls ein.
Und der Mützen-Schirm verbirgt meine Augen… so mit seinem günstigen Schatten, dass man kaum sieht, wohin ich gucke.
Dass ich bewaffnet war, konnte das Knallhorn nicht sehen. Das Pistolenholster trage ich links. Eigentlich darf ich das nicht. Die Waffen bleiben in der Waffenkammer! - heißt die Vorschrift.
Das hatte sich aber so eingeschliffen. Wenn ich die Waffe mit nach Hause nehme, da kann ich gleich - ohne Umweg zur Firma - zum jeweiligen Einsatzort.
Es gab durchaus Zeiten, wo ich mit meiner Freizeit besseres zu tun hatte, als mich von so einem alten Kerl oder einem anderen aus der Kategorie 'Mann' anglotzen zu lassen. Geschweige, mich gelegentlich von so einem nach Hause und zum Höhepunkt bringen zu lassen… - oder mich mit dessen Hilfestellung selbst zu bringen! Ohne Höhepunkt wird keiner entlassen! - …lassen wir das.
Es gab Zeiten, da bin ich mit meiner Freizeit hinten und vorne nicht hingekommen.
Ehefrau, Mutter von zwei Kindern, Beruf, Partei, Doktorarbeit, Habilitation… - ewig her!
Und aktuell eben jetzt…
Na, einmal pro Woche… wird man sich wohl mal das Vergnügen machen dürfen… sich mal so im Geist… in der Phantasie wenigstens … so eine richtig verworfene Schlampe sein… die sich den Männern zum Fraß vorwirft!
Aber meistens, wie auch an diesem Abend, was schon am frühen Abend zu befürchten war, biss keiner zu. Der gute teure Kognak wollte auch nicht richtig helfen.
Es war übrigens schon vorgekommen, dass die Kerle direkt vor meiner Wohnungstür abgehauen sind, wenn sie an meiner Wohnungstür 'Doktor rer. nat. phil. Ruth Morgenstern' gelesen hatten, was zwar nicht falsch, aber eben eigentlich längst verjährt ist.
Mittlerweile war ich umgeschulte Floristin und seit einigen Jahren bei der Security-Firma.
Und gegen die Uniform gibt's wirklich nichts einzuwenden. Sitzt perfekt!
Und dann kam tatsächlich eine ältere Dame in den 'Palmgarten' herein, begrüßte das Knallhorn mit Küsschen und setzte sich an seinen Tisch. Er beachtete mich mit keinem einzigen Blick mehr.
Nur noch Augen für die aufgetakelte Schnepfe! Mindestens so alt wie er! Oder wie ich! Was will der von so einer alten Schachtel? Knallhorn!
Und ich… ich fühle Tag für Tag deutlich, dass ich jeden Tag älter werde. Und bald werde ich echt alt sein.
Das 'Live-Cam-Geschäft' bei 'www.seitensprung66.de' wird allerdings dadurch nicht gefährdet sein. Das tröstete mich ein bisschen. Nicht die schönen jungen Sexy Girls machen die größten Umsätze, sondern fette runzlige Urgroßmütter.
Ohja - ich hab echt eine Zukunft!
Männer! Knallhörner! Wichser!'
Mitten in der Nacht schreckte ich aus dem Schlaf.
Der alte Kerl… das Knallhorn im 'Palmgarten!... das war Professor Paulus gewesen… Olaf…mein Olaf! Ja!
Wie Schuppen fiel es mir mitten in der Nacht von den Augen.
Klar, deswegen hat der immer wieder so geguckt! Der war sich nicht sicher. Der Schirm von meinem Base-Cap…!
Überhaupt die Uniform! Außerdem fünfundzwanzig Jahre, die vergangen sind…!
Olaf ist wieder in Leipzig! Na, sowas! Und die alte Schnepfe war vielleicht seine Kollegin gewesen? Oder die Schwester? Egal - geht mich schon lange nichts mehr an! Aber wie der sich verändert hat! Bis auf die Baskenmütze! Und eine Brille hatte er damals auch noch nicht. Und der Oberlippenbart war nicht weiß.
Ich drehte mich auf die andere Seite und schlief gleich wieder ein. Die Sache mit Olaf ist längst gegessen und war damals in Frieden zu Ende gegangen.
Er war zurückgegangen nach Tübingen zu Frau und Kindern und ich blieb in Leipzig bei meinem Mann, der von der Affäre offensichtlich keinen Wind bekommen hatte.
Büro-Philosophen
Leipzig / Polizeipräsidium / Mordkommission
ein Freitag, nachmittags
DIE MELDUNG IN DER 'LEIPZIGER VOLKSZEITUNG' lautete sachlich und erfreulich für die deutsche Wissenschaft: 'Der Leipziger Physiker Professor Olaf Paulus wurde vom Nobelpreiskomitee für sein 'Traktat über eine ultimative Weltformel' als diesjähriger Gewinner des mit achthundertsiebzigtausend Euro dotierten Nobelpreises bekannt gegeben.'
Schon vor einigen Wochen hatte Kommissar Lucas Lasch bei seinen Streifzügen im Internet, die nicht selten lediglich der Suche nach erotischer Beute dienten, zufällig Berührungen mit diesem Traktat bekommen.