Sagengestalten der Oberpfalz - Birgit Arnold - E-Book

Sagengestalten der Oberpfalz E-Book

Birgit Arnold

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Beschreibung

Franz Xaver von Schönwerth war einer der bedeutendsten, wenn nicht der bedeutendste Heimatforscher der Oberpfalz. Basierend auf den von ihm gesammelten Überlieferungen entstanden neue mythologische Erzählungen zu ausgewählten Sagengestalten dieses Landstrichs.Licht, Luft, Wasser und Erde umfassen im heidnischen Glauben die gesamte Natur. Die mystischen Figuren werden, dem Schema Schönwerths folgend, den vier Elementen zugeordnet, dass sie in ihnen und durch sie wirken. Andersherum übernehmen die Gestalten jedoch auch die Eigenschaften der Elemente. Erfahren Sie, was es mit Holzfräulein und Geisterfischchen auf sich hat, welche Auswirkungen das Hexenwetter haben kann, und wie Feurige Männer erlöst werden können.»Was in der Zeit geboren ist, wird von der Zeit verzehrt, was in ihr seinen Anfang genommen, erhält auch in ihr sein Ende.«

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Inhaltsverzeichnis

Element Erde - Holzfräulein

Waldwesen

Ein neues Zuhause

Die Wilde Jagd

Treibjagd

Der gute Hausgeist

Die Familie ruft

Der Dank an das Holzfräulein

Vergebliche Jagd

Alles wird gut

Element Wasser - Geisterfischchen

Backfischzeit

Eine Misere

Böse Folgen

Die verlorene Seele

Geisterfischchen

Julianes Kleinod

Das Warten hat bald ein Ende

Wiedersehen

Unbedachte Rede

Bittere Folgen

Element Luft - Hexenwetter

Verfluchtes spätes Glück

Behüte dich Gott

Wohin führt der Weg?

Eine andere Welt

Wetterhexen

Opfergang

Element Feuer - Feurige Männer

Markbeschreitung

Fopperei

In den Sümpfen

Nur gegen Lohn

Reue

Irrlichter

Die gute Seele

Erlösung

Birgit Arnold

Sagengestalten

der Oberpfalz

Impressum

Copyright © Yellow King Productions 2023

Mario Weiß

Neuöd - Gewerbepark 12a

92278 Illschwang

E-Mail: [email protected]

Web: www.yellow-king-productions.de

Autor: Birgit Arnold

Herausgeber: Mario Weiß

Lektorat: Mario Weiß

Illustrationen: Sabine Zepnik

ISBN: 978-3-98901-000-0

Element Erde

Holzfräulein

Waldwesen

Die Tage waren bereits recht kurz. Doch während der wenigen Stunden, in denen Tageslicht herrschte, gab die Sonne ihr Bestes, um die Erinnerung an den Sommer möglichst lebendig zu halten. Noch hingen mannigfach Blätter in bunten Farben an den Bäumen. Im Licht des frühen Morgens erstrahlten sie in hellem Grün, Gelb und feurigem Rot.

Am Rande einer Wiese stand ein kleines Wesen, das sich mit erwartungsvollem Gesichtsausdruck umsah. Bewundernd nahm es seine Umgebung in sich auf. Der Tau leuchtete tausendfach auf, als das helle Licht der Sonnenstrahlen sich in ihm brach, so dass es aussah, als wären Diamanten über die Wiese verstreut.

Vor der Gestalt erstreckte sich ein Band besonders saftigen Grüns. Es wand sich, den Gegebenheiten des Bodens folgend, über die große Fläche bis hin zum Waldrand. Der Weg war vor unendlichen Zeiten von Elben angelegt worden. Er diente ihnen als Übergang zwischen den Welten. Doch die zarten Geschöpfe waren schon vor Ewigkeiten aus diesem Landstrich verschwunden. Bei einem dichten Gestrüpp, in dessen Mitte versteckt ein Durchgang lag, endete der Pfad.

Ein des Weges kommender Wanderer wäre achtlos an dem Buschwerk vorübergelaufen. Doch wenn man genau hinsah, bemerkte man, dass sich hinter einigen dornigen Ästen ein Hohlweg befand. Das Licht wurde von dem Gesträuch ausgesperrt, es war stockfinster darin. Allerlei gruselige Gedanken konnten einen beschleichen, wenn man dort hineinblickte. Wildes Getier und Geister könnten sich darin aufhalten, oder auch nicht.

Die zwergenhafte Gestalt, nur etwas über zwei Fuß groß, ließ ihre strahlenden Augen über die Pracht des glitzernden Grüns wandern. Wie schön es hier doch war! Jeden Tag freute sie sich aufs Neue über den Anblick. Es war das reinste Paradies. Langsam schloss sie die Augen, legte den Kopf in den Nacken, streckte beide Arme weit zur Seite aus und lief los. Dabei strichen ihre Finger durch die nassen Halme, die ihre Haut mit der angenehmen Kühle des Morgens benetzten. Ihre nackten Füße spürten den weich federnden Boden unter sich. Ein unsagbares Glücksgefühl durchströmte die Gestalt, als sie immer schneller und schneller auf den Waldrand zulief. Instinktiv wusste sie, wann der Weg endete. Tief atmend bremste sie ab, blieb stehen und stützte sich auf den Knien ab. Lachend versuchte das kleine Wesen, wieder genug Luft in seine Lungen zu bekommen. Als es sich etwas erholt hatte, richtete es sich mit in die Seiten gestemmten Händen auf. Noch einmal wanderten seine Augen über die Wiese am Waldrand. Dann fühlte es sich gestärkt genug, durch den mit Hagebutten gezierten Strauch zu kriechen und zu seinen Liebsten zurückzukehren.

Als die Gestalt sich durch die schmale Lücke im Geäst quetschte, konnte sie es nicht verhindern, dass sich einige der Dornen in ihrem spinnwebfeinen Haar verfingen. Ärgerlich zerrte sie an den Zweigen. Dabei stieß sie Laute in einer Sprache hervor, die ein menschliches Ohr nicht verstehen konnte. Doch eines erkannte man eindeutig an der Stimme. Die Gestalt war weiblichen Geschlechts. Ihre Haut war äußerst blass, das Gesicht von einem leicht grünlichen Schimmer überzogen, als wüchse Moos darauf. Aus der Ferne betrachtet hätte man sie für ein kleines Kind halten können. Allerdings für ein sehr verwildertes Kind. Denn nicht nur ihr Haar war zerzaust, sondern auch das Kleid hing zerfetzt und beinahe durchsichtig, so abgewetzt war es, von ihr herab.

Vor sich hin schimpfend riss die kleine Frau sich von den Dornen los und stampfte auf dem dunklen Hohlweg in den Wald hinein.

Sie musste nicht lange gehen, um ihr Ziel zu erreichen. Bald schon klang heiteres Geplapper und Lachen zu ihr. Eine kreisrunde Lichtung tat sich auf. Darauf waren viele ihrer Art zu sehen.

Die kleine Frau war ein Holzfräulein. Es gab natürlich auch männliche Vertreter ihrer Gattung. Sie nannte man die Holzharl. Diese zierlichen Gestalten waren ein Volk von Waldzwergen. Wie auch wir Menschen gründeten sie Familien und bekamen Kinder. In den Jugendjahren verließen sie die Wohnung ihrer Eltern und lebten streng getrennt nach Geschlechtern zu beiden Seiten der Lichtung. Die Mädchen saßen zusammen mit den Frauen unter den Bäumen und spannen das lange Baummoos, das wie Seile zwischen den Ästen hing, zu einem feinen Garn. Doch niemals mehr als eine Spindel pro Tag. Daraus webten sie sich Kleidchen. Allerdings nur ein einziges während ihres gesamten Lebens. Die Männer unterdes kümmerten sich um den Ausbau ihrer Behausungen. Während die jungen Zwerge meist nur eine Liegestatt aus Moos in einem hohlen Baum besaßen, gestalteten die älteren für sich und ihre Familien wahre Kunstwerke in großen Wurzelstöcken. Dort wurden feingeschwungene, zarte Ranken und Muster in die Türstöcke geschnitzt, Beeren und Nüsse, welche zu Girlanden gebunden waren, verzierten die kleinen Fenster, und kunstvolle Bögen aus geflochtenen Ruten und Gräsern gestalteten Übergänge zwischen der Lichtung und den Auen.

Zu einer solch prachtvoll hergerichteten Behausung ging nun das Holzfräulein. Sie strahlte über das ganze Gesicht, als sie ihren Mann mit den beiden jüngsten Kindern erblickte. Auch die Kleinen hatten sie bemerkt, rappelten sich vom Erdboden auf und hüpften in wilden, ausgelassenen Sprüngen zu ihr. Glücklich schloss sie die beiden in ihre Arme und drückte sie.

Jeden Morgen ging die Frau, mit einem Beutel am Gürtel, über die Wiese, um im Buschwerk auf der anderen Seite die letzten Beeren des Jahres zu sammeln. Auch Wurzeln wanderten in ihr Säckchen. Schließlich mussten die Vorräte für den heraneilenden Winter aufgestockt werden. Das Holzfräulein genoss die Stunden, in denen sie, abseits vom ständig herrschenden Trubel ihrer Gemeinschaft, die Stille der Natur erleben konnte. Kein Stimmgewirr drang dann auf sie ein, kein Weinen, Quengeln und auch kein Lachen aus den vielen Mündern ihrer Freunde und Familie. Sie mochte es, wenn nur der Wind zu ihr sprach, das Prasseln des Regens oder die Geräusche der Tiere zu hören waren.

Doch nun nahm sie sich des Treibens an, das um sie herum herrschte. Die Schnitzereien ihres Mannes wollten bewundert, einfache Aufgaben an die Kinder verteilt werden. Dann schloss sie sich einer soeben aufbrechenden Gruppe von Frauen an und ging gemeinsam mit ihnen tiefer in den Wald, um eine Stelle zu suchen, an der das Mies, das fadenartige Baummoos, viele Schuh lang von den Bäumen hing. Als sie einen geeigneten Platz gefunden hatten, machten sie sich an ihr tägliches Werk und die Stunden vergingen unter viel Geschwätz, aber auch Schweigen, wie im Fluge.

Am nächsten Morgen kroch das Holzfräulein früh aus ihrem Bettchen von Moos und Stroh. Leise schlich sie nach draußen, um die anderen nicht zu stören. Vor ihrer Haustür streckte sie sich genüsslich. Sie reckte die Arme weit nach oben, schüttelte ihre Beinchen aus und drehte den Oberkörper schwungvoll nach beiden Seiten. Dann ging sie einige Schritte zu dem kleinen Wiesenstreifen, der unweit ihrer Behausung wuchs. An dessen Rand befanden sich einige Frauenmäntelchen. Jedes Jahr wurden es mehr. Diese Pflanze war in vielerlei Hinsicht nützlich für die Waldbewohner. Als Tee zubereitet half sie unter anderem gegen Magenbeschwerden und auf Wunden gestrichen, unterstützte sie die schnellere Heilung der Haut. Doch heute dienten die niedrigen Stauden lediglich als Waschzuber. An den behaarten Blättern hielt sich der Morgentau in dicken Perlen. Die kleine Frau nahm mit ihren Händen einige der Wassertropfen auf und wusch sich damit das Gesicht. Neben ihr erschien eine weitere Frau, die sich, genau wie sie selbst, für einen Tagesausflug bereit machte. Sie grüßten sich freundlich und erzählten von ihren Plänen für den Tag. Da beide ziemlich schmutzig waren, beschlossen sie, heute noch ein ausgiebiges Bad zu nehmen. In den Behausungen gab es natürlich keine Badewannen, und in einen Weiher getrauten sich die kleinen Wesen nicht zu gehen. Doch sie waren findig und hatten eine andere Methode gefunden, die sie vielleicht nicht immer sehr viel sauberer machte, aber zumindest wurden sie dadurch am Morgen vollständig wach: Eine packte die andere an den Handgelenken und zog sie sodann hinter sich her durch das Gras, das nass vom Tau war. Dann wechselten sie die Positionen, und die andere wurde durch die feuchten Halme gezogen. Das weckte die Lebensgeister und beschwingt machten die beiden sich auf den Weg zu ihren heutigen Zielen.

Als das Holzfräulein ihren Lieblingsweg beschritt, den saftig grünen Elbenweg, hielt sie irritiert inne. Direkt vor ihr stapelten sich große Feldsteine zu einem Turm, der sie einige Handbreit überragte. Mit krauser Stirn umrundete sie das Gebilde. Wie kam es nur hierher? Sie war doch erst gestern diesen Weg abgelaufen und da war noch alles frei. Was ein Glück war! Mit ihren geschlossenen Augen wäre sie ansonsten direkt in diesen Berg hineingelaufen und hätte sich am Ende noch verletzt. Kopfschüttelnd blickte die Zwergenfrau sich um. Aber nichts wies darauf hin, dass sich sonst etwas verändert hätte. Kurz überlegte sie, ob sie die Steine zur Seite tragen sollte. Versuchshalber hob sie einen der Brocken an. Ächzend legte sie ihn jedoch sogleich wieder ab. Sie würde einige Männer aus ihrem Dorf herholen. Diese hatten doch mehr Kraft. Und so hätten sie zudem eine sinnvolle Betätigung für den Tag. Schnell machte die kleine Frau kehrt und rannte zu ihrer Behausung zurück. Dort organisierte sie mehrere starke Kerle und gab ihnen Anweisung, den Steinstapel schlichtweg ein paar Meter weiter auf der Seite erneut aufzuschichten. Dann eilte sie davon, um Proviant zu sammeln.

Ein neues Zuhause

 

Finni lief mit hängenden Schultern neben ihrem Vater her. Die Lippen hatte sie schmollend nach vorne geschoben, die Hände in den Ärmeln ihrer Wolljacke versteckt.

Mit trotzigem Ton meinte sie: »Ich verstehe immer noch nicht, warum wir hier, so weit entfernt vom Dorf, eine neue Hütte bauen müssen. Wie sollen uns die Mutter und die Geschwister finden, wenn wir nicht mehr dort wohnen, wo wir immer waren? Außerdem möchte ich bei meinen Freunden bleiben!«

Schlecht gelaunt stieß sie mit ihren Füßen einen Stein vor sich her. Den Blick hatte sie fest auf den Boden gerichtet. Da bemerkte sie, dass der Vater stehen geblieben war. Sie machte kehrt, um den Grund dafür zu sehen. Ihr Vater stand regungslos und mit weit aufgerissenen Augen da. Dann hob er langsam seinen Arm und zeigte nach vorne auf einen kleinen Steinhaufen, der mitten in der Wiese aufgetürmt stand.

»Da! Siehst du das? Ich wusste es schon immer!«, flüsterte er.

Auf seinem Gesicht lag ein kindlich staunender, begeisterter Ausdruck. Dann begann er sogar laut zu lachen. »Meine Mutter hatte mit ihren Geschichten recht! Haha! Schau, siehst du die Steine dort?“

Finni blickte verwirrt zwischen ihrem Vater und dem Haufen hin und her. »Jaaaaa? Was ist mit ihnen?«

Was war mit ihrem Vater los? Ein Berg mit Kieseln war nun wirklich nichts Außergewöhnliches. Sie dachte an die vergangenen Tage und Wochen, in denen sich dieser gramgebeugte Mann nur noch in seiner Stube verkrochen hatte. Nun gebarte er sich wie ein Tollhäusler und sie sorgte sich um ihn.

Doch da stieß ihr Vater freudig hervor: »Ich war gestern bereits hier. Mir fiel der satte grüne Wiesenstreifen auf. Er erinnerte mich sofort an die Geschichten meiner Mutter. Laut ihren Erzählungen sind das Elbenwege.«

Als Finni nichts erwiderte, fuhr er fort: » Die Elfen benutzen diese Wege, um von einer Welt in die andere zu gelangen. Und glaub mir, diese kleinen Wesen können fürchterlich ungehalten werden, wenn man ihnen in die Quere kommt. Dann zerstören sie alles, was ihnen zwischen die Finger kommt, das Vieh gibt keine Milch mehr, Gegenstände verschwinden. Deshalb hatte ich mitten auf ihrem Weg einen Steinhügel errichtet. Man sagt, wenn ein solcher Berg stehen bleibt, kann man dort getrost bauen. Sollte er aber umgestoßen werden, dann muss man sich einen anderen Platz suchen. Und nun sieh dir das an: Der Haufen steht ein ganzes Stück versetzt von der Stelle, an der ich ihn aufgetürmt hatte. Das soll wohl heißen, dass wir dort bauen.«

Strahlend blickte er auf seine Tochter herab, als erwarte er ihre Zustimmung. Diese jedoch sah ihn weiterhin nur verunsichert an.

»Na komm, wir wollen gleich zurück ins Dorf und Steine und Holz herschaffen, damit wir mit dem Bau unserer Hütte beginnen können.«

Finni wusste nicht, was sie hiervon halten sollte. Wie alle Kinder ihres Alters kannte sie viele Geschichten über Zwerge und Riesen, Feuerteufel und Geister. Gesehen hatte sie so eine Gestalt jedoch noch nie. Aber ständig war eine gewisse Angst gegenwärtig, dass man den Unwillen eines solchen Wesens auf sich zieht. Vorsichtig tastete sie mit den Augen die Wiese und den Waldsaum ab. Schön war es hier ja, aber nun schlich sich doch auch ein unheimliches Gefühl in sie. Inbrünstig hoffte das Mädchen, dass keine überirdischen Wesen in der unmittelbaren Umgebung lebten.

In den nächsten Tagen wurde eine notdürftige Hütte errichtet, die man im Laufe der Zeit noch ausbauen konnte. Männer aus dem Dorf halfen, Mauern aus Steinen zu errichten, mischten Stroh mit Lehm und Kies, und zogen damit Wände hoch. Baumstämme und Bretter dienten als Stützen. Die Zeit drängte. Bald schon würde der erste Schnee fallen und der Boden zu frieren beginnen. Bis dahin musste das Haus stehen.

Während dieser Zeit wurden die Arbeiter häufig von einem Paar scharfer Augen beobachtet, das aus den dunklen Schatten am Waldrand herauslugte. Neugierig studierte das kleine Holzfräulein das Treiben auf der Wiese. Die Zwergin hatte nichts gegen die Menschen. Im Gegenteil. Sie war fasziniert von ihnen und ihrer Lebensweise. Und so sog sie das Geschehen interessiert in sich auf und vergaß darüber manchmal selbst ihre Aufgabe, Vorräte zu sammeln.

Finni stand stundenlang am Fenster oder vor der Tür und blickte in die Ferne. Sie wartete. Sie wartete, dass eines Tages ihre Mutter und ihre Geschwister zurückkämen, dass sie wie nach einem Spaziergang oder einer Besorgung auf das Haus zugingen und fröhlich plaudernd erzählten, was sie alles erlebt hatten.

Der Vater sah das junge Mädchen mit traurigen Augen an. Schließlich ging er zu ihm und kniete sich davor nieder. Zärtlich nahm er sein Kind in die Arme. »Finni, deine Mutter wird nicht mehr zurückkommen. Wir zwei müssen es allein schaffen. Du bist jetzt die Hausfrau und ich kann hier im Wald und auf den umliegenden Gehöften arbeiten. Ich weiß, du willst, dass alles wieder so ist wie früher. Aber das geht einfach nicht.«

Er wollte es seiner Tochter gegenüber nicht zugeben, doch er hatte es in ihrer alten, früher so heimeligen, Hütte nicht mehr ausgehalten, in der sie viele Jahre als recht glückliche Familie zusammengelebt hatten. Alles darin erinnerte ihn an seine Frau und die beiden Jungen, die ihrer Mutter so sehr ähnelten. Mit den sommersprossigen Gesichtern, aus denen stets lachende Augen strahlten, waren sie seine größte Freude gewesen. Natürlich liebte er auch seine Tochter, sehr sogar. Aber sie schien immer so ernst und in sich gekehrt. Als er das Angebot erhalten hatte, hier arbeiten zu können, hatte er keinen Moment gezögert. Es war eine Flucht vor seinen Erinnerungen, seinen Gefühlen.