Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente. Band 10 - Friedrich Hölderlin - E-Book

Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente. Band 10 E-Book

Friedrich Hölderlin

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Beschreibung

Mit dieser Ausgabe schließt der Herausgeber, der als einfacher Leser begann, seine Arbeit ab. Sie enthält auf 3.000 Seiten das Resultat der 1974 begonnenen Arbeit, die für ihn von Anfang an keinen anderen Zweck hatte als den hier vorgelegten, gegenüber allen früheren und noch im Handel erhältlichen Ausgaben wesentlich erweiterten und korrigierten Text …

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Inhaltsverzeichnis
 
EINLEITUNG
 
1802. - Fortsetzung.
1803
 
Copyright
EINLEITUNG
X
Auch Landgraf Friedrich Ludwig von Hessen-Homburg ist in Regensburg. Sinclair sagt, er habe bei Hölderlin nie grösere Geistes u. SeelenKraft gesehen. Der Landgraf bittet ihn ihn um ein Gedicht, um das er Klopstock, noch kurz vor dessen Tode, gebeten hatte. Um eines, das vom Leiden des Wortes spräche, den geistigen Katastrophen, auf Patmos erkannt und aufgezeichnet, zu denen die schlechten Exegesen gehören, von Stuhl und Lehrstuhl herab. Der Gesang dieses Namens entsteht nach der Rückkehr, umrahmt von den Seitenstücken Der Einzige und Die Titanen.
 
Und er sucht einen Weg zurück ins Leben. Geht um Palmsonntag ins Unterland zur Base Eberhardine Blöst nach Klingenberg am Neckar, die er unverändert findet. Ihm zugeneigt, jetzt mehr noch als vorher. Es giebt einen Naturzustand …, vor allem wohl in der Liebe. Auf einem Blatt des Foliohefts, das die Gesänge aufnimmt, notiert er den Entwurf zu Tinian, der Insel im Ozean, von der er las, verborgen im Knabengebüsch, von der dann die Bomber aufstiegen, nach Hiroshima und Nagasaki.
 
Im Sommer geht er noch einmal dorthin, quer durch die Wälder, unrasiert und staubig. Schelling sieht ihn in Murrhardt. … sein Äußeres bis zum Ekelhaften vernachlässigt, schreibt er an Hegel. Eberhardine sah das ein wenig anders: Nicht will wohllauten / Der deutsche Mund / Aber lieblich am stechenden Bart rauschen / Die Küsse. So im aufgegebenen Eingang zum Gesang Die Nymphe. Deswegen Vorhaltungen genug, seitens der Mutter und Schwester. O ja: Schön ist / Der Brauttag, bange sind wir aber / Der Ehre wegen. Das sieht das ein und dichtet im September den Verzicht. Die Farbe der Jahreszeit verwandelt sich unter der Feder in die des falben Papiers, auf dem die Worttrauben auf Leser warten.
Auf falbem Laube ruhetDes Weines Hoffnung, also ruhet auf der WangeDer Schatten von dem goldenen Schmuk, der hängtAm Ohre der Jungfrau.
 
Und ledig soll ich bleiben…
 
Nach mosaischem Recht, das in diesem Fall Naturrecht ist, hatte der unvermählte Bruder an die Stelle des für die Welt Gestorbenen zu treten. Dies tut der später geadelte Carl Gock. Er heiratet Eberhardine den nächsten Mai. Wilmans in Frankfurt übernimmt den Verlag der Trauerspiele des Sophokles, gewidmet Prinzessin Auguste. Erbittet Anfang Dezember kleine Gedichte für sein Taschenbuch der Liebe und Freundschaft gewidmet. Hölderlin schickt sechs Oden und drei hymnische Proben, darunter Hälfte des Lebens. Spricht von Nachtgesängen - nach einem Lied Goethes in Cottas konkurrierendem Almanach. Sinclair sendet Geld für die Reise nach Homburg. Hölderlin, der meint, es handle sich um ein Geschenk der Prinzessin, entwirft für sie den Gesang Die Titanen neu. Viel hab’ ich dein / und deines Sohnes wegen / Gelitten, o Madonna…
1802.
Fortsetzung.
Ab Ende Oktober. I-1: Unendlich hie… (311/1-4). Von dem in drei Phasen entstehenden Entwurf zu, dem15strophigen Mittelstück der zweiten Gesangtriade ist die zweite Hälfte überliefert. In ihm wird schon Landgraf Friedrich von Hessen-Homburg angeredet, der noch im Frühjahr Klopstock um ein Gedicht gebeten hatte, das seinem Werk die Krone aufsetzte und die zeitgenössischen Exegeten beschämen würde. Klopstock, im letzten Jahr seines Lebens, hatte geantwortet, daß er dazu nicht mehr in der Lage sei. Hölderlins Entwurf schließt zunächst - ohne den später aufgegebenen nationellen Schlußsatz - mit Der Vater aber / Liebt am meisten, daß / Der veste Buchstab / Gedeutet werde.
Unendlich hie oder dorthin
Zerstreuet die Liebenden Gott
Denn schon das Angesicht zu lassen,
Und fernhin über die Berge zu gehn,
 
Wenn aber stirbt,
 
Und wenn sie die
Zusammenlebten im Gedächtniß,
 
Und nicht den Staub nur, oder
Die Tempel
wenn die Ehre
Des Halbgotts und der Seinen
Verweht, und selber sein Angesicht
Der Himmlische wendet, daß nirgend ein
Unsterbliches mehr
was ist diß?
 
Es ist der Wurf wenn er faßt mit der Schaufel den Waizen und ans Ende der Tenne.
Die Spreu fällt ihm zu Füßen,
Denn göttliches Werk auch gleichet dem unsern.
Zwar so lange
 
Wenn aber einmal sich Unheiliges und die Edeln un nachahmet ein Knecht
 
Dann kommen, im Zorne sichtbar die Götter, denn gütig sind sie, ihr Verhaßtestes aber ist, so lange sie herrschen, das Falsche.
Es gilt dann Menschliches unter Menschen nicht mehr, und unverständlich und gesezlos vor Augen der Sterblichen ihr eigenes Leben, denn sie nicht walten mehr, es waltet aber den fernhinzielenden und mit der allversöhnenden Erde der alldurchdringende Gott, der hält lebendige Treue. So schreitet fort der Götter Schiksaal voll des Todes und Lebens bis wieder die Himmlischen beim rechten Nahmen genannt sind, siehe! der unerschöpfliche Gott,
Die halten treu endlos. So schreitet fort der Götter Schiksaal wundervoll u. voll des Todes und Lebens und es wandelt ihr Werk von selbst und eilend geht es zu Ende. Nicht alles, was geheiliget war da ihre Hand ergriffen, u. da sie ruhig nun, in ihren Thaten erkannt, wieder die Himmlischen beim rechten Nahmen genannt sind,
Dann ist die Zeit des Gesangs
Und wenn die Himmlischen izt,
Wie ich es meine, mich lieben
Wie viel mehr dich?
Denn Eines weiß ich von dir,
Daß nemlich
 
Zu lang zu lang schon ist
Die Ehre der Himmlischen unsichtbar
Denn fast die Finger müssen
Uns führen, und schmählich
Entreißt das Herz eine Gewalt.
Denn Opfer will der Himmlischen jedes
Wenn aber eines versäumt ward,
Nie hat es Gutes gebracht.
Wir haben gedienet der Mutter Erd
Und haben jüngst dem Tagesgotte gedient,
Unwissend, der Vater liebt
Der über allem waltet
Am meisten, daß gepfleget werde
Der veste Buchstab und bestehendes wohl
Gedeutet. Dem folgt deutscher Gesang.
 
 
Der Einzige 1: Was ist es… (p. 16-19). Im Anschluß an die drei Elegien wird zunächst die Endstufe eines nicht überlieferten Vorentwurfs zu dem neunstrophigen Gesang Der Einzige 2 -in fast korrekturloser Abschrift - in das Folioheft eingetragen. Die ablesbare Strophenordnung ist: 12 -12 - 11 | 12 - 12 - 11 | 12 - 12 -12. Zur Vollendung des Gesangs fehlen in Strophe 6 noch 5, in Strophe 7 noch 7, in Strophe 8 noch 3 Zeilen.
Der Einzige.
Was ist es, dasAn die alten seeligen KüstenMich fesselt, daß ich mehr nochSie liebe, als mein Vaterland?Denn wie in himmlischeGefangenschaft verkaufftDort bin ich, wo Apollo giengIn Königsgestalt,Und zu unschuldigen Jünglingen sichHerablies Zevs und Söhn’ in heiliger ArtUnd Töchter zeugteDer Hohe unter den Menschen?
 
Der hohen Gedanken Sind nemlich vielEntsprungen des Vaters Haupt Und große SeelenVon ihm gekommen.Gehöret hab’ ichVon Elis und Olympia, bin Gestanden, oben auf dem Parnaß, Und über Bergen des Isthmus, Und drüben auchBei Smyrna und hinabBei Ephesos bin ich gegangen.
 
Viel hab’ ich schönes gesehn,Und gesungen Gottes Bild Hab’ ich, das lebet unterDen Menschen, aber dennochIhr alten Götter und allIhr tapfern Söhne der Götter Noch Einen such ich, denIch liebe unter euch,Wo ihr den lezten eures Geschlechts Das Haußes Kleinod mirDem fremden Gaste verberget.
 
Mein Meister und Herr!O du, mein Lehrer!Was bist du ferneGeblieben? und daIch fragte unter den Alten,Die Helden undDie Götter, warum bliebestDu aus? Und jezt ist vollVon Trauern meine SeeleAls eifertet, ihr Himmlischen, selbst Daß, dien’ ich einem, mirDas andere fehlet.
Ich weiß es aber, eigene Schuld Ists! denn zu sehr,O Christus! häng’ ich an dir, Wiewohl Herakles BruderUnd kühn bekenn’ ich, duBist Bruder auch des Eviers, der An den Wagen spannteDie Tyger und hinabBis an den Indus Gebietend freudigen DienstDen Weinberg stiftet undDen Grimm bezähmte der Völker.
 
Es hindert aber eine Schaam Mich dir zu vergleichenDie weltlichen Männer. Und freilich weiß Ich, der dich zeugte, dein Vater, Derselbe, der,
 
 
 
 
Denn nimmer herrscht er allein.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Es hänget aber an EinemDie Liebe. DiesesmalIst nemlich vom eigenen Herzen Zu sehr gegangen der Gesang,Gut will ich aber machenDen Fehl, mit nächstemWenn ich noch andere singe.Nie treff ich, wie ich wünsche,Das Maas. Ein Gott weiß aberWenn kommet, was ich wünsche das Beste. Denn wie der MeisterGewandelt auf Erden
 
 
 
 
Ein gefangener Aar,Und viele, dieIhn sahen, fürchteten sich,Dieweil sein Äußerstes thatDer Vater und sein Bestes unterDen Menschen wirkete wirklich,Und sehr betrübt war auchDer Sohn so lange, bis erGen Himmel fuhr in den LüftenDem gleich ist gefangen die Seele der Helden. Die Dichter müssen auchDie geistigen weltlich seyn.
I-2: Wo aber die Gefahr… Notiert wird zunächst nur der zweite Teil des offenbarende und vernunftgemäßere Sprache verbindenden konjunktionsdialektischen Eingangs.
Patmos.
 
 
 
Wo aber die Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Die Titanen I-1: Titel (p. 28). Nach acht leeren, für die Ausführung von Patmos zu knapp bemessenen Seiten.
Die Titanen.
 
Heimath I-1: Titel (p.38). Nach zwanzig leeren Seiten der ersten Anordnung des Konvoluts.
Heimath.
 
Kolomb I-1: Wünscht’ ich der Helden… (p. 77-82). Zweistufiges Konzept gegen Schluß des Foliohefts. Der Beginn der zweiten Niederschrift - meines du - setzt das aufgegebene, in der jetzt häufiger zu beobachtenden dichterischen Ökonomie, hier adaptierte Segment Griechenland 4 Wie aber jezt… voraus. An einer so überschriebenen Hymne arbeitete Hölderlin schon im Dezember 1789.
Kolomb.
 
Wünscht’ ich der Helden einer zu seyn
Und dürfte frei es bekennen
So wär’ es ein Seeheld. und es ist noth,
Den Himmel zu fragen.
Wenn du sie aber nennest
Anson und Gama
 
 
Gewaltig ist die Zahl
Gewaltiger aber sind sie selbst
Und machen stumm
 
Die Männer.
 
Dennoch
 
Und hin nach Genua will ich
Zu erfragen Kolombos Haus
Wo er
 
In süßer Jugend gewohnet. meinest du
 
 
So du
Mich aber fragest
 
So weit das Herz
Mir reichet, wird es gehen.
 
Ein Murren was es, ungedultig
 
Doch da hinaus, damit
Vom Plaze
Wir kommen, also rief
Gewaltig richtend
Die Gesellen die Stimme des Meergotts, Die reine, daran Heroen erkennen, ob sie recht Gerathen oder nicht -
 
Sie sahn nun
 
Es waren nemlich viele
Der schönen Inseln, damit
Mit Lissabon
 
Und Genua theilten,
 
Denn einsam kann
Von Himmlischen den Reichtum tragen Nicht eins; wohl nemlich mag
Den Harnisch dehnen ein Halbgott, dem Höchsten aber
Ist fast zu wenig
Das Wirken wo das Tageslicht scheinet,
Und der Mond,
Darum auch so
Nemlich öfters, wenn
Den Himmlischen zu einsam
Es wird, daß sie allein zusammenhalten oder die Erde; denn allzurein ist
Entweder
 
Dann aber
 
Spuren der alten Zucht.
 
 
Patmos I-3: Nah ist / Und schwer zu fassen… (p. 19-22). Wie der zweite, am 20. Dezember abgeschickte Brief der Mutter an Sinclair belegt, entsteht in den folgenden Wochen der im Wechsel von Niederschrift und Überarbeitung fortschreitende Patmos-Entwurf. Die hier wiedergegebene zweite Niederschrift dürfte der Vorstufe auf dem nicht überlieferten ersten Doppelblatt entsprechen. Hinzuweisen ist auf das topographische Detail der realen Wanderung Asia zu. Das dann vmtl. als zu naturalistisch empfundene und neugefaßte Bild …hochgehoben ein silbern Geländer der Horizont dürfte der querliegenden Adula-Kette gelten, die ihm den Weg dem Kaukasos zu versperrte und hiermit als realer Anblick die visionäre Ansicht der Sprach- und Denkform vertritt, die Gegenstand des Gesangs ist.
Patmos.
 
 
Nah ist
Und schwer zu fassen der Gott.
Wo aber Gefahr ist, wächst
Das Rettende auch.
Im Finstern wohnen
Die Adler und furchtlos gehn
Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg Auf leichtgebaueten Brüken.
Drum, da gehäuft sind rings
Die Gipfel der Zeit
Und die Liebsten nah wohnen auf Getrenntesten Bergen
So gieb unschuldig Wasser
O Fittige gieb uns, treuesten Sinns Hinüberzugehen und wiederzukehren.
 
So sprach ich, da entführte
Mich schneller, denn ich vermuthet Und weit, wohin ich nimmer
Zu kommen gedacht, ein Genius mich Vom eigenen Hauß’. Es dämmerten Im Zwielicht, da ich gieng
Der schattige Wald
Und die sehnsüchtigen Wasser
Der Heimath, nimmer kannt ich die Länder. Doch bald in frischem Glanze
 
 
 
 
Und geblendet sucht’
Ich eines, das ich kennete,
Denn ungewohnt war ich
Der breiten Gassen, wo herab
Vom Tmolus fährt
 
Der goldgeschmükte Pactol
 
Und hochgehoben, ein silbern Geländer Der Horizont
Die feierlichen,
Die göttlichgebauten Palläste.
 
Es rauschen aber um Asias Thore Hinziehend da und dort
In ungewisser Meeresebene
Der schattenlosen Straßen genug. Doch kennt die Inseln der Schiffer. Und da ich hörte,
Der nahegelegenen eine
Sei Patmos,
Verlangte mich sehr
Dort einzukehren und dort
Der dunkeln Grotte zu nahn.
Denn nicht, wie Cypros oder
Der anderen eine wohnt herrlich Patmos
 
Gastfreundlich aber ist
Im ärmeren Hauße
Sie dennoch,
Und wenn vom Schiffbruch oder klagend Um die Heimath oder
Den abgeschiedenen Freund
Ihr nahet einer
Der Fremden, hört sie es gern
Das Wort und ihre Kinder
Die felsbewohnenden Lüfte
Und die Felsen hören ihn
Und liebend tönt es wieder
Von den Klagen des Manns. So pflegte Sie einst des gottgeliebten
Des Sehers.
In seeliger Jugend gegangen
War er
Dem Sohne des Höchsten
 
 
Denn es liebte
Der Herrliche
 
Und sahe noch zulezt
Das Angesicht
Da sie
Am Gastmal
7.November. Von Isaak von Sinclair. Regest Gustav Schlesiers. Hölderlins Antwort vom 22. November gehörte zu den am 2. März 1805 beschlagnahmten Papieren.
Homburg v. d. H., den 7. Nov. 1802.
Preisend ein Gedicht von Pindarischem Schwung, das ihm H. geschickt. Hebt die goldnen Pfeile der Liebe hervor. - Hat eine Reise durch Schwaben nach Regensburg, aber so schleunig gemacht, daß er H. nicht besuchen konnte. „Unsere Sache ist noch nicht entschieden, u. wir konnten nicht länger in Regensburg bleiben, ohne daß wir gerade mehr Hoffnung gehabt hätten, als zuvor. Der Winter, der uns trennt, soll schnell vergehen. Doch würdest du mich freuen, wenn du mich die Zeit nicht ohne etwas von dir ließest, und du mir einige deiner Gedichte schicktest.” Horn, der in Regensburg ist, werde H. nächstens schreiben.
 
Vmtl. Ende November. Friedrich Horn aus Regensburg an Isaak von Sinclair. Ehemals Staatsarchiv Wiesbaden; entwendet. Regest Werner Kirchners im Nachwort zu Hölderlin, Patmos, Tübingen 1949.
Hölderlin hat mir sein Manuskript der Übersetzung des Sophocles übersandt, um den Verlag zu bewirken. Unger hat ihn abgelehnt; er sey zu überhäuft. Merkel hat Böhlendorffs Gedichte in dem Taschenbuch sehr herabwürdigend critisirt. Nun will B. einen Anti-Merkel schreiben.
Vmtl. November. Anonymer Verfasser (dem ziemlich prosaisch nach vielleicht Friedrich Weisser), in Geist der Journale im Gebiete der schönen Wissenschaften und Künste, 7. Stück. 1802 zu den vier in der Flora erschienenen Gedichte. Der Gruppe vorausgehen Miszellen zum gegenwärtigen Gottbegriff. Die ihr folgende Anekdote - nach dem Französischen - trägt den Titel Der umgeworfene Karren. Die Miscellen etc. enthalten gute mittelmässige und schlechte Gnomen, und die darauf folgenden Gedichte sind - ziemlich prosaisch, und unsere Leser verlieren wenig, wenn wir sie übergehen. Aber, um den schönen Genuss der folgenden Anekdote wollen wir sie nicht bringen…
 
 
Vmtl. Mitte Dezember. An Casimir Ulrich von Böhlendorff. Durch Abschrift und Druckin Chr. Th. Schwabs Ausgabe von 1846 sowie Regest Gustav Schlesiers überlieferter Entwurf. Die Bemerkung …daß wir darum nicht aufkommen… läßt erkennen, daß er von der kränkender Rezension Garlieb Merkels erfahren hat.
 
Mein Theurer!
Ich habe dir lange nicht geschrieben, bin indeß in Frankreich gewesen und habe die traurige einsame Erde gesehn; die Hirten des südlichen Frankreichs und einzelne Schönheiten, Männer und Frauen, die in der Angst des patriotischen Zweifels und des Hungers erwachsen sind.
Das gewaltige Element, das Feuer des Himmels und die Stille der Menschen, ihr Leben in der Natur, und ihre Eingeschränktheit und Zufriedenheit, hat mich beständig ergriffen, und wie man Helden nachspricht, kann ich wohl sagen, daß mich Apollo geschlagen.
In den Gegenden, die an die Vendée gränzen, hat mich das wilde kriegerische interessirt, das rein männliche, dem das Lebenslicht unmittelbar wird in den Augen und Gliedern und das im Todesgefühle sich wie in einer Virtuosität fühlt, und seinen Durst, zu wissen, erfüllt.
Das Athletische der südlichen Menschen, in den Ruinen des antiquen Geistes machte mich mit dem eigentlichen Wesen der Griechen bekannter; ich lernte ihre Natur und ihre Weisheit kennen, ihren Körper, die Art, wie sie in ihrem Klima wuchsen, und die Regel, womit sie den übermüthigen Genius vor des Elements Gewalt behüteten.
Diß bestimmte ihre Popularität, ihre Art, fremde Naturen anzunehmen und sich ihnen mitzutheilen. Darum haben sie ihr Eigentümlichindividuelles, das lebendig erscheint, so fern der höchste Verstand im griechischen Sinne Reflexionskraft ist, und diß wird uns begreiflich, wenn wir den heroischen Körper der Griechen begreifen; sie ist Zärtlichkeit, wie unsere Popularität.
Der Anblik der Antiquen hat mir einen Eindruk gegeben, der mir nicht allein die Griechen verständlicher macht, sondern überhaupt das Höchste der Kunst, die auch in der höchsten Bewegung und Phänomenalisirung der Begriffe und alles Ernstlichgemeinten dennoch alles stehend und für sich selbst erhält, so daß die Sicherheit in diesem Sinne die höchste Art des Zeichens ist.
Es war mir nöthig, nach manchen Erschütterungen und Rührungen der Seele mich vestzusezen auf einige Zeit, und ich lebe indessen in meiner Vaterstadt.
Die heimathliche Natur ergreift mich auch um so mächtiger, je mehr ich sie studire. Das Gewitter, nicht blos in seiner höchsten Erscheinung, sondern in eben dieser Ansicht, als Macht und als Gestalt, in den übrigen Formen des Himmels, das Licht in seinem Wirken, nationell und als Prinzip und Schiksaalsweise bildend, daß uns etwas heilig ist, sein Gang im Kommen und Gehen, das Karakteristische der Wälder und das Zusammentreffen in einer Gegend von verschiedenen Karakteren der Natur, daß alle heiligen Orte der Erde zusammen sind um einen Ort und das philosophische Licht um mein Fenster ist jezt meine Freude; daß ich behalten möge, wie ich gekommen bin, bis hieher!
Mein Lieber! ich denke, daß wir die Dichter bis auf unsere Zeit nicht commentiren werden, sondern daß die Sangart überhaupt wird einen anderen Karakter nehmen, und daß wir darum nicht aufkommen, weil wir, seit den Griechen, wieder anfangen, vaterländisch und natürlich, eigentlich originell zu singen.
Schreibe doch nur mir bald. Ich brauche deine reinen Töne. Die Psyche unter Freunden, das Entstehen des Gedankens im Gespräch und Brief ist Künstlern nöthig. Sonst haben wir keinen für uns selbst; sondern er gehöret dem heiligen Bilde, das wir bilden. Lebe recht wohl.
Dein
H.
Vmtl. 2. Dezember. Von Casimir Ulrich von Böhlendorff, als Beilage zum folgenden Brief Sinclairs. Regest Gustav Schlesiers. Berlin, Dez. 1802.
Dankt für Hölderlins Brief und begrüßt den Heimgekehrten ins Vaterland. - Erbittet sich Beiträge für sein nächstes Taschenbuch. Er will das nächste Mal seine Wahl noch sorgfältiger beschränken.
 
Von Isaak von Sinclair. Regest Schlesiers mit der Vorbemerkung: Sinclair schickte ihm diesen Brief u. schrieb dazu:
„Frau von Kalb läßt Dir sagen, daß sie sehr gute Nachrichten in Betreff ihrer Vermögens-Angelegenheiten erhalten habe, worüber Du Dich auch freien wirst.” - Fr. v. Kalb rathe ihm, seinen Sophocles Göschen in Leipzig oder Frommann in Jena zum Verlag anzubieten. Sie wolle auch deshalb an den Prof. Mehmel in Erlangen schreiben, daß er ihm dort einen Verleger verschaffe.
 
Anfang Dezember begonnen, am 20. abgeschickt. Johanna Christiana Gock an Isaak von Sinclair. Ehemals Staatsarchiv Wiesbaden; entwendet. Druck in Käte Hengsberger, Isaak von Sinclair, der Freund Hölderlins, Berlin 1920.
Hochwohlgeborner Herr!
Wie werde ich vermögend seyn, mich wegen meiner anscheinenden Undankbarkeit, oder gleichgültigkeit gegen Sie entschuldigen zu können. und ebenso wenig sind meine Worte und Feder hinreichend den gehorsamsten, u. verbindlichsten Dank auszudrücken vor die mehr als brüderliche Gewogenheit, u. Beweisse Edler Freundschaft die Sie verehrungswürdigster Freund meines l. Sohns, ihm schon seit mehreren Jahren, besonders aber in dem lezt verflossenen Jahr gegeben haben.
Da ich keinen Ausdruck finde dem Großmüthigen Herrn Landgrafen, u. Euer Hochwohlgeboren vor die große Wohlthaten, meinen innigen Dank zu bezeugen, so dörfen Sie versichert seyn, daß es Ihnen auf meine heiße Wünsche- - vor Ihr Wohl gewiß in der Ewigkeit wird vergolten werden. was Sie Beide Edle Wohlthäter an meinem bedauernswürdigsten Sohn thun, u. schon gethan haben. u. doppelt Edel ist Ihre großmüthige Menschenfreundliche Handlung da es von uns so ganz unverdient ist, u. wir auch nie im Stande seyn werden, Ihnen verehrungwürdigster Gönner, nur im kleinen einen Freundschaftsdienst zu erweissen. schon seit der glücklichen Ankunft meines l. Sohns aus Regenspurg nahm ich mir jeden Bottentag vor Euer Hochwohlgeboren zu schreiben, u. Sie gehorsamst zu bitten, daß sie die Gewogenheit vor mich haben möchten dem
H. Landgrafen meinen untertanigsten Dank zu bezeugen, u. auch Euer Hochwohlgeboren habe ich viel, sehr viel zu danken. mein l. Sohn schikte aber sein kurzes Schreiben an Sie so schnell ab, u. weil er sagte er schreibe in 8 Tagen wieder, u. wollte in einem gedicht dem H. Landgrafen seine unterthänigste Danksagung beylegen so glaubte ich imer dieses schreiben abwarten zu können, diesen Vorsatz wiederholte er auch täglich, u. zu seiner entschuldigung muß ich laider sagen, daß seine Gemüths Stimung eben laider noch nicht gut, u. da er dieses selbst fühlt, wolte er eine Besernheit abwarten, Auf die Reise nach Regenspurg welche er der gnade des H. Landgrafen, u. Euer Hochwohlgeboren zu verdanken hatte, befand er sich einige Zeit in einer ruhigen Fassung, u. ich hatte die beste Hoffnung, daß Sie das Edle Werkzeug zu seiner Genesung seyen. aber laider scheint sich eben diese Beserung zu verzögern.
Da er sich durch Arbeiten öfters sehr anstrengt, u. wenig sich Bewegung macht, auch auf das dringende Freundschaft einladen seiner Freunde mit niemand keinen Umgang hat, so ist laider wenig hoffnung, wan uns der l. Gott nicht wieder mit seiner gnädigen Hülfe erfreut. wie empfindlich dieses vor mich ist können Euer Wohlgeboren denken.
Ich berge nicht, daß ich sehr viele sorge habe, wan die traurige umstände bey meinen l. Sohn sich nicht beserten, weil er so groses Verlangen bezeugt, auf das komende Frühjahr von der gnädigsten Erlaubniß, u. freundschaftlichste Einladung zu provitieren, u. einen Besuch bey Ihnen zu machen, welches doch unter solchen traurigen Umständen nicht möglich wäre, er würde u. müßte Euer Wohlgeboren lästig werden. welches mir unendlich laid wäre, Ihre Großmuth, u. Freundschaft soll nicht mißbraucht werden. solte es aber wieder beser werden, welches der l. Gott geben wollte, u. es fände sich in Homburg eine solche Edle Familie die sich seiner in allen Fällen annehme, u. gut mit ihm meinte, u. ihn vor Kost u. Logiegeld ganz besorgte, so wolte ich mit Vergnügen beytragen, weil ich an seiner Rettung, u. Genesung gewis nichts ermangeln lasse, was in meinen Kräften steht. Der hiesige H. Doctor Planck u. seine übrige Freunde sagen daß er bey uns benglichen Frauenzimer, so schonend wir ihn auch behandeln, sich nicht leicht besern werde, da wir nicht imstande sind ihn zu unterhalten, u. zu zerstreuen, so sey er zu viel sich selbst überlassen, auch nimt er weder von meiner l. Tochter die sonst sehr viel bey ihm sich weiß beliebt zu machen. noch von mir etwas an, das ihm dienlich wäre.
Verzeihen Sie verehrungswürdigster Freund, daß ich Sie mit diesen trauerzeilen beschwert habe, da ich aber von Ihrer Großmüthigen u. Edlen theilnahme überzeugt bin, so glaubte ich Ihnen auch nachrichten von dem Befinden Ihres mitleidenswürdigen Freundes schuldig zu seyn, weil ich nicht weiß, ob, wie, u. was er Ihnen von sich schreibt. Meinen Schuldigkeit wäre es dem großmüthigen Herrn Landgrafen vor die große Gnade, u. Unterstüzung meines unglücklich l. Sohns meinen untherthänigen Dank zu bezeugen, ich finde mich aber hierzu zu unvermögend, haben Sie die Gewogenheit zu der unendlich vielen Freundschaft die Sie vor uns haben auch noch diese, es bey gelegenheit es vor mich zu thun.
u. dan muß ich auch noch diese Bitte an Euer Hochwohlgeboren beyfügen daß Sie von diesem schreiben weder schriftlich noch mündlich gegen meinen l. Sohn etwas berühren.
so weit schrieb ich vor einigen Wochen, u. glaubte das schreiben meines l. Sohns abwarten zu können, aber das gedicht an H. Landgrafen zu welchem er sich imer nicht um es zu enden, gut genug gestimt glaubt. es ist ihm auch laid daß sein Schreiben sich so lang verzögert, ich bitte also gehorsamst das Euer Hochwohlgeboren ihm verzeihen da es nicht auf Mangel an Hochachtung so lange unterbleibt ich hoffe aber längstens in 8 tagen werde es geschehen. Euer Hochwohlgeboren empfehle ich mich nebst meinem l. Sohn in die Fortdauer Ihrer Gewogenheit u. habe die Ehre in der vollkomensten Hochachtung zu verharren
Ihre unterthanig gehorsamste Dienerin
J. C. Gockin.
1803
Heinrich Julius Ludwig von Rohr in Neue allgemeine deutsche Bibliothek zu Vermehrens Musenalmanach 1803
Abgerechnet einige niedliche Kleinigkeiten … ist fast alles Uebrige poetischer Plunder, und theils matter, theils wahrer Unsinn, der besser ungedruckt geblieben wäre
 
 
In Zeitung für die elegante Welt zum gleichen Almanach.
Die speziellere Beurtheilung des Almanachs von Bernhard Vermehren … überlässt die Z. f. d. e. W. andern Journalen, in welchen aber Gerechtigkeit waltet. Man wird gewiss manch artiges, ja einige ausgezeichnet schöne Gedichte darin finden, die man als herrliche Blüthen und Früchte der Poesie betrachten kann; aber freilich, wie überall in poetischen Wildnissen, unter Unkraut und Gänseblümchen verstreut. Doch muß man sagen, dass das Gute ganz unbedingt den grösseren Theil des Almanachs füllt.
 
 
13. Januar. Patmos I-6: Nah ist / Und schwer zu fassen… (415/1-10). Mit einem der im März 1805 beschlagnahmten Briefe erhält Isaak von Sinclair das Widmungsexemplar von Patmos. Sinclair überereicht die kalligraphisch mustergültige Reinschrift zum Geburtstag des Landgrafen Friedrich am 30. Januar 1803. Ihr ging ein in der zweiten Strophe (wegen eines Schreibfehlers abbrechender) Ansatz (I-4) und die in wenigen Details abweichende, später zur 18strophigen Version II umgeformte und erweiterte Reinschrift (I-5) voraus.
Patmos.
Dem Landgrafen von Homburg.
 
Nah ist Und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist, wächst Das Rettende auch. Im Finstern wohnen Die Adler und furchtlos gehn Die Söhne der Alpen über den Abgrund weg Auf leichtgebaueten Brüken.
Drum, da gehäuft sind rings Die Gipfel der Zeit, und die Liebsten Nah wohnen, ermattend auf Getrenntesten Bergen, So gieb unschuldig Wasser, O Fittige gieb uns, treuesten Sinns
 
Hinüberzugehn und wiederzukehren. So sprach ich, da entführte Mich schneller, denn ich vermuthet Und weit, wohin ich nimmer Zu kommen gedacht, ein Genius mich Vom eigenen Hauß’. Es dämmerten Im Zwielicht, da ich gieng Der schattige Wald Und die sehnsüchtigen Bäche Der Heimath; nimmer kannt’ ich die Länder; Doch bald, in frischem Glanze, Geheimnißvoll Im goldenen Rauche, blühte Schnellaufgewachsen, Mit Schritten der Sonne, Mit tausend Gipfeln duftend,
 
Mir Asia auf, und geblendet sucht’ Ich eines, das ich kennete, denn ungewohnt War ich der breiten Gassen, wo herab Vom Tmolus fährt Der goldgeschmükte Pactol Und Taurus stehet und Messogis, Und voll von Blumen der Garten, Ein stilles Feuer; aber im Lichte Blüht hoch der silberne Schnee; Und Zeug unsterblichen Lebens An unzugangbaren Wänden Uralt der Epheu wächst und getragen sind
© 2004 Luchterhand Literaturverlag, München in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlag: R.M.E / Roland Eschlbeck Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany
eISBN : 978-3-641-01122-2
 
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