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Sarada Devi (1853-1920), die Gemahlin Ramakrishnas, führte das einfache Leben einer hinduistischen Hausfrau. Sie lebte zeitweise bei ihrem Mann in der Tempelanlage von Dakshineswar und kochte für ihn und seine Schüler. Ramakrishna unterwies sie in spirituellen Dingen, und sie wurde seine erste Schülerin. Nach seinem Tod führte sie seine Arbeit fort und hatte eigene Schüler, die sie ins spirituelle Leben einweihte. Zudem kümmerte sie sich um ihre Familie und zog ihre Nichte Radhu groß. Ihre Hauptrolle war stets die der Mutter aller. Die Mönche des Ramakrishna-Ordens betrachteten sie als die Mutter des Ordens und folgten ihrem Rat. Saradas Leben verlief äußerlich unspektakulär, war aber von einer besonderen spirituellen Tiefe geprägt. Deshalb wird sie als die "Heilige Mutter" verehrt. Ihr wird der gleiche Stellenwert wie Ramakrishna zugesprochen.
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Seitenzahl: 254
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Einleitung
Die indische Frau in der Hindu-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
Saradas Kindheit
Saradas frühe Heirat
Saradas erster Besuch in Dakshineswar
Die Shodashi Puja und die Zeit danach
Saradas Gefährtinnen
Krankheit und Tod Ramakrishnas
Pilgerreise (August 1886 – August 1887)
In Kamarpukur
In Kalkutta und an anderen Orten
Sarada und Swami Vivekananda
Sarada und die westlichen Frauen
Sarada und einige Verehrer
Die Swamis, die für Sarada sorgten
Im Udbodhan-Haus
Weitere Pilgerreisen
Der Belur Math
Saradas Familie
Radhu
Die Mutter aller
Sarada und die Tiere
Die letzten Monate und der Tod der Heiligen Mutter
Sarada als Guru
Saradas Lehre
Chronologie
Glossar
Literaturverzeichnis
Die Biografie über Sarada Devi, die Ehefrau und Gefährtin Ramakrishnas, ist in gewissem Sinn eine Fortsetzung der Biografie über Ramakrishna. Sie führte das einfache Leben einer hinduistischen Hausfrau, lebte mit den Mitgliedern ihrer Familie zusammen und übernahm für sie Verantwortung. Zugleich weihte sie viele Menschen ins spirituelle Leben ein und hatte viele Schüler/innen. Damit setzte sie das Werk Ramakrishnas fort. Sie spielte im Ramakrishna-Orden, der bald nach dessen Tod entstand, die Rolle der Mutter des Ordens. Sie betrachtete alle Mönche und Schüler/innen als ihre Kinder und schenkte ihnen ihre mütterliche Liebe. Deshalb wurde sie von allen „Heilige Mutter“ genannt.
Wir finden im Leben von Sarada wie auch von Ramakrishna viele Berichte von Visionen und Samadhi-Erfahrungen. Ihr Leben ist eingebettet in einen reichen hinduistischen Kontext der Götterverehrung, Riten, Vorschriften und Kastenregeln. Manche Verhaltensweisen sind nur zu verstehen, wenn man diesen Hintergrund bedenkt.
Die ausführlichste englischsprachige Biografie über Sarada stammt von Swami Chetanananda: „Sri Sarada Devi and Her Divine Play“. Sie ist zusammen mit dem „Gospel of the Holy Mother Sri Sarada Devi“ die Hauptquelle für dieses Buch.
Ich wünsche nun dem Leser/der Leserin viel Freude bei der Lektüre des Lebens einer außergewöhnlichen indischen Frau und spirituellen Lehrerin.
Gabriele Ebert
Das Leben der hinduistischen Frauen in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts war unscheinbar und bestand aus vorwiegend eintönigen Haushaltspflichten und der Kindererziehung. Sie waren ungebildet, bescheiden und ihrem Mann ergeben. So war es auch bei Sarada. Doch wenige Jahre nach ihrem Tod erkannte man, dass diese einfache Frau eine höchst erleuchtete Seele war. Heute wird ihr derselbe Respekt entgegengebracht wie Ramakrishna.
Die Stellung der indischen Frau entsprach der jeweiligen politischen und wirtschaftlichen Lage der Nation. War Indien frei, war auch die Frau frei. Während der Zeit der Fremdherrschaft durch den Islam wurde in Nordindien die Purdah, die strenge Isolierung der Frau in die inneren Bereiche des Hauses, eingeführt. Als Indien 1947 seine Freiheit erlangte, übernahm die Frau wieder eine größere Rolle im nationalen Leben. Zur Zeit Ramakrishnas spielte die hinduistische Reformbewegung des Brahmo Samaj eine bedeutende Rolle, der auch für die Frauenrechte und gegen die Verheiratung Minderjähriger eintrat sowie Bildung für Frauen forderte.
Im spirituellen Leben steht die Frau an der Seite ihres Gatten. Mann und Frau sind ohne einander unvollkommen. Dies wird durch die Hindu-Gottheit Ardhanarisvara symbolisiert, die halb Mann, halb Frau ist. Auch besitzen alle Gottheiten und göttlichen Inkarnationen eine Partnerin, die in der Rolle der Shakti, der schöpferischen Kraft, gesehen wird, während die männliche Gottheit den inaktiven Aspekt repräsentiert. Die hinduistische Mythologie ist voller Geschichten über Göttinnen wie Parvati, Sita, Radha und viele andere. Sarasvati ist die Göttin der Gelehrsamkeit, Lakshmi die Göttin des Wohlstands und Kali die Muttergottheit schlechthin, vor allem in Bengalen. Der Göttlichen Mutter Kali ist der Haupttempel in der Tempelanlage von Dakshineswar im Norden Kalkuttas (heute Kolkata) geweiht, die Rani Rasmani 1855 gegründet hatte und die im Leben Ramakrishnas und Saradas eine wesentliche Rolle spielt.
Die Hindu-Religion achtet die Frau hauptsächlich als Vertreterin der Mutterschaft Gottes. In der Hindu-Gesellschaft ist die Mutter, und nicht die Ehefrau, von Bedeutung. Wenn der Mann heiratet, bringt er seine Frau in seine Familie. Sie gehorcht der Schwiegermutter, achtet sie und darf nicht zwischen ihr und ihrem Sohn stehen. Erst wenn sie selbst Mutter wird, erhält sie einen höheren sozialen Status innerhalb der Familie. Auch fremde Frauen werden oft respektvoll mit „Mutter“ angesprochen, selbst wenn sie von niederer Herkunft sind.
Die Mutter steht den Kindern näher als der Vater, da ihre Liebe bedingungslos ist. Ihre Liebe symbolisiert somit die besondere Liebe Gottes. Von daher ist die Rolle, die Sarada als Mutter für die Verehrer, ihre Schüler und die Mönche Ramakrishnas spielt, der Schlüssel zum Verständnis ihres Wesens.
Saradas Kindheit zeigt viele Parallelen zu der Kindheit Ramakrishnas. Beide entstammten armen Brahmanenfamilien und wuchsen in entlegenen Dörfern in Bengalen auf, wobei die beiden Dörfer nur einige Meilen voneinander entfernt liegen. Zudem hatten die Eltern von beiden Visionen vor ihrer Geburt.
Sarada stammte aus Jayrambati, einem Dorf im Distrikt Bankura, etwa sechzig Meilen nordwestlich von Kalkutta gelegen. Jayrambati ist ein fruchtbares Dorf mit riesigen Feldern und mehreren Wasserspeichern, wo Reis, Weizen, Linsen, Kartoffeln, Bohnen, Chili, Zuckerrohr, Gewürze und Gemüse angebaut werden. Zu Saradas Zeit wurde auch Baumwolle angepflanzt. Dadurch konnte sich das Dorf selbst versorgen, den Überschuss verkaufen und andere nötigen Dinge wie Kleidung, Salz und Öl kaufen. Die Leute lebten in einfachen Strohhütten. Ein Lehrer unterrichtete die Kinder in der Vorhalle des Tempels. Religiöse Feste oder Theatervorstellungen aus der Hindu-Mythologie brachten Abwechslung in den monotonen Alltag.
In Jayrambati gibt es zwei Tempel. Der größere ist der Göttlichen Mutter Simhavahini, der Schutzgöttin des Dorfes, geweiht. Im südöstlichen Teil des Dorfes liegt ein weiterer kleiner Tempel der Göttin Shitala, den Saradas Familie besuchte. Im Herbst, wenn die Durga-Puja in diesem Tempel gefeiert wurde, kamen viele Leute aus den Nachbarorten.
Am nördlichen Dorfrand fließt der kleine Fluss Amodar vorbei. Es gibt zwei kleine Halbinseln, von denen eine als Begräbnisstätte dient. Die andere, die von Mango-, Banyan- und anderen Bäumen bestanden ist, wurde später ein beliebter Meditationsplatz für die Schüler Ramakrishnas.
Zur Zeit von Sarada war das Dorf sehr abgelegen und schwer erreichbar. Man musste durch weite Felder und einsame Gegenden mit dem Ochsenkarren fahren oder zu Fuß wandern. Kamarpukur, das Dorf, aus dem Ramakrishna stammte, liegt nur drei Meilen östlich.
In Jayrambati gab es zwei Brahmanenfamilien: die Bannerjees und die Mukherjees. Saradas Familie gehörte zu letzterer. Ihre Eltern waren Ramchandra Mukherjee und Shyamasundari. Sie waren arm, aber aufrichtig und gerecht und ihrer Familiengottheit Raghuvir (Ramachandra, Rama) ergeben.
DER AMODAR
Ramchandra hatte drei jüngere Brüder: Trailokya, Ishwar und Nilmadhav. Trailokya war ein Sanskritgelehrter, der aber früh starb. Ishwar verdiente etwas Geld, indem er in einigen Häusern in Kalkutta die Riten für die Familiengottheit ausführte. Die Brüder lebten zusammen, und Sarada wuchs in einem großen Familienverband auf. Die Großfamilie konnte sich nur mühsam durch ihre Einnahmen aus der Landwirtschaft und die Ausübung priesterlicher Dienste über Wasser halten.
Ihre Mutter Shyamasundari war tief religiös und stammte aus Sihar, einem Dorf in der Nachbarschaft.
Sarada beschrieb später ihre Eltern folgendermaßen: „Mein Vater war ein rechtschaffener Mann, ein aufrichtiger Verehrer von Ramachandra. Er hatte solch ein gutes Herz und ein freundliches Wesen, dass er jeden, der an seinem Haus vorbeikam, zum Rauchen einlud. Er rauchte sehr gern Tabak und drehte die Zigaretten selbst. Meine Mutter war freundlich und arglos und liebte es, den Leuten zu essen zu geben. Sie kümmerte sich sorgfältig um alle Hausarbeiten und sammelte Dinge, die man das Jahr über brauchte. Sie sagte: ‚Mein Haushalt ist für Gott und Seine Verehrer.‘ Wie hätte ich in diese Familie geboren werden können, wenn mein Vater und meine Mutter nicht religiöse Entbehrungen geübt hätten?“1
BEL-BAUM, WO SHYAMASUNDARI EINE VISION HATTE
Über Saradas Geburt gibt es folgende Legende, die sie selbst erzählte: „Meine Geburt war wie die des Meisters [Ramakrishna]. Meine Mutter ging nach Sihar, um die Gottheit [im Tempel] zu besuchen. Auf dem Heimweg hatte sie plötzlich das Gefühl, ihre Notdurft verrichten zu müssen, und ging ins Gebüsch unter einen Baum in der Nähe. Es war ein falsches Empfinden. Sie fühlte, als würde Luft in ihren Leib eindringen, wodurch sie sich sehr schwer fühlte. Sie blieb in diesem Zustand. Dann sah die ein schönes Mädchen von fünf oder sechs, das einen roten Sari trug, vom Baum herunterklettern. Es legte seine zarte Arme um ihren Hals und sagte: ‚Ich komme zu dir, Mutter.‘ Meine Mutter fiel bewusstlos zu Boden und musste nach Hause getragen werden. Das Mädchen trat in den Leib meiner Mutter ein, und so wurde ich geboren.“1
SHYAMASUNDARI
Ramchandra war zu dieser Zeit in Kalkutta. Bevor er nach Jayrambati zurückkehrte, hatte auch er ein ungewöhnliches Erlebnis. Während seines Mittagsschlafs sah er in einem lebhaften Traum ein junges, sehr schönes Mädchen von goldener Hautfarbe, das wertvolle Juwelen trug. Als sie ihn zärtlich umarmte, fragte er sie, wer sie sei. Sie antwortete: „Wie du siehst, bin ich in deine Familie gekommen.“ Ramchandra hielt das für ein günstiges Omen und interpretierte den Traum zunächst damit, dass Mutter Lakshmi (die Göttin des Wohlstands) sich ihm enthüllt hatte und er Geld verdienen könnte, wenn er in Kalkutta bei den Familien die Riten ausübte. Als er nach Jayrambati zurückkehrte, erzählte er seiner Frau seinen Traum und sie ihm ihr Erlebnis. Da kamen beide zu dem Schluss, dass eine Heilige in ihrer Familie geboren werden würde.
Am Donnerstagabend, dem 22. Dezember 1853, wurde Sarada1 als das erste Kind des Ehepaars geboren. Es wurde ein Muschelhorn geblasen, um die gute Neuigkeit zu verbreiten, wie es üblich war. Heute steht an ihrem Geburtsort ein Tempel, der am 19. April 1923 von Swami Saradananda, dem damaligen Sekretär des Ramakrishna-Math und Mission eingeweiht wurde. Das Mädchen erhielt den Namen Saradamani oder verkürzt Sarada. Ramchandra und Shyamasundari hatten in der Folge noch sechs weitere Kinder: die Tochter Kadambini und die fünf Söhne Prasanna, Umesh, Kalikumar, Barada und Abhay. Kadambini heiratete, starb aber jung und kinderlos. U-mesh starb unverheiratet mit siebzehn oder achtzehn. Abhay starb kurz nach seinem Medizinstudium und hinterließ seine Frau Surabala und seine Tochter Radhu, die nach seinem Tod geboren wurde und eine bedeutende Rolle im späteren Leben von Sarada spielte. Die anderen Brüder Prasanna, Kalikumar und Barada ließen sich in eigenen Häusern im Dorf nieder.
Sarada half ihrer Mutter von Kindheit an beim Kochen und Putzen und bei der Arbeit mit der Schälmaschine für den Reis sowie bei der Erziehung ihrer jüngeren Geschwister. Sie holte Wasser vom Banerjee-Teich und balancierte den Krug auf ihrer Hüfte wie die anderen Dorffrauen. Sie pflückte Baumwolle auf den Feldern und knüpfte damit Brahmanenschnüre, womit sie ein wenig zum Familieneinkommen beitrug. Manchmal watete sie bis zum Hals im Wasser, um Gras für die Rinder zu schneiden, und brachte den Feldarbeitern das Essen.
Sie berichtete: „In einem Jahr wurde die Reisernte durch die Heuschrecken vernichtet, und ich sammelte die Reisstängel von einem Feld nach dem anderen. Ich begleitete meine Brüder, wenn sie im Amodar-Fluss badeten, der für uns der Ganges war. Nach dem Bad saßen wir am Ufer und aßen Puffreis, bevor wir nach Hause zurückkehrten. Ich fühlte mich immer vom Ganges angezogen.“2 Schließlich lernte sie schwimmen, indem sie einen leeren Krug nach unten hielt und ihn als Floß benutzte.
Sarada war vorausschauend und erledigte ihre Aufgaben, ohne dass man sie daran erinnern musste. Sie war ernst und nachdenklich und vermittelte, wenn die anderen Kinder in Streit gerieten. Sie liebte ihre Puppen, besonders Kali und Lakshmi, zwei Götterfiguren, die sie hingebungsvoll mit Blumen und heiligen Blättern verehrte. Zudem wurde sie mit der spirituellen Kultur Indiens vertraut, hörte den frommen Gesängen zu, nahm an den religiösen Dorffesten teil und sah den ländlichen Theateraufführungen von Stücken aus dem Ramayana, dem Mahabharata und dem Leben der Heiligen zu.
In ihren frühen Jahren machte sie die Erfahrung, dass sie eine spirituelle Begleiterin hatte, die ihr glich. So erzählte sie: „Ein junges Mädchen, das mir ähnlich sah, war mir immer zur Seite und half mir bei der Arbeit. Wir hatten großen Spaß miteinander. Doch sobald jemand anderer nahte, war sie verschwunden. Diese Erfahrung bestand fort, bis ich zehn oder elf Jahre alt war. Wenn ich in einen Teich stieg, um Gras für das Vieh zu schneiden, ging dieses Mädchen mit. Wenn ich ein geschnittenes Bündel ans Ufer getragen hatte und ins Wasser zurückging, um mehr Gras zu holen, sah ich, dass sie schon das nächste Bündel für mich bereit hatte.“1
Obwohl es nicht üblich war, dass Mädchen lesen und schreiben lernten, wollte Sarada es lernen. Sie berichtete: „Ich begleitete meinen Bruder Prasanna und meinen Cousin Ramnath in die Volksschule unseres Dorfes und lernte das Alphabet. In Kamarpukur [vermutlich 1867] lasen Lakshmi [Ramakrishnas Nichte] und ich Barna Parichay, Teil 12, aber Hriday, der Neffe des Meisters [Ramakrishnas], schnappte mir das Buch weg. Er sagte: ‚Frauen sollten nicht lesen und schreiben lernen. Oder willst du später Dramen und Romane lesen?‘ Lakshmi war die Lieblingstochter der Familie. Deshalb musste sie ihr Buch nicht hergeben. Ich zahlte heimlich eine Anna für ein anderes Exemplar. Lakshmi lernte in der Schule und unterrichtete mich anschließend, wenn sie aus der Schule kam.“3
Sarada und Lakshmi lernten später mit dem Sohn des Lagerverwalters im Tempel von Dakshineswar bis Barna Parichay, Teil 2. Ramakrishna kümmerte sich darum, dass sie das Ramayana und andere heilige Bücher lesen konnte. Sie lernte auch schreiben.
1 Chetanananda: Sri Sarada Devi, S. 25
1 ders., S. 27
1 Sie wird auch oft Sarada Devi genannt. Devi bedeutet Göttin und wird gern den Frauennamen angehängt.
2 ders., 29 f.
1 ders., 30
2 das erste Volksschulbuch von Ishwar Chandra Vidyasagar
3 dto.
DER KALI-TEMPEL (MITTE) VON DAKSHNINESWAR
Während Sarada in der ländlichen Idylle von Jayrambati aufwuchs, entwickelte sich in Dakshineswar, in der Nähe von Kalkutta, ein spirituelles Drama. Ramakrishna, der 1836 im benachbarten Kamarpukur geboren worden war, war seiner spirituellen Berufung gefolgt und lebte als Tempelpriester der Mutter Kali in der von Rani Rasmani neu erbauten Tempelanlage. Sie war 1855 eingeweiht worden, und Ramakrishna war Priester im Kali-Tempel geworden. Kali wird dort als die Göttliche Weltenmutter Bhavatarini verehrt. Ramakrishna ging völlig in der Verehrung der Göttin auf und dachte an nichts anderes, als Sie zu schauen. Er verzehrte sich so sehr nach ihr, dass er völlig gotttrunken Essen und Schlaf vernachlässigte und Tag und Nacht in Meditation verbrachte. Die Außenwelt verlor für ihn jede Bedeutung. Sein Verhalten erinnerte immer mehr an das eines Irren, und es kam so weit, dass er nicht mehr in der Lage war, seinen Pflichten als Tempelpriester nachzukommen. Mathur, der Tempelverwalter und Schwiegersohn von Rani Rasmani, brachte ihn zu verschiedenen Ärzten, doch jede Behandlung erwies sich als wirkungslos.
Diese beunruhigende Entwicklung kam seiner Mutter Chandramani und seinem Bruder Rameswar in seinem Heimatdorf Kamarpukur zu Ohren.1 Sie waren sehr besorgt. Um ihn aus seiner Raserei herauszuholen, wurde er im September 1858 nach Hause geschickt. Chandramani versuchte alles Mögliche – Arzneien, Riten und Exorzismus –, um ihren Sohn zu heilen. Schließlich schmiedete sie mit ihrem Sohn Rameswar einen Plan, um ihn von seiner spirituellen Raserei zu befreien und zu erden. Sie wollten ihn verheiraten. Ohne sein Wissen begannen sie nach einer geeigneten Braut zu suchen, zuerst im Dorf, dann in der Nachbarschaft. Doch da der Brautpreis für ein älteres Mädchen zu hoch war und sie arm waren, hatten sie damit keinen Erfolg. Ramakrishna bemerkte, was im Gange war und wie niedergedrückt sie waren. Er weigerte sich nicht zu heiraten, sondern willigte heiter ein wie ein Junge, der sich auf ein großartiges Familienfest freut. Schließlich gab er ihnen den konkreten Rat, in Jayrambati in der Familie von Ramchandra Mukherjee nach einer Braut zu suchen, indem er sagte: „Warum sucht ihr vergeblich hier und dort nach einem Mädchen? Geht zu Ramchandra Mukherjees Haus in Jayrambati, und ihr werdet dort ein Mädchen finden, das mit Stroh umwickelt ist.“2
Es gibt noch eine andere Geschichte. Wenn Ramakrishna von Kalkutta in sein Heimatdorf Kamarpukur kam, besuchte er oft Sihar, wo sein Neffe Hriday wohnte, und verbrachte dort einige Tage. Einmal, als Ramakrishna zu Besuch war, gab ein berühmter Sänger in Hridays Haus eine Vorstellung. Shyamasundari war ebenfalls mit ihrer kleinen Tochter Sarada, die damals drei Jahre alt war, in ihrem Heimatdorf und besuchte mit dem Kind die Vorführung. Danach hänselten die Dorffrauen Sarada und fragten sie, wer von den Jungen sie heiraten wolle. Mit ihrem kleinen Finger zeigte sie auf Ramakrishna.
Jemand aus der Familie ging nach Jayrambati und kehrte mit der Nachricht zurück, dass die Braut erst fünf Jahre alt sei. Ramakrishna war bereits dreiundzwanzig. Für Chandramani war sie keine geeignete Partie, trotzdem stimmte sie zu. Rameswar zahlte 300 Rupien Brautgeld, und es wurde ein glückverheißender Tag für die Hochzeit bestimmt. Sie fand im Mai 1859 im Jayrambati statt. Kinderhochzeiten waren damals durchaus üblich und waren Verlobungen. Die Mädchen blieben bis zur Geschlechtsreife zu Hause und zogen erst dann in den Haushalt ihres Mannes. Doch diese Ehe war etwas Besonderes und sollte es auch bleiben. Ramakrishna betrachtete stets alle Frauen als die Göttliche Mutter, und Sarada blieb zeit ihres Lebens von sexuellen Wünschen befreit. So wurde die Ehe nie vollzogen.
Am Hochzeitstag kleideten die Dorffrauen Ramakrishna in einen Dhoti und einen Chadar, zeichneten einen Punkt aus Sandelpaste auf seine Stirn und legten eine Girlande um seinen Hals. Rameswars Frau Shakambhari war etwas traurig, da sie sich wegen ihrer Armut keine Musikanten für die Prozession des Bräutigams zum Haus seiner Braut leisten konnten. Um seine künftige Schwägerin aufzuheitern, machte Ramakrishna den Klang einer Trommel mit dem Mund nach und tanzte, wobei er seine Hände auf seine Hüften schlug, wie die Dorfmusikanten es taten. Jeder lachte. Rameswar konnte sich auch keine Sänfte für den Bräutigam leisten. Deshalb gingen Ramakrishna und seine Gefährten die drei Meilen nach Jayrambati zu Fuß. Die traditionelle Hochzeitsfeier wurde in der alten Lehmhütte von Saradas Familie begangen.
Bei einer Hindu-Hochzeit kommt dem Hochzeitsschmuck, den die Braut während der Zeremonie trägt, eine besondere Bedeutung zu. Er ist ein Zeichen für Glück, Wohlstand und Fruchtbarkeit und gehört fortan der Frau. Ramakrishnas Familie konnte sich jedoch keinen solchen Schmuck leisten. Deshalb hatte sich Chandramani den Hochzeitsschmuck von der wohlhabenden Familie der Lahas im Dorf ausgeliehen.
Die ganze Familie und viele Dorfbewohner waren zugegen. Der Priester wiederholte die Mantras, wie es Brauch war, und die Dorffrauen umrundeten Braut und Bräutigam, wobei sie 27 brennende Stäbchen in den Händen hielten. Ein Stück Garn, das mit Gelbwurz gefärbt war, wurde als Zeichen der Verbundenheit um das Handgelenk von Braut und Bräutigam gebunden.
Nach der Hochzeit richtete der Vater der Braut ein reiches Festmahl für die Gruppe des Bräutigams aus. Das Fest fand im Hof statt, und Saradas Hütte wurde als Brautgemach vorbereitet. Wie es der Brauch verlangte, versammelten sich die Dorffrauen und Freunde der Braut in diesem Brautgemach und scherzten mit dem Bräutigam. Als Ramakrishna so viele Frauen in dem Raum sah, dachte er an die verspielte Göttliche Mutter und begann in seiner melodiösen Stimme über sie zu singen. Die Frauen waren überrascht und gleichzeitig vom strahlenden Gesicht des Bräutigams verzaubert und vergaßen, mit ihm ihre Späße zu treiben. Ramakrishna war in dieser Nacht völlig in Ekstase. So war es eine ungewöhnliche Hochzeit.
Am Tag danach kehrte Ramakrishna mit Sarada nach Kamarpukur zurück. Da sie noch so jung war, trug ihr Onkel Ishwar sie auf seinen Schultern. Chandramani hieß die Braut mit den entsprechenden Zeremonien willkommen und richtete ein kleines Fest für die Freunde und Familienmitglieder aus. Sarada erinnerte sich später: „Ich wurde verheiratet, als die Datteln reiften. Ich kann mich nicht an den Monat erinnern. Während meines zehntägigen Aufenthalts dort las ich die reifen Datteln vom Boden auf. Eines Tages besuchte Dharmadas Laha [der Grundherr des Dorfes] mich und fragte. ‚Ist sie das frisch verheiratete Mädchen?‘“1
Chandramani fürchtete sich vor dem Tag, an dem der geliehene Hochzeitsschmuck zurückgegeben werden musste. Ramakrishna bemerkte ihren Kummer. Er tröstete seine Mutter und nahm Sarada den Schmuck so sanft weg, während sie schlief, dass sie es nicht bemerkte. Er wurde sofort den Lahas zurückgegeben. Aber als das Mädchen aufwachte, fragte es: „Wo ist mein Schmuck?“ Chandramani nahm sie auf ihren Schoß und tröstete sie mit den Worten: „Mein Liebling, später wird dir Ramakrishna einen schöneren Schmuck als diesen geben.“2 Doch damit war die Geschichte von dem Schmuck nicht beendet. Saradas Onkel Ishwar besuchte sie an diesem Tag. Als er von dem Vorfall erfuhr, war er so beleidigt, dass er Sarada sofort zurück nach Jayrambati brachte. Chandramani war tief verletzt, doch Ramakrishna meinte leichthin: „Was immer sie sagen oder tun, sie können die Hochzeit jetzt nicht mehr annullieren!“
Nach der Hochzeit blieb Ramakrishna ein Jahr und sieben Monate in Kamarpukur. Im Dezember 1860, als Sarada sieben war, besuchte er sie kurz in Jayrambati. Sarada erinnerte sich, dass sie damals die Füße ihres Gatten gewaschen und mit dem Fächer getrocknet hatte, was ihre Freundinnen amüsierte.
Ramakrishna blieb anschließend nur noch wenige Tage in seinem Heimatdorf. Dann kehrte er nach Dakshineswar zurück und nahm sein altes Leben als Tempelpriester wieder auf. Heirat, Ehefrau und alles waren sofort vergessen, und er stürzte sich erneut in seine Ekstasen.
Sarada lebte bei ihren Eltern und verrichtete Hausarbeiten. 1864, als sie elf war, litt Bengalen an einer schrecklichen Hungersnot, der auch Jayrambati nicht entging. Die Leute kamen zu Ramchandra, der noch Reis und Linsen aus der Ernte vom Vorjahr hatte. In großen Töpfen wurden einfache Speisen gekocht und die Hungernden verköstigt. Doch Ramchandra bestand darauf, dass Sarada einen besonders guten Reis erhielt, der für sie gesondert gekocht wurde.
Sarada berichtete: „Viele hungrige Menschen kamen in unser Haus, um etwas zu essen zu erhalten, da unser überschüssiger Reis vom Vorjahr in einem Behältnis aufbewahrt worden war. Mein Vater kümmerte sich darum, dass mehrere Töpfe Khichuri aus diesem Reis vermischt mit Linsen gekocht wurden. Er sagte: ‚Alle Familienmitglieder werden dieses einfache Gericht essen und es mit den anderen teilen, aber für meine Sarada sollte etwas guter Reis gekocht werden.‘ Manchmal kamen so viele hungrige Menschen, dass das Khichuri ausging und neues gekocht werden musste. Wenn das frische, heiße Khichuri auf Blättern serviert wurde, fächelte ich immer mit dem Fächer, dass es schnell abkühlte. Ach, die Leute litten an unerträglichem Hunger und warteten!
Einmal kam eine Frau aus einer niedrigen Kaste mit struppigem Haar und blutunterlaufenen Augen ins Haus. Sie konnte ihren Hunger nicht länger ertragen, eilte in den Kuhstall und begann, den eingeweichten gemahlenen Reis aus dem Viehtrog zu essen. Wir sagten ihr wiederholt, sie möge ins Haus kommen und Khichuri essen, aber sie war zu ungeduldig, um zu warten. Erst nachdem sie etwas von dem gemahlenen Reis gegessen hatte, hörte sie auf unser Rufen.
Was für eine schreckliche Hungersnot! Nach dieser Erfahrung begannen die Leute in der Erntezeit einen Vorrat an Reis anzulegen. […] Ist Hunger etwas Geringes? Hunger und Durst bleiben so lange bestehen wie der Mensch einen Körper hat.“1
Diese Erfahrung prägte Sarada. Zeitlebens hat sie sich darum gekümmert, dass alle zu essen erhielten. Später kochte sie für ihren Mann und für seine Schüler.
DER HALDARPUKUR IN KAMARPUKUR
Sarada besuchte in ihrer Kindheit Kamarpukur zwei weitere Male für mehrere Wochen und wohnte bei ihrem Schwager Rameswar, ihrer Schwägerin Shakambhari und anderen Verwandten ihres Mannes. Ihre Schwiegermutter lebte inzwischen bei Ramakrishna in Dakshineswar.
Einmal hatte sie dort ein seltsames Erlebnis. Sie erinnerte sich: „Als ich dreizehn war, ging ich nach Kamarpukur. Der Meister war damals in Dakshineswar. Ich blieb einen Monat dort und kehrte dann nach Jayrambati zurück. Nach fünf oder sechs Monaten kehrte ich nach Kamarpukur zurück und blieb eineinhalb Monate. Ich lebte bei meinem Schwager, meiner Schwägerin und anderen. Ich dachte: ‚Ich bin eine neuvermählte Braut. Wie soll ich allein im Haldarpukur1 baden?‘ Einmal verließ ich das Haus durch die Hintertür und sorgte mich wegen dieser Sache, als plötzlich acht junge Mädchen aus dem Nichts auftauchten.2 Als ich mich zum See aufmachte, gingen vier vor mir und vier hinter mir her. So bewacht ging ich ins Wasser, und wir alle badeten zusammen. Danach brachten sie mich nach Hause. Das geschah jeden Tag während meines Besuchs in Kamarpukur. Ich fragte mich, wer diese Mädchen seien, konnte es aber nicht herausfinden.“3
1867 kam Ramakrishna zu einem längeren Besuch nach Kamarpukur. Sarada hatte ihn sechseinhalb Jahre nicht gesehen. Er hatte den Weg spiritueller Übungen beschritten, war von seiner ersten Lehrerin, der Bhairavi, im Tantra unterrichtet worden und hatte verschiedene vishnuitische Übungen gemacht. Zudem war er von Totapuri ins Vedanta eingeführt worden und war danach sechs Monate im Zustand von Nirvikalpa Samadhi fast ohne Körperbewusstsein gewesen. Er hätte diese Zeit wohl nicht überlebt, hätte nicht ein Mönch ihm bei jeder Gelegenheit Nahrung in den Mund gelegt. Dann erkrankte er heftig an der Ruhr, und die Schmerzen brachten ihn wieder zum normalen Zustand zurück. Nach all den Strapazen tat ihm die ländliche Umgebung von Kamarpukur gut. Sein Neffe Hriday und die Bhairavi, begleiteten ihn. Er wurde fast wieder sein altes, unbeschwertes Selbst, unterhielt die ländliche Bevölkerung mit seinen Späßen und frommen Geschichten wie früher, zog sich aber immer wieder zum Meditieren auf den Einäscherungsplatz zurück.
Sarada wurde nach Kamarpukur gebracht und verbrachte sechs Monate bei ihrem Gatten. Sie war inzwischen vierzehn. Für die Hindufrau war ihr Mann ihre alleinige Zuflucht und Stütze. Ramakrishna erkannte seine Verantwortung ihr gegenüber und begann sie in allem zu unterrichten. Er lehrte sie, wie sie ihre Haushaltspflichten erfüllen und mit Geld umgehen sollte, aber auch wie sie dem Guru und den Gästen dienen und sich den Menschen gegenüber verhalten sollte. Er sprach stundenlang mit ihr und ihren Gefährtinnen über spirituelle Themen und seine eigenen Erfahrungen.
Sarada berichtete: „Der Meister litt an Magenbeschwerden. Ich war damals sehr jung. Früh am Morgen wachte er auf und sagte zu mir: ‚Bitte koche zum Mittagessen dies und jenes.‘ Meine Schwägerin und ich kochten, was er wollte. Eines Tages war kein Panchphoran1 zum Würzen vorrätig. Meine Schwägerin bat mich, ohne das Gewürz zu kochen. Der Meister hörte ihre Worte und sagte: ‚Wie ist das möglich? Wenn du das Gewürz nicht dahast, besorge es dir im Dorfladen. Es gehört sich nicht, ein Gericht ohne das richtige Gewürz zu kochen. Ich habe den Reisbrei und die leckeren Gerichte vom Tempel in Dakshineswar zurückgelassen und bin hergekommen, um Auberginencurry zu genießen, das mit Panchphoran gewürzt ist, und du willst mir es vorenthalten. Das geht nicht!‘ An einem anderen Tag sagte er zu mir: ‚Bitte bereite eine Linsensuppe aus fünf Linsenarten und Gewürzen so zu, dass es zischt!‘2
Eines Morgens sagte er: ‚Heute will ich diesen besonderen Spinat essen. Bitte kocht ihn für mich.‘ Meine Schwägerin und ich sammelten den Spinat und bereiteten ihn für ihn zu. Nach einigen Tagen sagte er: ‚Da bin ich in einen schönen Schlamassel geraten! Sobald ich das Bett verlasse, spreche ich nur vom Essen. Du meine Güte! Jetzt habe ich allen Genuss am Essen verloren und werde essen, was immer ihr kocht.‘“3
Ramakrishna sprach seine Lehrerin, die Bhairavi, mit „Mutter“ an. Deshalb betrachtete Sarada sie als ihre Schwiegermutter. Doch die Brahmanin war hitzig, und Sarada hatte Angst vor ihr. Sarada erzählte: „Sie mochte gern Chili und kochte ihr eigenes Essen, das sehr scharf war. Sie gab mir davon. Ich aß es schweigend und wischte mir immer die Tränen ab. Wenn sie mich fragte: ‚Wie ist es?‘, antwortete ich furchtsam: ‚Sehr gut!‘ Meine Schwägerin kommentierte: ‚Oh, es ist furchtbar scharf.‘ Die Brahmanin ärgerte sich über diese Kritik über ihre Kochkunst und rief: ‚Meine Tochter sagt, dass es ihr schmeckt. Dich kann nichts zufriedenstellen. Ich werde dir nichts mehr von meinem Essen geben.‘“1
Ramakrishna war oft zu Späßen aufgelegt. So erinnerte sich Sarada an folgenden Vorfall: „In Kamarpukur haben Lakshmis Mutter und ich zusammen gekocht. Sie konnte sehr gut kochen. Eines Tages saßen der Meister und Hriday bei ihren Mahlzeiten. Der Meister zeigte auf eine Zubereitung von Lakshmis Mutter und sagte: ‚Oh Hridu, derjenige, der dies gekocht hat, kann mit dem Arzt Ramdas verglichen werden.‘ Und als er das von mir zubereitete Curry probierte, sagte er: ‚Ach, derjenige, der dies gekocht hat, ist Srinath Sen.‘ Ramdas war ein berühmter Arzt, während Srinath Sen nur ein Quacksalber war. Hriday entgegnete: ‚Das stimmt. Aber dein Quacksalber leistet dir jederzeit alle möglichen Dienste und massiert sogar deine Füße. Du brauchst nur nach ihr zu schicken, und sie kommt. Aber der Arzt Ramdas nimmt viel Geld für seinen Besuch, und man kann ihn nicht zu jeder Zeit bekommen. Außerdem konsultieren die Leute zuerst einen Quacksalber. Er ist immer dein Freund.‘ Der Meister sagte: ‚Das ist wahr, das ist wahr. Sie ist immer verfügbar.‘“2
Ramakrishna war immer gut gelaunt. So berichtete Sarada: „Ich sah sein Gesicht nie traurig oder mürrisch. Er strahlte immer Freude aus, ob er in Samadhi versunken war, in der Gesellschaft einer älteren Person oder eines fünfjährigen Kindes. Ich habe ihn nie niedergeschlagen gesehen.“ „In dieser Zeit hatte ich immer das Gefühl, als würde ein Krug, der randvoll mit Seligkeit ist, in mein Herz gestellt. Ich kann diese göttliche Freude nicht beschreiben.“3
Einmal wurde in einem Nachbardorf ein religiöses Schauspiel aufgeführt. Sarada und die anderen Frauen der Familie wollten es sehen, aber Ramakrishna erlaubte es ihnen nicht. Die Frauen waren verletzt. Ramakrishna tröstete sie, indem er sagte, dass er das Schauspiel sehen und ihnen davon berichten würde. Als er zurückkam, spielte er das ganze Schauspiel bis ins letzte Detail nach. Er besaß ein außerordentlich gutes Gedächtnis und eine große schauspielerische Begabung.
Am Abend sprach Ramakrishna stundenlang mit Sarada und ihren Gefährtinnen über spirituelle Dinge und seine eigenen Erfahrungen. Er unterhielt sie mit Geschichten und Witzen. Da Sarada nach einem langen Tag voller Hausarbeit müde war, schlief sie manchmal auf dem Boden ein. Ihre Gefährtinnen versuchten sie aufzuwecken, und sagten zu ihr: „Du schläfst! Du versäumst solch unbezahlbaren Worte.“ Ramakrishna meinte dann: „Weckt sie nicht auf. Wenn sie alles hört, was ich sage, wird sie nicht auf dieser Erde bleiben. Sie wird ihre Flügel ausbreiten und davonfliegen.“1
Nachdem Ramakrishna sieben Monate in Kamarpukur verbracht hatte, kehrte er nach Dakshineswar zurück und Sarada nach Jayrambati.
1 Ramakrishnas Vater Khudiram war bereits gestorben, ebenso sein ältester Bruder Ramkumar. Sein zweitältester Bruder Rameswar war somit das Familienoberhaupt und musste in der Folge auch seine Hochzeit ausrichten.
2 Chetanananda: Sri Sarada Devi, S. 37. Das bezieht sich auf einen örtlichen Brauch. Eine besonders schöne Frucht, die der Gottheit dargebracht werden soll, wird mit Stroh umwickelt, um sie von anderen Früchten zu unterscheiden.
1 ders., S. 40
2 Ramakrishna erfüllte dieses Versprechen, als Sarada nach Dakshineswar kam. Er wies seinen Neffen Hriday an: „Sieh nach, wie viel Geld in deiner Box ist. Lass ihr ein paar goldene Armreife machen.“ Sie kosteten damals 300 Rupien. Ramakrishna gab ihr auch den ganzen Schmuck, den Mathur ihm besorgt hatte, als er Madhura Bhava ausübte und sich selbst als Radha betrachtete.
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