Scary City 3: Der Bezwinger der Dämonen - Michael Borlik - E-Book

Scary City 3: Der Bezwinger der Dämonen E-Book

Michael Borlik

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Beschreibung

Vlad und seine furchterregenden Nightscreamer sind dabei, Berlin zu erobern. Nur noch ein einziges Siegel bewahrt die Menschheit davor, von den vier schlimmsten Dämonen heimgesucht zu werden, die die Welt je gesehen hat. Mats und Lucy wollen das Siegel mit aller Macht schützen. Doch Vlad scheut sich nicht, sie mit seinen grausamsten Mitteln anzugreifen …

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Autorenvita

© Nathalie Menge

Michael Borlik, Jahrgang 1975, studierte Germanistik, Philosophie und Ur- und Frühgeschichte, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seit 2005 arbeitet er als freier Schriftsteller und hat bisher zahlreiche Bücher in verschiedenen Verlagen veröffentlicht. In seiner Freizeit liest er fantastische Romane und Thriller, schaut sich gerne gute DVDs an und trifft sich regelmäßig mit Freunden zu Spieleabenden. Ein besonderes Faible hat er für Schottland: für seine grünen Highlands, die alten, wie verwunschen wirkenden Wälder und seine faszinierenden Mythen. Außerdem ist er verrückt nach Katzen und süchtig nach Espresso.

Buchinfo

Vlad und seine furchterregenden Nightscreamer sind dabei, Berlin zu erobern. Nur noch ein einziges Siegel bewahrt die Menschheit davor, von den vier schlimmsten Dämonen heimgesucht zu werden, die die Welt je gesehen hat. Mats und Lucy wollen das Siegel mit aller Macht schützen. Doch Vlad scheut sich nicht, sie mit seinen grausamsten Mitteln anzugreifen …

Prolog

Eine bleigraue Wolkendecke hatte die Sonne geschluckt und die Gebirgslandschaft in ein graues Totenreich verwandelt. Nebelfetzen waberten aus Erdspalten und ein unheimlicher Wind pfiff um die Felsnadeln, die wie die Gerippe urzeitlicher Riesenechsen aus dem Boden ragten. Es war ein verfluchter Ort, aber das kümmerte Vlad nicht. Überhaupt gab es nicht viel, was der Anführer der Nightscreamer fürchtete.

»Hier werden wir es finden?«, fragte die Gestalt rechts von ihm mit einer Stimme, die so hohl und verzerrt klang, als käme sie aus einem Brunnenschacht. 

»Meine Quellen haben sich noch nie geirrt«, erwiderte Vlad, der es hasste, wenn man seine Entscheidungen infrage stellte. Er trat über einen Riss hinweg, aus dem schwefelgelber, nach faulen Eiern stinkender Dampf aufstieg. »Es ist ganz in unserer Nähe«, fügte er hinzu. »Ich fühle es.«

»Wenn wir unseren Bruder befreit haben, sind wir bereits zu dritt.« Die Gestalt, deren langer Kapuzenmantel im Wind flatterte, wandte Vlad das Gesicht zu. Ein Totenschädel, in dessen schwarzen Augenhöhlen grüne Funken glommen. »Dann müssen wir uns nur noch das Artefakt holen, das uns die beiden Menschenkinder gestohlen haben, um auch den Letzten von uns zu befreien.« 

Ein zustimmendes Grunzen erscholl von Vlads linker Seite her, wo ein mittelalterlicher Krieger mit Helm und Lederrüstung einherschritt. In der rechten Hand hielt er ein Schwert. In der anderen eine Kriegskeule, die mit Eisendornen besetzt war, von denen eine dunkelrote Flüssigkeit zu Boden tropfte. 

»Ich habe jemanden ausgeschickt, der uns den Goldenen Schlüssel holen wird. Er ist der beste Killer, den ich kenne. Auf ihn kann ich mich verlassen.« Vlad raffte seinen Mantel enger um sich. »Zwar seid ihr im Augenblick kaum stärker als gewöhnliche Menschen«, fuhr er an seine dämonischen Begleiter gewandt fort, »aber wenn eure Brüder erst frei sind, werden eure wahren Kräfte entfesselt. Nichts kann uns dann noch aufhalten. Gemeinsam werden wir die Welt der Menschen auslöschen und eine neue auf ihren Ruinen erbauen.«

Wie zur Antwort grollte ein zorniger Donnerschlag über die Gipfel der Berge und wurde von den Hängen und Schluchten dutzendfach zurückgeworfen, sodass es klang, als wäre ein ganzes Bataillon Kanonen abgefeuert worden. Ein Mensch hätte sich erschrocken auf den Boden geworfen und die Hände auf die Ohren gepresst. Nicht so Vlad oder einer seiner Begleiter. Im Gegenteil. 

Der Anführer der Nightscreamer hob den Blick zum Himmel, über den in diesem Moment ein Blitz zuckte und der die Diamanten, die seine Augen ersetzten, in einem kalten Licht erstrahlen ließ. Niemand wusste, warum Vlad sein Gesicht hinter einer Maske verbarg, die einzig seinen Mund freiließ, der unablässig zu einem Grinsen verzerrt war. Vielleicht, weil es so hässlich war. Vielleicht aber auch aus einem anderen Grund … 

»Das ist Asgard, die zerstörte Stadt der nordischen Götter. Nach ihrem Vorbild haben die Menschen ihre eigenen Städte errichtet«, erklärte Vlad, als sie den Rand eines kargen Tals erreichten, durch den sich ein Fluss aus Lava wälzte. An beiden Ufern erhoben sich die Ruinen verfallener, vom Feuer geschwärzter Wolkenkratzer. »Vor langer Zeit war Asgard das Zuhause von Odin, Loki, Thor und anderen Göttern, bevor sie von den Feuerriesen vertrieben wurden. Auch Hel, unsere gefährlichste Widersacherin, stammt von hier.«

»Hel«, knurrte der Krieger und Rauch kräuselte sich aus den Sehschlitzen seines Helms. Sofort war die Luft vom Geruch verbrannten Fleisches erfüllt. »Als uns der Bezwinger der Dämonen vor tausend Jahren besiegte, waren es sie und ihre Helfer, die uns in unser Gefängnis bannten. Nur warum sollte sie das letzte Siegel nicht längst von hier fortgebracht haben, wo sie doch weiß, dass wir hinter ihm her sind?« 

Vlad lachte auf und entblößte dabei zwei Reihen nadelspitz gefeilter Zähne. »Nachdem sie die Siegel versteckt hatte, belegte sie sich selbst mit einem Vergessenszauber, damit sie die Verstecke niemals verraten kann.«

»Raffiniert«, meinte die Gestalt, die aussah wie der Tod. »Aber auch dumm. Damit macht sie es uns viel zu leicht.«

»Das würde ich nicht sagen, denn auch dieses Siegel wird von einem Wächter geschützt.« Vlad stieß zischelnd den Atem aus. »Dieses Mal von Hels Bruder.«

»Ein Gott?«, fragte der Krieger. 

»Etwas Ähnliches.« Vlad deutete auf einen Höhleneingang ganz in ihrer Nähe. »Dort werden wir ihn und das Siegel finden. Wenn wir ihn besiegen, gehört es uns.«

»Worauf warten wir dann noch?« Der Krieger hob Schwert und Keule und stieß einen Kampfschrei aus, in den er all seinen Hass, seine Wut und seine Gier nach Blut legte. »Tod unseren Feinden!«

Bernsteinfarbene Augen flammten in der Schwärze der Höhle auf. Groß wie Teller. Mit einem Knurren sprang ein riesiger Wolf ans Tageslicht. Er hatte Reißzähne, die so lang wie die Klinge der Sense waren, die wie aus dem Nichts in der Hand von Vlads dämonischem Begleiter erschien. 

»Der Fenriswolf«, sagte der Anführer der Nightscreamer. »Laut den alten Legenden ist er unsterblich.«

»Wie sollen wir ihn dann töten?« Die Funken in den Augenhöhlen des Dämons Tod waren zu lodernden Flammen herangewachsen. 

»Wir müssen ihn nicht töten, wir müssen ihn nur überlisten«, erwiderte Vlad. 

»Was hast du vor?«, fragte der Krieger. 

Vlad antwortete ihm nicht, sondern musterte mit seinen Diamantaugen den Fenriswolf. Der stand direkt vor dem Höhleneingang und verströmte einen Geruch nach karger Wildnis, aber auch nach giftigen Schwefeldämpfen. Die Lefzen hatte er zurückgezogen, sodass sie sein Raubtiergebiss entblößten, während aus seiner Kehle ein Grollen drang, das dem des Donners in nichts nachstand. Er wartet, dachte Vlad. Er ist zwar ein Tier, aber er ist nicht dumm. Und darum wird er seinen Posten nur dann verlassen, wenn er gezwungen ist. 

»Jetzt sprich schon!«, zischte der Knochenmann. »Was willst du, dass wir tun?«

Vlads Kopf ruckte zu ihm herum. Dank der Macht des Dämons Morczane, die er sich angeeignet hatte, mussten seine Begleiter ihm gehorchen. Wäre es anders, hätten sie sich längst gegen ihn gewandt. »Du greifst seine rechte Flanke an«, befahl Vlad dem Dämon Tod. »Und du«, wandte er sich an den Krieger, »näherst dich dem Fenriswolf von der anderen Seite. Währenddessen werde ich seine Aufmerksamkeit ganz auf mich lenken.«

Der Krieger und der Knochenmann wandten sich ab und schritten davon. Der riesige Wolf hielt den Blick weiterhin auf Vlad gerichtet, als wüsste er genau, dass er der Gefährlichste von den dreien war. Nun hob Vlad den Kopf und schob das Kinn vor, wodurch die Hässlichkeit seines Grinsens noch hervorgehoben wurde. 

»Komm nur, Wölfchen!«, rief er dem Tiergott entgegen. »Komm und hole mich!« Er breitete die Arme aus und lief dem Fenriswolf mit schallendem Gelächter entgegen. 

Der fletschte die Zähne, machte einen Satz nach vorne und ließ die Kiefer um Vlads Kopf zuschnappen. Sie trafen jedoch ins Leere. Dafür bohrten sich ein Schwert und eine Sense in seine Rippen. Der Fenriswolf stieß ein Schmerzgeheul aus, das die Berge erzittern ließ und Dutzende von Steinlawinen in die Tiefe schickte. 

Vlad stand vor dem Höhleneingang. Alles lief genau nach Plan. Kurz bevor die Zähne des Fenriswolfs ihm den Kopf hatten abbeißen können, war er teleportiert. Eine weitere von Morczanes Eigenschaften, die auf ihn übergegangen war. Er war ein Genie. Ein wahrer Teufel. Niemand würde ihn je bezwingen. 

Vlad wandte sich um und betrat die Höhle, aus der ihm ein warmer, nach Schwefel, Asche und Lava stinkender Wind entgegenblies. Irgendwo hier drin verbarg sich das Siegel. Er spürte seine Nähe, spürte seine Macht, die ein Kribbeln über seine Haut schickte. Und während seine dämonischen Begleiter den Fenriswolf beschäftigten, würde er es suchen.

Tol‘Shak

Mats warf einen Blick über die Schulter und runzelte die Stirn. Seltsam, schon den ganzen Morgen über hatte er das Gefühl, von unsichtbaren Augen beobachtet zu werden. Aber wann immer er sich umdrehte, war da niemand. Auch jetzt nicht. Der lange, in goldgelbes Licht getauchte Korridor im neunten Stock des Hotels Greifenhall wirkte verlassen und still. Vielleicht ein wenig zu still, dachte Mats. Immerhin sind Sommerferien. Hochsaison. Wo waren die Stimmen hinter den Zimmertüren? Wo das Getrampel der Kinderfüße? 

Er nahm einen tiefen Atemzug und roch Putzmittel und den süßlichen Hauch eines Parfüms, der vermutlich von einem Gast stammte, der hier vor Kurzem entlanggegangen sein musste. Aber nichts Verdächtiges. Kein feuchtes Fell, das die Anwesenheit eines Werwolfs verriet. Oder Verwesungsgeruch, der auf die Nähe einer Mumie oder eines Zombies schließen ließ. Genauso wenig fühlte er das Kribbeln von Magie auf der Haut. Und trotzdem rumorte es in Mats’ Magen, als hätte er drei Teller Bohneneintopf verdrückt. 

Wahrscheinlich war er nur wegen Richie so nervös. Dieser verdammte Dhampir hatte seinen Freund Tic entführt. Einen Feenmann. Richie wollte Rache, weil Mats ihm bei einem Kampf den Kiefer gebrochen hatte. Außerdem gab er ihm wahrscheinlich die Schuld am Tod von Lady Violetta. Eine gefürchtete Vampirin, die nicht nur Vlads rechte Hand, sondern auch Richies Mutter gewesen war. Aus diesem Grund hatte er Mats für Mitternacht in Vlads Villa bestellt. Natürlich war es eine Falle, dennoch würde Mats hingehen. Er könnte Tic oder Lucy niemals im Stich lassen. Die beiden waren seine besten Freunde. 

Mats sah auf die Uhr. Noch vierzehn Stunden, dann würde er mit Richie um Tics Leben kämpfen. Er nahm einen tiefen Atemzug, zog seine Pagenuniform zurecht und klopfte bei Zimmer 925 an. 

Es dauerte nicht lange, und die Tür öffnete sich einen Spalt weit. »Ja?«

»Guten Morgen, Frau Stinkewiesenhöpfer.« Mats versuchte, nicht zu lachen. Was für ein schräger Name. »Sie haben nach dem Zimmerservice gerufen?« 

»In der Tat, Menschenjunge!«

In Mats’ Kopf schrillten die Alarmglocken. Aber bevor er reagieren konnte, schoss eine runzelige Hand durch den Türspalt und zerrte ihn in das Zimmer. Mats hatte nicht einmal einen Blick auf seinen Angreifer werfen können, als ihn auch schon ein Hieb in den Rücken traf, sodass er auf das pompöse Himmelbett zustolperte, das gut ein Drittel des Raumes einnahm. Fast wäre er auch noch über den Läufer gefallen, bekam jedoch im letzten Moment einen der Bettpfosten zu fassen. 

Shit!

Mats wirbelte herum und stand einer zierlichen, alten Dame mit apfelroten Bäckchen und einem bezaubernden Lächeln gegenüber. Er blinzelte. Sie wirkte wie das Ebenbild der perfekten Großmutter. 

Als sie jedoch zu ihm sprach, tat sie es mit der Stimme eines Altrockers: »Ich habe eine Nachricht von Vlad für dich. Er will den Goldenen Schlüssel. Weigerst du dich, werde ich Lindwurmfutter aus dir machen.« 

Mats schnaubte. Erst gestern Abend mussten Lucy und er herausfinden, dass der Anführer der Nightscreamer sie schon wieder reingelegt hatte. Hinter ihrem Rücken hatte er sich den Kristallschädel der Vorsehung geschnappt, während Mats und seine Freunde ganz darauf konzentriert waren, das zweite Siegel vor ihm in Sicherheit zu bringen. »Vlad wird gar nichts von uns bekommen«, erklärte Mats zähneknirschend. »Außer das, was er verdient!« Er war so wütend, dass der Bettpfosten, den er immer noch festhielt, unter seinem Griff zerbrach. 

Die alte Frau zog eine Braue hoch. »Ich werde dich jetzt töten, Junge. Vielleicht zeigt sich das Menschenmädchen ja kooperativer, wenn es begreift, in welcher Gefahr es schwebt.« 

Vor Mats’ Augen wuchs ihre Gestalt auf zweieinhalb Meter an, bevor ihr Gesicht sich in das eines grünhäutigen Orks verwandelte, der einen Ledermantel und Cowboystiefel aus Schlangenleder trug. 

Ein Gestaltwandler. 

Dem ein oder anderen war Mats bereits im Schattenschlund, der Stadt der Fabelwesen, über den Weg gelaufen. Allerdings hatte keiner von ihnen so brutal und grobschlächtig wie dieses Exemplar gewirkt. 

»Ich bin Tol’Shak«, grunzte der Ork zwischen seinen Hauern hervor, wobei er Mats seinen widerlichen, nach Knoblauchpizza stinkenden Atem entgegenblies. »Der beste Profikiller, den man für Gold anheuern kann.« Er schlug seinen Ledermantel zurück, sodass ein Gürtel mit Dutzenden Wurfmessern sichtbar wurde.

Mats wunderte sich selbst darüber, mit welcher Leichtigkeit er den Bettpfosten zerbrochen hatte. War das eine weitere seiner neuen Fähigkeiten als Dämonenbezwinger? Er würde sich trotzdem nicht kopflos in einen Kampf mit einem fast drei Meter großen Auftragsmörder stürzen. »Können wir nicht darüber verhandeln?« 

Ein Grinsen erschien auf dem Gesicht des Orks, während er ein Langschwert aus der Scheide auf seinem Rücken zog. 

»Ich schätze, das heißt dann wohl ›nein‹.« Mats wich zurück, bis er an eine Kommode stieß. Verdammt! Warum musste das Zimmer auch so klein sein?

»Leb wohl, Menschenjunge!« Tol’Shak ließ die Klinge auf Mats herabsausen. 

Der warf sich zu Boden, sodass das Schwert die Kommode anstatt seinen Kopf spaltete. Der Ork fluchte, während Mats auf allen vieren zwischen den Beinen des Hünen hindurchkroch. Anschließend sprang er auf und rannte auf die Tür zu. Doch gerade als er nach der Klinke griff, nagelte ein Messer den Ärmel seiner Uniform an die Tür. Mats starrte es an. Das Messer hätte ihm fast den Arm aufgeschlitzt.

»Niemand ist Tol’Shak jemals entwischt«, grunzte der Ork. 

Mats, dem der Schweiß aus allen Poren strömte, riss die Knöpfe seiner Pagenjacke auf und befreite sich von ihr. Er fuhr herum und zuckte mit dem Kopf zur Seite, als ein zweites Wurfmesser auf ihn zuflog. Nur um Millimeter verfehlte es sein rechtes Ohr, bevor es sich in den Türrahmen bohrte. »Du bist ja total durchgeknallt!«, rief er.

Tol’Shak stand auf sein Schwert gestützt in der Mitte des Zimmers und ließ ein Wurfmesser über seine, mit Warzen und Haaren überzogenen Finger wandern, wie manche Magier es mit Münzen machten. 

Er spielt mit mir, begriff Mats mit einem Mal. Er hätte mich längst umbringen können, aber es macht ihm Spaß, mich zu quälen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Wut in seinem Bauch schoss wie eine Stichflamme empor. »Weißt du überhaupt, wer ich bin?«, brüllte er den Ork an. »Ich bin der Bezwinger der Dämonen. Wer sich mit mir anlegt, den … den …« Mist, warum fielen ihm die richtigen Worte nie ein, wenn er sie brauchte? »… aus dem mach ich Hühnchenfrikassee mit grünen Erbsen!« O Mann, das war gerade der mieseste Spruch der Welt gewesen!

Tol’Shak brach in schallendes Gelächter aus. »Du Wurm willst der legendäre Dämonenbezwinger sein?« 

»Genau der bin ich.« Mats stemmte die Hände in die Seiten. Jedenfalls behauptete das Mr Myrddin, der in Wahrheit Merlin der Zauberer war. Und tatsächlich hatte Mats in den vergangenen Wochen einige seltsame Veränderungen an sich festgestellt: Mittlerweile konnte er nicht mehr nur den Tarnzauber durchschauen, mit dem die Schattengänger sich zum Schutz vor den Menschen umgaben, er heilte auch sehr viel schneller und konnte sogar die Nähe von Magie fühlen. Selbst jetzt spürte Mats, dass irgendetwas mit ihm passierte. Sein Zorn auf den Ork setzte eine Energie in ihm frei, die sich wie etwas Lebendiges durch seine Eingeweide wand. Was auch immer gerade mit ihm geschah, auch Tol’Shak musste diese Veränderung an Mats bemerkt haben. Plötzlich verstummte sein Lachen und er schleuderte das dritte Wurfmesser. 

Es wird mich genau zwischen die Augen treffen, dachte Mats. Er wusste es einfach, und dennoch war er nicht im Mindesten beunruhigt. Warum auch? Er hatte ja noch jede Menge Zeit, um ihm auszuweichen. Erst jetzt wurde ihm klar, was sein Gehirn längst registriert hatte. Das Wurfmesser bewegte sich wie in Zeitlupe auf ihn zu. Sein Blick wanderte weiter zu Tol’Shak. Der Ork wirkte wie erstarrt. Mats machte einfach einen Schritt zur Seite und sah fasziniert zu, wie das Messer an ihm vorüberkroch. Wahnsinn! Für einige Augenblicke konnte er sogar sein Spiegelbild auf der Klinge betrachten. Ein Junge mit blondem Haar und honigbraunen Augen, die wie Bernsteine schimmerten. Doch schon im nächsten Moment kehrte die Welt zu ihrer normalen Geschwindigkeit zurück. Das Messer traf die Tür und grub sich bis zum Heft in das Holz. 

»Wie hast du das gemacht? Kein Mensch kann sich so schnell bewegen.« Tol’Shak verstummte und das Grün seines Gesichts wechselte zu einem ungesunden Olivgelb. »Außer, du wärst wirklich der Bezwinger der Dämonen.«

»Ach, jetzt glaubst du mir plötzlich.« Mats funkelte sein Gegenüber an. »Vlad hat dich belogen, ich bin kein leichtes Opfer. Warum hätte er sonst dich geschickt, anstatt sich selbst mit mir anzulegen?«

Der Ork neigte den Kopf zur Seite, die Augen zu Schlitzen zusammengekniffen. Ein Speichelfaden baumelte von seinem rechten Hauer. 

»Du hast dich von Vlad übers Ohr hauen lassen«, fuhr Mats fort. »Schwirr lieber ab, bevor ich richtig stinkig werde!«

Tol’Shak grunzte. »Du bist gut, Menschenjunge, aber einen Profi wie mich legst du nicht rein. Deine Augen verraten dich, du bist dir deiner selbst nicht sicher. Außerdem …«, seine Lippen verzogen sich zu einem breitem Grinsen, das ihm von Ohr zu Ohr ging, »… würde ich zu einer lebenden Legende, wenn ich den Dämonenbezwinger besiege.« Er riss sein Schwert hoch und stürmte auf Mats los. Dieses Mal verlangsamte sich die Zeit nicht.

Panik schnappte wie ein Werwolfsmaul nach Mats. Er ignorierte sie, ebenso wie sein heftig pochendes Herz und tat das Einzige, was ihm in den Sinn kam. Er packte die Enden des Läufers, über den Tol’Shak auf ihn zukam, und zog mit aller Kraft daran. Ein, zwei Sekunden lang passierte nichts, dann gab der Teppich mit einem Ruck nach. 

Mats stolperte zurück und gegen die Tür. Was ganz bestimmt nicht so schmerzhaft war wie das, was Tol’Shak widerfuhr. Der Ork krachte rücklings in das Himmelbett, das unter seinem Gewicht entzweibrach und wie eine Muschel über ihm zusammenklappte. Eine Bettfeder schoss mit einem Poing heraus und landete vor Mats’ Füßen. Danach wurde es so still im Raum, dass Mats fast über sein eigenes Keuchen erschrocken wäre. Nun starrte er auf zwei Schlangenlederstiefel, die aus den Trümmern des Bettes hervorschauten. Keiner davon zuckte auch nur. 

 

Merlins Gehilfe

 

Mats hatte nicht vor, herauszufinden, ob Tol’Shak sich nur tot stellte oder es wirklich war. Er fuhr zur Tür herum, riss sie auf und stürzte hinaus auf den Hotelkorridor, wo er fast mit einem älteren Herrn und seinem Handtaschenfifi zusammengestoßen wäre. 

»Verzeihung«, murmelte Mats und rannte an ihm vorbei zur Treppe. Auf der obersten Stufe blieb er stehen, schloss für einen Moment die Augen und seufzte. Wie sollte er das zerstörte Zimmer bloß seinen Eltern erklären? Und erst den Ork? Als er Schritte hinter sich vernahm, fuhr er herum. Aber es war nur der Hotelgast von vorhin, der im Aufzug verschwand. 

Mats hasste Aufzüge, weil man ihnen bedingungslos ausgeliefert war. Sie konnten einen schließlich sonst wohin bringen. In die Hölle oder einen noch schlimmeren Ort. Mats wusste zwar, dass in dieser Hinsicht seine Fantasie mit ihm durchging, aber seitdem der Comic-Held Mad Jack mit einem Aufzug mitten in einem Nest von säurespritzenden Alienzombies gelandet war, benutzte er sie nur noch, wenn es nicht anders ging.