Schattenschnitt - Sunil Mann - E-Book + Hörbuch

Schattenschnitt E-Book und Hörbuch

Sunil Mann

4,9

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Vijay Kumar wird zufällig Zeuge, wie die Dokumentarfilmerin Pina Gilardi auf offener Straße niedergestochen wird. Kurz zuvor hat der indischstämmige Privatdetektiv sie noch in Begleitung einer merkwürdig vermummten Person gesehen. Da die im Koma liegende Filmemacherin nichts zum Geschehen aussagen kann, engagiert ihre Lebensgefährtin Vijay, der herausfinden soll, was hinter der Tat steckt. Er erfährt, dass Gilardi erst jüngst aus Indien zurückgekehrt ist, wo sie nach Jahren erneut das Thema aufgegriffen hat, mit dem sie berühmt wurde: die Lebensbedingungen HIV-positiver Menschen. Als Vijay dieser Spur folgt und in das Land seiner Vorfahren reist, muss er sich unerwarteten Gefahren stellen – und das nicht nur, weil seine Familie mal wieder große Pläne mit ihm hat …

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Seitenzahl: 374

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Zeit:9 Std. 26 min

Sprecher:Martin Kuupa

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Sunil Mann

Schattenschnitt

Kriminalroman

©2016 by GRAFIT Verlag GmbH

Chemnitzer Str.31, D-44139 Dortmund

Internet: http://www.grafit.de

E-Mail: [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagfoto: jala / photocase.de

eBook-Produktion: CPI books GmbH, Leck

eISBN 978-3-89425-711-8

Der Autor

Sunil Mann wurde als Sohn indischer Einwanderer im Berner Oberland geboren. Er ist als Flugbegleiter tätig, ein Job, der ihm genügend Zeit zum Schreiben lässt. Viele seiner Kurzgeschichten wurden ausgezeichnet. Mit seinem Romandebüt Fangschuss, dem ersten Krimi mit Vijay Kumar, gewann er den ›Zürcher Krimipreis‹. Die Fangemeinde seines liebenswerten Detektivs wächst von Buch zu Buch.

Samstag

»Das ist das Ende!« Erschüttert starrte ich in den kreisrunden Toilettenspiegel, um dessen Rahmen sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen ein beiger Ledergürtel spannte.

Das Tor zur Hölle, das Miranda unablässig beschwor, hatte sich spaltweit geöffnet! Ich beugte mich vor und besah mein Ebenbild von Nahem.

Schmeichelhaft heruntergedimmtes Licht wischte jegliche Anzeichen unseriösen Lebenswandels aus meinem Gesicht, während aus den Lautsprechern dieselbe Loungemusik wie oben im Restaurant plätscherte. Aus der Kabine, in der sich eben zwei Jungs verschanzt hatten, drang ein verdächtiges Schniefen und übertönte kurzzeitig den Klangteppich. Ich bezweifelte stark, dass es sich dabei um ein rein erkältungsbedingtes Leiden handelte.

Besorgt fuhr ich durch meine Frisur. Ich hatte mich nicht getäuscht. Wie eine Eins stand es da, ragte drahtig und trotzig und vor allem unübersehbar hoch. Die hämische Ankündigung des beginnenden Zerfalls, ein Symbol für meine unweigerlich ablaufende Lebenszeit, der Hauch des Todes: ein weißes Haar!

Mit Daumen und Zeigefinger packte ich den Boten der Apokalypse und war erstaunt, wie widerstandslos er sich auszupfen ließ. Noch hatte ich die Oberhand. Dennoch musterte ich mein Haupt eingehend und erst als ich hundertprozentig sicher war, dass nichts Weißes mehr aufblitzte, stellte ich mich ans Pissoir.

Ich zog gerade den Reißverschluss meiner Jeans hoch, als die Kabinentür mit einem Knall aufsprang und die beiden Jungs kichernd aus ihrem Kabäuschen taumelten. Am Waschbecken blieben sie kurz stehen und überprüften ihre Nasen auf verdächtige Spuren, bevor sie abzogen. Ich wusch mir die Hände und vergewisserte mich erneut, dass wirklich kein weiteres weißes Haar auf meinem Kopf spross. Der Gedankenblitz traf mich erst, als ich bereits im Korridor stand. Kurz entschlossen machte ich kehrt.

Ein Blick in die eben benutzte WC-Kabine bestätigte meine Vermutung. Es wäre ein Verbrechen gewesen, das Zeugs einfach der Putzfrau zu überlassen. Mit sanftem Druck strich ich mit der Fingerspitze über den Deckel des Spülkastens und rieb mir die daran kleben gebliebenen Kokainbröckchen ins Zahnfleisch.

Man hatte die Tische zur Seite geschoben, die tagsüber zum Essen einluden. Am Kopfende des Raumes stand stattdessen ein DJ-Pult, an dem eine zierliche Frau mit blonden Haaren auf einem iPod herumtippte. Eine riesige, sich drehende Discokugel warf Lichteffekte auf die Wände und durch die meterhohen Fenster konnte man auf die schick gekleidete Menschenmenge auf der Terrasse sowie den dahinterliegenden Gustav-Gull-Platz blicken.

Noch vor wenigen Monaten hätte ich wohl gnadenlos über ein so offensichtlich auf angesagt getrimmtes Restaurant wie das NEO vom Leder gezogen, doch mit leiser Verwunderung stellte ich fest, dass mir dieser Stil neuerdings zusagte. Ein luftiger Raum, Separees auf der Galerie und schräg gestellte Jalousien entlang der beiden Treppen, durch die man von der langen Bar aus die hinauf- oder herabsteigenden Gäste beobachten konnte – ein Lokal, wie es die erst kürzlich aus dem Boden gestampfte Europaallee nicht nötiger haben konnte. Ein trügerischer Name ohnehin, denn natürlich führte der bloß wenige Hundert Meter lange Straßenabschnitt genauso wenig Richtung Europa wie die Schweizer Politik. Aber in der Margrit-Rainer-Strasse traf man ja auch nicht auf die Volksschauspielerin und Schnulzen waren an der Engelbertstrasse garantiert keine zu hören. Doch während der Rest der Allee entgegen dem Trenddiktat häufig verwaist und ähnlich unpersönlich wie die sterilen Einkaufsstraßen anderswo daherkam, empfand zumindest ich das NEO als ein Glanzlicht dieser Gegend.

Vermutlich hatte das mit meinem Alter zu tun. Das eben entdeckte weiße Haar war leider nicht das einzige Anzeichen für das Ende meiner blühenden Jugend. In letzter Zeit guckte ich leidenschaftlich gern Kochsendungen im Fernsehen und schämte mich nicht einmal mehr bei Bauer, ledig, sucht … fremd. In Bekleidungsgeschäften steuerte ich automatisch die Ecke mit den gedeckten Farben an und machte einen weiten Bogen um Oberteile mit knalligen Schriftzügen und hauteng geschnittene Hosen. Neulich war eine junge Frau im Tram aufgestanden, um mir mit einem mitfühlenden Lächeln ihren Platz anzubieten. Auch hatte ich mich schon dabei ertappt, wie ich zur Berieselungsmusik im Einkaufszentrum mitgesummt hatte, und einmal hatte ich sogar in einem Aufzug spontan mit den Fingern geschnippt, bloß ein Reflex, ausgelöst durch den mitreißenden Rhythmus des gerade laufenden Songs von Chris de Burgh. Die versteinerte Miene meiner Freundin Manju werde ich so schnell nicht vergessen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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