Schatzsuche – einmal anders - Friederike von Buchner - E-Book

Schatzsuche – einmal anders E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Gina, die Gemeindesekretärin von Waldkogel, kam in das Amtszimmer von Bürgermeister Fritz Fellbacher. Sie trug ein Tablett mit Kaffee, Kuchen und Sahne. Sie stellte es auf dem großen Tisch in der Besprechungsecke ab. Bürgermeister Fellbacher stand hinter seinem Schreibtisch und rieb sich die Stirn. »Kaffee? Kuchen? Habe ich einen wichtigen Termin vergessen? Geburtstag? Namenstag?« Gina lächelte vergnügt und deckte den Tisch. »Nein, Herr Bürgermeister, so ist es nicht. Ich dachte nur, wir feiern die Feste, wie sie fallen.« »Gina, spanne mich nicht auf die Folter. Ich kann dir ansehen, welchen Spaß dir das macht.« »Ich freue mich eben. Gestern Nachmittag waren sie auswärts. Kurz vor Dienstschluss bekam ich noch einen Anruf. Da ich die Familie nicht telefonisch erreichen konnte, von der wir mehr über diesen Altmann erfahren wollten, habe ich meine privaten Ermittler eingeschaltet.« Fritz Fellbacher staunte. Er setzte sich.

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Seitenzahl: 126

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Toni der Hüttenwirt – 240 –Schatzsuche – einmal anders

Rita macht den Fund ihres Lebens

Friederike von Buchner

Gina, die Gemeindesekretärin von Waldkogel, kam in das Amtszimmer von Bürgermeister Fritz Fellbacher. Sie trug ein Tablett mit Kaffee, Kuchen und Sahne.

Sie stellte es auf dem großen Tisch in der Besprechungsecke ab.

Bürgermeister Fellbacher stand hinter seinem Schreibtisch und rieb sich die Stirn.

»Kaffee? Kuchen? Habe ich einen wichtigen Termin vergessen? Geburtstag? Namenstag?«

Gina lächelte vergnügt und deckte den Tisch.

»Nein, Herr Bürgermeister, so ist es nicht. Ich dachte nur, wir feiern die Feste, wie sie fallen.«

»Gina, spanne mich nicht auf die Folter. Ich kann dir ansehen, welchen Spaß dir das macht.«

»Ich freue mich eben. Gestern Nachmittag waren sie auswärts. Kurz vor Dienstschluss bekam ich noch einen Anruf. Da ich die Familie nicht telefonisch erreichen konnte, von der wir mehr über diesen Altmann erfahren wollten, habe ich meine privaten Ermittler eingeschaltet.«

Fritz Fellbacher staunte. Er setzte sich. Gina goss ihm Kaffee ein und legte ihm ein Stück Kuchen auf den Teller.

»Nun kosten Sie schon, den habe ich nach dem Rezept meiner italienischen Tante gebacken.«

Bürgermeister Fellbacher kostete davon und verdrehte die Augen.

»Gina, der Kuchen ist ein Gedicht!«

Fritz Fellbacher kannte seine Gemeindesekretärin gut, deshalb übertrieb er, ganz nach italienischer Art.

Gina strahlte. Sie setzte sich und nahm sich auch ein Stück Kuchen und Kaffee.

»Jetzt rede schon, Gina!«, forderte er sie auf.

»Also, meine Cousine hat sehr gute Freunde in München. Über sieben Ecken, ich kürze jetzt mal ab, ist es mir gelungen, mit den Stiefgeschwistern von Hans Thomas Altmann ins Gespräch zu kommen. Wie wir von Ella Waldner erfahren haben, hatte seine Mutter in München einen Witwer mit Kindern geheiratet. Die Adresse bekam ich über das Meldeamt heraus und die Heiratseintragung. Gerber heißt die Familie. Aber die Gerbers haben ihre Telefonnummer nicht veröffentlicht. Sie anzuschreiben, dauerte mir zu lange. Deshalb versuchte ich es über meine Kontakte, wie gesagt, über sieben Ecken. Ich bekam die Telefonnummer und rief gestern Abend von daheim aus an.

»Gina, mach es nicht so spannend!«

»Langsam, Herr Bürgermeister! Bitte! Also, ich habe mit dem Stiefbruder von Hans Thomas Altmann gesprochen. Wir hatten mit unserer Vermutung recht! Hans ist nach Amerika ausgewandert und nannte sich dort Jack Tom Newman. Aber seit Hans’ Mutter gestorben war, gab es keinen Kontakt mehr. Trotzdem ging es dem Stiefbruder nahe, als er von dessen Tod hörte.«

»Du hast doch hoffentlich nix von dem Erbe gesagt«, platzte Fellbacher heraus.

»Nein, das habe ich nicht, natürlich nicht. Herr Bürgermeister, was denken Sie? Glauben Sie, ich plaudere Dienstgeheimnisse aus?« Gina spielte für einen Moment die Beleidigte und Gekränkte.

»Kam es dem Stiefbruder nicht seltsam vor, dass er angerufen wurde?«, fragte Fellbacher.

»Doch, doch! Aber ich hatte mir eine glaubhafte Geschichte ausgedacht«, grinste Gina.

Sie habe gesagt, die alte Ella Waldner, in deren Kate Hans geboren worden war, wolle Kontakt zu ihm aufnehmen. Weil sie nicht weiterkam, habe sie sich deshalb an die Gemeinde Waldkogel gewendet.

Bürgermeister Fellbacher grinste.

»Gina, du bist ganz schön trickreich«, sagte er. »Das ist durchaus glaubhaft.«

Gina sah ihren Chef ernst an. »Es war ein glatte Lüge, Herr Fellbacher. Ich hoffe, der Himmel verzeiht mir.«

Fellbacher schmunzelte.

»Das war für einen guten Zweck! Ich bin sicher, dass im Himmel ein Auge zugedrückt wird. Auf jeden Fall sind wir jetzt ein Stück weiter. Es ist also amtlich. Wir wissen, dass Jack Tom Newman als Hans Thomas Altmann in der Kate von Ella Waldner in Waldkogel geboren wurde. Der Kreis ist geschlossen.«

»Richtig!«, sagte Gina.

»Dann steht der offiziellen Bestätigung, für die Herren Testamentsvollstrecker in Amerika, nichts mehr im Wege«, freute sich Fellbacher.

Mit Ella Waldner war er sich einig geworden, dass die Gemeinde an der Rückseite der Kate eine Erinnerungsplakette anbringen durfte. Hans habe dort oft gesessen und die Berge gemalt, hatte Ella erzählt.

»Ja, so ist es, Herr Fellbacher.«

Bürgermeister Fellbacher forderte Gina auf, den Ordner mit dem Schriftverkehr zu holen. Von jedem Schreiben hatte Gina eine Übersetzung angefertigt.

»Hier, darauf kommt es Ihnen doch an, Herr Bürgermeister«, sagte sie.

»Genau, da steht, dass die Gemeinde Waldkogel eine Erinnerungstafel am Geburtshaus des Malers anbringen muss. Ein Foto davon und eine Erklärung, dass es sich tatsächlich um das Geburtshaus des Malers handelt, muss nach Amerika geschickt werden. Erst dann erhält die Gemeinde Waldkogel das wertvolle Gemälde.«

Gina nickte zustimmend.

»Gut, dann wären wir einen ganzen Schritt weiter«, sagte Fellbacher hochzufrieden.

Gina hatte bereits Kostenvoranschläge für die Tafel erstellen lassen. Bürgermeister Fritz Fellbacher besah sich die Angebote.

»Wir nehmen diese Firma! Der Betrag liegt unter der Summe, für die ich im Gemeinderat abstimmen lassen muss. Auf diese Weise können wir Franz Huber noch etwas im Ungewissen lassen. Je weniger er weiß, desto besser ist es. Da er Ruppert Schwarzers Handlanger ist, würde er es ihm sofort erzählen. Außerdem kann es noch lange dauern, bis das Gemälde hier ist.«

Er beauftragte Gina, sich um die Tafel zu kümmern. Sie berieten, wie der Text lauten sollte und machten mehrere Entwürfe.

Schließlich entschieden sie sich für folgenden Text: Hier wurde der Maler Hans Thomas Altmann geboren. Er wanderte später nach Amerika aus und nannte sich – Jack Tom Newmann – Geburtsdatum – Sterbedatum

Gina telefonierte sofort mit der Firma in Kirchwalden. Die versprach, die Messingplatte mit der Gravur bald zu liefern.

Drei Wochen später war die Tafel angebracht. Bürgermeister Fellbacher lud den Gemeinderat und alle Bürger von Waldkogel zur Enthüllung ein.

Er hielt eine kleine Ansprache, bevor er das Tuch herunterriss. Anschließend lud die Gemeinde Waldkogel zu einem Umtrunk ein.

»Ella, wie fühlst du dich?«, fragte Fellbacher. »Ist es nicht schön, dass deine Kate jetzt so hervorgehoben wird? Richtig bedeutend ist sie.«

Die alte Ella Waldner zog die Stirn in Falten.

»Fritz, mal ganz unter uns: Ich habe deinetwegen meine Zustimmung gegeben. Wenn du es genau wissen willst, ich halte nicht viel von solchen Erinnerungstafeln. Mir wäre es lieber, der liebe Hans wäre noch am Leben. Ich hätte mich gefreut, wenn er mal zu Besuch gekommen wäre.«

»Das verstehe ich gut, liebe Ella«, sagte Fellbacher.

»Na ja, ich sage mir, er schaut aus dem Himmel herunter und freut sich.«

»Das ist eine gute Einstellung«, lobte sie Fellbacher.

»Aber eines ist gewiss, Horden von Touristen, die meine Pflanzen niedertrampeln, die werde ich nicht dulden. Hast du des verstanden?«

»Nun ja, ich verstehe, dass es dich stört.«

»Es stört mich erheblich, Fritz. Also, ich sage dir jetzt, wie ich mir das gedacht habe. Die Erinnerungstafel hängt an der Wand. Die Fotos, die schickst du nach Amerika, damit Waldkogel das wertvolle Gemälde erhält. Aber du tust nicht groß verkünden, dass der Hans in meinem Haus geboren wurde! Es genügt, dass Waldkogel sein Geburtsort ist. Verstehst du, wie ich das meine?«

Fellbacher wollte sie nicht verärgern und versprach, sein Möglichstes zu tun.

»Fritz, das genügt mir nicht. Als Mensch bist du eine ehrliche Haut, das weiß ich. Aber du bist Politiker. Wenn du sagst, dass du dein Möglichstes tun wirst, ist mir des zu wenig.«

Bürgermeister Fellbacher seufzte. »Ella, was soll ich machen, wenn jemand danach fragt?«

»Mei, Fritz, stell dich nicht so an! Dann sagst du, dass dort jemand wohnt und du erst fragen musst. Du fragst mich, und ich entscheide dann. Ich will auf keinen Fall, dass es beim Tourismusbüro einen Hinweis auf meine Kate gibt.«

Bürgermeister Fellbacher legte der alten Ella Waldner die Hand auf die Schulter.

»Ella, ich verspreche dir, dass du nicht besorgt sein musst. Ich werde es nicht an die große Glocke hängen. Die ganze Angelegenheit habe ich mit höchster Diskretion abgewickelt. Ich habe auch kein Interesse daran, dass uns die Kunstfreunde überrollen. Wenn das Bild im Rathaus hängt, werden wir auch Regelungen für die Besichtigung treffen.«

Ella Waldner gab sich damit zufrieden. Sie hoffte, dass bald wieder Ruhe einkehrte. Sie liebte die Zurückgezogenheit und stand nicht gern im Mittelpunkt. Sie erwähnte nicht, dass sie sich vor den Reportern fürchtete, die ihr vielleicht Fragen stellen würden, die sie nicht beantworten wollte.

Die kleine Feier war bald zu Ende. Alle gingen zurück ins Dorf.

An nächsten Tag machte Gina das Schreiben an die Notare in Amerika fertig. Nachdem Fellbacher es unterzeichnet hatte, fügte Gina die entwickelten Fotos hinzu und brachte den Umschlag zur Post. Auf Ellas Wunsch war die Kate nicht vollständig zu sehen. Es war auch kein Foto von ihr dabei.

»Was meinst du, wann der Schrieb in Amerika ist?«, fragte Fellbacher.

»Nächste Woche wird es schon werden«, sagte Gina.

Bürgermeister Fellbacher schaute Gina ernst an.

»Gina, ich sage dir jetzt etwas, so schön das mit dem Bild auch ist, es hat viel Unruhe nach Waldkogel gebracht. Ich hatte mir das nicht so vorgestellt. Veronika Boller hat mir erzählt, dass man eine Ausstellung alter Bilder im Vereinsheim am Sportplatz organisieren will. Fast bei jeder Familie wurden alte Gemälde gefunden. Jetzt wird spekuliert, ob sie wertvoll sind. Deshalb kam man auf die Idee, alle Gemälde auszustellen, um sie einem Kunstexperten zu präsentieren. Er soll dann begutachten, welches Bild von Jack Tom Newman ist.«

Gina lächelte und legte den Kopf schräg.

»Ihnen gefällt die Idee nicht?«, fragte sie.

»Nein, sie gefällt mir ganz und gar nicht. Das ist wie ein Goldrausch. So ein Wahn kann leicht die Gemeinschaft zerstören. Ich weiß, dass es in einigen Familien jetzt schon Streit über die Besitzverhältnisse gibt. Ich muss mir etwas einfallen lassen, Gina.«

Bürgermeister Fellbacher fiel etwas ein. Über seinen Freund Pfarrer Zandler nahm er mit einem Kunstsachverständigen Kontakt auf, der auch für das Bistum Gutachten erstellte. Er war bereit, sich die Bilder anzusehen, die die Waldkogler gesammelt hatten.

So kam es, dass alle Bilder ins Pfarrhaus gebracht wurden. Dort sah sich der Experte die Gemälde an. Gina hatte sie aufgelistet und mit Nummern versehen.

Die Enttäuschung war groß, als bekannt wurde, dass unter den vielen alten Gemälden kein einziger echter Jack Tom Newman dabei war. Nur Ella Waldner und Anton Horbach hatten ihre Gemälde nicht zur Begutachtung abgeliefert. Sie wussten, dass ihre Gemälde echt waren.

Jetzt waren alle in Kirchwalden auf das Bild aus Amerika gespannt. Es sollte bald geliefert werden.

*

Es war Mittag in München. Ein strahlend blauer Himmel wölbte sich über der Stadt. Die Sonne brannte heiß.

Hannis Telefon klingelte. Sie wartete, bis der Anrufbeantworter ansprang, und hörte, wer an der anderen Leitung war.

»Hanni, ich bin es, Rita! Bist du daheim? Bitte nimm ab!«

Johanna, die Hanni gerufen wurde, riss den Hörer von der Gabel. Sie war stolz auf den altmodischen Telefonapparat.

»Grüß Gott, Rita! Mei, das ist Gedankenübertragung. Gerade habe ich an dich gedacht. Ich wollte dich anrufen. Jetzt bist du mir zuvorgekommen. Hast du Lust auf einen Einkaufsbummel?«

Rita keuchte in die Leitung.

»Ich stehe vor dem Haus. Kannst du bitte herunterkommen? Das Bild ist so schwer.«

Johanna lachte. »Warst du mal wieder auf dem Flohmarkt? Ich bin gleich bei dir.«

Sie legte auf, verkeilte die Wohnungstür und rannte die fünf Etagen hinunter.

Völlig überhitzt stand Rita vor der Haustür. Sie hatte ein großes Bild abgestellt, das ihr bis zu den Schultern reichte.

»Himmel, was schleppst du da wieder an?«, lachte Hanni. Sie hielt die Tür auf und packte mit an.

Im Treppenhaus lehnte Rita das Bild an die Wand.

»Willst du das wirklich in meine Wohnung raufschleppen? Wir könnten es in meinem Keller einschließen«, schlug Hanni vor.

»Der Keller ist okay, aber lass mich bitte erst mal zu Atem kommen.« Rita drehte das Bild um.

Hanni betrachtete es. »Was willst du damit machen? Es ist nur ein verblasster Druck. Die Scheibe ist auch gebrochen.«

»Aber schau dir mal den Rahmen an! Er ist handgeschnitzt. Diese Größe, das ist einfach traumhaft. Ich werde dir gleich erklären, was ich damit machen will. Kann ich die zerbrochene Glasscheibe bei dir in den Glascontainer tun?«

»Klar doch!«

Zu zweit trugen sie das Bild in den Hof. Sie legten es auf den Boden. Rita holte ihr Taschenmesser aus dem Rucksack und schnitt die Rückwand auf. Sie bestand aus einer dicken Lage Packpapier, die mit dem Rahmen verklebt war.

»Ich brauche nur den Rahmen. Ich bin so froh! Das war echt ein Schnäppchen«, jubelte Rita.

Hanni half der Freundin, das Papier zu entfernen. Darunter kamen weitere Schichten hervor.

»Da ist einer sehr gründlich gewesen«, murmelte Rita.

Dann bekam sie große Augen.

Zwischen weiteren Schichten Packpapier kam ein uralter Umschlag hervor. Er war versiegelt. Der Siegellack war nur aufgetropft, ohne den Abdruck eines Siegels.

»Wow!«, rief Rita aus. »Das muss ich mir gleich näher ansehen.« Blitzschnell ließ sie den Umschlag in ihren Rucksack verschwinden. »Pst!«, raunte sie Johanna zu und ließ den Blick an der Hausfassade hinaufgleiten. »Alle Fenster stehen offen. Es könnte uns jemand beobachten.«

»Kann ich das Papier in die Papiertonne tun?«, fragte Johanna.

»Ja, aber nur das Packpapier. Den Druck hebe ich auf.«

Rita nahm den verblassten Bilddruck heraus und rollte ihn zusammen. Schnell löste sie ihr Haarband und band es darum.

Danach hoben die beiden Freundinnen die beiden großen Glasteile vorsichtig heraus und warfen sie in die Glastonne, wo sie klirrend zerbarsten.

Rita drückte der Freundin ihren Rucksack und den gerollten verblassten Druck in die Hand. Sie trug den Rahmen, der jetzt erheblich leichter war. So gingen sie die Treppe hinauf.

Oben angekommen, holte Johanna ihrer Freundin Rita Orangensaft und Sprudelwasser aus dem Kühlschrank, und füllte ein großes Glas damit. Rita trank es in einem Zug leer. Johanna schenkte ihr nach.

»Ist das nicht ein großartiges altes Teil? Ich habe nur wenige Euro dafür bezahlt. Es ist heute mein Glückstag«, strahlte Rita.

»Was machst du damit?«

»Ach, da gibt es viele Möglichkeiten. Der Rahmen eignet sich für einen Spiegel. Ich kann ihn auch zu einer Garderobe umarbeiten oder eine Pinnwand daraus machen. Für ein altes Tellerbord ist er ebenfalls ideal. Ich habe mich noch nicht entschieden.«

»Er ist wirklich schön«, sagte Johanna. »Schaut gediegen aus!«

Rita strahlte. »Wenn du das sagst, dann stimmt es. Du warst doch nie für alte Sachen, Staubfänger, wie du sie nennst.«

Johannas Wohnungseinrichtung war schnörkellos. Sie fühlte sich inmitten von Stahlmöbeln und Glastischen und Regalen wohl.

»Jeder hat eben einen eigenen Geschmack. Willst du das Teil für dich verwenden oder …«

»Das ist natürlich für meinen Laden«, unterbrach Rita sie sofort.

»Hast du schon einen Laden gefunden?«

»Nein, ich habe mir in der letzten Woche einige leerstehende Läden angesehen, aber es war nichts Passendes dabei. Es eilt auch nicht. So habe ich genug Zeit, mich um meine Waren zu kümmern. Je mehr ich anbieten kann, desto besser.«

Johanna und Rita setzten sich an den Küchentisch. Johanna lächelte. Dass Rita seit einem Jahr alte Sachen vom Sperrmüll und vom Flohmarkt sammelte, war ihr bekannt. Das war manchmal sogar eine Belastung für die Freundschaft. Für Rita drehte sich alles um ihren Traum. Sie träumte von einem kleinen Laden, mit einem geräumigen Hinterzimmer oder einer anschließenden Werkstatt. Rita war eine junge Innenarchitektin. Sie wollte einen alternativen Einrichtungsladen eröffnen. Sie sammelte alte Möbel und Kleinteile, wie ein Eichhörnchen, das Nüsse für den Winter hortet. Manchmal hatte Johanna schon ein wenig an Ritas Verstand gezweifelt. Doch wenn sie dann sah, was Rita daraus machte, musste sie zugeben, dass die Dinge ein außergewöhnliches Flair hatten. Rita hatte die alten Sachen zu neuem Leben erweckt.