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In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Andrea von Lehn legte ihren Zeigefinger an die Lippen. »Pst! Du bekommst ja deinen Nachmittagskaffee, Hans-Joachim«, flüsterte sie ihrem Mann lächelnd zu. »Aber ich will erst nachschauen, ob Peterle noch schläft. Wenn er schon wach ist, will ich ihn erst wickeln. Sonst komme ich nie dazu, mich in Ruhe zu dir zu setzen.« Die junge Frau wollte das Wohnzimmer verlassen, aber Dr. Hans-Joachim von Lehn ergriff ihre Hand, sah sie mit einem herausfordernden Lächeln an und erwiderte: »Gut, aber ich gebe dir nur zehn Minuten. Wenn du dann nicht wieder bei mir bist, trinke ich allein Kaffee. Ich muss nämlich noch einen Besuch machen.« Sie strich ihm kurz, aber liebevoll über das Haar und verließ das Wohnzimmer. Im Vorbeigehen öffnete sie die Küchentür und bat Betti, sich um den Kaffee zu kümmern. Dann betrat sie auf Zehenspitzen Peterles Zimmer. Die winterliche Sonne sandte mildes Licht durch die hellen Vorhänge, aber Peterle bemerkte das nicht. Er lag in seinem Stubenwagen und schlummerte friedlich vor sich hin. Mit einem zärtlichen Blick betrachtete Andrea ihren kleinen Sohn. Wie schon so oft konnte sie kaum fassen, dass dieses wonnige Baby ihr gehörte. Sie musste sich zusammennehmen, um ihren Sohn nicht zu wecken und sich an seinem glücklichen Lächeln zu erfreuen. Langsam richtete sie sich auf.
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Seitenzahl: 152
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Andrea von Lehn legte ihren Zeigefinger an die Lippen. »Pst! Du bekommst ja deinen Nachmittagskaffee, Hans-Joachim«, flüsterte sie ihrem Mann lächelnd zu. »Aber ich will erst nachschauen, ob Peterle noch schläft. Wenn er schon wach ist, will ich ihn erst wickeln. Sonst komme ich nie dazu, mich in Ruhe zu dir zu setzen.«
Die junge Frau wollte das Wohnzimmer verlassen, aber Dr. Hans-Joachim von Lehn ergriff ihre Hand, sah sie mit einem herausfordernden Lächeln an und erwiderte: »Gut, aber ich gebe dir nur zehn Minuten. Wenn du dann nicht wieder bei mir bist, trinke ich allein Kaffee. Ich muss nämlich noch einen Besuch machen.«
Sie strich ihm kurz, aber liebevoll über das Haar und verließ das Wohnzimmer. Im Vorbeigehen öffnete sie die Küchentür und bat Betti, sich um den Kaffee zu kümmern. Dann betrat sie auf Zehenspitzen Peterles Zimmer.
Die winterliche Sonne sandte mildes Licht durch die hellen Vorhänge, aber Peterle bemerkte das nicht. Er lag in seinem Stubenwagen und schlummerte friedlich vor sich hin. Mit einem zärtlichen Blick betrachtete Andrea ihren kleinen Sohn. Wie schon so oft konnte sie kaum fassen, dass dieses wonnige Baby ihr gehörte. Sie musste sich zusammennehmen, um ihren Sohn nicht zu wecken und sich an seinem glücklichen Lächeln zu erfreuen.
Langsam richtete sie sich auf. Wenn Peterle noch so fest schlief, dann konnte sie sich ruhig wieder einmal eine Kaffeepause mit Hans-Joachim gönnen, überlegte sie.
So leise, wie sie gekommen war, wollte Andrea das Zimmer auch wieder verlassen. Aber da horchte sie auf. Lautes Pferdegetrappel näherte sich dem Haus.
Andrea vergaß alle Vorsichtsmaßnahmen und eilte mit zwei großen Schritten zum Fenster. Sie riss die Vorhänge beiseite, sah neugierig hinaus und erkannte ihren Bruder Sascha, der gerade von der Stute absaß, sie tätschelte und an den Pfosten des Gartenzauns festband.
Über Andreas Gesicht zog ein erfreutes Lächeln, das sie jung und mädchenhaft wirken ließ. »Sascha!«, rief sie erfreut aus. »Besuchst du mich auch wieder einmal?«
Anstelle einer Antwort ihres Bruders, der ihre Stimme durch das geschlossene Fenster gar nicht hören konnte, war ein zartes Glucksen zu hören. Nun war Peterle doch erwacht. Mit großen strahlenden Augen sah er seine Mutter an, die sich schuldbewusst lächelnd über ihn beugte.
»Verzeih, mein Kleiner. Jetzt habe ich dich doch geweckt. Aber Sascha ist gekommen. Dein Onkel Sascha. Darüber habe ich mich so gefreut …«
Andrea beendete den Satz nicht, sondern eilte hinaus auf den Flur, um ihren Bruder zu begrüßen.
»Du wirst ja direkt erwachsen«, frotzelte sie ihn liebevoll und ließ sich von Sascha umarmen. Dann sah sie ihn voller Stolz an und fuhr fort: »Ich habe ganz vergessen, dass ich einen so hübschen Bruder habe. Wir haben dich wohl deshalb so lange nicht mehr gesehen, weil dich die Studentinnen in Heidelberg nicht fortlassen, nicht wahr?«
Sascha von Schoenecker lächelte, aber seine braunen Augen wirkten betrübt. »Liebste Andrea, wenn du wüsstest …«
Arm in Arm traten die beiden Hans-Joachim gegenüber. Herzlich begrüßten die Männer sich. Andrea aber eilte in die Küche, um das Tablett mit dem frisch zubereiteten Kaffee zu holen. Als sie sich jedoch an den Tisch setzen wollte, erinnerte sie sich an Peterle.
»Ich wickle nur schnell deinen Neffen, Sascha. Ich bin gleich wieder da. Du wirst sehen, er freut sich auch, seinen Onkel endlich mal wiederzusehen.«
»Verzeih mir, Hans-Joachim.« Auch Sascha hatte sich erhoben. »Ich sehe den Kleinen so selten, dass ich gern dabei wäre, wenn er frisch gewickelt wird. Verstehst du das?«
Natürlich verstand Hans-Joachim von Lehn das. Und weil er es sowieso eilig hatte, blieb er sitzen und begann seinen Kaffee zu trinken.
Andrea hielt Peterle auf dem Arm, drückte ihn zärtlich an sich und sah Sascha dabei lächelnd an.
»Dein ungewöhnlicher Familiensinn in Ehren, mein lieber Bruder, aber du hast doch bestimmt etwas auf dem Herzen. Du willst mir etwas beichten, nicht wahr? Etwas, wozu du mit mir allein sein musst. Ich kenn dich doch. Also, raus mit der Sprache!«
»Du hast recht, Schwesterherz. Mich treibt nicht nur die Liebe zu dir und deinem Sohn in euer gastliches Haus, sondern ein tiefgreifendes Problem.« Er fasste nach Peterles kleiner Hand und liebkoste sie ungeschickt.
Trotzdem rührte Andrea dieses Bild. Völlig unbeabsichtigt war es zwischen ihr und Sascha lange nicht mehr zu einem Gespräch unter vier Augen gekommen. Das lag daran, dass ihr Bruder seit einigen Jahren in Heidelberg studierte, nur noch gelegentlich am Wochenende nach Hause kam und sie selbst mit dem Baby, ihrer Ehe und dem Tierheim Waldi & Co. vollauf beschäftigt war.
Trotzdem hatte sich an dem guten Verhältnis zu ihrem Bruder nichts verändert. Die alte vertraute Herzlichkeit zwischen ihnen bestand noch immer.
Andrea legte Peterle auf die Wickelkommode und ließ sich von ihm die Haare zerzausen.
Amüsiert sah Sascha dem Mutterglück seiner Schwester zu. Dann räusperte er sich und begann: »Es ist weniger ein Problem, das ich habe, sondern nur eine einfache Frage.«
»So einfach kann die Frage gar nicht sein, wenn du extra deswegen aus Schoeneich hierher kommst«, konterte Andrea belustigt. Sie zog Peterle ein frisches Windelhöschen und danach ein Strampelhöschen an und legte ihn auf den Bauch, um das Strampelhöschen zuzuknöpfen.
Sascha antwortete nicht.
»Also, nun sprich schon«, forderte Andrea ihren Bruder ungeduldig auf. »Es wird doch nicht etwas Ernstes sein? Oder geht es um Mutti, Vati oder die Jungens?«
»Nein, Andrea. Nick und Henrik sind wohlauf. Und unsere Eltern sind glücklich wie immer. Es geht wirklich nur um mich.«
»Du brauchst Geld?« Fragend sah sie ihn an.
Sascha schüttelte den Kopf. »Nein, viel schlimmer. Es geht um eine Frau.«
Andrea nahm ihr Baby auf den Arm. Mit großen Augen betrachtete sie dabei ihren Bruder. »Um eine Frau? Du und eine Frau?« Sie konnte es nicht glauben. Waren nicht erst ein paar Jahre vergangen, seit sie noch Kinderstreiche mit ihm ausgeheckt hatte?
»Na und? Du bist doch auch schon Mutter, Andrea!«
»Jaaa …« Sie drückte ihren Sohn voller Stolz an sich. Dann aber starrte sie Sascha erschreckt an. Ein beunruhigender Gedanke hatte sie erfasst.
»Soll das etwa heißen, dass du …? Um Gottes willen!«
Nun lachte ihr Bruder hellauf. Aber obwohl er Andrea um einen halben Kopf überragte und ein ausgewachsener junger Mann mit klaren, energischen Gesichtszügen war, wirkte er nun doch noch etwas jungenhaft und unreif.
»Nein, Andrea, Vater werde ich nicht. Die Frau, um die es geht, weiß ja noch gar nicht, dass ich mich für sie interessiere. Sie übersieht einfach alle meine Bemühungen. Es ist zum Verrücktwerden!«
Andrea war neugierig geworden. »Wer ist es denn? Kenne ich sie?«
»Nein.« Sascha schüttelte energisch den Kopf. »Sie ist die Schwester meines Studienkollegen Markus Hamm. Sie heißt Cornelia und ist wunderschön. Hellblondes Haar, braune, lebhafte Augen und eine Figur, ich sage dir …«
»Uff!«
Andrea fasste Peterle fester und sank mit ihm auf den bequemen Sessel, der beim Fenster stand. »Dich hat es ja erwischt, Bruderherz. Und was soll ich nun dabei tun?«
Sascha vergrub seine Hände in die Taschen seiner Reithosen und lehnte sich an die Wand. Fast wehmütig sah er drein, als er mit seinem Anliegen herausrückte. »Wie würdest du dich verhalten, wenn du Cornelia wärst? Antworte bitte ganz ehrlich, denn diese Frage kann ich nicht einmal Mutti stellen. Mutti würde mir immer den gut gemeinten Rat geben, dem Mädchen auf diskrete Weise anzudeuten, wie es um mich steht. Und das ist doch wohl zu …«
»Nein, Sascha. Das ist gar nicht zu altmodisch. Wenn ein junger Mann mir gefiele und mir nicht ein wenig entgegenkäme, würde ich denken, ich interessierte ihn nicht. Du musst der schönen Cornelia schon zeigen, dass du dich für sie interessierst.«
»Aber sie tut so, als merke sie nichts.« Ungeduldig stampfte Sascha mit dem Fuß auf, sodass Peterle sein Köpfchen herumdrehte und seinen Onkel neugierig ansah.
Andrea lachte laut auf. In diesem Moment trat Hans-Joachim ein.
»Was ist denn das hier für eine Familienversammlung? Ich dachte, ihr wolltet mit mir Kaffee trinken?«
»Hans-Joachim!« Andrea sprang auf und drückte ihrem Mann das kleine Peter-Bündel in den Arm. Sogleich wurde das Gesicht des Tierarztes weich und zärtlich. »Hans-Joachim, bitte, gib uns eine Auskunft«, wandte Andrea sich an ihren Mann. »Wenn du eine Frau lieben würdest, und sie würde es nicht merken, was würdest du dann tun?«
Er sah sie verwundet an. Dann zog er sie mit dem freien Arm an sich. »Ich würde sie küssen.«
»Der Ratschlag ist nicht gerade gut«, murrte Sascha. »In meinem Fall kann ich ihn nicht anwenden.«
»Aber du kannst es ihr sagen. Du musst auf sie zugehen und sie fragen, ob sie mit dir ins Theater oder ins Kino gehen will. So macht man das.«
Hans-Joachim nickte. »Andrea hat recht. Du musst nicht gleich mit Küssen anfangen. Bei uns ist das etwas anderes«, meinte er verschmitzt lächelnd. »Wir haben ja schon einen Sohn.«
»Und Kaffee«, fuhr Andrea fort. »Er wird jetzt kalt.«
Sascha seufzte. Aber dann folgte er den beiden ins Wohnzimmer. Er wollte ja alles tun, was Andrea und Hans-Joachim vorschlugen. Hauptsache, diese Cornelia würde ihn ernst nehmen.
*
In der geräumigen Villa von Professor Hamm fand ein rauschendes Fest statt. Cornelia Hamm feierte ihren zweiundzwanzigsten Geburtstag, und ihr Vater hatte dafür gesorgt, dass sich die Jugend in seinem Haus wohlfühlte.
Auch Sascha von Schoenecker war eingeladen worden. Der junge Mann, der die Tochter des Hauses so sehr verehrte, saß mit seinem Freund Markus auf der Treppe, die von der geräumigen Wohnhalle in den Oberstock der Villa führte. Mit mürrischer Miene beobachtete er das fröhliche Treiben. Es waren viele Kommilitonen von Cornelia da. Aber sie tanzten ausschließlich mit denjenigen jungen Männern, mit denen sie hergekommen waren.
Markus stieß Sascha in die Seite. »Schau mal, mein Vater tanzt mit Cornelia.«
Sascha hatte das bereits bemerkt. Er hatte ja das junge Mädchen an diesem Abend noch keine Sekunde aus den Augen gelassen. Cornelia war so heiter und temperamentvoll, dass es ihn fast schmerzte. Ihre Schönheit zog ihn magisch an. Aber er fürchtete, von ihr abgewiesen zu werden, wenn er sie zum Tanzen aufforderte.
»Sie tanzen sehr gut, dein Vater und deine Schwester«, bemerkte Sascha mit leiser Wehmut in der Stimme.
»Wie man es nimmt, Sascha. Ich finde es ein bisschen altmodisch. Aber gleich wird mein Vater zu seinem Stammtisch gehen, und dann werden hier die richtigen Rhythmen ertönen. Das wird auch dich hochreißen. Du wirst dann bestimmt mit Cornelia tanzen.«
»Wenn sie will«, entgegnete sein Freund betont gleichgültig und erhob sich, um sein Weinglas aufzufüllen. Noch war er einfach nicht in der Stimmung, Cornelia zu zeigen, wie gern er sie mochte. Alle guten Ratschläge, die er sich von Andrea und Hans-Joachim geholt hatte, erschienen ihm nutzlos.
Als Sascha sich dem Tisch näherte, auf dem in reicher Fülle Platten mit Gebäck, Salatschüsseln, Wein- und Saftflaschen aufgereiht waren, legte sich eine Hand auf seine Schulter. Es war die des Hausherrn Professor Hamm.
»Sascha! Wie schön, dass Sie endlich von Ihrem Treppensitz heruntergekommen sind. Tanzen Sie bitte mit Cornelia. Ich möchte mich jetzt nämlich verdrücken, und wenn Sie mich vertreten, fällt es nicht so auf.«
Sascha nickte gehorsam, aber über sein sympathisches Gesicht flog eine leichte Röte. Er blickte auf und sah in Cornelias dunkle Augen, die vor Vergnügen funkelten.
Sie trug an diesem Abend ein leichtes, geblümtes Blüschen zu einem dunkelblauen Rock. Ihr duftiges Haar war zu einem lockeren Knoten gebunden, sodass sie ungewöhnlich fraulich wirkte.
Sofort legte sie ihre Hand auf seinen Arm. »Nun, was ist, Sascha? Musst du dir erst Mut antrinken?«
»Nein.« Er umfasste sie und schwenkte sie auf die Tanzfläche zu den anderen Paaren. Sein Herz klopfte, und sein Blick hing für einen Moment dankbar an dem Gesicht des alten Herrn, der ihm so offen und vertrauensvoll zunickte.
Cornelia schmiegte sich an Sascha und raunte ihm zu: »Mein Vater geht jetzt. Nun wird es erst lustig.«
»Aber dein Vater ist doch prima, Cornelia. Er ist sehr aufgeschlossen und modern. Mich stört er bestimmt nicht.«
Sie legte den Kopf nach hinten und lachte hellauf. »Du sitzt ja auch den ganzen Abend oben auf der Treppe und spielst Tanzmuffel. Dir ist es egal, welche Musik gespielt wird.« Mit einer graziösen Bewegung umschlangen ihre zarten Arme seinen Nacken. Sie machte eine süße Schnute und fuhr fort: »Mein Vater ist wirklich in Ordnung. Aber er kann keine moderne Tanzmusik leiden. Das ist aber auch sein einziger Fehler.«
Nun musste auch Sascha lachen. Er zog Cornelia näher an sich und sagte: »Gut. Dann sorgen wir jetzt für heiße Musik. Aber du musst bei mir bleiben.«
Ein schelmischer Blick traf ihn von unten. »Bei dir bleiben? Tanzt du denn gern mit mir?«
Sascha erinnerte sich, was Hans-Joachim ihm geraten hatte. Der heftige Wunsch, sie zu küssen, überkam ihn. Aber sie waren ja nicht allein. Darum nickte er nur und zog sie noch näher an sich.
Ausgerechnet da brach der langsame Walzer ab. Die anderen jungen Gäste legten ein neues Tonband auf, und die modernen Rhythmen, die nun über sie hereinbrachen, verlangten einen anderen Tanzstil.
Cornelia löste sich von ihm und gab sich der Musik hin. Sascha stand einen Augenblick allein da. Dann aber überließ auch er sich dem zündenden Takt.
Die Stimmung war so fröhlich, dass Sascha sich ausgelassen um sich selbst drehte. Doch als er erneut Cornelias Augen suchte, seine Arme zärtlich nach ihr ausstreckte, war sie verschwunden. Vor ihm stand ein anderes Mädchen. Auch sie war hübsch, aber mit der Schwester seines Freundes nicht zu vergleichen.
»Wo ist Cornelia?«, fragte Sascha überrascht.
Das Mädchen machte ein paar Tanzschritte auf ihn zu und rief: »Zur Tür. Es hat geklingelt.« Dann wandte auch sie sich wieder ihrem Partner zu.
Sascha stand nun wirklich allein da. Er verließ die Tanzfläche und ging auf Markus zu. Sein Freund hatte sich einen Teller mit Salat vollgehäuft und stieß ihn grinsend an. »Na«, rief er kauend, »bist du zufrieden? Tanzt meine Schwester nicht erstklassig?«
Sascha strahlte über das ganze Gesicht. »Ja. Aber sie musste gerade zur Tür. Gleich geht es weiter.«
Kaum hatte er diesen Satz beendet, stieß Markus’ Ellenbogen ihn schon wieder in die Seite. Kauend deutete der Freund auf die Eingangstür. Dort empfing Cornelia einen gut aussehenden Herrn mit grauen Schläfen. Das bunte Tuch, das er um den Hals geschlungen trug, betonte seinen braunen Teint.
»Nichts geht mehr«, bemerkte Markus trocken, nachdem er den Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Norbert Tossy ist da. Das ist ja das Letzte!«
»Das Letzte? Wieso?« Sascha verstand nicht, was Markus gegen diesen verspäteten Gast hatte. Aber es dauerte nicht lange, bis auch er begriff, dass Cornelia diesen gut aussehenden Mann in der modischen Aufmachung besonders aufmerksam begrüßte. Ohne sich um die anderen Gäste zu kümmern, führte sie ihn in den Salon und schloss die Tür hinter sich.
»Wer ist denn das?«, wollte Sascha wissen. Ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn. Obwohl er noch nicht wusste, dass hier ein Rivale aufgetaucht war, spürte er doch schon so etwas wie Eifersucht in sich auf steigen.
»Das ist typisch Cornelia«, schimpfte Markus. »Sie hat ihn bestimmt hinter dem Rücken meines Vaters eingeladen. Darum kommt er erst so spät.«
»Kann dein Vater diesen Herrn Tossy denn nicht leiden?«
»Norbert Tossy ist ein bekannter Kunstmaler, Sascha. Er und mein Vater haben sich gut verstanden. Aber seit kurzem interessiert Tossy sich für Cornelia, und – wie du siehst – mit Erfolg. Meinst du vielleicht, wir finden es schön, dass ausgerechnet dieser Partylöwe sich an unsere Cornelia heranmacht?«
Sascha schluckte. Er verspürte plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Darum ergriff er nun ebenfalls einen Teller und füllte ihn ziemlich wahllos mit allem, was sich an Essbarem auf dem Tisch befand. Er sah keine Freunde, Mädchen oder Tanzpartner mehr, er dachte nur noch an das, was dort hinter der Tür des Salons vor sich ging. Wütend biss er in ein Hühnerbein. »So ein Widerling!«, knirschte er Markus an. »Macht sich an Cornelia heran …«
»Ach, was! Cornelia ist auch nicht besser«, schimpfte Saschas Freund mit gedämpfter Stimme, damit ihn die anderen nicht hörten. »Norbert Tossy ist schließlich verheiratet. Es ist richtig geschmacklos, wie gockelhaft er sich aufführt.«
Sascha fiel fast der Teller aus der Hand, so entsetzt war er. Stumm vor Schrecken sah er seinen Freund an. »Der ist verheiratet?«, wiederholte er ungläubig. »Und seine Frau?«
Da zog Markus ihn mit sich fort zum Salon. »Seine Frau hat sich wohl daran gewöhnt«, flüsterte er dabei und ging mit großen, entschlossenen Schritten auf die Tür zu. Aber er kam nicht mehr dazu, seine Schwester und deren Verehrer zu stören. Denn im gleichen Moment kamen die beiden in enger Umarmung zurück in die Halle, wo die Paare noch immer tanzten, als hätten sie nichts von dem neuen Gast bemerkt.
Cornelia näherte sich dem Tonbandgerät. Sie stoppte die moderne Musik und spulte das Band um. Ein allgemeines »Oooh!« drückte die Enttäuschung der jungen Leute aus.
Cornelia lächelte.
Ihre Wangen waren gerötet, ihr Knoten hatte sich gelockert. Sie war schöner denn je.
Sascha konnte den Blick nicht von ihr wenden, als sie den Kopf hob und verkündete: »Seid nicht sauer, Freunde! Aber nun habt ihr genug gerockt! Jetzt werden wir wieder romantisch.«
Als gleich darauf ein schmelzender Schlager erklang, ließ sie sich von Norbert Tossy in die Arme nehmen, schmiegte sich an ihn und glitt elegant mit ihm über die Tanzfläche.
Die Stimmung war zu gut gewesen. Der Vorfall wurde nicht weiter beachtet. Auch die jungen Leute schlossen sich dem neuen Takt an. Nur Markus und Sascha verfolgten das tanzende Paar mit grimmigen Gesichtern.
»Ist ja nicht zu fassen«, stöhnte Sascha. »Das ist doch genau die Melodie, nach der dein Vater vorhin mit Cornelia getanzt hat.« Voller Verbitterung dachte er daran, dass Cornelia noch vor Kurzem über diese Musik gelacht hatte.
»Das braucht dich doch nicht zu wundern, Sascha. Norbert Tossy könnte ja auch ihr Vater sein. Er ist nur etwas alberner und berühmter. Das gefällt ihr eben. Außerdem schleppt er sie auf alle Künstlerparties. Da kommt sie sich dann wie ein Star vor.«
»Nein, das glaube ich nicht. So ist Cornelia nicht. Sie ist doch ein intelligentes Mädchen, Markus. Sie studiert und will einen Beruf ausüben.«
Sascha hatte bei diesen Sätzen überzeugt den Kopf geschüttelt. Aber jetzt, als er sah, dass der Kunstmaler Cornelia Hamm in eine Ecke zog und sie ungeniert vor den anderen Gästen küsste, blieb er stumm und wandte sich ab.