Schottensterben - Gordon Tyrie - E-Book
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Schottensterben E-Book

Gordon Tyrie

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Beschreibung

Ein Hebriden-Krimi für Schottland-Liebhaber und alle Fans von Kriminalromanen mit einem guten Schuss schwarzen Humors: Der Eigenbrötler Nicol, 52, liebt nichts mehr als die malerische kleine Bucht samt Cottage und Bootshaus, die er auf der Hebriden-Insel Gigha gepachtet hat. Ausgerechnet dort will nun der beliebte schottische Schauspieler und Regisseur Jim McKechnie seinen neuen Film drehen. Als McKechnie Nicol androht, seine Kontakte spielen zu lassen, um Nicols Pachtvertrag aufzulösen, kommt es zu einem wüsten Streit zwischen den beiden Männern. Am nächsten Morgen spült das Meer Nicol eine Überraschung vor die Haustür: eine männliche Leiche im Kilt, allem Anschein nach McKechnie. Was tut man nun mit der Leiche seines Erzfeindes, wenn man lästige Fragen vermeiden will? Dummerweise ist Nicol nicht so unbeobachtet, wie er sich fühlt. Und seine heimlichen Zuschauer haben ebenfalls eine ganze Reihe Gründe, die Leiche auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen … »Gordon Tyrie« ist das Pseudonym des mit dem Glauser-Preis ausgezeichneten Krimi-Autors Thomas Kastura. Von Gordon Tyrie ist außerdem der Hebriden-Krimi »Todesströmung« erschienen.

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Seitenzahl: 354

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Gordon Tyrie

Schottensterben

Ein Hebriden-Krimi

Knaur e-books

Über dieses Buch

Der Eigenbrötler Nicol, 52, liebt nichts mehr als die malerische kleine Bucht samt Cottage und Bootshaus, die er auf der Hebriden-Insel Gigha gepachtet hat. Ausgerechnet dort will nun der beliebte schottische Schauspieler und Regisseur Jim McKechnie seinen neuen Film drehen. Als McKechnie Nicol androht, seine Kontakte spielen zu lassen, um Nicols Pachtvertrag aufzulösen, kommt es zu einem wüsten Streit zwischen den beiden Männern.

Am nächsten Morgen spült das Meer Nicol eine Überraschung vor die Haustür: eine männliche Leiche im Kilt, allem Anschein nach McKechnie. Was tut man nun mit der Leiche seines Erzfeindes, wenn man lästige Fragen vermeiden will? Dummerweise ist Nicol nicht so unbeobachtet, wie er sich fühlt. Und seine heimlichen Zuschauer haben ebenfalls eine ganze Reihe Gründe, die Leiche auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen …

Inhaltsübersicht

KarteDie HauptpersonenCraigs Tagebuch, 5. Februar 20171. Kapitel2. Kapitel3. Kapitel4. Kapitel5. Kapitel6. Kapitel7. Kapitel8. Kapitel9. Kapitel10. Kapitel11. Kapitel12. Kapitel13. Kapitel14. Kapitel15. Kapitel16. Kapitel17. Kapitel18. Kapitel19. Kapitel20. Kapitel21. Kapitel22. Kapitel23. Kapitel24. Kapitel25. Kapitel26. Kapitel27. Kapitel28. Kapitel29. Kapitel30. Kapitel31. Kapitel32. Kapitel33. Kapitel34. Kapitel35. Kapitel36. Kapitel37. Kapitel38. Kapitel39. Kapitel40. Kapitel41. Kapitel42. Kapitel43. Kapitel44. Kapitel45. Kapitel46. Kapitel47. Kapitel48. Kapitel49. Kapitel50. Kapitel51. Kapitel52. Kapitel
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Die Hauptpersonen

NICOL

trägt niemals Schuhe, baut ein Boot und findet eine Leiche am Strand

PHYLLIS UND VAL

(Zwillinge)

töpfern, träumen und erinnern sich viel zu genau an Vergangenes

STUART UND JESSIE

lieben einander und fischen nicht nur Algen aus dem Wasser

HYNCH

hat einiges auf dem Kerbholz, ein großes Ruhebedürfnis sowie ein Teleskop

CRAIG

fährt mit seinem Postauto über die Insel und schreibt Briefe, die von den falschen Leuten gelesen werden

JIM MCKECHNIE

ist in keinem guten Zustand

PAT UND BOB

wollen eigentlich nur Urlaub machen und stören gewaltig

THIN LIZZY

zottelig, mag (fast) niemanden

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Craigs Tagebuch, 5. Februar 2017

Vielleicht hätte alles einen ganz anderen Verlauf genommen, wenn die Flut gegen Ende der Nacht nicht so stark gewesen wäre. Das Donnern der Brandung. Ewig heulender Wind, durch Ritzen und Spalten dringend und die Wärme aus dem Haus saugend. Böen, die einem fast das Dach wegreißen.

Vielleicht hätte Frühnebel in der Bucht dazu geführt, dass man gewisse unerfreuliche Dinge übersehen hätte, bis sie durch die Gezeiten wieder verschwunden wären. Irgendwann verschwindet alles, man muss nur lange genug warten.

Vielleicht hätte sich gar nichts Erzählenswertes ereignet, wenn die Menschen auf den Hebriden anders wären, als sie nun mal sind: neugierig, misstrauisch, starrsinnig. Und wenn sie ihr Glück nicht genau dort suchen würden, wo es sonst niemand vermutet.

Doch den Raum des Möglichen, gibt es den nicht überall? Die kleinen und großen Zufälle, die darüber entscheiden, ob das Leben eine schlechte Komödie bleibt oder sich eher in Richtung Tragödie entwickelt?

Jeden Tag setze ich mit meinem roten Postwagen auf Gigha über. Mit den meisten Bewohnern verstehe ich mich ganz gut. Wenn es die Zeit erlaubt, bleibe ich auf eine Tasse Tee, manchmal auch auf was Stärkeres. Dabei erfahre ich mehr, als mir lieb ist. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nicht so richtig dazugehöre. Ich bin ein Outsider, einer, der am Ende seiner Tour wieder aufs Festland zurückkehrt. So jemandem erzählt man die merkwürdigsten Sachen, und diese Sachen behalte ich normalerweise für mich. Aber jetzt ist entsetzlich viel passiert …

Langsam frage ich mich, ob dieses Tagebuch eine gute Idee ist. Soll ich die Seiten herausreißen und verbrennen? Auf Inseln geschieht eine Menge, das kaum jemals nach außen dringt. Ein echter Standortvorteil.

Inseln können prima schweigen.

Vielleicht wäre es besser, einen weiteren Brief zu schreiben. Einen letzten, der alles erklärt. An die einzige Person, die mir etwas bedeutet. Mich ehrlich zu machen.

Jedenfalls: Ich war’s. Ich hab’s getan.

Glaube ich zumindest.

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1

Die Brandung spie einen Toten aus. Jede einkommende Welle trug den Körper ein bisschen weiter auf den Strand. Wie ein Stück Treibgut wurde er an der Wasserlinie hin- und hergewälzt, wieder und wieder, als wolle das Meer etwas zurückgeben, wofür es keine Verwendung hatte. Braucht das noch jemand, oder kann das weg?

Wenn Schotten sterben, steigt meistens eine Party.

Auch jetzt herrschte hektische Betriebsamkeit. Garnelen versuchten, zurück ins Wasser zu gelangen, in ihre angestammte Sphäre, außerdem Langustinen, Asseln und was sonst noch Beine besaß. Krebse und Felsenkrabben verweilten länger bei dem Festmahl. Sie schnippelten sich mit ihren kräftigen Scheren überall durch, Bauchdecke, innere Organe, es war noch reichlich vorhanden. Manch eine Krabbe wurde aufgespießt von einer Möwe, einem Kormoran oder einem anderen natürlichen Fressfeind. Räuber-Beute-Beziehungen waren nicht verhandelbar, es kam, wie es kam. Vielleicht schaute noch ein Fischotter oder ein herumstreunender Hund vorbei, die hatten schließlich auch Hunger.

Wasser, Luft und Land, der Dreiklang der Evolution. An deren Spitze stand eigentlich das, was sich momentan auf Bodenniveau befand, diesmal nicht am oberen Ende der Nahrungskette, sondern ausnahmsweise am unteren: eine Leiche, zunehmend unvollständig.

Der Mensch. Oder was davon übrig war.

In der Rechtsmedizin hieß das »postmortaler Tierfraß«. Spuren aller Art wurden zuverlässig beseitigt. Zumindest die meisten.

Hynch konnte so was stundenlang beobachten. Er nahm einen Schluck Tee. Das Leben war eine Art Naturdoku, fand er.

Er schwenkte sein Teleskop. Dass eine Party stieg, war nicht übertrieben. Jede Menge Leute hier.

Sein linkes Auge juckte. Sein Phantomauge. Das tat es immer, wenn es viel zu sehen gab.

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2

Tiere waren früher da gewesen als Menschen. So auch hier. Und sie waren deutlich in der Überzahl. Fleischfresser, Pflanzenfresser, Allesfresser, wohin man blickte.

Diese Tiere hatten eines gemeinsam: Keines war schuld.

»Das haben sie uns voraus«, brummte Hynch. »Wissen nicht mal, was das sein soll: Recht oder Unrecht. Die machen ihr Ding, und fertig.«

Er führte wieder Selbstgespräche, eine der Marotten, die er sich angewöhnt hatte.

Aus seinem früheren Leben gab es niemanden mehr, mit dem er sich hätte unterhalten können. Sie waren allesamt sehr schweigsam geworden, Ex-Auftraggeber, Ex-Partner, Ex-Informanten, Ex-Feinde, die Reihe ließ sich beliebig fortsetzen, massenhaft Schweinehunde, die noch froh sein konnten, dass sie an ihn geraten waren. Würmerfraß oder in Flammen aufgegangen, je nachdem. Deswegen genoss er jetzt seinen Ruhestand.

Den Ruhestand eines Profikillers. Mit Betonung auf Ruhe. Er hatte mit dem Töten abgeschlossen und wollte nur noch seinen Frieden. Von ihm aus konnte die Leiche ruhig vollständig gefressen, verdaut und wieder ausgeschieden werden, so ging das seit Jahrmillionen. Das Letzte, was er hier auf Gigha brauchte, waren polizeiliche Ermittlungen. Und wenn der tote Typ am Strand derjenige war, von dem er annahm, dass er es war, mussten seine sterblichen Überreste schnellstmöglich verschwinden. Sonst wäre auf der Insel bald der Teufel los.

Den Teufel in Gestalt von medialer Aufmerksamkeit, den kannte Hynch schon, auf den verzichtete er lieber. Er zog es vor, unerkannt zu bleiben. Und im Verschwinden, vor allem aber im Verschwindenlassen verfügte er über jahrzehntelange Erfahrung.

Wenn er sich so umsah, beschlich ihn der Verdacht, dass er nicht der Einzige war, dem die Leiche Kopfzerbrechen bereitete. Aus dem Schutz seines sorgfältig getarnten Unterstands registrierte er drei verschiedene Parteien, seine Nachbarn gewissermaßen: Nicol, den barfüßigen Aussteiger; Val, eine der verrückten Zwillingsschwestern; und das junge, schwer verliebte Fischerpärchen, Jessie und Stuart, in ihrem Boot draußen auf See.

Sie alle sahen, was er sah, einen toten Scotsman in voller Montur, daran bestand kein Zweifel, um 9.22 Uhr, wie Hynch nach einem Blick auf seine Armbanduhr festhielt, am abgelegenen Palm Tree Beach, der sich dadurch auszeichnete, dass keine einzige Palme an seinem von Farnen und allerlei Gestrüpp überwucherten Ufer wuchs. Schottische Ironie.

Niemand schien sonderlich alarmiert. Alle beobachteten nur, was geschah.

Ein paar Schafe standen auch herum und schauten zu. Schafe besaßen 32 Zähne, genauso viele wie Menschen. Waren aber reine Pflanzenfresser. Fluchttiere. Totale Schisser. Auch das zottelige Hochlandrind, das abseits von den Schafen weidete, war ein reiner Pflanzenfresser – doch alles andere als ein Schisser. Es hieß Thin Lizzy. Der Name war irreführend, denn Lizzy wog fast eine Tonne. Sie sonderte sich stets von der Herde ab und war ein bisschen soziopathisch veranlagt, aus einem Grund, den Hynch nicht kannte. Im Herbst hatte sie spontan einen Pferch zerlegt und als Zugabe noch den Pick-up-Truck von Bauer McPhee umgeschmissen. Seither ging Hynch der Kuh lieber aus dem Weg. Zum Glück interessierte sie sich nicht für seinen Unterstand.

Den Bau getarnter Unterstände hatte er vor langer Zeit beim Militär gelernt, um tagelang auf der Lauer zu liegen und einen tödlichen Schuss anzubringen, oft sogar hinter den feindlichen Linien. Er war mit der Umgebung eins geworden, mit einer afghanischen Gebirgsflanke, kongolesischem Flussschlamm oder irakischem Wüstensand. Dieses Mal hatte er sich in den Abhang über der Bucht regelrecht eingegraben. Immer ans Terrain anpassen. Bei der Vogelbeobachtung, seinem neuen Hobby, war das unabdingbar.

Vögel waren viel interessanter als Menschen, fand er, beweglicher, schöner anzuschauen, wenn auch ähnlich bescheuert. Man konnte nicht alles haben.

Er mochte Basstölpel. Und Papageientaucher. Beides sehr hübsche Vögel, und zutraulich, was ihnen nur allzu oft zum Verhängnis wurde.

Von den anwesenden Menschen konnte er Val am besten leiden. Eine dunkle Wolke hing ständig über ihr. Über ihm auch.

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3

Ihre Schwester war glücklich. Wieder einmal.

Phyllis wusste noch nichts von der Leiche. Sie saß auf ihrer Lieblingsdecke im windgepeitschten Gras, an einer Stelle, von der aus sie die Twin Beaches gut überblicken konnte. Val hatte Phyllis dick eingepackt, Winterparka mit Kapuze, Handschuhe, gefütterte Stiefel, so mochte sie es am liebsten. »Außen kalt, innen warm«, stellte sie manchmal wie zur Bestätigung fest.

Die Luft fühlte sich frisch und gereinigt an nach dem Sturm der vergangenen Nacht. Die See war noch aufgewühlt. Mächtig rollten die schwarzblauen Wogen heran, bauten sich zu Brechern auf und fielen in sich zusammen, kurz bevor sie den Strand erreichten, majestätisch und bedrohlich zugleich.

Phyllis schaute nicht nach Osten, wo der Palm Tree Beach lag – und Gighas derzeitige Hauptattraktion. Sie schaute nach Westen. Ein paar Inseln befanden sich dort. Und der Atlantik, so weit das Auge reichte, bis zum Horizont.

Doch da war noch etwas anderes. Etwas aus ihrer Vergangenheit, das sie ausfüllte wie ein niemals verlöschendes, gelegentlich durch die Wolken brechendes Licht. Sie sah es auf den Wellenkämmen, funkelnd in den ersten Sonnenstrahlen dieses Wintermorgens am Meer. Sie sah es in den Tautropfen, die zitternd an den Halmen des Strandhafers hingen, an den Reflexionen der vom Seewasser benetzten Felsen, in den schimmernden Prielen, die die Rückströmung hinterließ.

Volle drei Tage würde Phyllis nicht ansprechbar sein. Val kannte diese Phasen, sie liefen immer gleich ab. Dann lag ein unbestimmtes Lächeln auf dem Gesicht ihrer Schwester. Hin und wieder murmelte sie unverständliches Zeug und war nur zu den einfachsten Verrichtungen imstande. Val musste Phyllis an die Hand nehmen, sie führen, ihr beim An- und Auskleiden helfen. Und sie durfte ihren Wachtraum keinesfalls stören.

Val und Phyllis. Unzertrennlich.

In Augenblicken wie diesem beneidete Val ihre Schwester um eine außergewöhnliche Fähigkeit, die bei ihr eher ein Segen zu sein schien. Ein Segen? Nein, es war eine Gabe, Phyllis hatte sie selbstständig herausgebildet, irgendwann in ihrer Jugend. Die Gabe, sich das Beste vom Besten in Erinnerung zu rufen. Sich nur der Geschehnisse zu entsinnen, die in helle, heitere Farben getaucht waren.

Wer konnte das schon von sich behaupten? Das Gute dem Schlechten vorzuziehen? Die meisten Menschen klammerten sich lieber am Schlechten fest, dachte Val, sie pflückten nicht die prallen reifen Früchte, sondern sie rafften das Fallobst zusammen, das faulende und gärende Zeug. Und dann kochten sie diesen Lebensmatsch ein, füllten ihn in Einmachgläser, stellten sie säuberlich etikettiert auf den Schlafzimmerschrank und zeigten ihre Sammlung jedem, der vorbeikam, ob er wollte oder nicht.

Erinnerungen konnten ziemlich aufdringlich sein.

Phyllis teilte ihre Erinnerungen mit niemandem, nicht einmal mit Val. Ganz einfach, weil sie nicht auf den Gedanken kam, dass sich jemand dafür interessierte. Und ein bisschen auch deshalb, weil es ihr »süßes Geheimnis« war, wie sie nach ihren dreitägigen Flashbacks gern sagte.

Doch ihre Gabe war nichts gegen den Fluch, den Val abgekriegt hatte. Den Fluch des zwanghaften Erinnerns. Nicht wie in Trance und auf wenige Tage beschränkt wie bei Phyllis, sondern ständig, von früh bis spät. Als liefe der History Channel in einem Teil ihres Gehirns in Endlosschleife. Und im Gegensatz zu Phyllis konnte Val sich das Programm nicht aussuchen.

Die Leute meinten immer, bei Zwillingen seien Vorzüge und Schwächen gerecht verteilt.

Die Leute hatten keine Ahnung.

Val machte kehrt und ging zurück zum Palm Tree Beach, zu dem Strand mit der Leiche. Gut, dass Phyllis der Anblick erspart geblieben war.

Angeschwemmte leblose Körper, von der Brandung über Riffe und Felsen gezerrt und ans Ufer geworfen.

In Schiffsbäuchen geborgene und bereits von Leichentüchern umwickelte Körper.

Körper, die an der Wasseroberfläche trieben und noch in ihren Schwimmwesten hingen.

Val hatte solche Bilder häufig im Kopf. Sie stammten zumeist aus dem Fernsehen oder aus Geschichtsbüchern. Aber auch aus eigener Anschauung. Im Grunde hätte sie sich bei der Seenotrettung bewerben können – als Sachverständige für Wasserleichen. Oder als Kandidatin bei Quizshows. Schon als Kind hatte sie sich ausführlich damit beschäftigt. Ausführlich hieß bei Val: bis ins allerletzte Detail. Sie brauchte 47 Minuten, um alle 1.514 Todesopfer des Untergangs der Titanic aufzuzählen. Für die gesamte Passagierliste, die aus über 2.200 Personen bestand, etwa 20 Minuten länger. Doch Überlebende interessierten sie nicht. Die Toten waren mehr ihr Fall.

Die Leiche am Palm Tree Beach gehörte zur Kategorie »angeschwemmt, ungefähr einen halben Tag im Wasser, Verletzungen durch Auf- oder Anschlagen gegen spitze Steine und Muschelbewuchs«. Soweit es zu erkennen gewesen war. Val hatte mit Phyllis einen Spaziergang gemacht. Phyllis hatte an den Twin Beaches ihren Rappel bekommen, und Val hatte Phyllis auf deren Lieblingsdecke zurückgelassen und weiter ihre Runde gedreht bei diesem für Anfang Februar überraschend freundlichen Wetter, das musste man ausnutzen. Sie hatte die Leiche entdeckt und kurz untersucht – ohne mit der Wimper zu zucken, immerhin hatte sie früher als OP-Krankenschwester gearbeitet.

Dann hatte sie bemerkt, dass Rauch aus dem Cottage aufstieg, und war vorsichtshalber verschwunden. Sie hatte erneut nach ihrer Schwester gesehen, die ganz in den glücklichsten Tagen ihres Lebens aufging, anderer Ort, andere Zeit, und jetzt war Val wieder hier am Palm Tree Beach, duckte sich hinter einen Felsen und schaute hinab. Sie holte einen Feldstecher aus ihrem Parka und stellte ihn scharf. Ihr durfte nicht das Geringste entgehen.

Der Palm Tree Beach lag auf der Nordostseite von Gigha, eine halbe Meile von Phyllis entfernt. Inzwischen war Nicol wach und inspizierte das Gelände.

Val hatte einen Spitznamen für Nicol: Hobbit. Er ging barfuß, auch im tiefsten Winter, so eine Öko-Nummer. Vegetarier, klar. Er baute ein Boot, obwohl er davon als Landratte aus Milton Keynes keine Ahnung hatte. Sah aus wie eine dickliche Version von Bilbo, achtete nicht mehr groß aufs Äußere mit seinen verfilzten Kraushaaren und der roten Knollennase.

Doch »Hobbit« hatte sich bei den anderen nie durchgesetzt. Auf den Hebriden waren noch viel durchgeknalltere Typen als Nicol unterwegs, Einheimische wie Zugezogene. Manche hausten in Höhlen, andere schwammen in Neoprenanzügen meilenweit durchs Meer oder surften in Strandnähe, bevorzugt im Winter, weil da die Wellen erstaunlich hoch werden konnten. Es waren nur ein paar, aber es gab sie, sogar auf der Isle of Gigha, auf der gerade einmal 160 Menschen lebten. Diese Einzelgänger hatten sich abgesondert vom Rest der Welt. Auch Val und Phyllis gehörten in gewisser Weise dazu. Die Krankheit, unter der sie angeblich litten, machte sie automatisch zu Außenseitern.

Nicol stapfte am Ufer entlang durch eine Mischung aus Sand und Kieseln. Er wich den Braunalgen aus. Mit seinem unförmigen Wanderstab kam er sich wohl vor wie Gandalf, der Zauberer, dachte Val. Doch für sie blieb es dabei: Hobbit. Val wusste, warum er ein Bäuchlein vor sich herschob: Käsemaccheroni aus der Dose. Nicol fraß den Matsch palettenweise. Er war kein großer Koch.

Endlich stieß er auf die Leiche.

Nicol stutzte. Stocherte an dem Körper herum. Der Zersetzungsprozess musste sich schlagartig beschleunigt haben, nachdem der Tote von der Flut an Land gespült worden war. Vielleicht roch es schon ein bisschen streng, mutmaßte Val.

Nicol übergab sich. Nicht auf die Leiche, sondern in eine Pfütze am Strand. Offenbar hatte er einen sensiblen Magen. Wohl das einzig Sensible an ihm.

Doch dann geschah etwas Seltsames. Nicol schien schlechter Laune zu sein. Mit seinem Wanderstab holte er aus und schlug wie ein Wahnsinniger auf die Leiche ein. Immer wieder, als wollte er ein Steak weich klopfen. Ein Steak, das längst weich war.

Ziemliche Sauerei.

Vals Finger ballten sich zu Fäusten, ihre Muskeln spannten sich. Hau drauf, Nicol! Geht das nicht kräftiger?

Wie gerne hätte sie ihm dabei geholfen. Sie kannte den Toten. Seine Kleidung, die sie immer als lächerlich empfunden hatte, ließ keinen Zweifel zu. Durch und durch schottisch. Oder das, was man landläufig dafür hielt: Kilt, Kniestrümpfe und so weiter. Jim McKechnie hatte es verdient zu ertrinken, von Riffen zerraspelt und von Strandkrabben ausgeweidet zu werden.

Aber wie, fragte sich Val, war er überhaupt ins Wasser gelangt? Jim war zu Lebzeiten ein erfahrener Skipper gewesen, mit seinem Segelboot hatte er die stürmischsten und gefährlichsten Gewässer der Welt durchquert. Es gab zahllose Reportagen darüber, die ihn als unerschrockenen Seemann zeigten, großzügig bebildert, im Fernsehen und in den Zeitungen. Und bei dem Unwetter letzte Nacht wäre er doch sicher im Hafen geblieben, oder etwa nicht?

Nicol hielt inne. Außer Atem senkte er den Wanderstab. Er ließ sich auf dem Boden nieder und machte eine Pause. Keine Kondition, der Mann.

1881, kam es Val in den Sinn. Das Handelsschiff Henrietta. Es war bei Cara Island südlich von Gigha auf Grund gelaufen und gesunken. Der Kapitän war dabei über Bord gespült und auf den Pentland Skerries, 500 Kilometer weiter nördlich, wieder angetrieben worden. Nur noch schwer identifizierbar.

Das war Vals Gabe, ihr Fluch: Untergänge.

Sie und Phyllis hatten das hyperthymestische Syndrom. Ein absolutes Gedächtnis. Sie konnten sich an unglaublich vieles, das ihnen oder ihren Angehörigen widerfahren war, haarklein erinnern. Wo sie gewesen waren, welche Klamotten sie getragen hatten, was sie mit wem geredet hatten, was außerdem noch passiert war im Weltgeschehen. An jedem einzelnen Tag ihres Lebens. Das hatte etwas mit einer ungewöhnlich starken Aktivität in den Stirn- und Schläfenlappen zu tun. Ein Neurologe hatte versucht, es ihr auseinanderzusetzen.

Aber ihr Gedächtnis funktionierte selektiv, episodisch. Sich wirklich alles zu merken überstieg die Kapazität jedes Gehirns. Deshalb, vermutete Val, gab es bei ihnen im Kopf eine Art Sicherheitssperre. Sie speicherten nur das ab, was eine persönliche Bedeutung für sie besaß oder in irgendeinem Bezug zu ihnen stand. Bei Phyllis waren das drei verrückte Tage, in denen sie die Liebe kennengelernt hatte, wie sie sich ausdrückte. Vor 30 Jahren. Ein Zeitfenster mit rosigem Ausblick – Phyllis’ positivem Naturell entsprechend. Bei Val waren es dagegen Katastrophen, vorwiegend zur See. Was daran lag, dass ihre Eltern 1987 bei einem Schiffsunglück umgekommen waren, am 6. März, das Datum hatte sich unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt.

17 waren sie beide damals gewesen. Val hatte Mum und Dad auf der Überfahrt von Belgien nach England begleitet – und den Untergang der Fähre überlebt, der Herald of Free Enterprise, während Phyllis zu Hause in Edinburgh dem Mann ihres Lebens begegnet war. Einem Mann, dem jetzt die Augen und noch einiges mehr fehlten. Dessen einst so attraktives, telegenes Gesicht nicht mehr zu erkennen war.

»Was für ein Engel!«, würde Phyllis sagen, die ehemalige Kunsterzieherin, übersensibel, idealisierend.

»Was für ein Arsch!«, presste Val zwischen den Zähnen hervor und ließ den Feldstecher sinken. Sie tastete nach dem Brief in ihrer Jacke und zog ihn heraus. Craig, der Postbote, hatte ihn noch im Morgengrauen zugestellt, um kurz nach acht. An einem Sonntag. Das war ungewöhnlich. Wie so manches, was sich zuletzt auf Gigha zugetragen hatte.

»Phyllis«, stand auf dem Umschlag in einer feinen, nach rechts geneigten Schrift. Nichts weiter, nur der Name.

Val öffnete den Umschlag mit dem Daumen. Wie immer hatte sie dabei ein schlechtes Gewissen. Sie selbst bekam nie handgeschriebene Briefe.

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4

In dem Unterstand justierte Hynch sein Teleskop. Auch zu Scharfschützenzeiten im Dienste eines Glasgower Mobsters hatte er nur mit dem besten Equipment gearbeitet. Aber das war vorbei. Endgültig. Niemals mehr einen Schädel wegblasen und die Gehirnmasse in einer Art Action-Painting auf die Wand verteilt sehen zu müssen, befreite ungemein.

Es hinterließ jedoch auch eine gewisse Leere. Hynch wurde nicht mehr gebraucht. Von niemandem. Das tat weh, zum Glück nur manchmal. Gebraucht zu werden beinhaltete immer Verpflichtungen, und gerade die hatte er ja hinter sich gelassen, richtig?

Er konnte Vals Lachfältchen zählen. Dann waren da die Poren auf ihrer Nase. Sie hielt sich viel im Freien auf, wie er. Wind und Wetter verwandelten die Haut in eine gerötete, von geplatzten Äderchen übersäte Kampfzone. Mützen trug Val nur bei Minusgraden. Deshalb waren ihre vereinzelten grauen Haare zu sehen, nur ein paar Silberfäden, sie stachen kaum hervor in der dunklen, unendlich verstrubbelten Lockenpracht, die ihr Gesicht einrahmte.

Nach seinen Recherchen war sie ein 1970er-Jahrgang, elf Jahre jünger als er mit seinen immerhin schon 58. Doch er hatte sich ganz gut gehalten, fand er. Abgesehen von dem Umstand, dass er eine Augenklappe trug und mit seinen eingefallenen Wangen aussah wie der Bösewicht in einem Piratenfilm. Vielleicht stand Val ja auf einen Touch Verwegenheit? Das hoffte er zumindest, wenn er sie in dem einzigen Laden auf der Insel traf, den Ardminish Stores. »Traf« war nicht ganz richtig, er beobachtete sie nur, spähte verstohlen über die Regale hinweg, wenn sie sich mit dem Besitzerehepaar unterhielt und Pakete aufgab, denn die Ardminish Stores waren zugleich eine Poststation.

Erneut schraubte Hynch am Teleskop. Was in aller Welt machte Val da, während sie Nicol beobachtete?

Las sie einen Brief?

Tatsächlich. Hynch gab sich alle Mühe, konnte aber nicht erkennen, was auf dem Papier geschrieben stand, ungünstiger Winkel.

Welcher Brief war so wichtig, dass sie ihn ausgerechnet jetzt las, während Nicol mit der Leiche zugange war? Während Val, die ihre vor sich hin fantasierende Schwester am Twin Beach zurückgelassen hatte, eigentlich aufmerksam verfolgen sollte, was mit Jim McKechnie geschah, dem vielleicht berühmtesten Schauspieler Schottlands?

Es konnte nur ein Liebesbrief sein.

So deutete Hynch zumindest das Lächeln auf ihrem Gesicht. Val strahlte geradezu, was so gut wie nie vorkam. Sie sah aus, als hätte ihr jemand einen Heiratsantrag oder etwas Ähnliches gemacht.

Das war nicht fair.

Aber was war schon fair für einen Mann wie Hynch, der Beziehungen mied wie die Pest? Fragte er sich in einem Anfall von Selbsterkenntnis.

Nichts da, meldete sich sein Stolz, und auch die Wut. So ein Mann wie er war verzweifelt, wenn ihm die kleinste Aussicht auf Glück genommen wurde – durch einen Scheißliebesbrief! So ein Mann war bereit, die Luke im Boden seines ehemaligen, auf unbestimmte Zeit angemieteten Farmhauses hochzuklappen und sein verstecktes Waffenarsenal auf Einsatzbereitschaft zu prüfen, die beiden Heckler & Koch Maschinenpistolen, seine Sturmgewehre und Karabiner, eine Pumpgun, die langläufigen Revolver mit hoher Durchschlagskraft und ein paar kleinere Spielzeuge für die Hosentasche.

Alles regelmäßig zerlegt, mit Waffenöl behandelt und wieder zusammengesetzt. Man wusste ja nicht, wer plötzlich vor der Haustür stand und Grüße aus der Vergangenheit zustellen wollte.

Doch so ein – umsichtiger – Mann wie er war auch imstande, seine Gefühle im Zaum zu halten. Unbedingt! Nein, er war keine wandelnde Zeitbombe. Die Leute hier kannten ihn nur als Mister Snodgrass, einen harmlosen Vogelbeobachter, einen dieser Spinner vom Festland, und als solcher war er quasi unsichtbar, dabei musste es bleiben. Val hatte mehr als genug mit Phyllis zu tun und mit ihrer Töpferei am Ende der Welt, war dauernd am Sichkümmern, am Arbeiten oder am Unterwegssein auf der Insel, um Besuche bei vereinsamten Witwen zu machen, von denen es einige gab auf Gigha, alte und junge. Warum Val nicht was gönnen?

Wenn’s überhaupt ein Liebesbrief war. Und nicht eine Großbestellung über ein 12-teiliges Essensservice aus Steingut, Kostenpunkt 1500 Pfund. Auch das konnte Val zum Lächeln bringen, sie war durchaus geschäftstüchtig.

Also blickte Hynch weiter durch das Teleskop in seinem getarnten Unterstand, neben sich eine weltraumkapselgroße Thermoskanne voller Früchtetee, magenfreundlich.

Nicol kam ins Bild. Wie blöd konnte man sein, auf eine Leiche einzuprügeln? Die war schon tot, oder nicht?

Nicol.

Ein typisches Opfer. Geboren dazu, alles falsch zu machen, was man nur falsch machen konnte.

Hynch goss Tee in eine Tasse aus Phyllis’ und Vals Produktion. Die Tasse war mit blauen Streifen und roten Punkten verziert, Meere und Sonnen, made by Gigha Pottery. Die beiden stellten echt hübsche Sachen her, mit künstlerischem Anspruch. Manche ihrer Muster sahen fast asiatisch aus. Sie verschickten ihre Erzeugnisse an verschiedene Läden auf dem Festland, und da sie außerdem einen Internet-Shop unterhielten, auch direkt an Kunden in aller Welt. Craigs Postauto war manchmal bis oben hin mit Schachteln und Paketen vollgeladen, dann sah es aus wie der Rentierschlitten von Santa Claus.

Hynch nahm einen Schluck Früchtetee.

»Autsch!«

Er hatte sich die Lippen verbrannt.

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5

Die Leiche lag auf seinem Strand. In seiner Bucht. Unweit seines Bootshauses. Was, zum Teufel, sollte das? Sogar am Ende der Welt hatte er nur Scherereien.

Nicols Zehen gruben sich in den Sand. Die Körnung war seit dem nächtlichen Sturm eher kieselig, durchsetzt von scharfkantigen Muschelsplittern. Während der Nacht hatten die Wogen den Meeresgrund vor der Küste zementmischerartig durchgewühlt und alles wahllos am Palm Tree Beach abgeladen wie ein Trupp Bauarbeiter, die keinen Bock hatten, hinter sich aufzuräumen.

Für jeden zivilisationsgeschädigten Weichling wäre so ein Untergrund die reinste Folter gewesen. Kiesel bohrten sich unbarmherzig in die Ballen und das empfindliche Gewölbe am Mittelfuß, Muschelschalen schnitten in die Sohlen, alles Mögliche pikte, stach, raspelte und hobelte an den Tretern herum. Ganz zu schweigen von der Wasser- und der Außentemperatur. Trotz des Golfstromeinflusses war es heute ein bisschen frisch, auch und gerade an den Füßen.

Nicol machte das nichts aus. Er war passionierter Barfußgänger. Wegen des direkten Kontakts mit Blue Planet Earth. Damit all die Energien aus dem festen metallischen Erdkern, dem heißen flüssigen Erdmantel und von der Reibung der Kontinentalplatten direkt auf ihn übergingen. So seine Theorie.

Und überhaupt, Schuhe waren nichts für ihn. Schon lange nicht mehr. Seit er bei Clarks ausgeschieden war mit einer Abfindung, die sich sehen lassen konnte, ging er schuhlos durchs Leben. Buchstäblich. Okay, wenn es im Herbst und Winter richtig kalt wurde, so feuchtkalt, rheumakalt, zog er zum Schlafen Socken an. Aber das zählte nicht, denn draußen ging er barfuß. Immer. Aus Prinzip. Anfangs hatte es verdammt wehgetan. Wochenlang hatte er geflucht und geschimpft und die rissigen Stellen an seinen Sohlen tubenweise mit Schrundencreme eingeschmiert. Dann war der Gewöhnungseffekt eingetreten. Hornhaut hatte sich gebildet, dick wie das Leder eines alten Wasserbüffels. Nicols Art, sich zu befreien von gesellschaftlichen Zwängen – und der Geißel des Fußpilzes.

Nicol beschloss, die Leiche nicht weiter mit seinem Wanderstab zu bearbeiten. Der Mann hatte es definitiv hinter sich, er brauchte nicht mehr nachzuhelfen.

Trotzdem hatte es gutgetan.

Der Tote trug Brogues, schottische Ghillie Brogues mit Lochverzierungen. Sie besaßen keine Zunge und wurden ab dem Fußgelenk hochgeschnürt, das traditionelle Schuhwerk zum Kilt. Waren bequemer, als sie aussahen. Mit einer atmungsaktiven Lederdämpfung fühlten sie sich fast wie Sneakers an. Nicol war vom Fach, er wusste Bescheid.

Der Rest des Mannes sah bedeutend schlechter aus als sein Schuhwerk. Im Meer tummelten sich allerlei Aasfresser, die nahmen sich als Erstes die Augen und die Weichteile vor.

Der Strand, die Bucht, das Cottage und das Bootshaus – Nicol hatte alles seit drei Jahren gepachtet, von einem Earl, der noch nie einen Fuß auf diesen Teil seiner Besitzungen gesetzt hatte. Im Gegensatz zu Nicol gehörte den meisten Einwohnern von Gigha der Grund und Boden, auf dem sie lebten. In einem spektakulären Community Buy-out hatten sie die Insel dem letzten Eigentümer abgekauft. 2002 war das gewesen, seither wurde Gigha von einem Heritage Trust selbstverwaltet. Basisdemokratisch, könnte man sagen, fernab der Regierung und der unberechenbaren Wechselfälle der Politik.

Es war schon immer Nicols Traum gewesen, auf einer Hebrideninsel den ganzen Scheiß hinter sich zu lassen und von seinen Ersparnissen zu leben. Also war es irgendwie auch seine Leiche, oder? Seine Leiche, seine Verantwortung.

Verantwortung. Auch so etwas, das er mitsamt den Schuhen an den Nagel gehängt hatte. Der Wind fuhr in sein Kraushaar und ließ es wie eine ausgedörrte Kräuteranpflanzung nach Osten wehen, Richtung Nine-to-five-Jobs, Richtung urbanes Leben. Oder was man dort gemeinhin für Leben hielt.

Nicol fluchte vor sich hin. Er trug einzig und allein Verantwortung für sich selbst! Und das, fand er, war schon mehr als genug. Er musste alles Mögliche in Schuss halten: seinen Körper, dessen Gelenke immer mal wieder Schwierigkeiten machten; seine ohne Kunstfasern oder Funktionsmaterialien hergestellte Kleidung, die eine Tendenz dazu hatte, sich aufzulösen; sein auf der Anhöhe über dem Strand gelegenes Cottage mit dem morschen Dachstuhl, dem notorisch verstopften Abfluss und den von Kuhdung verdreckten Außenwänden. Mit alledem war er vollauf beschäftigt, der reinste Stress. Und mit dem Boot natürlich. Seinem Boot. Irgendwann würde es schwimmen.

Aber jetzt hatte er diese Leiche am Hals. Wie sollte er weiter vorgehen?

Nicol schaute sich um. Keine Menschenseele in der Nähe. An die dünn besiedelte Nordspitze der Isle of Gigha verirrte sich selten jemand, erst recht nicht vor Beginn der Touristensaison im April. Höchstens Phyllis und Val auf ihren Spaziergängen, die beiden vertrockneten Zwillinge. Verdammte Hippies! Er wusste, wie sie ihn insgeheim nannten. Hobbit! Das hatte er von Craig, dem Postboten, erfahren. Als ob die beiden Schnepfen eine Ahnung von Tolkien hätten!

Sein Blick fiel auf das Bootshaus. Sollte er den Toten vielleicht dort zwischenlagern?

Keinesfalls. Im Bootshaus befand sich alles an seinem dafür vorgesehenen Platz. Seine Werkzeuge, das Bauholz – gespalten, nicht gesägt, wie es schon die Wikinger gemacht hatten – und das Boot. Sein Boot. Momentan bestand es nur aus dem Kiel, den Spanten und einem Teil der Beplankung. Diese Ordnung durfte nicht gestört werden. Nicol hielt das Bootshaus stets so sauber, dass man vom Boden essen konnte. Darauf war er stolz. Auf irgendwelche Flecken, verursacht durch einen toten Idioten, der ihn schwer beleidigt hatte, konnte er verzichten.

Vielleicht wäre es am besten, die Polizei zu rufen. Würde zwar eine Ewigkeit dauern, bis die Bullen vom Festland eintrafen, aber dann musste er sich nicht mehr um die Entsorgung der Leiche kümmern.

Andererseits bedeutete das nichts als Scherereien. Die Bullen würden ihn endlos befragen. Sie würden die Bucht absperren, ebenso seine Lieblingsplätze auf der Wiese und zwischen den Felsen. Sie würden mit schweren Geländewagen kommen und den torfigen, seit Jahrhunderten intakten Boden durchpflügen. Sie würden alles durcheinanderbringen und ihn, Nicol, verdächtigen, diesen Typen umgebracht zu haben. Er würde in eine gewisse Erklärungsnot geraten, an seinem Wanderstab klebten nun Überbleibsel der Leiche. Na gut, die konnte er entfernen. Trotzdem würde es äußerst schwierig werden, die Bullen davon zu überzeugen, dass er Jim McKechnie nicht den Garaus gemacht hatte, so gern er es auch getan hätte. Bullen liebten es, sich in den erstbesten Verdächtigen zu verbeißen. Verdammte Terrier!

Dann käme das Fernsehen. Mit Helikoptern. Der Abwind der Rotorblätter würde alle Vögel vertreiben, die am Nordende von Gigha nisteten. Er würde die Robben verscheuchen, die Otter, die Schafe und die Rindviecher – na ja, nicht alle, nicht Thin Lizzy, diese Godzilla-Kuh. Und dann würden sie zu ihm kommen wegen Interviews. Sie würden das Cottage belagern und ihn fragen, wie er sich bei der Entdeckung der Leiche gefühlt habe, ob er es mit der Angst zu tun bekommen habe und so weiter. Dann würden die Blicke der Journalisten auf seine bloßen Füße fallen. Und es würde noch viel schlimmer werden.

Er trat auf etwas Weiches. Es quoll zwischen seinen Zehen hervor. Gehörte wohl zu McKechnie, wie Nicol angewidert feststellte.

Jimmy-Boy konnte es einfach nicht lassen, Ärger zu machen.

Die Leiche musste verschwinden. Sofort.

Am besten unter der Erde. Niemand durfte sie mehr zu Gesicht bekommen.

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6

Ich glaub das nicht, Stuart, das musst du dir mal anschauen.«

Jessie reichte ihrem Mann das Fernglas. Es war ein gutes Glas, noch aus Kriegszeiten. Schon Stuarts Großvater hatte es benutzt, Küstenfischer wie sein Enkel. Nur dass Stuart nicht mehr nach Ansammlungen von Seevögeln Ausschau hielt, die ein sicheres Anzeichen für Fischschwärme waren, sondern nach Braunalgenwäldern, auch Kelp genannt. Für die gab es keine offiziellen Fangquoten.

Stuart blickte Richtung Palm Tree Beach. Sein Kutter, die Western Star, befand sich hinter der Landzunge, einer natürlichen Verlängerung des Strandes aus großen Basaltbrocken. Da die schwärzlichen Felsen den dunkelgrünen Bootsrumpf größtenteils verdeckten, war der Kutter vom Strand aus kaum zu erkennen. Nicol schien sie jedenfalls nicht entdeckt zu haben und auch nicht zu hören. Der Motor lief mit geringer Leistung, gerade so, dass sie nicht abtrieben. Stuart hatte ihn erst vor Kurzem überholt, die Kolben waren gut geölt. Er mochte es, wenn die Maschine ohne lautes Getöse funktionierte und der Bug das Wasser bei glatter See nahezu geräuschlos durchschnitt, als würden sie die Oberfläche kaum berühren. Schon oft hatte sich das als nützlich erwiesen.

»Siehst du das?«, fragte Jessie.

Stuart nickte.

»Nicol verbuddelt eine Leiche«, fuhr sie fort. »Ich meine, eine andere Erklärung gibt es nicht. Er gräbt ein Loch, und daneben liegt ein toter Mann, würde ich sagen. Jedenfalls macht der keinen Mucks mehr.«

Stuart grummelte etwas Unverständliches. Mit der Aussprache tat er sich seit jeher schwer. Dafür redete Jessie für zwei. Für sie beide.

»Was sagst du da? Val hockt hinter einem Felsen? Das wird ja immer komischer.« Sie legte ihre Handkante an die Augenbrauen und versuchte, mit bloßem Auge etwas zu erkennen.

Stuart gab ihr das Fernglas zurück.

Sie suchte den Strand ab und stieß tatsächlich auf Val, die ihrerseits Nicol mit einem kleinen Feldstecher beobachtete – aus einer Entfernung von etwa 300 Metern.

»Und was machen wir jetzt? Das ist doch nie im Leben legal, was da vor sich geht.«

Stuart begab sich wortlos ins Steuerhaus.

»Du willst weiterfahren?«, fragte sie. »Aber dieser Tote … Könnte sein, dass es der Mann ist, den wir suchen. Vielleicht ist er ertrunken, nachdem er die Kontrolle über sein Boot verloren hat und dabei über Bord gegangen ist? Ein echt tolles Boot, das muss man sagen. Hochseetauglich, jede Menge Tropenholz, das Feinste vom Feinsten, damit kommst du einmal um die Welt und wieder zurück.«

Jessie lächelte über ihren lahmen Witz, jung, wie sie war. Vor einer Woche hatten sie ihren 25. Geburtstag gefeiert, mit einer Flasche Whisky, die sie in der Nähe der Fährroute nördlich von Gigha aus dem Wasser gefischt hatten. Eine ganze Kiste hatten sie mit dem Gaff aufgegabelt, Lagavulin Distillers Edition, teures, hochwertiges Zeug aus Islay. Normalerweise konnten sie sich so etwas nicht leisten.

Doch in der vergangenen Nacht hatten sie einen ganz besonderen Fang gemacht.

»Das Leck im Rumpf war echt grenzwertig«, fuhr sie fort. »Und der Mast ist total hinüber, keine Chance, das zu reparieren. Was für ein Jammer.«

Sie setzte das Fernglas ab und schaute zu Stuart. Der saß mit versteinerter Miene hinter dem Steuerrad.

»Vielleicht ist er auch an Unterkühlung gestorben. Hat versucht, an Land zu schwimmen – bei dem Unwetter völlig unmöglich. Gigha wirkt ganz nah, aber die Strömung zieht dich einfach weg wie ein Fließband. Hilft ganz und gar nicht, dagegen anzukämpfen. Und selbst wenn er’s geschafft hätte – komm erst mal an Land bei den rasiermesserscharfen Felsen! Nee, nee, der Mann hat einfach Pech gehabt, und jetzt schaufelt Nicol Erde auf ihn drauf.«

Jessie verfluchte ihr Geschwätz. Stuart brauchte sie, das wurde ihr klar. Sie ging zu ihm ins Steuerhaus, legte einen Arm um seine breiten Schultern und drückte ihm einen langen Schmatz auf die Wange. Und dann noch einen hinters Ohr, an seinen flauschigen Haaransatz. Wahnsinn, wie wunderschön er wieder aussah! Blond wie ein frisch geschnittener Heuballen, stark und unerschütterlich, als könnte ihn nichts in der Welt aus der Ruhe bringen, weder ein Sturm noch die Untiefen der Sprache. Sogar, wenn ihm eng um die Brust war, sah er aus wie ein nachdenklicher nordischer Fürst aus alter Zeit. Ihm fehlte nur die Krone.

Sie versuchte, ihn richtig zu küssen.

Er zuckte zurück. »Darling!«, protestierte er.

Darling. Es klang eher wie »Dlng«, das sagte Stuart immer als Warnung, wenn ihm etwas gerade nicht passte, das ansonsten aber okay war. Zum Beispiel Zärtlichkeiten, während eine Leiche ohne viel Aufhebens verscharrt wurde.

»Der Mann tut dir leid?«, versuchte es Jessie.

Er nickte.

Seine Augen übernahmen das Sprechen mit Leichtigkeit für ihn, meeresklare Suchscheinwerfer, die Jessie schon immer hatten schwach werden lassen.

»Mir tut er auch leid«, sagte sie verständnisvoll. »Kein Mensch hat den Tod verdient. Aber was sollen wir tun? Und warum hat Nicol nicht die Polizei gerufen?«

Stuart machte mit einer Hand die Scheibenwischer-Bewegung. Er hielt Nicol für bescheuert.

»Klar ist Nicol bescheuert«, pflichtete Jessie ihm bei. »Und er will seine Ruhe am Palm Tree Beach haben, das weiß jeder. Aber reicht das aus als Erklärung dafür, wie seltsam er sich verhält?« Sie zuckte mit den Schultern. »Wie auch immer: Es kommt uns entgegen.«

Stuart schüttelte den Kopf. Energisch, als würde ihm etwas von Grund auf widerstreben.

»Wenn die Leiche verschwindet – und das Boot auch …? Klar wär das gut für uns! Der Kredit von der Bank wäre Geschichte, endgültig! Und all die unbezahlten Rechnungen …« Jessie kam in Fahrt. »Wir könnten uns überlegen, das Kelp selbst zu verarbeiten, momentan sind wir ja nur Zulieferer. Die eigentliche Kohle machen andere, mit Seife, Duftstoffen, Salben, Cremes. Das könnten wir alles selbst herstellen! So schwer ist das nicht, glaub mir, das schaffen wir uns schon drauf. Bei Val und Phyllis klappt es doch auch, Handarbeit von den Inseln, die Leute kaufen so was wie verrückt. Wir starten richtig durch!«

Stuart deutete auf das Fernglas. Jessie reichte es ihm.

Er hatte scharfe Augen. Kelpwälder, die das Radar im Gegensatz zu Fischschwärmen nicht anzeigte, entdeckte er aus weiter Entfernung aufgrund der unterschiedlichen Farbe der Wasseroberfläche. Seit einem Unfall in der Kindheit war er sprachlich eingeschränkt, seine Stimmbänder waren irreversibel geschädigt. Deshalb hatte es ihn auch nie in die Städte auf dem Festland gezogen. Weil er in einem Gespräch nur vokallose Wortmonster hervorbringen konnte. »Dlng« statt »Darling«, »Dnk« statt »Danke«. Einigermaßen zusammenhängende Sätze gelangen Stuart so gut wie nie, und wenn, dann waren sie für fremde Ohren ein verstümmeltes Kauderwelsch.

Nur Jessie wurde daraus schlau, sie verstand jedes seiner Worte. Manchmal, zum Beispiel im einzigen Pub auf Gigha, bei Musikabenden und dergleichen, dolmetschte sie für ihn, wenn er unbedingt etwas loswerden wollte. Die meisten anderen Inselbewohner kannten ihn von Kindesbeinen an und akzeptierten ihn so, wie er war. Doch Touristen hielten den Mann, der die junge Frau stumm auf der Gitarre begleitete, oft für ein wenig zurückgeblieben. Je schöner Jessie sang – und sie hatte eine glockenhelle, ausdrucksvolle Stimme –, desto deplatzierter wirkte Stuart neben ihr. Da er stets nach unten blickte, als müsse er Akkord für Akkord auf dem Griffbrett erst mühsam zusammenbasteln, kamen ihm auch seine Strahleaugen nicht zugute. Und weil ihm außerdem die langen blonden Haare ins Gesicht hingen, konnte er auch mit seinem guten Aussehen nicht richtig punkten. Es kam gar nicht so selten vor, dass ein Gast von außerhalb ihn vollständig ignorierte und Jessie auf einen Drink einlud in der Annahme, sie sei solo und leicht zu haben, weil sie so viel und so herzlich lachte.

Stuart machte diesen Kerlen dann unmissverständlich klar, wie falsch sie lagen. Sie nannten es »Gigha Kiss«, eine Variante des »Glasgow Kiss«. Letzterer war ein schmerzhafter Kopfstoß direkt auf die Zwölf. Dabei konnte schon mal das Nasenbein brechen oder die Lippe aufplatzen, bei Schlägereien in größeren schottischen Städten keine Seltenheit. Der »Gigha Kiss« hingegen war unblutig. Wenn jemand zudringlich geworden war oder Jessie gar betatscht hatte, rammte Stuart dem Unglücklichen seinen Kopf gegen das Brustbein. Dann blieb dem Typen die Luft weg, ein stechender Schmerz breitete sich über die Rippenbögen im Brustraum aus, und der Abend war gelaufen für ihn – quittiert vom dröhnenden Gelächter der Leute aus Gigha, die das Ganze am Bartresen augenzwinkernd verfolgt hatten. »Leg dich nie mit einem Whillock an«, sagte dann einer der Alten, der Stuarts Familie kannte und dessen Brustbein auch mal einen Gigha Kiss abbekommen hatte. Man nahm die Dinge hier eher sportlich.

Stuart sagte etwas und hielt eine Faust hoch. Dazu zog er eine unfreundliche Grimasse. Er reichte Jessie das Fernglas.

Sie schaute hindurch. »Nicol ist wütend? Warum das denn?«

Inzwischen hatte er mit dem Loch Fortschritte gemacht. Nicol konnte schon darin stehen, der Rand reichte ihm bis zur Brust. Er grub wie ein Verrückter. Eine Schaufel Erde nach der anderen landete auf einem rasch anwachsenden Haufen. Wenn er kurz innehielt, blickte er zur Leiche und schien sie mit Flüchen zu überziehen, nicht wie einer, dem die Arbeit zu viel wurde, nein, diese Flüche waren persönlich gemeint. Dabei spuckte er abfällig aus. Hin und wieder drückte er den Zeigefinger an einen Nasenflügel und rotzte auf den Strand.

»Er kennt diesen Mann. Und er mag ihn ganz und gar nicht. Da ist jemand stocksauer.« Jessie beobachtete Nicol. »Wie er da mit der Schaufel zugange ist, voll der Berserker. Dem möchte ich jetzt nicht begegnen.«

Stuart brummte etwas. Dabei achtete er darauf, dass die Western Star ihre Position hielt. Der Motor blubberte leise vor sich hin.

»Vielleicht hat Nicol gute Gründe, die Leiche zu verbuddeln, irgendwas aus seiner Vergangenheit?«, überlegte Jessie. Sie liebte Mysterythriller, düstere, andeutungsvolle Geschichten, in denen es um allerlei große Rätsel ging, die sich zunächst als Teil weitaus größerer Rätsel herausstellten, um dann doch wieder als letztlich unlösbare, aber ein bisschen kleinere Rätsel zu enden. Jetzt kam sie auf ihre Kosten. Obwohl sie auch auf Trash wie »Sharknado« stand. Da flogen Monsterhaie so hübsch durch die Luft und zerfleischten, was ihnen in die Quere kam. Leider schlief sie nach einem anstrengenden Tag auf See immer in der ersten Werbepause vor dem Fernseher ein.

»Wissen wir, was Nicol gemacht hat, bevor er nach Gigha kam?«, fuhr Jessie fort. »Bei einer Schuhfirma gearbeitet, zumindest hat er das allen erzählt. Aber erzählen kann er viel, sich irgendwas Stinknormales ausdenken. Schuhe, da fragt keiner nach, ist ja nicht so das prickelnde Thema. Und hier auf Gigha gibt er den Eigenbrötler, der keiner Fliege was zuleide tut. Aber wenn du mich fragst, ist dem alles zuzutrauen. Schaut aus wie ein Hobbit, aber das sind die Schlimmsten! Serienmörderhobbit. Ein-Hobbit-Killerarmee. Da würde keiner draufkommen, der ihn so rumstapfen sieht.«