Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Das ist doch totaler Schwachsinn, dachte sich der Klassenlehrer von Jan, als er dessen Hausaufsatz korrigierte. Was soll eine Krähe in der Universität, was hat das mit dem Thema »Der Kreislauf des Wassers« zu tun? Was hat das Treiben des Direktors eines Forschungsinstitutes mit der Spinne zu tun, die an der Dachrinne einer Gartenlaube hängt? Die Geschichten wurden immer skurriler. Sogar kriminelle Machenschaften, die im angesehenen Forschungsinstitut angeblich kursierten, hat er erwähnt. Und was ist mit der Regentonne? Was ist da drin? Kein Wort aus dem Unterrichtsstoff, den er seinen Schülern zu dem Thema »Wasser« vermittelt hatte. Ja klar, Jan hat wie immer gepennt. Aber halt, Einiges hat was, und da ist Wassernase. Der Lehrer stutzt und liest alles noch mal von vorn. Dann setzt er die Brille ab und denkt nach. So bekloppt ihm die Sätze des Schülers erst vorkamen, was Jan geschrieben hatte, war richtig. So hatte er das Thema noch gar nicht betrachtet. Jan hatte eine durchgeknallte Schrebergarten-WG erfunden, welche die Erkenntnisse umsetzten. Ja klar, sein Unterrichtsstoff, den er im Unterricht vermittelt hatte, half ihnen, einen bitterkalten Winter zu überleben! Er korrigierte seine Vorurteile und strich die Vier, die er im ersten Moment dem Schüler geben wollte, durch. Dann ersetzte er sie durch eine Eins minus. (Das Minus wegen Ignoranz seiner Lehrtätigkeit). Jans Geschichten wollten die anderen Schüler natürlich auch lesen und so entstand dieses Buch ...
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2014
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Kapitel
Nebelsonntag
Kapitel
Wiederauferstehung
einer
verspeisten
Schneeflocke
Kapitel
Wassernase
Kapitel
Blinder
Passagier
im
Eisbärenfell
Kapitel
Krakela
hat
ein
Migrationsproblem
und
warum
wird
Wasser
bei
Frost
größer?
Kapitel
Krakela
-
eine
Mischung
aus
Genie
und
Wahnsinn
Kapitel
Wassernases
mysteriöser
Koffer
und
ein
verrückter
Plan
Kapitel
Die
Entführung
Kapitel
Nichts
ist
unmöglich
Kapitel
Die
verhinderte
Fischsuppe
Kapitel
Das
Komplott
Kapitel
Speidi
und
Brunhilde
Kapitel
Leuchtfeuerchen
Kapitel
Drei
ungewöhnliche
Schwestern
Kapitel
Krakela
,
die
diebische
Elster
und
das
Problem
mit
den
Socken
Kapitel
Jynne
,
Jypsi
und
Jyoti
Kapitel
Zeit
zum
Nachdenken
Kapitel
Jan
,
Emma
und
die
Frage
,
wie
bäckt
man
Plätzchen
ohne
Strom?
Kapitel
Ein
Heizkraftwerk
und
Weihnachtslichter
Kapitel
Der
große
Wagen
des
Weihnachtsmannes
Kapitel
Wassernase
fliegt
zu
Critti
Kapitel
Familiengründungen
Kapitel
Aufbruch
zum
Meer
Kapitel
Die
Regentonne
wird
saubergemacht
Kapitel
Zu
den
Färöer
Inseln
Kapitel
Urlaubspläne
Ein vernebeltes Mondgesicht grinste hämisch durchs Fenster, direkt auf das Bett von Jan. Der wälzte sich nämlich seit Stunden im Halbschlaf hin und her.
Das Mondgesicht schien zu sagen: »Wenn Du das eine getan hättest, wäre das andere nicht passiert.«
Oder: »Wärst Du in der Schule aufmerksamer gewesen, könntest Du jetzt weiterschlafen.«
Jan moserte in die Kissen: »Ach lass mich in Ruhe!«
Wie sagte sein Papa immer? »Wenn das Wörtchen »wenn« nicht wär, wär mein Vater Millionär. Verdammt, es ist Wochenende!«
So ein geiles Gefühl, ein Sonntagmorgen im Bett. Noch schummrig, Regentropfen am Fenster. Er hätte es gerne so richtig ausgekostet und drehte sich wieder auf die andere Seite. Der Wecker hatte heute Sendepause und stand still und unschuldig auf der Ablage neben dem Bett.
In seinen Gehirnzellen werkelte etwas herum. Was zum Kuckuck sollte das?
Ach so, da war die blöde Hausarbeit. Termin Montag, also morgen. Simples Thema, »Der Kreislauf des Wassers«. Gestern Abend dachte Jan noch, dass er die paar Sätze mit links vor dem Schlafengehen zu Papier bringen würde. Doch nachdem die Seite nach einer Stunde immer noch leer war, knüllte er sie frustriert zusammen und warf sie einfach unters Bett.
Noch ein Tag Zeit. Wo sollte er beginnen? Das Problem war, ein Kreislauf hat keinen Anfang. Gibt es dafür eine Richtlinie? Eine Regel? Irgendwie hatte er mitbekommen, dass ohne Wasser nichts geht. Stimmt. Aber so ein Kreislauf war etwas anderes. Zum Beispiel beim Duschen. Da ist erst mal das Wasser weg. Flutsch - in den Einlauf und kommt wieder als Regen. Und was macht es dazwischen? Ihm fiel einfach nichts ein.
Buchstaben fabrizierten Streetdancing in seinem Schädel. Er sah Wasserkreise, Wasserfälle und einen Lehrer. Und der Kerl im Kopf, er nannte sich »Unruhe«, wollte, dass Jan aufsteht.
»Nein, noch nicht, noch schlafen ...«, murmelte er in die Kissen. Der »Kerl« nervte munter weiter.
»Verflucht und zugenäht ...!« Jetzt vollkommen wach warf Jan die Bettdecke zurück und stellte sich ans Fenster. Und sagte laut, dass ihm um diese Zeit alles, aber auch wirklich alles, am Ar... vorbeigeht. Das war nicht fein, aber deutlich. Trotzdem blieb er wie festgenagelt am Fenster stehen.
Nebelschwaden. Sie erinnerten ihn an eine Prozession aus Gespenstern in langen durchsichtigen Nachthemden. Sie winkten ihm zu, während sie am Haus vorbeiwaberten.
Unwirklich, eigenartig fesselnd.
An den Bäumen sah man noch die gelb-braunen, teils rötlichen Blätter, die sich den letzten Herbststürmen widersetzt hatten. Jetzt hingen sie wie bunte Lappen an den kahlen Ästen und gaben ihnen das Aussehen von Vogelscheuchen.
Die Stimme in Jans Kopf meldete sich wieder: »He, Faulpelz, Du suchst doch Wasser! Geh raus, dort ist genug davon.«
Jan wollte wieder ins Bett. Der fremde Kerl in seinem Kopf war unnachgiebig und jagte ihn gnadenlos vor die Tür, hinaus in einen nasskalten Tag ...
»Bin ich bescheuert, das ist doch totaler Blödsinn, was hier abgeht!« Es half kein Widerstand. Der in seinem Kopf bestand darauf, basta!
Wie ferngesteuert zog er sich an. Jeans, einen dicken Pullover, darüber noch den Parka und schlich sich aus der Wohnung in Richtung Garten. Im Sommer war das ein Paradies zum Ausspannen, aber jetzt?
Weder Menschen noch Autos waren zu dieser Unzeit auf der Straße zu sehen. Nicht einmal ein Vogel piepte. Nur eine stumme dunkle Krähe saß auf einem der kahlen Bäume am Straßenrand. Als Jan vorüberging, erhob sie sich lautlos und flog weg. Der Nebel verschluckte jeden Ton. Und selbst die von seinen Schritten erzeugten Geräusche verschwanden in einer Wand, die aus Watte zu bestehen schien.
Ihm war es mittlerweile egal, dass auch noch ein leichter Nieselregen einsetzte. Jan lief gleichgültig durch die Pfützen.
Der aufdringliche »Untermieter« hockte immer noch in seinem Kopf und meldete sich zurück: »Das kommt davon, wenn man im Unterricht pennt. Wärst Du aufmerksamer gewesen, lägst Du noch im kuschligen Bett.«
Hast Du schon gesagt, ja und hast auch recht, dachte Jan in Richtung Nervensäge, mein Computerspiel ist spannender als der Unterricht. Doch muss sich jedes Fehlverhalten so gemein rächen? Die Rache schienen in diesem Fall das Mistwetter und der Kerl im Kopf zu sein.
Jan musste zum Glück nicht lange laufen, der Garten lag in der Nähe der Wohnung.
In der Laube war wie erwartet alles in Ordnung. Er wühlte noch ein bisschen im Werkzeugkasten und packte Verschiedenes zusammen. Somit hatte der sonderbare Ausflug wenigstens einen Zweck erfüllt.
Er hatte Angst, zu Hause zur Rede gestellt zu werden und suchte schon jetzt nach einer Ausrede. Was würde er seinen Eltern antworten, wenn sie ihn fragen sollten: »Bist Du mondsüchtig?«
In den anderen Räumen des Gartenhäuschens sah es aufgeräumt aus. Es waren nur Spuren von Mäusen zu sehen. Ein paar Chips vom letzten Grillfest lagen verstreut auf dem Boden. Ihm taten die Tierchen leid undFallen kamen nicht infrage. Also blieben die Nager ungeschoren und die Chips ließ er liegen. Er verschloss die Tür.
Anschließend inspizierte er noch den Garten. Auch dort nichts Auffälliges. Immer noch absolute Stille. Bis er überrascht am Gartentor stehenblieb. Der Nebel hatte sich auf einen Schlag verzogen. Und plötzlich hörte er Stimmen.
»Verdammt, so ein Scheißwetter. Mein Nest steht unter Wasser! He, hört mich niemand? Ha, ha, tschiiiii!«
»Doch, mein Guter. Guck mal, wo Du Dein Loch gebuddelt hast. Da kannst Du Dich höchstens begraben lassen. Den Winter überstehen, das erfordert körperliche Robustheit und ein bisschen Grips! Es wird kälter und wir müssen mit Schnee rechnen.«
Eine Krähe flog über die Wiese. Eigenartiger Vogel. Dunkelgrau, mit einigen pinkfarbenen Federn auf dem Kopf. Ihr Gehabe hatte etwas Geziertes, das zu dieser grotesken Situation passte.
Die andere Stimme kam unter einem Strauch hervor, wo aus einem Loch ein winziger Kopf mit abstehenden, zitternden Barthaaren herausschaute. Eine sehr vorsichtige Maus.
Jan musste lachen, verhielt sich aber leise. Er wollte die beiden nicht verscheuchen.
Als die Krähe das Wort »Schnee« sagte, fiel wie auf Kommando eine einzelne Flocke vom Himmel. Sie landete genau auf der warmen Nasenspitze dieser Maus.
»Auweia, jetzt habe ich mir den Hintern verbrannt«, fiepte sie und verwandelte sich augenblicklich in einen Wassertropfen.
Die Maus leckte an der Nase, der Tropfen verschwand. Die beiden Tiere sahen sich überrascht um.
»Wer hat da gesprochen?«, fragten sie in den einsamen Garten hinein.
Stille.
Der Regen vermischte sich zunehmend mit dem Schnee. Und dann war ein Kichern in der Luft und Worte, die klangen wie: »Na unsere Schwester, Fips hat sie gefressen!«
Die Maus wurde verlegen. Sie war nämlich besagter Fips und sich keinerlei Schuld bewusst. Die Krähe, Fips nannte sie Krakela, krächzte: »Da lacht Ihr noch? Ihr konntet Eure Schwester wohl nicht leiden? Und wer seid Ihr überhaupt?«
Noch einmal das Flüstern und Kichern. Es kam aus einem nassen Schneehaufen, der sich in einer Astgabel des knorrigen Kirschbaumes gebildet hatte. Auf die Frage der Krähe kam keine Antwort. Nur das Plätschern von Regentropfen, die von den nassen Ästen in die Pfützen fielen, konnte man hören.
»Ich hole was zum Fressen«, sagte Krakela und hüpfte vom Baum. Fips verspürte scheinbar keinen Hunger. Er horchte gespannt in seinen Bauch. War da wieder ein Flüstern?
Jan wartete noch, aber es passierte nichts mehr. Der Schnee im Baum taute. Und vom Dach der Laube fielen Tropfen in die Regentonne - plop, plop, plop.
Für Jan wurde es Zeit nach Hause zu gehen. Er fragte sich zwar, was das hier eigentlich gewesen sein sollte, aber erst nach kurzem Nachdenken begriff er, dass die Geschichte hier mit sprechenden Tieren zu tun hatte und einer Schneeflocke ...
Was war mit der zum Schluss geschehen?
Es wurde immer heller in seinem Denkapparat, weil er gerade dabei war, sein Problem zu lösen. Zum Glück nervte die fremde Stimme nicht mehr. Scheinbar hatte sie sich endlich verzogen und er konnte seinen Kopf wieder selbst benutzen. Eine heiße Dusche und das Sonntagsfrühstück mit seiner Familie war das, auf was er sich jetzt am meisten freute. Und auf seinen freien Tag.
Nachdem er die Wohnungstür ganz leise geöffnet hatte, atmete er auf. Niemand war zu sehen und keiner löcherte ihn wegen des frühen Ausflugs. Die Eltern und die kleine Schwester schliefen noch.
Er hing seine nassen Klamotten zum Trocknen auf und schlich auf Socken in sein Zimmer.
Das Erlebnis tat er als Spinnerei ab. Und da war sie wieder, die blöde, fremde Stimme: »Nicht nur spinnen - schreiben!«
Jan gab jeden Protest auf und setzte sich nach dem Frühstück an den Schreibtisch.
»Der Kreislauf des Wassers.« Jetzt überleg mal. Jan redete mit sich selbst. »Die Schneeflocke, die zu Wasser wird, die Maus ...«
Jetzt hatte er ihn, den Anfang. Aber statt einer lehrplangerechten Wiedergabe des Lehrstoffes schilderte er sein Erlebnis in den Worten, die ihm gefielen. Er hämmerte Buchstaben für Buchstaben in seinen Laptop und vergaß dabei die Zeit.
Bis zum Mittagessen schrieb er. Er war schon weit über die Erzählung seines frühen Ausfluges gekommen, als ihm der Unterrichtsstoff, der sich zwar nur bruchstückhaft in seinem Kopf festgesetzt hatte, immer neue Ideen lieferte. Da hatte die triste Lernerei doch wirklich einen Sinn gehabt, dachte er, als er schon selbst über seine Einfälle lachen musste.
Nach dem Essen setzte er sich wieder an sein Notebook. Bis zum Abend hatte er mehr Seiten als notwendig geschrieben und völlig vergessen, dass noch jemand auf ihn wartete.
Emma wollte schon den Stecker ziehen. Wäre gar nicht gut gewesen, denn der Akku war leer und das Gerät funktionierte nur noch an der Steckdose. Schnell speicherte er die letzten Worte und nahm seine kleine Schwester in den Arm.
»Was meinst Du?«, fragte Jan, »soll ich Dir etwas vorlesen?«
»Hm, was ist es denn? Etwa Deine Schulaufgaben?«
»Ich hatte heute ein Erlebnis.« Jan hatte sein »Werk« ausgedruckt und setzte sich mit Emma aufs Sofa. Nach den ersten Seiten sagte seine Schwester: »Nun bin ich ja gespannt, wo die Schneeflocke wieder auftaucht.« Jan grinste und las weiter.
Während die Menschen wie Jan und Emma im kuschlig warmen Bett schliefen, wurde es draußen immer frostiger. Fips musste mitten in der Nacht raus, Pipi machen. Wie der Blitz sauste er unter seinen Strauch. Er beeilte sich, denn er wollte auf schnellstem Weg wieder in sein warmes Nest. Vor allem wegen der Eulen, vor denen er eine mörderische Angst hatte.
In dem Moment hörte er jemanden rufen.
»He, Fips, ich bin wieder da!«
Fips raste zurück. War das nicht die Stimme der Schneeflocke vom Tag vorher? Hatte er sie doch nicht gefressen?
»Mein Gott, wo bist Du? Wo kommst Du her?« Fips vergaß in der Aufregung die Eulen und die Kälte.
»Na hier!«
»Wo?«
»Hieeeeer!«
Fips suchte, da war keine Schneeflocke. Träumte er?
»Hier bin ich, an Deinem Fuß«, hörte er wieder die Stimme und fand einen winzigen Wassertropfen.
»Du bist das?«
»Ja, bin ich. Ich bin gerade ganz gemütlich durch Deinen Bauch gewandert. War interessant. Hihihi.«
»Ja, genial, aber Du siehst so anders aus«, sagte Fips, »wo ist die hübsche Schneeflocke hin?«
»Hihihi, das bin ich auch. Im Grunde genommen bin ich nur Wasser. Es ist verdammt kalt bei Euch. Pass auf, ich beginne gleich zu gefrieren. Hoffentlich nicht wieder für hundert Jahre.«
»Eh, bist Du schon so alt?«
»Natürlich, so alt wie die Erde.«
»Wie alt ist die Erde?«
»Keine Ahnung, höchstwahrscheinlich furchtbar alt.«
»Da musst Du viel gesehen haben.«
»Aber ja, ich reise ja ständig.« Fips wurde immer neugieriger, aber die Kälte setzte ihm zu.
»Wenn Du nicht so nass wärst, könnte ich Dich ja mitnehmen. Allerdings ist mein Nest jetzt schon feucht genug. Kannst Du noch ein paar Stunden hier warten?«
Fips war eine ängstliche, aber wissbegierige Maus. Und nicht dumm. Er dachte sich, wenn jemand so alt ist, fliegen, schwimmen und sprechen kann, dann kann er auch viel erzählen.
»Kein Problem, geh nur schlafen. Ich bleibe sitzen und morgen, wenn Du möchtest, reden wir weiter.«
Fips wollte eben in seinem Loch verschwinden. Da fiel ihm ein, dass er gar nicht wusste, wie er den Wassertropfen wiederfinden sollte.
»Sag mal, hast Du einen Namen?«
»Nein, wie sollen wir uns Namen geben? Weißt Du eigentlich, wie viele wir sind? «
»Weißt Du es?«
»Nicht in Zahlen, ich denke, es sind fast unendlich viele.«
Fips überlegte und rief ihm, bevor er wieder in seinem Loch verschwand, zu: »Trotzdem. Ich nenne Dich Wassernase! Ist das in Ordnung?«
Der Tropfen kicherte, was Fips für Zustimmung hielt. Dann kuschelte er sich in sein Nest und schlief fest bis in den nächsten Morgen.
Jan hatte die Geschichte bis zu diesem Satz seiner Schwester vorgelesen. Die Zeit war wie im Flug vergangen und Emma fielen vor Müdigkeit die Augen zu.
»Wassernase muss bei Fips und Krakela bleiben, sieh zu, dass Du das hinbekommst. Und morgen will ich wieder eine Geschichte hören!« Sie gab Jan einen »Gutenacht-Kuss« und er brachte seine fast schon schlafende Schwester ins Bett. Trotzdem brabbelte sie noch: »Wassernase ist ein Mädchen ...«
Von da an hatte Jan einen Mordsspaß am Geschichtenschreiben. Vor allem, wenn ihm Emma erst aufmerksam zugehört hatte und danach Fragen stellte. Er konnte das wissbegierige Mädchen stundenlang damit fesseln. Genau das war es, was ihm oft in der Schule fehlte. Ein Erfolgserlebnis.
Sein abgefahrener Umgang mit dem Unterrichtsstoff kam eben bei Kindern an. Und die Meinung der Lehrer war das Letzte, was ihn nun noch interessierte. Als Autor verschwendet man über solche banalen Dinge keinen Gedanken. Schreiben ist ja schließlich eine Kunst und die braucht gewisse Freiheiten.
Sein Spaziergang am Morgen. Genau! Nebel, Regen, Wasser. Und die Tiere? Die gehörten zu einem Kreislauf auch dazu, auch die Menschen.
Jan öffnete seine Schultasche und las den Ausdruck noch einmal komplett durch. Ja, das Klima ist es, was den Kreislauf des Wassers in Schwung hält. Oder umgekehrt? Völlig zufrieden mit seiner Arbeit packte er alles wieder ein und ging zu Bett.
Die Nacht wurde noch kälter als die vorangegangene und der Garten zog sich eine weiße Jacke über.
Am Morgen hatte Raureif Gräser und Sträucher weiß überzuckert. Der noch dunkelblaue Nachthimmel bildete einen starken Gegensatz zur Sonne, die gerade dabei war, knallrot hinter dem Horizont aufzugehen. Es sah aus, als schwebe ein Lampion ganz langsam in den Himmel.
Diese eigenartige Sonne stand allerdings viel zu tief, um die Erde zu erwärmen. Und so begann der Tag eisig kalt.
Fips wachte auf und rieb sich die Augen. Sein erster Gedanke galt seiner neuen Freundin. In der Hoffnung sie wiederzufinden, rannte er den langen Gang aus dem Nest nach oben.
»Wassernase!«, rief er und erhielt auch sofort Antwort.
»Hier, mach schnell!«
Fips suchte, die Stimme kam aus unmittelbarer Nähe.
»He, Fips, ich bin es wirklich, aber in Eile, die Sonne wird mich gleich holen.«
»Hä? Wie holen?« Fips konnte sich das nicht vorstellen. Die Sonne, immer noch ein roter Feuerball, war schon etwas höher gestiegen. Ihre Strahlen wanderten suchend über die Wiese.
Fips rannte aufgeregt unter dem Strauch hin und her.
»Kommst Du wieder? Warum bleibst Du eigentlich nicht hier? Sag mir, wie ...«
Wassernase rief: »Ich muss los oder Du schaffst mich sofort in die Regentonne, da hinten steht sie!«
In dem Moment kam Krakela geflogen, die alles mit angehört hatte. Geistesgegenwärtig brach sie den Zweig ab, trug ihn samt Wassernase zur Tonne und tauchte alles tief unter die Wasseroberfläche.
Was dann kam, war für die beiden Tiere wie ein Wunder. Die Sonnenstrahlen tasteten den Garten ab. Überall dort, wo sie auf die Erde fielen, verschwand sofort der Reif. Dafür bildeten sich zarte Nebelschwaden über der Wiese, die nach oben, der Sonne entgegen schwebten. Es wisperte und kicherte über der Wiese wie damals, als Wassernase vom Himmel fiel. Die feinen Stimmchen der Wassertropfen konnten natürlich nur Fips, Krakela und Wassernase hören.
Der Nebel löste sich kurze Zeit später wieder auf und der Garten lag im Sonnenschein. Ein herrlicher Spätherbsttag war angebrochen.
Fips lief zur Tonne und haute mit seinen kleinen Pfoten gegen das Blech. »He, Wassernase, bist Du da drin?«
Dumpf, wie aus einem Schacht kam die Antwort: »Ja, ich bin hier«.
Krakela setzte sich auf den Rand. Sie rührte mit dem Schnabel im Wasser und Fips überlegte. Da muss sich Wassernase dranhängen. Ja, so könnten sie ihre Freundin rausholen und an jeden Ort mitnehmen. Die Unterhaltung mit ihr würde für alle wesentlich angenehmer sein.
Gesagt, getan. Als sich nach kurzer Zeit Ringe auf der Wasseroberfläche bildeten, steckte Krakela noch einmal vorsichtig ihren Schnabel in das Zentrum des Wasserkreises. Und wirklich, Wassernase schaukelte am Schnabel.
»Jetzt schnell in den Schatten!«
Krakela flog mit ihr zu Fipses Nesteingang, wo es schattig war.
»He, Ihr seid ja richtig clever!«, sagte der Wassertropfen erleichtert. »In der Tonne bin ich gut aufgehoben und die Sonne findet mich dort niemals. Dort werde ich bleiben und immer auf Euch warten. Aber jetzt wollen wir uns erst mal unterhalten.«
«Gggggenau, wwwo sind die anderen Tropfen und der Nebel abgeblieben?«, fragte Fips ganz aufgeregt, er hatte so viele Fragen und fing gleich an zu stottern.
»Die Sonne hat das Wasser erwärmt. Dadurch wurden die Tropfen dicker und leichter und schweben nun wie Luftballons in den Himmel. Das ist der einfachste Weg für uns, Wolken zu machen.«