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Wenn ein völlig durchgedrehter, von seinem Besitzer "desertierter" Kater im Frühling auf Brautschau geht, wenn er jede Katze verführt und die anderen Kater zur Verzweiflung bringt, dann kann es sich nur um Turbo handeln. Er genießt das Leben in vollen Zügen, doch in den harten Zeiten des Winters fehlt ihm etwas zum Wärmen, da dem Macho jede Katze davongelaufen ist. Zum Glück gibt es da noch ein altmodisches, herzensgutes "Fräulein Mabel" ...
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Seitenzahl: 64
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Die Nacht der Katzen
Der weiße Traum
Turbo und Amy
Gefühls-„Turbo“lenzen
Obdachlos
Freiheit und Einsamkeit
Fräulein Mabel
Turbo hat Familie
Turbo und die Löwen
Turbo fängt Fische
Katzenparty
Die Geschichte der alten Katze
Familientreffen
Abschied von Ronja
Wenn abends die Menschen beim Fernsehen oder in der Stammkneipe sitzen, wenn die Straßen nicht mehr so bevölkert sind und wenn dann der Mond, voll und rund wie ein Lampion, von unsichtbarer Hand in den tiefblauen Himmel gezogen wird, ja, immer dann steigen die Katzen auf die Dächer der Häuser.
Gegen die silberne Scheibe des Mondes betrachtet, sehen sie wie Scherenschnitte aus. Nur die grünen Augen funkeln, wenn sie im schwarzen Mondschatten auf ihre Gespielen warten.
Diese Katzen, die sich dort auf den Dächern präsentieren, kann man keinesfalls Streuner nennen. Sie kommen aus gutem Hause. Bei den Menschen haben sie ihren eigenen Wohnbereich, sind verwöhnt, verhätschelt und bekommen nur das feinste Futter. Ökologisch erzeugt versteht sich. Flöhe und anderes Ungeziefer - kein Thema für jene, meist langhaarigen Diven.
Im Normalfall ist das so. Allerdings, im Frühling, wenn die Natur stärker ist als jede Vernunft, kann man nicht mehr vom Normalfall sprechen. Völlig von der Rolle tauschen sie mit Freuden ihre reinliche Umgebung gegen das wilde und schmutzige Abenteuer in verrufenen Gegenden. Sie wollen raus aus ihrem goldenen Käfig und sich mit den Straßenkatern herumtreiben.
Schließlich sind das auch Katzen, logisch. Aber in Freiheit geboren, davongelaufen oder davongejagt. Eben Stromer, wie sie von den Menschen beschimpft werden.
Sehnsuchtsvoll und von heißem Begehren geschüttelt laufen sie vor den vornehmen Häusern auf und ab. Ihr liebeskrankes Maunzen bezahlen sie oft mit Blessuren, die sie sich durch alle möglichen und unmöglichen Wurfgeschosse der genervten Bewohner zuziehen.
Die Menschen zeigen wenig Verständnis für das natürliche Bedürfnis ihrer Lieblinge. Auch für das Leiden der armen Vagabunden.
Wobei man sagen muss, auch wenn es ihnen wehtut, leiden werden sie in dieser Zeit bestimmt nicht.
Die tapferen Straßenkater präsentieren ihre Verletzungen selbstverständlich ihren Rivalen und begehrten Bräuten. Die Anzahl der Blutflecken, lädierten Augen und sonstigen Beulen ist ein wichtiges Kriterium für die zukünftige Position in der Clique. Wer die meisten hat, ist cool.
An einem solchen lauschigen Frühlingsabend beschloss ein kleiner schwarzer Kater, seinem traurigen Dasein ein Ende zu bereiten.
Nein, um Gottes willen, er wollte nicht sterben. Im Gegenteil, als die Sonne tagsüber die Erde aufgeheizt hatte und die darauffolgende Nacht dementsprechend mild wurde, sagte ihm der Instinkt: „Turbo, da draußen ist das Leben, carpe diem, nutze die Zeit!“ Und haute ab.
Bis dahin hatte er sich redlich um die Aufmerksamkeit seiner Besitzer bemüht. Er heckte allerhand Streiche aus. Nur um ja einmal das ihm gebührende Interesse an seiner Person zu bekommen. Das bekam er, aber es ging ihm deshalb auch nicht besser.
Eine kleine Freundin blieb ihm trotzdem, ein Kind aus dem Nachbarhaus. Die Maria durfte ab und zu mit ihm spielen.
Wenn sie Turbo mit Käse, seiner Lieblingsspeise lockte, wusste er schon, wie er sich „drehen“ musste, um an den Leckerbissen zu kommen. Sie befestigte ein Stück harten Gouda an einer Angel und schwenkte sie im Kreis um ihn herum. Dabei lachte sie aus vollem Hals und rief immer wieder: „Der Kater dreht sich wie ein Turbo!« Von da an riefen ihn alle nur noch so - Turbo eben.
Ja, und dann hatte er auf einen Schlag sieben Mäuse zur Strecke gebracht. Dafür erhoffte er sich, endlich die fällige Anerkennung zu bekommen. Aber niemand nahm Notiz von der doch so beachtlichen Leistung für einen Hauskater.
Turbo gab nicht auf und zerbrach sich den dicken Katerkopf nach einer Lösung. Wie er zum Beispiel den Besitzern der Wohnung eine extragroße Freude bereiten könnte. Dabei kam ihm die Idee, seine Beute „appetitlich“ auf dem Bettvorleger der Hausfrau zu präsentieren.
Irgendetwas hatte er wohl wieder falsch gemacht. Die Mühe war umsonst, schlimmer, die Aktion ging total nach hinten los.
Als die Frau morgens aus dem Bett stieg, kreischte sie. Und dann, unter abscheulichen Flüchen, packte sie Turbo lieblos am Fell hinter dem Kopf. Sie schüttelte ihn, bis ihm die Sinne schwanden, und warf ihn zur Strafe ins Bad. Sie verschloss die Tür und der Arme musste einen ganzen Tag ohne Futter auskommen. Ach ja, nur die Mäuse warf sie ihm hinterher ins Katzenklo.
Das war zu viel für Turbo. Tief beleidigt flüchtete am nächsten Tag in die Freiheit.
Das hieß nun aber auch, kein Futter mehr aus dem Supermarkt. Bis dahin hatte er Mäuse nur zum Spaß gefangen und benutzte sie zum Spielen. Er jagte sie und ergötzte sich an ihrer Angst. Er lernte auch, sie zu töten. Die Nager lebendig zu fressen, das hatte bisher niemand von ihm verlangt. Trotzdem, er fand das immer noch besser, als seine Nahrung auf Müllbergen zu suchen. Das kam für ihn absolut nicht infrage. Er verachtete die Katzen, die im Dreck wühlten. Also musste er sich, gezwungenermaßen, auf seine raubtierhaften Gene besinnen.
Es funktionierte, Turbo blieb im Training und stärkte täglich seine Muskeln. Auch optisch wurde er immer attraktiver. Tiefschwarz, mit grünen Augen, war er betörend gut aussehend und machte sich bald einen Namen als „Don Juan“.
Das hatte wiederum die Konsequenz, dass die rolligen Katzen in regelrechte Ekstase gerieten, wenn sie ihn sahen und er ebenfalls, wenn er ihren Geruch wahrnahm.
Er liebte Katzen, mit dem „gewissen Etwas“. So wie eben die Straßenkatzen, die stolz ihre eigenen Abenteuer suchten.
Aber auch die adligen »Salontiger« mit den ulkigen Namen, die sich nach einem richtigen Haudegen sehnten, verschmähte er nicht.
Den Muff der winterkalten Räume hinter sich lassend, ging er zukünftig nur noch seinen Lieblingsbeschäftigungen - Fressen und Lieben - nach.
Mia, die gestreifte Tigerkatze genoss ihr Sonnenbad. Sie liebte die warmen Frühlingstage und konnte stundenlang auf der Balkonbrüstung liegen. Nur, in letzter Zeit hatte Mia das Gefühl, da draußen passiert etwas, das sie auf keinen Fall verpassen dürfte. Gerade mal ein Jahr jung, war sie in vielen Lebensdingen noch recht unerfahren.
Als sie auf ihrem Lieblingsplatz vor sich hindöste, bemerkte sie ein eigenartiges Geräusch. Neugierig beugte sie sich weit über das Geländer und sah nach unten.
Betörende Düfte strömten von der warmen Erde zu ihr hinauf. Da sah sie einen schwarzen Kater durch die Büsche schleichen. Sie miaute ganz leise. Der Kater blieb stehen und horchte. Dann antwortete er, ebenso leise, aber unüberhörbar für Mia, mit einem deutlichen Schnurren. Das hieß wahrscheinlich: „Meine Liebe, ich habe ehrliches Interesse an dir.“
Mia war geschmeichelt und sprang auf die Brüstung, damit Turbo, natürlich handelte es sich um den verliebten Vagabunden, sie in ihrer vollen Schönheit betrachten konnte.
In Turbos Körper machten sich einige Veränderungen bemerkbar und sein heißes Katerblut geriet in Wallung.
Kurzerhand suchte er die Fassade des Hauses nach einer Kletterhilfe ab. Nun, das Haus war kein Neubau. Ein altes vergammeltes Regenrohr führte zum Balkon und zu Mia.
Mia wohnte im zweiten Stock. Im ersten Stock war auch ein Balkon und die Tür zur Wohnung stand weit offen. Turbo kletterte am Rohr hoch. Als er fast die erste Empore erreicht hatte, riss dessen Befestigung aus der morschen Wand. Bedenklich bog es sich von der Fassade weg und drohte unter dem Gewicht von Turbo abzubrechen. Mit letzter Kraft schaffte er den Absprung und flog mit einem sagenhaften Satz in Richtung Balkontür. Wohlgemerkt, im ersten Stock.
„Na gut“, dachte er, „ich denk nicht dran, mir noch den Hals zu brechen. Schau ich mich eben zunächst mal hier um.“
Neugierig spähte er in den Raum. Dieser war der Sonne wegen abgedunkelt.
Zuerst sah er überhaupt nichts.