Schwalbe bitte kommen - Hasso Grabner - E-Book
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Hasso Grabner

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Beschreibung

Im Süden Norwegens, in den Bergen versteckt, befindet sich das Ammoniakwerk Norsk Hydro. Bedeutend ist das schwere Wasser, das dort im Verborgenen produziert wird. Die deutschen Besatzer übernehmen das Werk und forcieren die Produktion von schwerem Wasser, das für die geplante Atombombe benötigt wird. Zwei Deutsche und die norwegische Widerstandsgruppe drosseln die Produktion, verunreinigen das Deuteriumoxid und versuchen mit allen Mitteln, die Produktion von schwerem Wasser zu sabotieren. Da das nicht ausreicht, werden von einem britischen Flugzeug Offiziere der Norwegischen Armee über den Bergen abgesetzt, die die Anlage sprengen. Ihr Sprengstoff reicht nicht für die vollständige Zerstörung, so dass die Anlage trotz aller mutwilligen Verzögerung wieder aufgebaut wird. Da kommen US-amerikanische Bomber …

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impressum

Hasso Grabner

Schwalbe bitte kommen

ISBN 978-3-96521-430-9 (E-Book)

Umschlaggestaltung: Ernst Franta

Das Buch erschien 1974 im Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik (Heft 50 der Meridian-Reihe). Der vorliegende Text entspricht Passagen des Romans „Geheimsache Norsk Hydro“. Er wurde für die Meridianreihe bearbeitet.

2021 EDITION digital

Pekrul & Sohn GbR

Godern

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Pinnow

Tel.: 03860 505788

https://www.edition-digital.de

E-Mail: [email protected]

Schwalbe bitte kommen

Tor Nielsen sprang als Erster. Die eisige Luft nahm ihm für Sekunden beinahe den Atem. Mit einem Gefühl der Erleichterung spürte er den Ruck des sich öffnenden Fallschirms. Einige hundert Meter unter ihm breitete sich die eisglitzernde Hardanger Vidda aus. Noch durchsummten die Vickers-Motoren die Stille. Aber schnell wurde das Geräusch schwächer und schwächer. Fünf zwischen Himmel und Erde schwebende Punkte lauschten ihm nach. So schwach der Ton auch war, der, immer sanfter werdend, entschwand, für sie hatte er die Bedeutung einer zusammenstürzenden Brücke, die sie trennte von Wärme und Sicherheit, von hellem Licht, von Musik und von dampfendem Tee, die sie festhielt an einem Ort der Kälte und der Gefahr.

Tor hatte nach dem Aufsetzen mit Händen und Füßen zu kämpfen, um den sich wild plusternden Fallschirm zu bändigen. Dann sah er auch die Kameraden durch die Luft segeln. Es hatte also alles geklappt, die „Schwalbe“ war viel früher, als das Schwalben zu tun pflegen, nach Norwegen heimgekehrt.

„Nun, Ortskundiger, wo sind wir?“, fragte Harald Hammeren, als sie endlich alle beisammen waren.

Tor schaute sich um. „Der Pilot hat doch gesagt: Endstation, alles aussteigen. Also schätze ich, das dies die Hardanger Vidda ist.“

„Also nicht der Nordpol. Das ist sehr beruhigend. Wenn ich aber in der entsprechenden Geografiestunde richtig aufgepasst habe, ist die Hardanger Vidda viertausend Quadratmeilen groß. Ein bisschen genauer hätte ich es also gern gewusst“, antwortete Hammeren.

„Ich besinne mich leider nicht, hier schon jemals Versteck gespielt zu haben. Wir müssten einmal sehen, ob nicht irgendwo ein Schild steht: Hotel ,Zur guten Einkehr‘ – fünf Minuten.“

Sie fanden tatsächlich eine Hütte, nur wenige hundert Meter entfernt. Sie mussten die Tür mit der Axt öffnen.

Ohne Vorsichtsmaßnahmen legten sie sich schlafen. In dieser Wildnis konnten sie sich sicher fühlen. Die Vidda war ein freies Land, ein Stück Norwegen, das sich durch die düstere Gewalt seiner Natur dem Zugriff der fremden Eroberer entzog.

In tiefem Schlaf bemerkten sie nicht, wie sich ein wütender Wind aufmachte.

Der Sturm tobte drei Tage und drei Nächte. Die Hütte ächzte und krächzte. Die vier Männer, die diesen Teil Norwegens nicht kannten, lernten voller Unbehagen seine erbarmungslose Härte kennen. Noch saßen sie windgeschützt und trocken, hatten Feuer und gutes Essen. Was aber brachte die Zukunft? Auf der Suche nach Kerzen fand Halvor das Hüttenbuch. Nun wussten sie, wo sie sich befanden. Alle schüttelten den Kopf. Sie waren einhundertfünfunddreißig Kilometer von Rjukari in der Nähe des Skrykenvatn am Nordmannslaagelv niedergegangen.

Als sich der Sturm gelegt hatte, traten sie in eine ihnen völlig fremde Welt hinaus. Nichts war wiederzuerkennen. Hohe Hügel waren verschwunden, neue Berge entstanden. Erschrocken machten sie sich daran, ihre vor drei Tagen versteckten Pakete und Behälter zu suchen. Das war eine Arbeit, die sie den ganzen Tag beschäftigte.

„Wenn das so weitergeht, haben die Russen Berlin erobert, ehe wir den Kirchturm von Rjukan gesehen haben“, schimpfte Hammeren.

So verging also noch ein Tag, ehe sie aufbrechen konnten. Obwohl sie alles Entbehrliche zurückließen, diesmal besser versteckt, waren ihre Schlitten schwer bepackt. Waffen, Sprengstoff, die elektrischen Zündanlagen, Proviant, ihre Schlafsäcke und Munition in jedem Taschenwinkel. Dennoch waren sie bald in flotter Fahrt.

Tor, der die Spitze hatte, blieb plötzlich stehen. Er deutete auf einen Punkt im Gelände, der sich langsam auf sie zubewegte. Im Fernglas erkannten sie einen Mann, der einen Schlitten zog. Der Mann kam näher und näher. Es bestand kein Zweifel daran, dass er die ungewöhnliche Anwesenheit mehrerer Männer auf der Hardanger Vidda feststellen würde. Der Wanderer war zu Tode erschrocken, als er sich plötzlich MPi-Läufen gegenübersah. Soldaten? Die Schneekombinationen verrieten ihm nicht, welcher Nationalität. Sie sprachen Norwegisch. Doch das wollte nichts besagen. Vidkun Quisling, der schäbige Handlanger Hitlers in Norwegen, und seine Partei Nasjonal Sämling hatten nach dem Vorbild der Nazis in Deutschland eine Art SA gegründet. Karrieremacher, verkrachte Existenzen und Tagediebe füllten diesen Hird. Sie liefen bewaffnet im Lande herum und halfen den Faschisten, aufrechte Norweger zu jagen. Diese hier, dachte der Jäger, könnten solche sein. Er hatte ein Ren geschossen. Gewiss würden ihn die Männer verdächtigen, er sei mit Proviant unterwegs für die Jungen im Walde, wie die freien Norweger überall genannt wurden, die in die Berge gegangen waren, um gegen die Deutschen und die norwegischen Verräter zu kämpfen.

Hammeren war voller Zweifel. Einen NS-Mann konnte man nicht laufenlassen, einen guten Norweger nicht erschießen. Wie ließ sich herausfinden, was mit dem Mann war? Er versuchte es auf direktem .Wege. „Sind Sie Mitglied der Nasjonal Sämling?“

Der Mann druckste herum. „Richtig Mitglied bin ich noch nicht. Ich gelte als Sympathisierender“, sagte er.

„Das kann jeder sagen“, knurrte Hammeren.

Jetzt beteuerte der Mann, die Quisling-Partei zu unterstützen.

Jon Skinndalen flüsterte: „Umlegen, fertig!“ Tor Nielsen hatte ein unsicheres Gefühl. Es sprach zu viel Angst aus den Worten des Mannes.

„Hören Sie gut zu“, sagte er, „Ihre Identitätskarte zeigt, dass Sie aus Udval stammen. Wir schicken jetzt einen Mann hinunter, der wird herumfragen, ob Sie wirklich Quisling nahestehen. Wenn sich das nicht bestätigt, sind Sie eine Leiche.“

Der Gefangene wurde um einen Schein blasser. Er stotterte: „Das können Sie doch nicht machen. Ich habe so viele Feinde im Ort. Sie werden mir eins auswischen wollen. Der und NS – lachhaft, werden sie sagen. Nur weil … Nun ja, Sie wissen doch, wie die Leute sind.“

„Nennen Sie einen oder zwei, die Ihre Aussagen bestätigen“, bohrte Tor Nielsen weiter.

„Sie sind alle gleich, alles schlechte Leute“, jammerte der Mann.

Die Soldaten schmunzelten. „Alter Fuchs“, sagte Hammeren zu Tor. Dann wandte er sich an den Gefangenen. „Wissen Sie überhaupt noch, wie des Königs Rock aussieht?“ Bei diesen Worten knöpfte er die Kombination auf.

Dem Mann blieb vor Staunen der Mund offen. Aber sein Misstrauen war noch nicht besiegt.

„Lesen wir ihm ein bisschen aus der Zeitung vor“, sagte Halvor und holte eine fünf Tage alte „Times“ aus der Tasche.

„Mein Gott“, sagte der Mann, „man hört ja ab und zu von UK-Leuten, aber dass es die wirklich gibt …?“

„Was sind UK-Leute?“, unterbrach ihn Hammeren.

„UK – United Kingdom, so nennt man doch die vom Vereinigten Königreich aus in Norwegen operierenden Kräfte“, erklärte der Mann verwundert, dass richtige UK-Leute so etwas nicht wissen sollten.

„So – spricht man von solchen?“, fragte Hammeren.

„Aber überall! Nur sah man in Udval leider noch keinen.“

Der Major nahm die beiden Leutnants beiseite. „Was machen wir nun?“ Würde der Mann eine solche Sensation für sich behalten können? Bliebe, wenn er plauderte, das Geheimnis in Udval bewahrt? Sie konnten sich nicht einig werden. Erschießen kam gar nicht in Frage, aber Laufenlassen war auch zu gefährlich. Hammeren entschied, den Mann als Gefangenen mitzunehmen. „Hoffentlich läuft uns nicht jeden Tag ein neuer über den Weg“, seufzte Halvor.

Der Fremde fügte sich schnell in das ihm zugedachte Geschick; „Dann essen wir aber meine Renkuh gemeinsam auf“, sagte er mit einem gewissen Stolz, etwas zur Verpflegung der Königlich-Norwegischen Armee beitragen zu können.

Sie liefen bis lange nach Mitternacht. Der Gefangene hatte versprochen, ihnen eine Hütte zu zeigen. Die Unterkunft war wohnlich und mit einem reichen Holzvorrat ausgestattet. Der Mann konnte vorzüglich Steaks braten. Da die Gäste dem Gastmahl getrocknete Früchte und Tee zufügen konnten, war bald ein großes Schmausen im Gange.

Für den Rest der Nacht mussten des Fremden wegen Wachen eingeteilt werden. „Es hilft alles nichts, wir müssen ihn laufen lassen“, flüsterte Tor Harald Hammeren ins Ohr.

Der Major nickte. Sie mussten ihn sofort laufen lassen, denn mit jedem Schritt kamen sie ihrem Ziel näher. Möglich, dass der Mann schon ahnte, dass ihr Unternehmen der in diesen Zeiten vielleicht wichtigsten Fabrik ganz Europas galt, der Norsk Hydro, der einzigen Produktionsstätte für schweres Wasser auf dem Kontinent – schweres Wasser, ohne das niemand eine Atombombe bauen konnte.

Am anderen Morgen packte Kjell Syverstadt das tragbare Funkgerät aus und fing an zu morsen.

„Hören Sie mal gut zu“, wandte sich der Major an den Gefangenen, „wir geben jetzt Ihre Personalien nach England hinüber. Der Arm des Königs ist lang. Er wird Sie zu greifen wissen, wenn Sie Dummheiten machen.“

Der Mann versprach hoch und heilig, wie ein Grab zu schweigen.

Sie gaben ihm noch Tee und Schokolade mit und ließen ihn dann laufen.

Für diesen Tag nahmen sie sich vor, achtzig Kilometer zurückzulegen. Das würde sie in die Nähe von Vaer bringen und damit in Tor Nielsens Heimat.

Der Marsch verlief reibungslos, und sie fanden auch bald ein passendes Quartier. Hammeren schickte nach kurzem Schlaf Varmevold und Syverstadt zurück zum Platz ihres Absprungs, die restlichen Werkzeuge und die Zivilkleidung herbeizuholen, während Tor Nielsen auf den Einbruch der Dunkelheit wartete, um nach Rjukan hinabzusteigen. Für einen Fußgänger, der keinerlei Vorsicht walten lassen musste, waren das fünf Stunden Weg. Hammeren verlangte, dass Tor bis zum Anbruch des Tages zurück war und dabei alles Notwendige erledigt hatte.

Arne Bö fuhr erschrocken aus dem Schlaf, als es klopfte. Er schlich an die Tür und fragte, wer so spät Einlass begehre.

„Arvid Larsen aus Notodden“, flüsterte es draußen.

„Mein Gott! Tor!“

Nielsen hielt sich nicht mit langen Begrüßungszeremonien auf. „Time is money und mehr als das. Wie ist die Lage?“

In knappen Strichen umriss Arne die Situation in Ort und Werk. Dabei wurde ihm erneut deutlich bewusst, wie wenig die eigene Widerstandsgruppe bisher erreicht hatte.

Der Leutnant widersprach. Dass es hier im Betrieb eine Milorg, eine Militärorganisation, gab, war doch wunderbar. Ein tüchtiger Mann, ihr Kommandeur Gustav Henrichsen, und brave Leute. „Was wir vorhaben, wird ohne euch nicht gehen, und doch muss es soweit wie möglich ohne euch angepackt werden. Wir sind weniger in Sorge um unseren Auftrag als darum, was danach geschieht. Die Nazis werden verdammt böse werden.“

„Das ist anzunehmen, aber hier gelüstet es niemand, schlechtere Norweger zu sein als ihr.“

Tor nickte zustimmend. „Dann also bis morgen um die gleiche Zeit. Ich denke, der Bürgermeister, Henrichsen und Krohg werden genügen. Werden sie kommen?“

„Nur Knut Krohg beteiligt sich nach wie vor an nichts, von dem andere etwas wissen.“

„Das ist einer. Wir hocken auf Spezialschulen, um zu lernen, was Konspiration ist, und der weiß es auf Anhieb. Nun gut, Knut also im Anschluss an unser Viermännerkollegium. Einverstanden?“

„Knut und Solveig.“

Tor runzelte die Stirn. „Na schön, auch ein Mädchen“, sagte er schließlich.

„Diese Geheimdienste haben keine Ahnung von konspirativer Arbeit, laufen bei dem am meisten gefährdeten Mann an und bereiten Bombenattentate in dessen Wohnung vor“, schimpfte Knut Krohg nach Arnes Bericht.

Arne widersprach: „Was sollen sie denn machen?“

„Alles andere, nur nicht so. Die Gestapo braucht nur die drei, vier führenden Köpfe des Widerstands zu beobachten, schon laufen sie in die Falle. Weißt du genau, wer dir gegenüber wohnt?“

„Das glaube ich doch.“

„Glauben ist nicht wissen. Sei doch vernünftig, Arne. Es wird wohl noch einen unauffälligen Raum in Rjukan geben, wo man solche Angelegenheiten besprechen kann. Zum Beispiel beim Straßenräumdienst. Da ist Tag und Nacht Betrieb. Von dort aus kann dein Leutnant die Stadt auch mit dem Schneepflug verlassen. Harmloser geht’s nicht mehr.“

Das leuchtete ein, zumal der Leiter des Räumdienstes zu den zuverlässigsten Bürgern der Stadt gehörte.

Arne ging, um Henrichsen umzubestellen. Dem Bürgermeister konnte er ohnehin erst nach Feierabend Bescheid sagen.

Die Glocken der Markuskirche hatten die erste Stunde des neuen Tages noch nicht angekündigt, als Arne mit Tor Nielsen in der Straßenmeisterei erschien. Der Bürgermeister und Gustav Henrichsen warteten schon voller Ungeduld. Arne versuchte, seiner gestrigen Erfahrung gedenkend, die Begrüßung abzukürzen.

Der Leutnant wehrte ab. „Keine Bange, ich habe heute Ausgang. Zapfenstreich in vierundzwanzig Stunden.“ Dann bat er Gustav Henrichsen um einen Bericht über die militärische Lage im Ort.

Der Konstrukteur war informiert. Er breitete einen Katasteramtsplan von Rjukan aus, der alle Einzelheiten enthielt. Es war nahezu jeder deutsche Soldat erfasst, ob und wie motorisiert, Quartier, Bewaffnung. Anschließend legte Henrichsen einen ungefähren Postenplan vor, den er mit Hilfe Solveig Lundegaards aufgestellt hatte. Die gleichen Unterlagen, nur noch genauer, besaß Henrichsen vom Werk, einschließlich der beiden Kraftwerke. Hier waren alle Sicherungsmaßnahmen eingezeichnet, die Scheinwerfer und ihr Schwenkbereich, die ungefähre Ausdehnung des Minengürtels, die spanischen Reiter, die Alarmanlage und natürlich die Posteneinteilung.

„Saubere Arbeit“, lobte der Leutnant, und der Bürgermeister von Rjukan, Jens Paulsson, nickte zustimmend.

Dann entwickelte Nielsen seinen Plan. Die Gruppe „Schwalbe“ sollte die Arbeit ganz allein machen. Wenn es nur irgend ging, sollte keiner der Ortsansässigen einbezogen werden. Ihre Hilfe sollte nur in Anspruch genommen werden, wenn irgendetwas nicht klappte. Ein Mann sollte bereitstehen, den Hauptlichtschalter zu bedienen. Die Alarmanlage sollte an einer Abzweigung für kurze Zeit unterbrochen werden.

„Und was mache ich denn nun bei der ganzen Geschichte?“, fragte Jens Paulsson.

Tor schmunzelte. „Sie beschaffen sich ein ordentliches Alibi, wenn Sie es nicht vorziehen, eine kleine Reise nach Schweden zu unternehmen.“

„Werden dort Bürgermeister gesucht?“, fragte Jens.

„Dort nicht, aber vielleicht hier“, entgegnete Tor.

Stille erfüllte den Raum. Jeder fühlte, es war so schön, einen Schlag gegen den verhassten Feind zu planen. Aber welche Ausmaße hatte der Gegenschlag?

„Also, was ist – wer verreist vorher? Es ist bestimmt besser“, sagte Tor Nielsen mit großem Ernst.

Gustav Henrichsen antwortete: „Lieber junger Freund, unsere Antwort ist schon alt, tausend Jahre und mehr:

Der ängstliche Mann meint ewig zu leben,

meidet er Männerkampf,

einmal aber bricht das Alter den Frieden,

den der Ger ihm gab.

Manchmal ist es gut, sich der Weisheit der Alten zu erinnern. Von uns geht keiner.“

Jens Paulsson und Arne Bö nickten nachdrücklich. Weitere Worte erübrigten sich. Dann verließ einer nach dem anderen den Gesprächsort.

„So spät noch“, scherzte der Bürgermeister, als Arne an Solveigs Straße abbog, aber der junge Mann lächelte nicht einmal verlegen.

Knut Krohg wartete bereits in Solveigs Wohnung, und sie machten sich zu dritt unverzüglich auf den Weg zur Straßenmeisterei. Solveig hatte einen großen Thermosbehälter voll Tee sowie Zucker und Tassen eingepackt, was Tor Nielsen zu der Bemerkung hinriss, es kämpfe sich weiß Gott leichter mit Frauen.

Knut, von Arne auf dem Weg schon hinreichend unterrichtet, hielt sich nicht lange bei allgemeinen Worten auf. „Was und wie sollt ihr sprengen?“, fragte er.

Tor Nielsen legte die Zeichnung der Deuteriumoxid-Hochkonzentrierungsanlage vor. Eine exakte Zeichnung. Sie stammte von Leif Narvestadt, Norwegens bedeutendstem Physiker, früher Professor in Trondheim. Narvestadt hatte die ganze Norsk Hydro im Kopf, schließlich war das Werk nach seinen Plänen entstanden. Jetzt setzte er sich in England dafür ein, sie zu zerstören, und beriet die Männer der eigens dafür aufgestellten Truppe „Special Operation Executive“ fachlich. Damit zog er sich zwar die Feindschaft der Konzerngewaltigen von Norsk Hydro zu, denen eine mögliche Zerstörung Europas nicht so schlimm erschien wie der Verlust ihrer eigenen Fabrik, aber das hielt den Professor nicht ab. So hatte er der Gruppe „Schwalbe“ die Zeichnungen übergeben. Sie enthielten alle neuralgischen Punkte der Anlage und Angaben über die benötigte Sprengmasse.

„Reispapier, essbar. So viel Zeit muss sich sein Besitzer im Notfall noch verschaffen, um es hinunterzuwürgen“, erklärte Tor.

Knut lächelte. „Papier! Mehr aber auch nicht. Die Faschisten haben nicht geschlafen. Dank ihrem Doktor Nentwig sieht die Anlage heute ganz anders aus. Deine Punkte, Leutnant, würdest du vergeblich suchen.“

Tor biss sich auf die Lippen. Daran hatte noch keiner gedacht.

Knut zog einen großen Bogen aus der Tasche. „So sieht die Hochkonzentrierungsanlage jetzt aus. Und da ich in der Statik ein bisschen zu Hause bin und früher im Laboratorium einer Dynamitfabrik gearbeitet habe, habe ich mir gestattet, auszurechnen, wo so etwas am leichtesten zusammenstürzt. Man konnte ja nicht wissen, ob ihr noch kommt. Deshalb dieser Eigenbau-Knallplan. Ohne Gewähr bitte, schließlich bin ich hauptberuflich Aufbauer. Sozialismus am liebsten, aber dafür bin ich noch zu allein.“

Weder Tor noch Arne wussten etwas zu sagen. Sie empfanden beide ungefähr das gleiche: Was ist das für ein Mensch? Spielt den unnahbaren Zyniker und ist näher an allen Herzblutsorgen als jeder andere, führt sich als Besserwisser auf und will doch nichts als Lücken schließen, die ungeschlossen zu Abgründen würden, ist überheblich, um den Leuten das Dankeschön zu ersparen.

„Verdammt gute Arbeit, Knut“, brummte Tor endlich.

Solveig dachte: Ich hätte gleich aufspringen und ihn küssen sollen. Warum haben wir nur immer unser Herz an der Leine?

Arne streckte dem Freund die Hand entgegen, aber Knut war gerade dabei, sich eine Pfeife zu stopfen, und sagte: „Schon gut, Arne!“

Mehr um das Schweigen zu überbrücken, sagte Solveig: „Nun hat jeder das Seine getan oder wird es noch tun, was bleibt für mich?“

Die Männer sahen einander an. Tor Nielsen druckste herum. „Das ist weiß Gott nichts für Frauen.“

Solveig sah zu Arne und Knut. In ihren Gesichtern stand Zustimmung zu lesen.

Das schmerzte Solveig. Sie antwortete: „Jeder hofft, es möge alles gut ausgehen. Was aber, wenn etwas passiert? Einer wird verwundet – wohin mit ihm? Wer transportiert ihn ab? Wer pflegt ihn?“

Die Männer nickten.