Schwarz - Nadine Buranaseda - E-Book

Schwarz E-Book

Nadine Buranaseda

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Nadine Buranaseda wurde im Hörsaal entdeckt: Die Erzählung Schwarz, oder: "Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann“ entstand, als sie für einen ihrer letzten Scheine, den sie für die Anmeldung zum Ersten Staatsexamen benötigte, statt einer analytischen Arbeit einen Kurzkrimi schreiben durfte. Die Geschichte gefiel ihrem Professor so gut, dass er sie einem Verlag vorgelegt hat. Mit diesem E-Book hat der Leser erstmals die Gelegenheit, sich einen Eindruck von den ersten literarischen Gehversuchen der Bonner Krimiautorin zu machen, die sich bereits während des Studiums mit FBI und Profiling beschäftigt hat.

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Seitenzahl: 80

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SCHWARZ

oder:

Wer hat Angst

vorm Schwarzen Mann?

Kriminalroman

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-486-0

MOBI ISBN 978-3-95865-487-7

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Wie, du Aas, du röchelst noch? Soll ich dich noch töter töten?

(aus: Richard Wagner, „Lohengrin“)

Glaubt es oder glaubt es nicht:

ich hatte sie alle gern, ich habe

es jedes Mal bereut und doch

getan! Ich habe mich gewehrt,

aber – Es war stärker! – Wer mir

verzeihen kann, tue es. Ich selbst

kann mir nicht verzeihen! Nie!

(Jürgen Bartsch in einem Brief an seine Eltern,

in die Wand seiner Zelle geritzt)

Die Hölle, das sind die anderen.

(aus: Jean Paul Sartre, „Geschlossene Gesellschaft“)

Alles war bereit und das Messer war schon gekauft. Es war ein allerliebstes Stilet, denn ich liebe Anmut und Eleganz bis hin zu den Werkzeugen des Todes.

(aus: Lautréamont, „Die Gesänge des Maldoror“)

Ich hatte alle äußeren Kennzeichen eines menschlichen Wesens – Fleisch, Blut, Haut, Haare – , aber meine Entmenschlichung war so gravierend, reichte so tief, dass die Fähigkeit zur Anteilnahme abgetötet, einem schleichenden, zielstrebigen Verfall zum Opfer gefallen war.

(aus: Bret Easton Ellis, „American Psycho“)

Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realität.

(Sir Alfred Hitchcock)

Der Tod ist die einzige wahre

Gewissheit. Beim Tod ändert sich

die Welt nicht, sondern hört auf.

Der Tod ist kein Ereignis des

1

„... Ja, Mama, ich melde mich, wenn ich in Rom angekommen bin. … Ja, am Freitag schon. … Ich bin ja so aufgeregt! Hoffentlich verpassen wir uns nicht. … Natürlich! … Ach, das wird bestimmt schön! Wir haben uns ja so lange nicht mehr gesehen. … In Griechenland kommen wir anderthalb Wochen später an. … Ja, keine Sorge. Das klappt schon. … Tine kennt sich da aus. … Ja. … Ich hab an alles gedacht. … Na klar, ich schreibe dir! … Danke! Hoffentlich werde ich nicht seekrank! … Ja, ich Dich auch. … Ja. … Jaaa, mach ich. Ach, und grüß die Oma schön von mir! … Also, bis dann. … Oh, es hat grad bei mir geklingelt. … O.k. … Ja. … Ich muss auflegen, ja? … Mach's gut. Tschüss!“

2

Irgendetwas hatte ihn geweckt. Er lag ganz still in seinem Bett und hielt den Atem an. Die Geräusche, die nun an sein Ohr drangen, schienen weit entfernt zu sein. Er hatte Angst. Vorsichtig kletterte er aus seinem Bett. Fahles Mondlicht schien durch das Fenster. Er lauschte, aber es war nichts zu hören. Die Schatten an der Wand waren lang und bedrohlich. Für einen kurzen Moment schloss er die Augen. Der Teppich unter seinen nackten Füßen fühlte sich weich an. Als er über ein Spielzeugauto stolperte, unterdrückte er einen Schrei und biss sich auf die Lippen. Hastig verließ er sein Zimmer. Im Flur tastete er sich langsam an der Wand entlang, da er sich nicht traute das Licht anzumachen. Unter seinen Fingern konnte er die gummiartige Struktur der Tapete spüren. Plötzlich hörte er Stimmen, die von unten kommen mussten. Er ging die Treppe hinunter, während er sich am kalten Geländer festhielt, und weiter durch das Wohnzimmer, das zu einem weiteren Flur führte. Undeutlich konnte er einen schmalen Lichtstreifen wahrnehmen, der aus dem Schlafzimmer seiner Eltern kam. Jetzt waren die Stimmen deutlicher zu hören. Ein dumpfes Stöhnen mischte sich darunter. Er ging weiter. Die Türe war nur angelehnt. Mit einem Ruck stieß er sie auf.

3

Es war kurz nach elf, seit knapp zwei Stunden saßen sie bereits in dem holzvertäfelten Konferenzraum an einem langgestreckten Tisch, der übersät war von Berichten der Erstzugriffskräfte, Tatortskizzen, Obduktionsprotokollen, Zeugenaussagen und Berichten über die Opferpersönlichkeiten. An einer Magnetwand, die fast die gesamte Breite der linken Zimmerhälfte einnahm, hingen zahlreiche Tatort- und Umgebungsfotos, die nach den Fällen geordnet waren, die dem OFA-Team bereits vorlagen. Daneben befand sich jeweils ein Foto mit einer blonden jungen Frau, die in die Kamera strahlte. Es waren drei Fälle:

1. Isabelle Lennartz, 19 Jahre, Abiturientin. Sie wurde am Freitag, dem 6. März 1998, um 4.37 Uhr in Hennef tot auf einer Wiese aufgefunden, die an die Diskothek Hippodrome angrenzt, die sie zuvor mit ein paar Freunden besucht hatte. Laut Obduktionsbericht erlag die junge Frau schweren Kopfverletzungen, die durch einen stumpfen, schweren Gegenstand verursacht worden waren. Die Tatwaffe konnte nicht gefunden werden, doch der Leichenbeschauer ging davon aus, dass das Opfer durch mehrere Schläge mit einem Stein auf den Hinterkopf getötet worden war. Anzeichen einer Vergewaltigung konnten nicht festgestellt werden. Da sich die Schülerin anscheinend nicht gewehrt hatte, ließ sich vermuten, dass sie überraschend angegriffen worden war und möglicherweise ihren Mörder gekannt hatte. Aufgrund mehrerer übereinstimmender Zeugenaussagen, die besagten, dass die junge Frau wenige Stunden vor ihrem Tod eine laute Auseinandersetzung mit ihrem 22-jährigen Freund hatte, geriet dieser unter dringenden Tatverdacht. Es stellte sich jedoch nach kurzer Zeit heraus, dass der Freund des Opfers nicht der Täter sein konnte. Zum einen hatte er für die fragliche Tatzeit ein Alibi: Kurz nach dem Streit mit seiner Freundin verließ der 22-Jährige um 3.54 Uhr die Diskothek und nahm sich ein Taxi nach Hause, wo er um 4.28 Uhr eintraf. Zu diesem Zeitpunkt war das Opfer jedoch bereits tot, da nach Messung der Umgebungs- und Mastdarmtemperatur des Leichnams die Todeszeit auf den Zeitraum von 4.00 Uhr bis 4.30 Uhr eingegrenzt werden konnte. Zum anderen fanden sich am Opfer Haare und Fasern von Kleidungsstücken, die weder dem Opfer noch dem Tatverdächtigen zugeordnet werden konnten. Die damaligen Ermittler der Mordkommission rekonstruierten den Fall folgendermaßen: Isabelle fährt gegen 23.00 Uhr gemeinsam mit vier Freundinnen in ihre Stammdiskothek. Dort trifft sie sich mit ihrem Freund, mit dem sie ein paar Stunden später in Streit gerät. Daraufhin verlässt ihr Freund überstürzt die Diskothek und begibt sich auf den Heimweg. Isabelle sucht eine ihrer Freundinnen auf und informiert sie, dass sie nur für ein paar Minuten hinausgehen und etwas frische Luft schnappen wolle. Auf dem Parkplatz trifft Isabelle auf ihren Mörder, der sie brutal erschlägt und anschließend zur Vertuschung der Tat auf die angrenzende Wiese schleift. Der Täter verlässt den Tatort sofort, wahrscheinlich mit dem eigenen PKW. Kurz darauf macht sich Isabelles Freundin auf die Suche nach ihr, da sie sich nach einer halben Stunde Sorgen um sie macht, und findet Isabelle tot auf dem Rasen.

Obwohl nach dem Eintreffen der Polizei das Gelände weiträumig abgesperrt wurde und zahlreiche Zeugen befragt und alle männlichen Besucher der Diskothek überprüft wurden, musste die Sonderkommission „Isabelle“ nach achtwöchiger intensiver Ermittlungsarbeit ohne Erfolg aufgelöst werden.

2. Christina Nolte, 23 Jahre, Biologiestudentin. Sie wurde am Montag, dem 3. September 2001, von ihrer Mutter als vermisst gemeldet, als sie sich nach einer fünftägigen Exkursion nicht mehr zu Hause gemeldet hatte. Zwei Wochen später fand ein Pilzsammler ihre Leiche in der Nähe eines abgelegenen Pfades im Bonner Kottenforst. Sie lag unbekleidet mit gespreizten Beinen bäuchlings in einer moosbewachsenen Senke. Der Leichnam war zum Teil stark verwest und Tierfraß zum Opfer gefallen. Eine zweifelsfreie Identifikation der Toten erbrachte die Untersuchung des Gebisses, bei der die Röntgenaufnahmen des Gebisses mit zahnärztlichen Befunden abgeglichen worden waren. Die Bestimmung des Todeszeitpunktes dagegen gestaltete sich aufgrund der langen Liegezeit des Leichnams und des temperaturabhängigen Verwesungsprozesses weitaus schwieriger. Nur mithilfe eines forensischen Entomologen, der anhand von Insektenbefall eines Leichnams Rückschlüsse auf den Todestag ziehen kann, konnte der Todeszeitpunkt auf ein bis zwei Tage genau datiert werden, da er Häute von Schmeißfliegenmaden fand: Die Schmeißfliege legt ihre Eier auf frischem Fleisch ab. Die Maden schlüpfen je nach Außentemperatur etwa acht bis vierzehn Stunden später. Diese entwickeln sich daraufhin in drei Stadien weiter und streifen dabei jedes Mal ihre Haut ab. Zehn bis zwölf Tage später nach Ablegen der Eier sind die Fliegen ausgewachsen und verlassen die Leiche. Demzufolge musste die Studentin entweder am Freitagabend, an dem ein Kommilitone, der sie zum letzten Mal gegen 18.30 Uhr lebend gesehen hatte, als sie sich nach der gemeinsamen Exkursion am Bonner Hauptbahnhof trennten, oder im Verlauf des Samstages gestorben sein, sodass sie sich unter Umständen mehrere Stunden in der Gewalt des Täters befand, bevor sie getötet wurde.

Der Fundort stimmte nicht mit dem Tatort überein, da Kleider und persönlichen Gegenstände des Opfers auch nach gründlicher Durchkämmung des Waldes nicht aufzufinden waren und nach der Spurenlage in dem Waldstück keine Kampfhandlungen stattgefunden haben konnten. Der Täter hatte das Opfer an den Händen gefesselt, mehrfach vergewaltigt und anschließend mit zahlreichen Messerstichen im Hals- und Brustbereich getötet. Letzteres wies auf eine Übertötung des Opfers hin, einen sogenannten „Overkill“, bei dem das Opfer einer unverhältnismäßigen Brutalität ausgesetzt gewesen ist, die zur eigentlichen Tötung nicht erforderlich gewesen wäre. Entgegen amerikanischer Studien, die in einem solchen Fall davon ausgingen, dass das Opfer seinen Mörder gekannt haben musste, konnten die Beamten der Sonderkommission weder im weiten noch nahen Freundes- und Bekanntenkreis des Opfers einen Tatverdächtigen ausfindig machen. Die Aussagen der Mutter, die ihre Tochter als eine selbstbewusste, offene, hilfsbereite und allseits beliebte Person beschrieb, erhärteten den Verdacht, dass in diesem Fall persönliche Motive ausgeschlossen werden konnten.