Science Fiction Dreierband 3025 - Drei Romane in einem Band - Allan J. Stark - E-Book

Science Fiction Dreierband 3025 - Drei Romane in einem Band E-Book

Allan J. Stark

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: Der interplanetare Kurier (Allan J. Stark) Besuch auf Terra (Harvey Patton) Das trojanische Pferd (W.W.Shols) Perry Barnetts Raumschiff TRILANI gerät nach dem Ausfall des Hyperdrives in Raumnot und muss auf einem unbekannten Planeten notlanden. Allerdings beherbergt das einzige Gebirge weit und breit in seinem Inneren eine vollendete kybernetische Elektronen- und Robotanlage, die bereits vor Jahrtausenden errichtet sein muss. Barnett und seinen Leuten gelingt es, aus diesem technischen Reservoir einen Gravosatz auszubauen. Das Elektronengehirn entwickelt jedoch einen eigenen gefährlichen Willen, schirmt sich energetisch gegen die Eingriffe der Besatzung ab und geht selbst zum Angriff über.

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Allan J. Stark, Harvey Patton, W.W.Shols

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Inhaltsverzeichnis

Science Fiction Dreierband 3025 - Drei Romane in einem Band

Copyright

Die Raumflotte von Axarabor - Band 81 Der interplanetare Kurier

Copyright

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Besuch auf Terra

Das trojanische Pferd

Science Fiction Dreierband 3025 - Drei Romane in einem Band

Allan J. Stark, Harvey Patton, W.W.Shols

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Der interplanetare Kurier (Allan J. Stark)

Besuch auf Terra (Harvey Patton)

Das trojanische Pferd (W.W.Shols)

Perry Barnetts Raumschiff TRILANI gerät nach dem Ausfall des Hyperdrives in Raumnot und muss auf einem unbekannten Planeten notlanden. Allerdings beherbergt das einzige Gebirge weit und breit in seinem Inneren eine vollendete kybernetische Elektronen- und Robotanlage, die bereits vor Jahrtausenden errichtet sein muss. Barnett und seinen Leuten gelingt es, aus diesem technischen Reservoir einen Gravosatz auszubauen. Das Elektronengehirn entwickelt jedoch einen eigenen gefährlichen Willen, schirmt sich energetisch gegen die Eingriffe der Besatzung ab und geht selbst zum Angriff über.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

© Roman by Author

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© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Die Raumflotte von Axarabor - Band 81 Der interplanetare Kurier

von Allan J. Stark

Der Umfang dieses Buchs entspricht 103 Taschenbuchseiten.

Zehntausend Jahre sind seit den ersten Schritten der Menschheit ins All vergangen. In vielen aufeinanderfolgenden Expansionswellen haben die Menschen den Kosmos besiedelt. Die Erde ist inzwischen nichts weiter als eine Legende. Die neue Hauptwelt der Menschheit ist Axarabor, das Zentrum eines ausgedehnten Sternenreichs und Sitz der Regierung des Gewählten Hochadmirals. Aber von vielen Siedlern und Raumfahrern vergangener Expansionswellen hat man nie wieder etwas gehört. Sie sind in der Unendlichkeit der Raumzeit verschollen. Manche errichteten eigene Zivilisationen, andere gerieten unter die Herrschaft von Aliens oder strandeten im Nichts. Die Raumflotte von Axarabor hat die Aufgabe, diese versprengten Zweige der menschlichen Zivilisation zu finden - und die Menschheit vor den tödlichen Bedrohungen zu schützen, auf die die Verschollenen gestoßen sind.

Der interplanetare Kurier Arwed wird mit einer wichtigen Nachricht losgeschickt, die ihn nahe der Front und mitten in die Gefahr bringt...

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© Serienidee Alfred Bekker und Marten Munsonius

© dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

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1

Die Landschaft war bis zum Horizont von Kratern und Trichtern übersät. Eine graue Einöde, vom endlosen Trommelfeuer gezeichnet. Erschöpft und verstümmelt. Kein Vogel war zu hören. Nur der Wind heulte über die schlammige Wüste. Ab und an ein Donnergrollen, nachdem ein Blitz sein grelles Licht über das tote Land geworfen hatte. Im Dauerregen, der aus dem wolkenverhangenen Himmel fiel, hatten sich in den Kratern dunkle Tümpel gebildet. Einige so klein wie Teiche oder Tümpel, andere dagegen weit und tief, wie Seen. Zeugnisse schwerer Bombardements, die vor Kurzem den Planeten erschütterten.

Die Erde dazwischen war sumpfig und glich einem endlosen Morast, der sich bis zum Horizont dehnte. Das Land mochte einst fruchtbar und grün gewesen sein. Bedeckt von dichten Wäldern, voller Leben. Doch jetzt war es von mächtigen Strahlenfingern und Plasmagranaten umgepflügt. Ein trister Acker, unfähig, auch nur das primitivste Leben zu tragen. Alle Vegetation war verschwunden, und jedes Tier getötet. Kahle Hügel und Täler bestimmten das traurige Bild, soweit das Auge reichte. Der Planet Falak war ein kaltes Inferno, leblos und öde.

In die Stille, die über dem Land lag, bohrte sich das Dröhnen von Triebwerken. Ein Schiff näherte sich und brach nach wenigen Sekunden durch die Wolkendecke. Ein schnelles Kurierschiff, das dem Piloten Arwed Mandori gehörte, der es zwischen den tief hängenden Wolken und dem grauen Land auf einen Militärstützpunkt zusteuerte. In einer natürlichen Senke erkannte Arwed die Ansammlung von Containern und Baracken, die zu hohen Türmen aufgestapelt waren. Hier und da ein Geschützturm, der seine Kanonen in den Himmel richtete. Ein großer Bunker beherrschte das Bild, der im Zentrum des Stützpunktes aufragte. Wie eine mittelalterliche Trutzburg erhob er sich aus der Ebene. Fahles gelbes Licht schimmerte hinter den Fensterschlitzen und spiegelte sich im nassen Schlamm.

Arwed spähte durch das Cockpitfenster seines Raumschiffes, an dessen Scheiben die Regentropfen in langen Bahnen entlangliefen. Er sah schwach beleuchtete Pontonwege, die sich zwischen den Baracken hindurchschlängelten, während sein Schiff tiefer herabschwebte. Nach einer Weile fand Arwed den großen Flugplatz, nahe einer bizarr aufragenden Ansammlung mächtiger Antennen und Scannerschüsseln. Er sah auf die Anzeigen seiner Navigationskonsole, die kein einziges Signal empfing, das ihn sicher durch das Unwetter leitete. Wegen der angeordneten Funkstille musste er sich ohne Leitstrahl oder den hilfreichen Anweisungen der Flugleitung einen Platz suchen, wo er seine wuchtige AMY SUE landen konnte. Er kreiste eine Weile über dem Platz, bis er eine kleine Lücke zwischen zwei überdimensionierten gepanzerten Frachtern ausmachte, die mit viel Fantasie als Landeplatz infrage kam. Vorsichtig begann er mit der Landeprozedur. Mit Mühe gelang es ihm, auf der kleinen Fläche aufzusetzen. Sein Raumschiff AMY SUE schwankte für einige Sekunden auf ihren Landegreifern auf und ab, bis sie sich eingependelt hatte. Es war ein gutes Gefühl, wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Endlich schaltete Arwed den Antrieb ab, der seit Tagen ohne Unterbrechung lief. Die Anzeigen erloschen und das Summen der Computer verstummte. Die Vibrationen unzähliger Aggregate zur Lebenserhaltung, die während des Fluges arbeiteten, ließen nach und verschwanden. Arwed meinte, einen dankbaren Seufzer der KI zu vernehmen, als die Maschinerie des Raumfahrzeuges zum Stillstand kam. Wie fremdartig und erholsam empfand Arwed diese plötzliche Ruhe. Es war nicht das erste Mal, dass er so fühlte. Er hatte in den letzten Jahren schon etliche längere Flüge hinter sich gebracht. Aber zunehmend wurden die damit verbundenen Anstrengungen unerträglich. Er war weit über dreißig und die vergangenen Jahre waren nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Sie hatten niemanden unverändert und ohne Schaden gelassen. Der Krieg zwischen den Otari-Kolonisten und ihren einstigen Herrschern dauerte schon zu lange an und alle Bemühungen der Axarabor Unterhändler, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln, hatten keine Erfolge gezeitigt. Es konnte noch ewig so weitergehen. Ein sinnloses Schlachten, das am Ende nur Besiegte kannte. Immerhin schien das Bombardement alle insektenartigen Keymon getötet zu haben, gegen die sie hauptsächlich kämpften. Jedenfalls vermochte er ihre Gegenwart im Augenblick nicht fühlen. Arwed gehörte zu den Menschen, die besonders empfänglich für den telepathischen Kontakt zu diesen Kreaturen waren. Eine Erfahrung, die nicht angenehm war, aber im Kampf von Nutzen sein konnte, da man immer wusste, was der Feind vorhatte und woher er kam. Die Gedanken der Keymon, fühlten sich seltsam an. Simpel und primitiv. Aber das lag wohl eher daran, dass man von den höher entwickelten Keymon nie jemanden zu Gesicht bekam. Hauptsächlich begegnete man den Schnüfflern, die man auch Skelcs nannte. Sie schienen eine Unterart der Keymon zu sein, die Arwed aber eher für Tiere hielt.

Wie auch immer. Diese spezielle telepathische Eigenschaft war es, die den Menschen bei den verbündeten Akkato Pluspunkte einbrachte. Die katzenhaften Oponi besaßen diese Eigenschaft in eingeschränktem Maße, aber wegen einer alten Feindschaft, mieden die Akkato die Zusammenarbeit mit den hochgewachsenen Wesen von Ophyr. Arwed kam gut mit ihnen zurecht.

Schließlich löste sich Arwed von seinen trüben Überlegungen, zog einen schweren Regenmantel an, streifte die Kapuze über und verließ das Schiff. Prasselnd klatschten die Regenschauer auf ihn herab. Es fühlte sich an, als wollten die Regenwolken ihre ganze Last über ihm ausgießen, um ihn zu ertränken.

Die hastig aufgegossene Betonfläche des Flugfeldes war uneben. Zahllose, Wasserlachen hatten sich darauf angesammelt. Arwed eilte über das umzäunte Rollfeld auf den Ausgang zu, wo ein großes Schild, den Weg zur Kommandantur wies. Unnötig eigentlich, da die Kommandantur in jenem Turm untergebracht war, der für alle sichtbar, über alle Dächer aufragte. Der aufkommende Wind rüttelte an dem Blech und würde das überflüssige Ding bald abreißen.

Die schwankenden Pontonwege, die über den schlammigen Boden führten, machten das Gehen schwierig. Er kam er nur langsam voran. Immer wieder musste er innehalten und um sein Gleichgewicht kämpfen. Es gluckerte und schmatzte satt, wenn er über die hölzernen Planken lief. Graubrauner Schlamm spritzte ab und an zwischen den Brettern in die Höhe. Bald war Arwed so mit Schmutz besudelt, dass selbst der heftige Regen ihn nicht mehr fort zu waschen vermochte.

Nach einigen Minuten erreichte eine Gruppe von Soldaten, die ihm den Weg versperrte. Sie standen unter einem Verbindungssteg, der den Weg wie eine Brücke überspannte, und waren in ein Gespräch vertieft. Arwed wusste sofort, dass die gelangweilten Soldaten seine Situation ausnutzen würden, um sich ein wenig Abwechslung zu verschaffen. Und wie er es vermutet hatte, machten sie keine Anstalten, den Weg frei zu geben. Um einen hoch aufragenden, pferdeköpfigen Akkato versammelt, ignorierten sie Arwed geflissentlich und führten einfach ihre Unterhaltung fort.

„Könntet ihr mich vorbeilassen?“, machte sich Arwed endlich bemerkbar, und tatsächlich unterbrachen sie ihr Gespräch für einen Moment.

Der große Akkato bedachte ihn mit einem abschätzigen Blick. „Frag uns lieber, ob wir das wollen“, grunzte dieser in einem breiten, kehligen Dialekt.

Die Kameraden des Akkato lachten laut; einer schlug dem hünenhaften Geschöpf auf die Schulter, als hätte er gerade den besten Witz seines Lebens gehört.

Erst jetzt konnte Arwed erkennen, dass der Akkato an einer Art Pfeife sog, die er in seinem Mantel verborgen hielt. Er blies den Rauch aus der Nase und hüllte Arweds Gesicht damit ein. Der Tabak, oder was immer es auch sein mochte, roch widerlich. Eine Mischung aus Hundekot, vermengt mit Rosenduft. Nur mit Mühe überwand er einen starken Würgereiz und vermied es zu husten, was man ihm gewiss als Schwäche auslegen würde. Der Regen ließ etwas nach, als wolle er es Arwed ermöglichen, die Worte des Hünen ohne Probleme zu vernehmen.

„Pass bloß auf.“ Der Akkato trat einen Schritt näher an Arwed heran. „Unsere Laune ist so schlecht wie das Wetter hier, und wenn dich nicht der Blitz erschlägt“, er hauchte eine weitere Rauchwolke in Arweds Gesicht, „ dann tu ich das vielleicht.“

Nach diesen Worten starrten die beiden einander lange an. Doch unvermittelt schien der Akkato das Interesse an Arwed verloren zu haben, der nicht auf die Provokation reagierte. Der Pferdekopf lachte kurz, wendete sich wieder ab und das Geplauder unter den Soldaten ging weiter, ohne dass sich die Gruppe vom Fleck bewegt hatte. Schließlich machte Arwed einen Schritt zur Seite und stieg hinein den Schlamm. Sofort sank er ein; tiefer als erwartet. Bis zum Knie reichte ihm die zähe, schwammige Erde. Einen weiteren Schritt zu machen, war schier unmöglich. Der schmierige Brei haftete an seinen Beinen und hielt ihn gefangen.

Die Soldaten lachten und kicherten wie Schuljungen über einen geglückten Streich. Dann trollten sie sich und waren bald außer Sicht. Arwed mühte sich unterdessen ab, wieder auf den Pontonweg zu gelangen. Es dauerte etwa zehn Minuten, bis er es endlich geschafft hatte. Unterdessen prasselte der Regen mit neuer Heftigkeit auf ihn herab. Als er wieder Zeit zum Verschnaufen hatte, ärgerte er sich darüber, nicht den Mut oder die Tollkühnheit aufgebracht zu haben, es auf einen Streit ankommen zu lassen. Den Akkato hätte er mit einigen geschickten und überraschenden Schlägen niederstrecken können. Es war schwierig aber nicht unmöglich, einem Akkato eine Lektion zu verpassen. Immerhin war ihm dies schon einmal gelungen. Aber das war bereits eine Weile her. Seine Spezialausbildung wäre ihm in dieser Hinsicht bestimmt von Nutzen gewesen, auch wenn sein letzter Kampf schon Jahre zurücklag und er gewiss etwas eingerostet war. Diese Überlegungen spukten ihm die ganze Zeit über durch den Kopf. Und auch wenn er sich Chancen einrechnete, so bildete seine Erschöpfung den entscheidenden Faktor, sich nicht auf eine Auseinandersetzung einzulassen.

Wie fertig ich doch bin, dachte er bei sich. Er fluchte leise und erinnerte sich daran, wie er vor etwa zwei Monaten hier gewesen war. Die schreckliche Hitze damals war ihm noch gut im Gedächtnis. Die Sonne stach unbarmherzig von einem Himmel herab, der alles Blau verloren hatte, als hätte der sengende Stern ihn ausgebleicht. Staubstürme fegten über das ausgedörrte Land und machten das Atmen schwer. Um die endlose Langeweile zwischen den Gefechten zu überbrücken, hatte General Dazzin angeordnet, das Lager alle Nase lang ab- und wieder aufzubauen. Eine schweißtreibende und harte Arbeit, die Arwed damals als reine Schikane betrachtet und ihm Mitleid mit den Soldaten abverlangt hatte. Nun aber sah er die Sache anders und wünschte, dem General wären noch perfidere Methoden eingefallen, um seine Leute während der gegenwärtigen Schlechtwetterperiode beschäftigt zu halten. Es gab genügend Trainingseinheiten, die vorsahen, Soldaten durch den Schlamm zu hetzen.

Noch immer hatte der Regen es nicht fertiggebracht, den Schmutz von Arweds Mantel abzulösen. Nachdem er sich aus dem Schlamm befreit hatte, klebte der zähe Morast dick an seinen Stiefeln. Er eilte weiter durch das Unwetter und bald gelang es ihm, den unangenehmen Vorfall mit den “Kameraden“ beiseite zu drängen. Was in aller Welt mochte so eilig sein, dass man ihn so dringend anforderte? Umgehend, unverzüglich, sofort, ohne Aufschub – das waren die Begriffe, die immer wieder in seiner Order auftauchten. In den Anfangstagen des Krieges, als noch alle Fronten in Bewegung waren, hatten diese Begriffe keinen Seltenheitswert. Die Fronten verhärteten sich und bald ließ die Eile nach. Es gab nichts Wichtiges mehr, das man zu erledigen hatte. Die Nachrichten beinhalteten gewöhnlich nur Angaben über unbedeutende und meist sinnlose Truppenbewegungen. Der Wortlaut, in dem sie abgefasst waren, ließ daher keinerlei Dringlichkeit erkennen. In zunehmend laxer Form bemühte man sich kaum noch um offizielle Formulierungen, die Wichtigkeit suggerierten, und scherte sich nicht um Geheimhaltung. Es gab nichts geheim zu halten, nichts zu beeilen. Alles verlor sich in matter Bedeutungslosigkeit, denn die Rebellion ging zu Ende – mussten zu ende gehen, sollte es noch eine Zukunft geben. Eine Tatsache, die selbst der einfachste Gefreite erkennen konnte. Diese Welt hier befand sich zwar weitab von der einstigen Frontlinie. Ein Ort, tief in der Etappe, im Niemandsland, das keinen bedeutenden Befehlshaber interessierte. Doch selbst hier konnte man das Ende des Krieges und das Kommen eines bitteren Friedens spüren. Beide Seiten trachteten danach, auf schnellstmögliche Weise den Kampf zu beenden, auch wenn die Oberen dies nicht öffentlich zugeben wollten und unaufhörlich den Geist ihrer gerechten Sache beschworen. Jedenfalls waren die Streitkräfte beider Seiten erschöpft und große Veränderungen gab es nicht mehr. Alles war erstarrt. Diese Reglosigkeit zehrte an den Nerven und belastete die Moral der Truppen. Es war also keinesfalls zu erwarten, dass Arweds Auftrag so etwas Gewichtiges wie die lang erwartete Friedensbotschaft enthalten könnte. Das Golon-System taugte kaum dazu, eine Quelle derartiger Neuigkeiten zu sein. Hier war Arwed nichts Weiter als der Überbringer buchhalterischer und logistischer Überlegungen. Er war nur ein Laufbursche gelangweilter Generäle.

„Verdammt“, zischte er. Ich brauche dringend ein wenig Schlaf. Meine Gedanken verknoten sich. Er beschloss, nicht weiter darüber zu grübeln, und erreichte nach kurzer Zeit das imposante Kommandanturgebäude. Noch ehe der massige Wachroboter an der Pforte reagieren konnte, rief ihm Arwed ein älteres, aber gültiges Passwort zu. Ein Zittern durchlief den stählernen Leib, der für einen Sekundenbruchteil eine Verteidigungspose angedeutet hatte und nun wieder zurück in den Stand-by-Modus sank. Das Panzerschott, vor dem die martialische Maschine postiert war, sauste nach oben und gab den Eingang frei. Arwed hatte jedoch keine Gelegenheit durch das Schott zu treten. Ein Eindämmungsfeld hinderte ihn daran, einen weiteren Schritt zu machen. Ein junger Page stürmte Arwed entgegen – seine graue Uniform war tadellos, die Messingknöpfe und die braunen Stiefel glänzten. Ein ungewöhnlicher Anblick.

„So kommen Sie hier nicht herein!“, knurrte der blasshäutige Mann und schob den Kurier wieder hinaus, ohne ihn zu grüßen.

„Ich muss zu General Dazzin“, entgegnete Arwed. „Er erwartet mich.“

„Ich weiß, Sie sind der Kurier. Ich kenne Sie. Sie waren vor ein paar Wochen schon einmal hier. Sie sollten doch wissen, dass der General sehr eigen ist, wenn es um seine Teppiche geht.“

Arwed erinnerte sich noch genau. General Dazzins Quartier war ausgestattet mit allerlei persönlichem Inventar, und besonders an die wertvollen Teppiche konnte er sich entsinnen. Natürlich wollte sich der General diese nicht verderben lassen. Arwed erinnerte sich daran, wie man ihm befahl, seine Stiefel und Kleider von Staub und Schmutz zu befreien, bevor man ihn in das Quartier des Generals einließ. Der Page schob ihn vor dem Eingang auf ein Gitter, und begann ihn mit einem Wasserschlauch abzuspritzen. Eine irgendwie demütigende Behandlung, die Arwed mit verhaltenem Zorn über sich ergehen ließ.

„Wofür man sich doch immer noch die Zeit nimmt“, murmelte Arwed in das Brausen des Wasserstrahls.

„Was haben sie gesagt?“, erkundigte sich der Page.

„Nichts“, antwortete Arwed tonlos. „Sauberkeit ist das wichtigste Gebot in der Truppe. Kennen sie die Phrase, Reinlichkeit kommt gleich nach Gottesfurcht?“

Der Page ging nicht darauf ein und als er zufrieden war, führte er den Kurier in den Lift, um ihn hinauf zu seinem Vorgesetzten zu bringen. Die Tür öffnete sich und war damit sogleich im Quartier des Generals angekommen. Die weichen Teppiche waren dort, wo sich voraussichtliche Besucher bewegen sollten, mit weißen Laken bedeckt. Ein paar Stiefelabdrücke zeugten davon, dass Arwed nicht der einzige Besucher war.

Er staunte, als wäre er das erste Mal hier. An den Wänden hingen prachtvolle Gobelins, die historische Ereignisse darstellten. Den großen Globus, der ein leuchtendes Hologramm der Galaxis in sich barg und der Arwed schon bei seinem letzten Besuch aufgefallen war, hatte man von seinem ursprünglichen Platz wegbewegt. Sein neuer Platz befand sich vor dem Panoramafenster, hinter dem die grauen Wolken wirbelten. Vor dem Fenster standen ein Stuhl mit hoher Rückenlehne und ein schwarzer, auf Hochglanz polierter Schreibtisch. Der Raum war dunkel, bis auf das trübe Licht, welches durch das breite Fenster fiel und dem Glimmen einer kleinen Lampe, die in einer Ecke einen warmen gelben Schimmer erzeugte. An einer Seite des Raumes erhob sich ein hohes, gut gefülltes Bücherregal. Es nahm die ganze Wand für sich ein. Ein lederner Sessel davor lud ein, es sich bequem zu machen und ein Buch zur Hand zu nehmen, um sich darin zu verlieren. Oder sich dem Schachspiel zu widmen, das auf einem Beistelltisch neben dem Sessel stand. Arwed war kein besonders guter Schachspieler aber er es gab immer Gegner, die er besiegen konnte.

Der Page trat in den Raum, schlug die Hacken zusammen, stellte den Kurier vor und machte kehrt. Nachdem sich die Tür geschlossen hatte, fuhr er mit dem Lift wieder nach unten.

Dazzin stand am Fenster, Arwed den Rücken zugewandt. Der große, hagere Mann hatte sich nicht bewegt, um den Kurier zu begrüßen. Stattdessen starrte er aus dem Fenster und beobachtete die dahintreibenden Gewitterwolken und das Flackern der Blitze darin. Der kahle Kopf des Generals umnebelt vom blauen Dunst einer Zigarette, die in einem langen Mundstück aus glänzendem Messing steckte. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, drehte er grübelnd an einem goldenen Ring am Finger seiner rechten Hand. Er nahm die Zigarette aus seinem Mund und blies eine Qualmwolke in die Luft, bevor er auf die öde Landschaft hinunterblickte, die der Regen in einem grauen Sumpf verwandelt hatte. Er führte die Zigarette zurück an seine Lippen und atmete den Rauch ein. Dazzin ließ viel Zeit vergehen und schien kein Interesse daran zu haben Arwed seine Aufmerksamkeit zu schenken.

Arwed fühlte, wie der Ärger in ihm aufkeimte. Doch gerade als er sich bemerkbar machen wollte, drehte sich der General um. Eine schnelle, unerwartete Drehung, als wollte er einen Messerangriff oder eine andere Nahkampfattacke starten. Er fixierte den Kurier mit seinen hellgrauen Augen und schob das metallene Filterstück zwischen den schmalen Lippen von einem Mundwinkel zum anderen und. Dieser kalte, stechende Blick, dachte Arwed. Schon beim letzten Besuch hatten ihn diese Augen irritiert und zugleich fasziniert. Ein Blick, der eine sengende Wüste zu mittags mit Frost überziehen konnte. Der kalte Gesichtsausdruck eines Menschen, der es gewohnt war kühl zu kalkulieren und alle Gefühle zu unterdrücken, bis sie abgestorben waren.

„Freut mich, Sie wohlauf zu sehen“, sagte Dazzin freundlich, aber es klang mehr wie eine nüchterne Feststellung. „War sehr zufrieden mit ihrer Leistung letztes Mal. Ich mag es, wenn Leute schnell und selbstständig arbeiten können. Gibt zu wenige von dieser Sorte.“

Wie sehr doch diese tiefe, warme und volltönende Stimme mit dem eisigen Blick kontrastierte, überlegte Arwed. Eine eigenartige Konstellation, die ihn schon vor einigen Wochen seltsam berührt hatte. „Danke“, erwiderte Arwed, denn der aufkommende Ärger war an dieser Offensive unerwarteten Lobes sogleich verpufft.

„Wie sieht’s draußen aus?“

„Sir?“

„Draußen.“ Er nahm die Zigarette zwischen zeige und Mittelfinger und deutete mit einem Ausdruck der Verwunderung hinter sich. „An der Front?«

„Ich bin viel unterwegs“, sagte Arwed. „Und meist hinter den Kampflinien. Ich erfahre kaum etwas.“

„Na, Sie werden doch noch mitbekommen, was die kämpfende Truppe so alles leistet“, bohrte Dazzin weiter nach.

Arwed wusste darauf nicht viel zu sagen. Tatsächlich erhaschte er immer nur flüchtige Eindrücke, von den Kampfhandlungen, denen er für gewöhnlich den Rücken zudrehte. Es fiel ihm schwer, sich aus diesen winzigen Eindrücken ein komplettes Bild zu machen, was den Verlauf des Krieges betraf. Zwar wurde Arwed immer wieder mal zum Kampf gezwungen und in allerlei kleine Scharmützel verwickelt, aber das mochte nichts heißen. Aufschlussreicher waren die Gespräche und die Stimmung unter den Kämpfern, denen er auf den Stützpunkten begegnete. Doch davon wollte er Dazzin nichts berichten. Mit Sicherheit aber konnte er sagen, dass die kämpfende Truppe, wie sich der General ausdrückte, des Krieges müde war. Die erfahrenen Soldaten waren entweder tot oder erschöpft, die jungen ohne Begeisterung und voller Angst. Arwed suchte eilig nach einer unverfänglichen Antwort. „Die Truppe hat Urlaub verdient, Sir“, sagte er schnell.

Dazzin nickte sofort. „Ja, wir haben Beachtliches geleistet.“ Er nahm ein glänzendes Kuvert aus Silberfiset von seinem Tisch. „Sie haben den Eindruck, dass wir alle müde sind?“

„Nein, Sir!“, antwortete Arwed automatisch und unüberlegt. „Ich meine nur … „

Dazzin grinste in sich hinein, Er hatte Arwed bereits durchschaut. Offenbar hätte es dem General nichts ausgemacht, hätte Arwed ihm seine wahren Ansichten dargelegt.

„Was uns hier betrifft; wir sind müde“, erklärte er matt. »Seit fünf Wochen dieses Wetter. In den Wochen davor nur Hitze, Staub und Mücken. Der letzte Einsatz liegt acht Monate zurück. Seither nur Konserven zählen. Die Männer werden von der Langeweile umgebracht, und ich lese zum zehnten Mal die Lyrik des Katain. Alte Poesie. Voll von hehren Idealen und der Größe des antiken Reiches. Ich halte es eher für einen Abgesang im Angesicht des kommenden Endes. In diesem Licht gelesen sehr aufschlussreich. Vom Patos verdeckte Wahrheiten, die gerade deshalb umso deutlicher herausstechen.“ Dazzin sog erneut an der Zigarette und stieß eine sich kräuselnde Dunstwolke aus. „Vom Sturz der Engel“, begann er zu zitieren. „Wirbelnd, brennend fallen sie aus Himmelshöhen der kalten Erde zu. Noch im Sturze singen sie den Lobpreis Gottes.“

Arwed beobachtete Dazzin genau, während er sein Schauspiel darbot. Sein Stirnrunzeln, die Art wie er sprach. Es waren doch noch viele Emotionen da, die in seinen Adern kochten. Verborgen unter der der Maske des Militärstrategen, der vorgab von reiner Logik erfüllt zu sein.

„Alles dreht sich im Kreis“, fuhr der General fort. „Es ist zum Verrücktwerden. Die Konturen verschwimmen und alles fließt zusammen in eintöniges Grau. Grau, wie diese Landschaft hier. Gedanken, Bilder, Gefühle. Alles verliert an Gewicht und an Bedeutung. Allem wird seine Substanz entzogen. Als hinge ein gigantischer Vampir am Hals unserer Welt, um ihr Kraft Sinn und Schönheit auszusaugen.“ Er machte eine kurze Pause, führte die Zigarette abermals an den Mund und entließ langsam und genussvoll eine lange Rauchfahne durch seine dünnen Lippen. „Langeweile ist der wahre Feind. Manchmal denke ich, der eigentliche Angriff erfolgt in den Stunden, Tagen und Wochen nach, oder vor dem Kampf. Es ist seltsam, was diese gedehnten Stunden mit dem Verstand so alles anstellen können. Seltsame Dinge spuken einem dann im Kopf herum. Grübeleien, unentwegte Grübeleien. Sie lassen einen nicht zur Ruhe kommen. Abstruse Ideen und Vorstellungen, die einen normalerweise abstoßen würden, sich aber nicht mehr aus dem Hirn vertreiben lassen, erfreuen uns plötzlich wie ein heiteres Schauspiel.“ Er nahm einen letzten Zug und drückte die Zigarette im Aschenbecher auf dem Tisch aus. „Wenn es doch nur mal wieder richtig krachen würde, damit man endlich auf andere Gedanken kommt.“

Die Erschöpfung dieses Mannes war so sichtbar, wie die Qualmwolke, die um seinen Kopf waberte. Es handelte sich um eine Erschöpfung, die eine schier greifbare Bedrohung darstellte. Von Dazzin ging eine Art Aggression aus, die still und ruhig in seinen eisigen Augen glitzerte. Arwed wusste zwar noch nicht, worin genau die Gefahr lag und ob sie gegen ihn persönlich gerichtet war oder gegen jemand anderen. Aber er konnte sie so deutlich erkennen wie den Schatten, den Dazzin im diffusen Tageslicht auf seine geliebten Teppiche warf.

Der General hob die Hand und streckte Arwed das funkelnde Kuvert aus Panzergewebe entgegen. Noch völlig in seinen Gedanken gefangen, zögerte Arwed zunächst, es entgegenzunehmen. „Wohin geht es?“

„Wie letztes Mal. General Warden auf dem Planeten Soraz im Denebon-System.“

Schließlich nahm Arwed das Kuvert und steckte es in die Innentasche seines Mantels. Dort würde es bleiben, bis er es General Warden überreichen konnte. Dann schlug er nach altem Brauch die Hacken zusammen und salutierte.

2

Er hätte seiner AMY SUE gerne noch ein wenig Ruhe gegönnt, doch er wollte sich umgehend auf den Weg machen und keine Sekunde länger auf dieser Schlammkugel bleiben. Eilig bereitete er den Abflug vor. Das Hochfahren der malträtierten Triebwerke erzeugte in ihm einen beinahe körperlich spürbaren Schmerz. Er empfand einen starken Widerwillen, die Schubhebel für den Antrieb nach vorne zu drücken. Ihm war, als würde er mit Peitschenhieben auf ein müdes Maultier eindreschen, um es zur Arbeit anzutreiben.

Die Anzeigen im Cockpit flammten auf, und die ihm so vertraute Sinfonie aus leisem Summen und Piepsen erfüllte abermals den Raum. Arwed schaltete den Repulsor ein und ließ das Schiff auf einem Antigravitationspolster vertikal in die Höhe steigen. Schnell schrumpfte das öde Land unter ihm zu einer Miniatur zusammen. Der Stützpunkt mit seinen Baracken, Antennen, Maschinen, Raumschiffen und dem Bunkerturm, wirkte bald wie verwaistes Kinderspielzeug auf einem grauen Fußboden. Dichte Nebel begannen die AMY SUE einzuhüllen und es wurde für einen Augenblick stockdunkel, bis sich die Wolkendecke wieder lichtete. Von einer Sekunde auf die andere fiel blendend helles Sonnenlicht in die Pilotenkanzel. Ein azurblauer Himmel stach Arwed mit makelloser Reinheit in die Augen, während sich unter ihm ein schneeweißer Wolkenozean ausbreitete. Wie wunderschön und friedlich, überlegte Arwed. Und darunter Schrecken und Verwüstung. Je höher die AMY SUE stieg, umso lichter wurde das Blau des Himmels. Es verblasste zusehends, verwandelte sich in einen transparenten Dunst, bis die Sterne zum Vorschein kamen, eingebettet in das tiefe Schwarz der Unendlichkeit.

In großer Entfernung funkelte ein Sprungtor, ein Fayroo, auf das Arwed nun seinen Kurs festlegte. Er gab das Skaub-System als Ziel in den Übermittler ein, mit dem er den Kiray eines Weltenspringer Tores kontaktieren konnte. Den telepathischen Lenker dieser künstlichen Dimensionstunnel. Der Umweg über das Skaub-System war nötig, da Denebon ein seit jeher unbewohntes System war und daher kein Fayroo besaß, durch das er dort materialisieren konnte. Arwed vermochte sich wenigstens damit zu trösten, dass selbst dieser indirekte Weg schneller war als eine direkte Hyperraumpassage, zu General Warden. Eine Fayroopassage betrug immer genau gleichlang. Egal, von welchem Punkt der Galaxis aus man an sein Ziel reiste. Und das, ohne die Triebwerke gebrauchen zu müssen.

„Dann kannst du etwas ausruhen, meine kleine AMY.“ Arwed strich sanft über die Konsole und drückte den Steuerknüppel nach vorne. Die AMY SUE beschleunigte und jagte dem Tor entgegen. Bald war es deutlich in seiner Form erkennbar und nur noch acht Kilometer voraus. Es war riesig, besaß eine achteckige Form, funkelte golden und nahm den ganzen Sichtbereich ein.

Gerade als Arwed das Signal aus dem Übermittler an das Tor senden wollte, ertönte ein schrilles Warngeheul. Im gleichen Augenblick spie der gewaltige Rahmen des schimmernden Fayroo eine Unzahl von Kriegsraumern der Separatisten aus. Wuchtige Schlachtschiffe, schlanke Fregatten, Bomber, Belagerungsplattformen und Torpedoboote. Arwed vollzog eine harte Wende und raste mit Höchstgeschwindigkeit davon. Eine Fehlentscheidung, wie er unmittelbar feststellte, denn die feindlichen Schiffe, von der Austrittsbeschleunigung de Fayroopassage getragen, jagten an ihm vorüber und schnitten ihm den Weg ab. Aus ihren Schleusen quollen Schwärme von Jagdmaschinen hervor. Sie schossen in Formation dem Planeten Falak entgegen, aber fünf davon scherten aus und hefteten sich der AMY SUE ans Heck. Arwed aktivierte das Schutzschildsystem. Das Schiff erzitterte heftig, als die ersten Salven darauf einhämmerten. Knisternd brannten etliche Sicherungen durch, Kabel begannen zu schmoren.

Hastig richtete er die Heckgeschütze auf die Verfolger aus und erwiderte das Feuer. Er traf einen Jäger, der daraufhin Funken sprühend davontrudelte. Für einen Moment waren die übrigen vier irritiert und wichen aus, ohne jedoch die Verfolgung aufzugeben. Arwed nutzte deren Verunsicherung und schlug einige Haken, um die Feinde abzuschütteln.

Er brachte etwas Distanz zwischen die Angreifer und sich und machte ein paar Raketen scharf, während die Feinde erneut heranrückten. Ohne zu zögern, fasste Arwed zwei von ihnen ins Visier und schoss. Die Raketen gingen daneben. Im Gegenzug erhielt die AMY SUE eine Reihe von Treffern. Der Schild flimmerte, drohte zu erlöschen. Ein Triebwerk detonierte. Weitere Schüsse zerhackten die Raketenrampe. Doch bevor sie gänzlich zerstört war, feuerte Arwed die geladenen Raketen auf gut Glück ab. Ein Jäger erhielt einen Volltreffer und trudelte davon. Trümmer schwirrten in alle Richtungen und beschädigten eine weitere Maschine. Diese verlor an Geschwindigkeit und fiel zurück.

„Der Esel kann auch ausschlagen!“, schrie Arwed voller Wut und begann zu lachen. „Versucht es noch mal. Ich warte nur darauf.“ Was für ein Unsinn, überlegte er. Ich kann keinen weiteren Treffer riskieren.

Die Piloten der verbleibenden Raumschiffe waren offensichtlich erfahren, begannen, undurchschaubare Manöver zu vollführen, und waren nicht abzuschütteln. Sie versetzten der AMY SUE immer wieder harte Schläge. Ihren Rumpf zeichneten bald zahllose, rot glühende Striemen. Die Panzerung splitterte an etlichen Stellen und hinterließ scharfkantige Narben. Der Schildgenerator begann, immer mehr Strom zu fressen, saugte Energie aus dem Reaktor wie ein hungriger Vampir, um das Abwehrfeld aufrechtzuerhalten. Arwed gelang es einigen Salven auszuweichen und Abstand zwischen sich und die Separatisten zu bringen. Tapfer arbeitete sich der Schild wieder zu beinahe voller Stärke auf, doch vereinzelte Schüsse drangen noch immer durch – das Heckgeschütz ging dabei verloren. Arwed leitete alle Energie dem Abwehrsystem zu und berechnete den Kurs für einen Sprung in den Hyperraum. Dann vollführte er einen Looping. Als die feindlichen Schiffe – durch das plötzliche Manöver überrascht – die AMY SUE aus dem Blickfeld verloren, schaltete Arwed den Schild ab, nahm eine weitere Trefferfolge in Kauf und flüchtete aus dem Normalraum.

3

Die plötzliche Stille fühlte sich befreiend und bedrückend zugleich an. Bedrückend, weil er jetzt weit ab jeder Hilfe war und Lichtjahre durch den Tiefraum jagte. Alleine und abhängig von angeschlagener Technik, die jederzeit versagen konnte. Jetzt galt es, das Schiff irgendwo zwischenzulanden, um genügend Treibstoff und Energie zu laden und gegebenenfalls Reparaturen durchzuführen. Die Entfernung nach Denebon, durch den Hyperraum, war mit den Beschädigungen nicht zu schaffen. So wie er gerade durch den Hyperraum flog, war die Taberi-Tankstation am günstigsten. In fünfzig Stunden würde er sie erreichen. Auch diese Distanz, stellte für die angeschlagene AMY SUE ein Risiko dar. Aber er konnte während dieser Zeitspanne einige kleinere Reparaturen durchzuführen, und das brachte ihn auf andere Gedanken.

Bevor Arwed Kurier geworden war, hatte er als Mechaniker gearbeitet. Alte Raumschiffe, zu denen auch seine schnelle AMY SUE zählte, waren eine Leidenschaft die er seit seiner Jugend hegte. Er kannte die elektronischen und mechanischen Innereien etlicher Kampfschiffe ziemlich gut. Mit verbundenen Augen, hätte er seine Amy auseinandernehmen und akkurat wieder zusammensetzen können. Darauf hätte er jede Wette angenommen. Es gelang ihm, die Raketenrampe einigermaßen funktionsfähig zu machen und das Heckgeschütz auszutauschen, ehe er die Tankstation erreichte. Als er den Normalraum wieder verließ, war es höchste Zeit, denn durch zahlreiche Risse im Leitungssystem war viel Kühlmittel verloren gegangen. Dadurch begann der Reaktor allmählich zu überhitzen. Auch die Sekundärbatterien, durch die vorangegangenen Kämpfe stark beansprucht, mussten aufgeladen werden. Andernfalls würde bald die Bordelektronik ausfallen.

4

Die AMY SUE verließ den Hyperraum und geriet erneut in ein Gefecht. Eine Unmenge von Raumschiffen hing qualmend im Orbit um die gewaltige Tankstation, die ihrerseits von Dunst und Gasschleiern umhüllt war wie ein rauchender Vulkangipfel. Die Schlacht breitete sich über einen großen Bereich aus, und so wurde Arwed nicht gleich behelligt, während er die Station anflog.

„Was um alle Himmel ist nur los?“, fragte er sich, als in der Ferne ein Kreuzer in blendendem Feuer verging. „Haben sich die alten Herren doch noch an eine Großoffensive gewagt?“ Er schaltete den Abtaster ein und erhielt umgehend eine Darstellung der Kampfsituation. „Grundgütiger!“, entfuhr ihm ein entsetzter Ausruf. Der Bildschirm war rot von Symbolen, die kleine und große Objekte anzeigten, die einander jagten, dahintrieben oder reglos im All schwebten. Es war schwer abzuschätzen, ob das alles Schiffe waren oder Trümmerstücke, die ziellos durch das System drifteten. Seine Hände zitterten, als er den Steuerknüppel nach vorne drückte und beschleunigte. Nur die Ruhe, ermahnte sich Arwed, nur nicht die Nerven verlieren. Sich anzuschleichen erfordert alle Sinne.

Doch natürlich ging das nicht lange gut. Zwei feindliche Jagdmaschinen, die Arweds altes Raumschiff für leichte Beute hielten, stürzten übermütig auf ihn herab. Sie eröffneten das Feuer und ein donnerndes Stakkato von Explosionen schüttelte das Schiff erneut durch. Doch der Schutzschild wehrte den Angriff, der nur mit leichten Bordwaffen erfolgte, mühelos ab. Arwed war nun wieder ganz ruhig. Mit klaren Gedanken und sicheren Händen visierte er die Feinde an, erwiderte das Feuer und erwischte die beiden. Zwei helle Feuerbälle blähten sich auf und spuckten Trümmerstücke aus. Aber ein großes Rumpfteil samt Cockpit schlug unterhalb des Bugs der AMY SUE ein. Arwed wurde beinahe aus dem Sitz gerissen. Neben seinem Kopf zerplatzte ein Monitor und spuckte Glassplitter in sein Gesicht. Dichter Qualm begann, die Räume zu erfüllen. Der Gestank von brennenden Kunststoffen breitete sich aus.

Arwed schottete die Kanzel ab und suchte eilig nach einer Landemöglichkeit in einem der Hangars der Tankstation. Er steuerte zwischen den Kämpfern beider Seiten hindurch und versuchte, sich aus der Schlacht weitgehend herauszuhalten. Er fand zwar bald eine Landebucht, doch immer wieder musste er harte Treffer hinnehmen, und geriet aus der Bahn. Mit viel Glück und Mühe brachte er es fertig, auf einer freien Fläche auf dem Hangarboden aufzusetzen. Ein heftiger Ruck erschütterte das Schiff. Zweifellos waren die Landegreifer beschädigt. Das ächzende Knirschen zerreißenden Metalls drang an Arweds Ohr. Es war ihm, als hätte er sich ein Bein gebrochen.

„Tut mir leid, altes Mädchen.“ Er legte seine Finger auf die Steuerkonsole. „Ich hatte nicht vor, dir die Knochen zu brechen.“

Diese Mission steht unter einem schlechten Stern, dachte er bei sich. Arwed eilte nach draußen und fand sich inmitten eines unüberschaubaren Chaos wieder. Eine Ansammlung verschmorter und verbeulter Kampfmaschinen waren in einem heillosen Durcheinander in der Halle verteilt. Dazwischen die Verwundeten. Rettungs- und Mechanikerteams liefen scheinbar ziellos durcheinander.

Arwed versuchte, sich einen Überblick verschaffen, aber es war zwecklos. Es gab keine Ordnung, die irgendwie zu erkennen gewesen wäre. Sirenen heulten, ferne Detonationen ließen den Boden erzittern, überall Geschrei und Maschinenlärm. Während sich Arwed noch umsah, wurde er aufgeschreckt vom jaulenden Zischen der Schaumkanonen eines automatischen Löschvehikels, das sich seiner AMY SUE annahm und sie mit weißem Pulver bedeckte. Eilig und überraschend trat der Hafenoffizier an ihn heran. Ein blonder, korpulenter Mann in einer mit Öl und Ruß verschmierten Uniform.

„Was fällt Ihnen ein, mit diesem Pott hier aufzukreuzen?“, schimpfte er.

Arwed brauchte einen Moment, um zu reagieren. „Ich bin mit einer wichtigen Nachricht auf dem Weg nach Denebon. Ich wollte hier auftanken.“

„Sehen Sie nicht, was hier los ist?!“ Der Mann sah sich nach allen Seite um. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben. „Das ist kaum zu bewältigen. Ein verdammtes Schlachtfeld.“

„Warum wird hier gekämpft?“, wollte Arwed wissen. „Ich habe nicht geglaubt, dass der Feind so einen großen Angriff starten würde. Schon gar nicht auf ein Ziel so weit hinter der Frontlinie.“

„Mann, Sie können Fragen stellen“, entrüstete sich der Offizier. „Wir haben Krieg und jemandem ist wohl in den Sinn gekommen, unsere Tankstelle hier sei leichte Beute. Mir ist das im Moment egal. Wir kümmern uns hauptsächlich um die Leute. Für Ihr Schiff müssen Sie selbst Sorge tragen. Nehmen Sie sich, was Sie brauchen. Aber sehen Sie zu, dass Sie hier wegkommen. Wir brauchen jeden Flecken für Rettungsschiffe.“ Er deutete in Richtung Ersatzteillager und Werkstatt und machte sich davon.

Im Lager fand Arwed einen schmalen Lastenschlitten und lud hastig Kanister mit Kühlmittel sowie einige neue Batterien auf. Doch selbst, als er die Fläche des Schlittens vollgestellt hatte, reichte es bei Weitem nicht aus, um seinen Bedarf zu decken. Er würde mehrmals nachfassen müssen, was in dem Durcheinander ein beinahe unmögliches Unterfangen darstellte. Mühsam bahnte er sich mit der ersten Fuhre den Weg zu seinem Schiff, an dem sich noch die Feuerwehrleute zu schaffen machten. Dann begann er, die Kanister und Batterien ins Innere des Schiffes zu schleppen.

„Sie wollen doch nicht gleich weiterfliegen?“, fragte ein Feuerwehrmann.

„Mir bleibt nichts anderes übrig“, erwiderte Arwed, der eine schwere Batterie auf den Boden plumpsen ließ. „Ihr Chef tritt mir gewaltig in den Hintern, wenn er wieder hier ist und ich noch nicht weg bin.“

„Ein Start ist nicht zu empfehlen“, beharrte der Feuerwehrmann. „Die gesamte untere Bugsektion ist ausgebrannt, wie ich sehen kann. Sie werden nur sehr eingeschränkte Sensor- und Navigationsfähigkeiten zur Verfügung haben. Auftanken können Sie nicht. Ich kann das auf keinem Fall zulassen. Die Gefahr dass Ihr Schiff dabei hochgeht ist zu groß. Sie werden auf Ihre Reserve zurückgreifen müssen.“

„Hab ich mir fast gedacht“, sagte Arwed resigniert. Er versuchte mehr schlecht als recht eine Kopfrechnung. „Ich werde wohl mit trockenem Tank ankommen. Aber was soll’s, überall ist es besser als bei Ihnen hier.“

Arwed stellte den letzten Kanister ab und schob den Ladeschlitten hinaus, um weiteres Material zu holen, als ein lauter Donnerschlag durch den Raum dröhnte und der Boden schwankte. Es wurde Zeit von hier abzuhauen.

Arwed gelang es, einen Großteil der notwendigen Dinge an Bord zu bringen, bis man ihm den Schlitten abnahm, um damit Verwundete abzutransportieren. Den Rest musste er mit den Händen tragen, was bei den schweren Batterien enorm viel Kraft kostete. Er war beinahe fertig, als man eiligst begann, den Hangar zu evakuieren. Wer noch einigermaßen laufen konnte, machte sich selbst auf den Weg und humpelte davon. Das Deckpersonal wies die Richtung an und drängte zur Eile. Dichter schwarzer Qualm verbreitete sich schnell in der Halle und mit ihm der Gestank von verbrennenden Kunststoffen. Flammen schlugen aus einer Wand heraus, eine Explosion trieb heiße Luft und Funken heran. In bizarren Wirbeln und Kringeln stoben die Rußschwaden auf und sammelten sich als dunkler, wallender Nebel unter der Decke. Die Mannschaften beeilten sich noch mehr mit der Evakuierung. Die Hektik steigerte sich. Vereinzelt brach Panik aus. Nach kurzer Zeit war Arwed fast ganz alleine. Schwitzend schleppte er eine weitere Batterie zu seinem Schiff. Der Rauch verdunkelte den Raum mittlerweile so stark, dass die Scheinwerfer an der Decke kaum noch erkennbar waren. Dann flackerte das Licht und ging aus. Sekunden darauf ging die Notbeleuchtung an und hüllte die Umgebung in ein düsteres, schemenhaftes Rot. Arwed hielt inne, gefangen in einem Augenblick der Faszination und Angst zugleich, denn dieses blutrote Licht verlieh der Szene eine unwirkliche, visionäre Stimmung. Mit einem Mal war alles wie entrückt, der furchtbaren Wirklichkeit entzogen. Wie die Bühne eines mythologischen Theaterstückes. Feuer, Rauch, glühendes Metall, der ferne Donner, Hammer und Amboss. Die schwarzen Silhouetten der Schiffe, löchrig und verbogen, aufragend in den Flammen. Die Waffenschmiede des Vulkan. Arwed lächelte, denn ihm kam es vor, als würde er in einen Traum eintreten wie in ein Fluchtportal. Und doch war ihm dieses Gefühl nicht ganz unbekannt, das man Fronttaumel oder Schlachtvision nannte. Eine Reaktion des malträtierten Gehirns auf übermäßige Belastung. Überreizte Sinne, die vor der Wirklichkeit kapitulierten und eigenständig eine irrwitzige Sinfonie erschufen. Arwed hatte es schon mehrmals selbst erlebt oder bei anderen beobachtet. Er erinnerte sich an einen Mann, der Konzertpianist war, bevor er zur Armee eingezogen wurde. Inmitten eines heftigen Feuergefechts, lief er zwischen den Kameraden umher und verlangte nach Papier und Bleistift. Er wollte unbedingt eine Komposition aufschreiben. Eine Melodie, die sich ihm, während des Kampfes, wie ein Geschoss in den Kopf gebohrt zu haben schien. Arwed sah es noch so deutlich vor sich, als sei es erst ein paar Stunden her. Ein junger Mann, der sich des Helmes und der Waffen entledigt hatte. Auf einem Erdwall sitzend, inmitten des Schlachtenwahnsinns, präsentierte er sich Freund und Feind, die Gedanken auf seine Partitur konzentriert. Wie beschützt von tausend Engelsflügeln saß er da, inmitten des Blutvergießens. Entrückt in ferne Sphären und Noten auf einen Fetzen Karton kritzelnd. Ob der Anblick den feind verwirrte, ihn ängstigte oder abergläubische Ehrfurcht auslöste, dem jungen Mann wurde kein Haar gekrümmt und verließ das Kampfgeschehen mit einer gelungenen Komposition.

Ein anderer Kamerad, der in dichtes Orbitalfeuer geraten war, das aus dem Himmel regnete, wurde währenddessen und auch danach von vielfarbigen, feurigen Traumbildern geplagt. Jeder Schuss ein Farbklecks in seinem Geist. Jede Explosion eine Orgie von Lichtern und Kontrasten. Er studierte später wie ein Besessener Malerei und bannte seine Eindrücke auf die Leinwand. Wie Arwed gehört hatte, tat er das sogar mit großem Erfolg.

Nun hatte es Arwed erneut gepackt und er genoss diese Entrückung wie einen Sirenengesang. Der ölige Smog und die Verbrennungsgase taten das Übrige, indem sie seine Sinne zum Narren hielten. Der dicke Offizier von vorhin kam in einem Wagen angebraust und hätte Arwed fast umgefahren.

„Kommen Sie mit“, rief er, als ein sengender Sturmwind losbrach. Wehende Funkenschleier strudelten durch die Luft. „Der Bereich wird abgeriegelt und entlüftet. Kommen Sie!“

Arwed kam wieder etwas zu sich. Er sah, wie der Offizier sich eine Gasmaske überstülpte.

„Nun kommen Sie schon!“, hörte er dessen Stimme, die jetzt gedämpft durch den Filter drang. Seine Augen starrten ihn durch das Visier finster an.

Arwed winkte ab. Der Offizier zögerte kurz, doch dann fuhr er los und entschwand im schwarzen Nebel. Die Batterie glitt Arwed aus den Fingern. Er fühlte sich wie in Trance. Unbeholfen vorwärtstaumelnd, hustend und keuchend, fand er den Weg zurück ins Cockpit seiner AMY SUE. Als er startete, bereitete ihm die rauchgeschwängerte Dunkelheit große Schwierigkeiten bei der Orientierung. Die Steueranzeigen flackerten und versagten. Die Navigationsmonitore zeigten wirre Muster.

„Wir sind uns jetzt ziemlich ähnlich, Amy“, scherzte Arwed. „Meine Sensoren sind auch etwas angeschlagen. Aber versuchen wir unser Glück. Es bleibt uns ohnehin nichts anderes übrig.“

Vorsichtig, in niedriger Höhe schwebend, tastete sich Arwed durch die Trümmerwüste. Die Abtaster arbeiteten einigermaßen stabil, doch es gelang ihm nicht, die Außenschleuse des Hangars zu finden. Andauernd tauchte der zerfetzte Umriss eines klobigen Minenlegers im Lichtkegel seiner Nebellampe auf. In immer neuen Blickwinkeln stellte er sich dar, aber es war stets dasselbe Wrack. Arwed flog im Kreis. Er begann zu fluchen, als das schwelende Ding ein weiteres Mal vor ihm auftauchte. Angst machte sich in ihm breit und er fühlte, dass er bald den Kopf verlieren und in Panik geraten könnte. Er nahm sich zusammen und beschloss systematischer vorzugehen. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Mit einem Mal erloschen die Feuer ringsum, als wären es Kerzen, die man ausblies. Die Rauchwolken, von einer starken Windböe erfasst, lichteten sich, wurden fortgeblasen. Unvermittelt war die Sicht wieder klar und zeigte das ganze Ausmaß der Verwüstung in der gewaltigen Halle. Kleinere Gegenstände lösten sich vom Boden und sausten wirbelnd davon. Als der zerstörte Minenleger quietschend und rasselnd über den Flur schlitterte, wurde auch Arweds Schiff von einer unsichtbaren Faust gepackt und mit aller Macht aus der Station geschleudert. Ein Hagel von Metall und Kunststofffragmenten schlug auf das Schiff ein, als es in einer Wolke aus Trümmern und verdrehten Metallteilen in den Weltraum trudelte. Mit unbändiger Kraft saugte das Vakuum den Hangar leer und warf alles, was darin war, der Schlacht entgegen, die noch immer tobte.

„Das Schrottgeschwader greift in den Kampf ein“, lästerte Arwed.

Die AMY SUE geriet in ein Übelkeit erregendes Schleudern. Die Beschädigungen und der Mangel an Energie machten sich so stark bemerkbar, dass Arwed fürchtete, bald gänzlich die Kontrolle über das Schiff zu verlieren. Mit sehr viel Geschick und Konzentration konnte er den Kurs jedoch einigermaßen stabilisieren. Er fühlte sich ein Artist auf dem Hochseil, der um sein Gleichgewicht kämpfte. Die Situation hatte ihm den Schweiß auf die Stirn getrieben und seinen Puls zum Rasen gebracht. Jetzt lehnte er sich erleichtert zurück. Er schaltete den beschädigten Antrieb ab, der das Schlingern wieder zu verstärken drohte, und ließ sich treiben. Diese Idee erwies sich tatsächlich als recht nützlich, da er auf diese Weise nicht weiter auffallen würde. Niemand nahm Notiz von ihm, und so schwebte er nach und nach aus dem Kampfgeschehen hinaus. In seiner Lage mochte er sich nicht auf ein Gefecht einlassen; so konnte er zumindest eine Zeit lang sicher sein. Toter Mann spielen war wohl nicht die mutigste Strategie, aber in seiner Situation die hilfreichste. Er schnallte sich an und schaltete nach und nach alle Systeme ab, die verräterische Energieemissionen verursachten: aktive Sensoren, Abtaster, Konsolenbeleuchtung, die künstliche Gravitation. Die Kanzel war nun dunkel. In seinem Sitz festgezurrt, versuchte Arwed, ein wenig Schlaf nachzuholen. Doch das war trotz oder gerade wegen seiner Erschöpfung nicht so einfach, denn seine Nerven waren angespannt und die Gedanken kreisten wirr durcheinander. Auch als die Schlacht schon weit entfernt war, konnte er keine Ruhe finden. Dann aber heftete sich sein Blick auf den eigenartig verformten Minenleger, mit dem zusammen er aus der Station geschleudert worden war. Das klobige Ding drehte sich nun in einiger Entfernung langsam um seine Achse. Ein Anblick, der in seiner Anmut so widersprüchlich war wie der federleichte Tanz einer fetten Ballerina. Licht und Schatten wechselten auf seiner Oberfläche in immer neuen Mustern, und in seinen Fenstern blinkte zuweilen das Sonnenlicht. Ein seltsamer Reigen von Formen und Farben, regelmäßig und doch nicht gleichförmig. Dabei driftete er allmählich davon.

5

Arwed überkam nach und nach die herbeigesehnte Müdigkeit. Schließlich wiegte ihn der hypnotische Reigen in einen tiefen Schlaf. Doch selbst hier holte ihn der Krieg erneut ein. In einem unruhigen Traum fand er sich in einem Graben wieder. Die Erde roch frisch und erwartete nach dem langen Winter den herannahenden Frühling. Doch es war ein Erwachen in einem Albtraum. Am sonnigen Himmel leuchteten die hellblauen Striemen tödlicher Strahlengeschosse. Es knackte bei jedem Blitz. Danach verbreitete sich ein angenehmer Vanillegeruch. Ein seltsames Phänomen, das die Salven aus Energiewaffen begleitete.

Arwed hob den behelmten Kopf über den Grabenrand und spähte durch sein Visier über eine weite braune Ebene, über ein wieder und wieder umgepflügtes Land. Kettenfahrzeuge, schwer gepanzert, mit wuchtigen Kanonen rollten heran. Dazwischen marschierte die Infanterie, große Roboter und Soldaten der unterschiedlichsten Spezies. Vereinzelt krachten Schüsse und ließen Erdfontänen in der Nähe hochspritzen. Die Panzer feuerten ebenfalls. Vor Arwed wölbte sich der Boden blasenförmig auf, wuchs zu einem Berg heran und zerplatzte in Form einer gleißenden Feuerblume. Dann fegten niedrig fliegende Jäger heran. Ihre Waffen schlugen breite Schneisen in die Reihen der Angreifer. Unter lauten Hurrarufen erhoben sich die kaiserlichen Truppen aus ihren Gräben und Löchern. Auch Arwed sprang auf und fühlte augenblicklich einen kräftigen Schlag in den Bauch. Starker Vanilleduft stieg ihm in die Nase und er kippte nach hinten. So lag er unbeweglich auf dem Rücken und starrte nach oben. Am Himmel flogen die silbernen Maschinen. Blaue Lichtbahnen glommen auf. Soldaten sprangen über Arwed hinweg, die Gewehre im Anschlag, Triumphschreie gellten aus ihren Kehlen. Er lag still auf der Erde, als sei er ein Teil von ihr, und die Welt um ihn herum versank ins Dunkel und in Stille.

Arwed dämmerte langsam aus unruhigen Träumen herauf.

Sein erster Blick fiel auf den weit entfernten, nun schon kaum mehr sichtbaren Minenleger, dessen monotones Taumeln ihm den Schlaf beschert hatte. Nur ab und an gab es ein schwaches Blinken in der Ferne, eine Reflexion der fernen Sonne in den Cockpitscheiben des Fahrzeugs. Arwed hatte gut sieben Stunden geschlafen. Es war ein unruhiger Schlaf gewesen, aber immerhin hatte er ihm ein bisschen Erholung gebracht. Er erinnerte sich an viele Träume. Die Bilder aus unzähligen Kämpfen beherrschten seine Gedanken. Eindrücke von Schlachten, die er miterlebt hatte und die nun schon so lange nachwirkten. Kein Ende des Krieges. Oder ein endloses Ende, überlegte er. In seinen dreihunderteinundzwanzig Lebensjahren hatte Arwed weit mehr gesehen, von dem es erfreulicher und angenehmer gewesen wäre zu träumen. Doch anscheinend stellte der Krieg eine Größe dar, die zu gewaltig war, als dass irgendetwas anderes dagegen hätte bestehen können. Es beunruhigte ihn, an die Schlacht erinnert worden zu sein in der er beinahe das Zeitliche gesegnet hätte. Er würde es für ein schlechtes Omen halten, wenn er abergläubisch wäre. Dabei war sein Leben geprägt von seltsamen Zufälligkeiten und Ereignissen, die ihm unglaubliche Möglichkeiten geboten hätten. Aber irgendwie schien er sich dessen nicht bewusst gewesen zu sein. Oder er hatte die Zeichen einfach falsch gedeutet und war falsch abgebogen.

Er entsann sich an die schicksalhafte Begegnung mit dem Fürsten Ulan Mestray, die ihm vielleicht sämtliche Türen geöffnet hätte, wäre er nur klug genug gewesen sie zu nutzen. In seinen Gedanken driftete er zurück nach Distra, seinem Heimatplaneten. Zurück zu seiner Familie und seinem Bruder. An einen Herbst, der sein Leben für immer verändert hatte.

6

Früher...

Der Herbst in den Wäldern um die vielen Gewässer in Marima, östlich der Metropole Neu Fargo, war unbeschreiblich. Überall leuchteten Rot-, Gelb- und Orangetöne im Licht der Abendsonne. Der tiefblaue, fast violette Himmel wölbte sich über dem Land, das wie glühendes Gold schimmerte. Arwed Mandori liebte den Herbst mit all seinen Farben. Die langen goldenen Abende und die Schwermut, die über dem Land lag. Er genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen, die ihm ins Gesicht schienen und ihn blendeten, während sein älterer Bruder Benjamin den Gleiter steuerte. Der Fahrtwind war kühl, fast eisig, und sobald die Sonne untergegangen war, würden die Nebel aus den Flusstälern und Seen aufsteigen. Die lange Straße, gesäumt von prächtigen Ahornbäumen, führte östlich des Fluss Cotton nach Süden in die Stadt Bensley. Ein gutes Stück außerhalb der Stadt bewohnten Arweds Familie ein Haus. Bis vor Kurzem lebte die ganze Familie darin. Arweds Eltern und seine drei Schwestern. Aber sie zogen es vor, dem Landleben den Rücken zu kehren, ihr Glück in der Stadt zu suchen und Benjamin das Haus zu überlassen. Der Besuch bei ihnen war nur kurz gewesen. Sein Vater hielt nicht viel von seiner Entscheidung, zur Raumflotte zu gehen um gegen die Separatisten zu kämpfen. Arweds Mutter konnte den Gedanken nicht ertragen, ihr Sohn könne das Leben verlieren und zog es vor beschäftigt zu sein, wenn er die Familie besuchte. Lediglich seine Schwestern schienen stolz darauf zu sein, einen Bruder zu haben, der als Soldat diente. Benjamin respektierte Arweds Entscheidung aber es war unmöglich herauszufinden, wie er wirklich dazu stand. In den vergangenen Minuten hatte Arwed immer wieder von seinen Einsätzen erzählt und gehofft Ben würde irgendwie darauf eingehen.

„Du würdest die Akademie bestimmt mit Bravour bestehen“, sagte Arwed um seinen Bruder aus der Reserve zu locken.

„Unsere Familie kann nur einen Helden vertragen.“ Benjamins Stimme hatte etwas Vorwurfsvolles. „Du weist wie es Mutter mit deiner Entscheidung geht. Sie ist in ständiger Sorge um dich. Sie ist in den letzten zwei Jahren sichtlich gealtert.“

Arwed schüttelte den Kopf. Er war erwachsen genug, um eigene Entscheidungen zu treffen, auch wenn sie gefährlich waren. Er hatte seine Illusionen früh verloren und die Fakten über die Härten des Lebens schnell erlernen müssen. Seine Mutter sollte ihn eher ermutigen, anstatt ihn durch ihre Sorgen zu belasten. Die Separatisten hatten das ganze Basori-Reich ins Unglück gestürzt und einen Bürgerkrieg heraufbeschworen, der schon seit zehn Jahren andauerte. Es musste etwas getan werden um die Wahnsinnigen in ihre Schranken zu weisen.

„Ich will meinen Teil tun“, verteidigte sich Arwed, „um den Frieden und die Sicherheit wieder herzustellen.“

„Du weißt doch gar nicht, auf was du dich da eingelassen hast“, antwortete Benjamin und schüttelte den Kopf.

Der Gleiter schwenkte in eine Abzweigung der Hauptstraße ein. Die großen Laubbäume, die nahe an der Böschung standen, bildeten mit ihren Ästen und Zweigen ein goldenes Dach, während der Gleiter über den Teer dahin raste. Alles war so vertraut und er meinte, es sei Jahrzehnte her, als er das letzte Mal hier gewesen war. Ein Schauer lief über seinen Rücken, als die Straße in ein freies Feld mündete und das große Haus in Sichtweite kam, in dem seine Familie wohnte. Ein Haus im hier üblichen Stil, mit weißer Holzfassade, einer Veranda und schieferfarbenem Dach. Dicht daneben einem großen, uralten Baum, mit dicken ausladenden Ästen. Nur das große Trümmerstück eines Keymonschiffes, das in einiger Entfernung hinter dem Haus aus dem Wald ragte, störte das Bild.

Arwed jagte der Anblick des fremden Schiffes einen Schauer über den Rücken. „Waren die hier?“

Benjamin stoppte den Gleiter, hob Arweds Koffer von der Rückbank und stieg die Stufen der Veranda hinauf. „Ja, die waren hier. Die neue Kriegspartei. Bist du ihnen schon begegnet?“

„Nein. Noch nicht. Man sagt, das sei Veteranensache.“

Benjamin lachte. „Ja. Natürlich. Die Veteranensache kam vor einem Jahr hier runter. Kurz nach deiner Abreise. Seitdem ist hier einiges anders. Ist auch der Grund, warum unsere Eltern und unsere Schwestern Stadtwärts gezogen sind.“

„Ich verstehe nicht.“

Ben öffnete die Türe und ging ins Haus. „Erkläre ich dir nach dem Abendessen.“

7

Das Abendessen schmeckte köstlich. Ben war der Chefkoch der Familie, mit dem es am Herd niemand aufnehmen konnte. Jetzt saßen sie vor dem Kamin, unterhielten sich über die Vergangenheit und genossen dabei einen vorzüglichen Brand. Familienanekdoten bildeten den Schwerpunkt ihrer Gespräche, aber natürlich hing die Kriegssituation wie eine düstere Wolke über der Unterhaltung.

„Ich will dir was zeigen“, sagte Ben, leerte sein Glas und knallte es auf den Tisch. „Ich war nicht untätig, wie du gleich feststellen wirst.“ Er griff nach der halb leeren Flasche und stand auf „Ich habe da eine schöne Sammlung.“

Die beiden verließen das Haus und Benjamin führte Arwed zur Garage, die sich in einem großen Schuppen neben dem Haus befand.

„Etwa einen Monat, nachdem du weg warst“, erzählte er, während sie über den Schotterplatz vor dem Haus gingen, „schlug eine der riesigen Keymon Krallen bei Rochest ein. Eine von der langen, schlanken Sorte. Fast zwei Kilometer hoch.“ Er schüttelte bedauernd den Kopf. „War schlecht für Rochest.“

Benjamin öffnete eines der zwei breiten Garagentore, schaltete das Licht ein und gab damit den Blick auf vier Geländefahrzeuge mit großen Reifen frei, auf deren Ladefläche schwere Waffen montiert waren. Nach den verchromten Auslassöffnungen zu urteilen, schienen sie über einen Verbrennungsmotor zu verfügen. Auch ein kleiner Quadrokopter stand in der Garage, der ebenfalls nach Eigenbau aussah, aber nicht mit Waffen ausgestattet war.

„Das sind Plasma und Railguns“ stellte Arwed nüchtern fest und deutete auf die Waffen an den Geländewägen. „Das wird den Behörden nicht gefallen.“

„Ich hab da Kontakte“, gab Benjamin zurück und schenkte seinem Bruder etwas ein. „Sie sind froh, dass einige Leute hier ihren Beitrag leisten. Sie meinen, dass wir hier auch auf Sympathisanten der Separatisten Jagd machen oder sie zumindest einschüchtern. Aber das ist nicht meine Sache. Darauf lasse ich mich nicht ein. Wäre Axarabor noch ein Thema, würde ich mich dort zum Dienst melden, wegen der Ideale und so.“

Er stellte das Glas auf ein Werkzeugregal und trank aus der Flasche. Dann knipste er einen weiteren Schalter an und noch mehr Lampen flammten auf. Im dekorativen Licht wurden Dutzende von skelettierten Keymon Schädeln sichtbar, die überall an den Wänden verteilt hingen. Einige davon kunstvoll bemalt, andere vergoldet, versilbert oder mit gravierten Mustern verziert.

„Nur Stunden später tauchten die Akkato auf“, führte Benjamin weiter aus. „Sie meinten die Kralle angreifen und zerstören zu müssen, was ihnen am Ende auch gelang. Noch schlechter für Rochest. Unsere Verbündeten haben zwar Pferdeköpfe, aber viel Verstand ist da nicht drin.“ Er stemmte die Fäuste in die Hüften und betrachtete seine Sammlung von augenlosen Schädeln mit ihren grinsenden Gebissen. „Die Akkato flogen ab, nachdem sie ihre Arbeit für getan hielten, und haben uns mit den überlebenden Streunern alleine gelassen. Es gibt bestimmt noch Hunderte von ihnen in den Wäldern, mit denen wir jetzt klarkommen müssen. Die Greenham Brüder, Tom, Deonne und ich machen hin und wieder Jagd auf die Streuner. Deonne ist im Übrigen für die künstlerische Gestaltung verantwortlich. Sieht prächtig aus. Ein bisschen morbid, aber wunderschön.“

Arwed kannte niemanden seiner neuen Freunde. Die Namen sagten ihm nichts und er glaubte nicht, sie jemals gehört zu haben. „Sehr beeindruckend, deine Sammlung. Wir nennen diese Art von Keymon Schnüffler.“

„Für uns sind das Streuner.“ Benjamin deutete auf einen großen Schädel mit langen Fangzähnen. Der Knochen war strahlend weiß und offenbar poliert. „Der da ist dem Haus ziemlich nahe gekommen. Ich brauchte vier Schüsse, um ihn zu erledigen. Und ich bin ein sehr guter Schütze, das kannst du mir glauben. An warmen Tagen sind sie sehr aktiv. Bei Kälte verkriechen sie sich eher.«

„Sind eben Insekten.“

Benjamin sah seinen Bruder mitleidig an. „Das glaubten wir bislang noch, aber da ist noch was anderes drin. Ich würde gerne wissen, wie ihre DNS aufgebaut ist. Sie wirken irgendwie Hybrid. Schlauer Zug, der Separatisten, diese Spezies als Söldner anzuheuern. Sie sind sehr gefährlich. Eure Generäle gehen den Keymon daher lieber aus dem Weg.“

„Ich werde denen schon noch früh genug gegenüberstehen“, entgegnete Arwed gereizt. „Dann schicke ich dir einen Schädel für deine Sammlung.“

„Warum warten.“ Er stellte die Flasche zu seinem Glas ins Regal und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wie wäre es gleich morgen?“

So unvermittelt darauf angesprochen, war es für Arwed wie ein Schlag in die Magengrube. „Was sagt Vater dazu?“

„Gut gekontert.“ Benjamin verdrehte die Augen und seufzte. „Wie du weißt, spricht Vater nicht viel mit mir. Ich verbringe mehr Zeit in der Garage und draußen in den Wäldern, als in der Stadt mit der Familie.“

„Also, was sagt Vater dazu?“

„Er findet es bizarr.“

Arwed teilte diese Einschätzung in Anbetracht der Galerie zähnefletschender Monsterschädel an den Wänden.

„Er meinte, zwar ich solle das Jagen sein lassen. Aber er erwartet auch, dass ich auf das Haus aufpasse, während er sich in die Stadt verkrümelt. Denkt er, ich sitze hier herum und starre die Wände an?“

„Vielleicht wäre das besser.“

„Was weißt du schon?“ Sein Ton wurde unvermittelt schrill. „Ich bin hier der Wächter in der Nacht. Ich bekämpfe den Schrecken vor unseren Toren“, sagte er. „Aber dafür bekomme ich keine schicke Uniform oder hübsche Sternchen über der Brusttasche. Ich trage den Titel Freak, obwohl ich nichts anderes mache als du und das sogar mit mehr Erfolg.“

Arwed ließ die Worte über sich ergehen. Er wusste ohnehin nicht, wie er darauf reagieren sollte. Außerdem hatte sein Bruder zu viel getrunken und er wollte ihn nicht noch weiter reizen. Es schien Benjamin sowieso bereits leidzutun.

„Es ist nicht deine Schuld“, sagte Benjamin schnell. „Vielleicht hat Vater ja recht. Die Dinger sind …“ Er stockte. „Sie sind mit Vorsicht zu genießen. Am besten du machst eine ... Erfahrung.“

Benjamin hatte ganz offensichtlich Probleme damit, die richtigen Worte zu finden, was für sich genommen schon bemerkenswert war, denn seine Redegewandtheit kannte keine Konkurrenz.

„Lass sie einfach nicht zu nah an dich ran.“ Er öffnete sein Hemd. Vier helle Striemen liefen über seine Brust. Die Narben von Wunden, die schon seit einer Weile verheilt waren. „Ist vor etwa sechs Monaten passiert. Seitdem schlafe ich schlecht. Albträume.“ Er knöpfte das Hemd wieder zu und tippte sich gegen die Schläfe. „Aber sie müssen dich nicht erst verletzen, bevor sie was mit deinem Kopf machen können.“

„Was ist passiert?“, wollte Arwed wissen.

„Unwichtig“, winkte Benjamin ab. „Sei nur vorsichtig. Wir werden auf die Jagd gehen, damit du weist, mit wem du es zu tun bekommst. Und sollte sich dir so ein Ding nähern, machst du gar nichts, bevor ich nicht etwas mache. Kapiert?“

8

Die nächsten Tage verliefen ruhig und ereignislos. Eines Nachts hatte es geschneit und auf den gelben und roten Blättern auf dem Boden und den Bäumen, lag eine dünne Schneeschicht, die schnell von der Sonne aufgeleckt wurde. In der Nacht darauf gab es einen Sturm, der den ganzen Tag anhielt und die Hälfte des Laubes von den Bäumen fegte. Warm und kräftig bog er die Baumwipfel, fegte bis zum Mittag den Himmel blank und schmolz den Schnee.

Arwed genoss es, den Blättern zuzusehen, die über das Gras des Gartens wirbelten. Die Hände in den Taschen seiner Windjacke stand er da und ließ sich den Wind um die Nase wehen. Auf dem Akru und auf dem Akrumond Juna hatte er ebenfalls Stürme erlebt. Weitaus Stärkere. Nur die Haltekabel oder Ankerplatten in seinen Stiefeln hatten verhindert, dass er weggeblasen worden war. Aber eingehüllt in seinen Raumanzug, schien der Wind keine Substanz zu haben. Hier jedoch war er spürbar wie ein Lebewesen, das in Wut geraten war. Im Raumanzug erfuhr man die Welten geradezu steril und leblos. Eingeschlossen im Inneren seines Schutzpanzers, besaßen sie weder Temperatur noch Gerüche. Im Brausen des Sturmes hätte er fast das Donnern der Triebwerke überhört, die ein kleines Akkatoschiff vorantrieben, das sich kaum noch in der Luft halten konnte. Wie ein angeschossener Vogel trudelte es dem Erdboden entgegen, fing sich knapp über den Baumkronen und schoss in niedriger Höhe heran. Das Fahrzeug, das wie ein knorriger Ast wirkte, näherte sich rasch von Süden und jagte knapp über das Grundstück der Porters hinweg. Die Druckwelle riss Büsche und Gräser aus dem Boden, bevor es der Pilot schaffte, die Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen und aufsteigen zu lassen. Für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie gleich wieder durchstarten und davonfliegen. Doch stattdessen sackte das Schiff abrupt ab und krachte mit Getöse in den Wald. Flammen schlugen hoch und ein schwarzer Rauchpilz blähte sich auf.

Benjamin legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter und Arwed fuhr erschrocken zusammen. Er hatte ihn nicht kommen hören.

„Wir müssen jetzt gleich los“, sagte Benjamin. „Gut, dass wir jetzt einen ausgebildeten Soldaten bei uns haben.“

Arwed wusste nicht, was er tun sollte und zögerte, bis ihn Benjamin am Arm packte und mit sich ins Haus zog. Er riss sich los und folgte seinem Bruder widerwillig. „Was hast du vor?“

Sie durchquerten das Haus und eilten dann zur Garage.

„Sag schon“, beharrte Arwed und blieb in der Tür stehen. „Was hast du vor?“

„Wir werden mit der Jagd beginnen. Und du kannst zeigen, was du für ein Mann geworden bist. Die Streuner werden sich gleich aufmachen und das havarierte Schiff suchen. Das Ding ist sehr nahe runtergekommen, zu nahe. Wir müssen die Lage auskundschaften.“

Er setzte sich ans Steuer des Geländewagen mit der Railgun auf der Ladefläche und schaltete ein Funkgerät ein. Er hob das Mikro vor den Mund. „Ben an die Verrückte D. D! Kommen!“

Nach kurzer Zeit meldete sich jemand. Es war eine weibliche Stimme zu hören. „Bei dir komme ich doch immer.“

Benjamin ließ ihre Bemerkung unkommentiert. „Du hast es gesehen?“

„Ja“, antwortete die Frau. „Die Anderen sind schon unterwegs. Diesmal könnte es richtig spannend werden.“ Sie klang freudig, als hätte sie das Jagdfieber gepackt.

„Wir kommen zum Tanker“.

„Wer ist noch bei dir?“

„Mein Bruder Arwed“, antwortete er.

„Muss ich salutieren?“

„Wir sehen uns gleich.“ Damit beendete er den Kontakt und deutete auf die Ladefläche. „Geh an die Railgun und schnall dich an. Die Fahrt wird turbulent.“

Arwed kletterte über das geöffnete Heck auf die Ladefläche und setzte sich in den Sitz, der mit der schweren Waffe verbunden war. Während er die Haltegurte befestigte, bemerkte er das Arsenal an Waffen, das in den Wänden der Ladefläche untergebracht war. Es waren acht Gewehre, die den Eindruck machten, über ansehnliche Feuerkraft zu verfügen. In der Kiste hinter der Fahrerkabine vermutete er die dazugehörige Munition. Arwed pfiff durch die Zähne und studierte die Hebel und Schalter der Magnetkanone. Wie er bemerkte, waren die meisten elektronischen Teile entfernt worden. Ihre Funktionen übernahmen mechanische Komponenten. Stellräder, Drehknöpfe anstelle von Sensoren und Touchplates. Auch das Zielfernrohr brauchte kein elektronisches Display, sondern verfügte über gläserne Linsen, die ölig glänzten. Alles schien bewusst von Elektronik und Computern befreit.

„Kommst du klar?“, erkundigte sich Benjamin und warf die Maschine an. Der Verbrennungsmotor begann zu knurren und zu brüllen, als Benjamin auf das Gaspedal trat.

Arwed aktivierte den Elektromagneten für die Geschossbeschleunigung und sicherte die Waffe. „Bin so weit.“

„Dann halte dich fest!“ Kaum hatte er das gesagt, jagte er den Wagen über den Vorplatz des Hauses, dass die Kieselsteine aufspritzten. Er drehte eine Runde um das kleine Stück Rasen in der Mitte des Platzes, bevor er beschleunigte und auf den Waldrand zusteuerte.

„Da vorne sind Bäume“, schrie Arwed, aber sein Bruder konnte ihn nicht hören. Anstatt langsamer zu werden, wurde der Wagen schneller und schoss in den Wald hinein. Die Bäume standen weit auseinander, sodass Benjamin viel Platz zum Manövrieren hatte. Ein Teppich aus kupferfarbenen und goldgelben Blättern bedeckte den Waldboden. Der Schatten ausladender Äste und Zweige zeichnete ein dunkles Muster darauf. Der Untergrund war uneben und das Fahrzeug holperte über dicke Wurzeln und Steine.

Arwed kralle sich in die Armlehnen seines Sitzes, während die wilde Fahrt weiterging. Augenscheinlich hatte sein Bruder diesen Höllenritt schon oft hinter sich gebracht. Ohne den Wagen zu beschädigen oder sich ernsthaft zu verletzen, raste er durch den herbstlichen Wald. Arwed vertraute ihm, aber ein kleiner Prozentsatz der Angst blieb.

Nach kurzer Zeit wurde der Wald dichter. Die Laubbäume verschwanden allmählich, um anderen Pflanzen Platz zu machen. Die Bäume standen enger zusammen und das Sonnenlicht sickerte nur noch trübe durch das Geäst. Auch die Felsen wurden zahlreicher, bis sie Benjamin zwangen, seine Fahrt zu verlangsamen. Schließlich stoppte er den Wagen.

Es war still. Kein Vogel war zu hören. Nur das Brausen des Windes über den Baumkronen und das leise Brummen der Maschine erfüllte Arweds Ohren bis sich ein weiteres Geräusch dazu mischte. Das Röhren und Dröhnen weiterer Kraftstoffmotoren. Sie waren noch weit weg. Benjamin ließ das Fahrzeug wieder anrollen und steuerte es, so schnell es ging, durch den dunklen Wald.

Nach einer Weile kam ein längliches, metallenes Objekt in Sichtweite, das auf einem Feldweg stand und von einem grünen Tarnnetz verdeckt war. Beim Näherkommen erkannte Arwed, dass es sich um einen kompletten Tanklastzug samt Fahrerhaus handelte, dem lediglich die Reifen fehlten. Die Achse ruhte auf einem dicken Baumstamm.

„Wer hat den hier verloren?“, fragte Arwed, obwohl er gleich bedauerte, diese Frage überhaupt gestellt hatte.

„Frag lieber, wem er abgeht.“ Sein Bruder grinste ihn breit an, als er aus dem Wagen stieg. „Hat sechzigtausend Liter Fassungsvermögen. Das reicht noch für ein paar Jahre. Aber sag Vater nichts davon.“

„Der ahnt das doch schon längst.“ Arwed war sich dessen ziemlich sicher. „Oder gehst du etwa Kraftstoff kaufen? Im Museum oder im Antiquariat?“

Zum ersten Mal antwortete sein Bruder nicht.