Seefeldt & Wolf - Tödlicher Hass - Marlene Menzel - E-Book
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Seefeldt & Wolf - Tödlicher Hass E-Book

Marlene Menzel

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Beschreibung

Eine eiskalte Mordserie, die Berlin in Atem hält: Der Kriminalroman »Seefeldt & Wolf – Tödlicher Hass« von Marlene Menzel jetzt bei dotbooks. Ein Mörder, der unsichtbar zu sein scheint – und ein neues Ermittlerduo, das Geheimnisse voreinander hütet … Mitten in Berlin wird auf dem Polizeigelände ein Mann eiskalt erstochen. Niemand hat etwas gesehen, von der Tatwaffe fehlt jede Spur. Der altgediente Kommissar Seefeldt und die junge Rechtsmedizinerin Faraya Wolf müssen tatenlos miterleben, wie der Täter wieder und wieder zuschlägt. Die einzige Verbindung zwischen den Opfern scheinen ihre Tätowierungen zu sein: Waren sie Mitglieder einer rechtsradikalen Gruppierung? Doch plötzlich steht der Verdacht im Raum, dass Seefelds Kollegin mehr über den Fall weiß, als sie vorgibt – kann er ihr vertrauen? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Großstadtkrimi »Seefeldt & Wolf – Tödlicher Hass« von Marlene Menzel wird die Fans von Andreas Franz und Jan Seghers begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 269

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Über dieses Buch:

Kommissar Alois Seefeldt und die neue Rechtsmedizinerin Faraya Wolf stehen vor ihrem ersten gemeinsamen Fall: Mitten auf dem Polizeigelände wurde ein Mann eiskalt erstochen – doch niemand hat etwas gesehen. Dies ist nur der Beginn einer Reihe unerklärlicher Morde, bei denen von der Tatwaffe jede Spur fehlt. Und was hat es mit dem Tattoo auf sich, das die Toten tragen? Als Seefeldt und Wolf herausfinden, dass die Opfer Mitglieder einer rechtsradikalen Gruppierung waren, beginnen sie undercover zu ermitteln. Doch Faraya scheint mehr zu wissen, als sie vorgibt – kann Seefeldt seiner neuen Kollegin wirklich trauen?

Tough, sympathisch und clever: Der erste Fall für Seefeldt & Wolf – das neue Ermittlerduo aus Berlin.

Über die Autorin:

Marlene Menzel, geboren 1992, lebt und arbeitet in Berlin. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Medientechnologin im Druckwesen und übt diesen Beruf seitdem aus. Bereits in ihrer Kindheit entdeckte Marlene Menzel die Liebe zum Schreiben und zu spannenden Geschichten, weshalb sie sich in ihren Büchern vor allem dem Krimi-Genre annimmt. Tödlicher Hass ist der erste Fall für den Berliner Kommissar Alois Seefeldt und die Rechtsmedizinerin Faraya Wolf.

Die Autorin im Internet:

https://www.facebook.com/autorin.marlene.menzel

***

Überarbeitete eBook-Neuausgabe August 2017

Dieses Buch erschien bereits 2016 unter dem Titel Flammenbrüder bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/photomaster

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mh)

ISBN 978-3-96148-051-7

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Marlene Menzel

Seefeldt & Wolf – Tödlicher Hass

Kriminalroman

dotbooks.

Für Marco

Handlung und Charaktere sind frei erfunden.

Jegliche Ähnlichkeiten sind reiner Zufall und nicht beabsichtigt.

Die Neue

Prolog

Erst als das Eis in seinen Händen zu schmelzen begann und sich als kaltes Wasser über seine Finger ergoss, spürte er, dass er noch lebte.

Der Hass hatte ihn in den letzten Jahren regelrecht zerfressen und nagte noch heute so stark an ihm, dass er keine ruhige Minute mehr fand.

Sie würden büßen.

Alle.

Er zerdrückte die weiche Masse zwischen seinen Händen, und dicke Klumpen fielen vor ihm auf die Erde. Es war die perfekte Waffe: Kein Fingerabdruck blieb zurück. Sie würde sich einfach von selbst auflösen und für immer verschwinden.

Ich erwarte euch, Bastarde. Kommt nur her.

Er griff in die Kühltruhe, um einen weiteren Pflock aus massivem Eis hervorzuholen. Die Form dafür hatte er selbst geschaffen und brauchte sie bloß mit Wasser zu füllen und einzufrieren. Er zog sich die rutschfesten Handschuhe über und warf einen Blick auf die mannshohe Puppe, die auf ihn zu warten schien, gefertigt aus einem strohgefüllten Sack und ein paar Stöcken.

Sein Opfer für heute.

Doch schon bald würde sich ein echter Mensch vor seiner Lanze befinden. Und er würde jeden Moment der Qual genießen, der sich in den Augen des anderen widerspiegelte.

Hunde! Dreckige Hunde!

Er packte das Eis fester, rannte auf die Puppe zu und rammte ihr den Pflock direkt ins Herz.

Kapitel 1

Berlin, Juli

Alois Seefeldt, von Freunden schlicht Luis genannt, wurde unsanft aus seinem Traum gerissen. Durch die Rollläden blitzte bereits das Licht eines neuen Arbeitstages. Der Kommissar ahnte, was ihn gestört hatte und ihm heute den Wecker ersetzte. Auf die Berliner Stadtreinigung war stets Verlass, und er ärgerte sich nicht, dass seine Tonnen so frühmorgens geleert wurden.

Seefeldt hechtete aus dem Bett und drehte das Wasser in der Dusche auf, um sich eine Abkühlung zu verschaffen. Die letzte Nacht war heiß gewesen, und damit war gewiss keine willige Bettgespielin gemeint. Nein, es war Hochsommer, und die Thermometeranzeigen schienen sich immer noch überschlagen zu wollen. Das kalte Nass lief ihm über den Körper, und er blieb einige Minuten darunter stehen, bevor er es wärmer stellte und sich einseifte.

Zurück im Schlafzimmer, stellte er sich vor den Spiegel und betrachtete seinen Körper. Den Bauch hatte er in den letzten Wochen gut in den Griff bekommen. Er war nur noch selten auswärts essen gegangen, hatte stattdessen selbst gekocht, Sport getrieben und war an der frischen Luft gewesen. Dennoch musste er vorsichtig sein. Sein Gewicht schwankte zurzeit stark, und ein Bier abends mehr oder weniger machte viel aus. Zu dumm, dass er leidenschaftlicher Biertrinker war. Das 45. Lebensjahr hatte er bereits überschritten, und er musste vorsichtig sein. Sein Bruder war der Meinung, er befände sich schlicht in einer Midlife-Crisis und solle sich keine Sorgen machen. Das ginge schneller vorbei als die Beulenpest.

Ein rührender Vergleich.

Nach einer Schüssel Cornflakes, die er gehetzt hinunterwürgte, weil er viel zu spät dran war, schloss er die Tür, grüßte den Nachbarn unter sich, einen alten freundlichen Herrn um die 80, setzte sich in seinen Wagen und startete den Motor. Der schwarze Toyota Aygo schnurrte und glitt auf die Straße.

Nachdem er den Eichborndamm hinter sich gelassen hatte, bog er am U-Bahnhof Rathaus Reinickendorf rechts ab und blieb schließlich hinter dem hohen Finanzamt auf dem Parkplatz der Polizeidirektion 1 stehen. Das Amt war in grauenhaften braunen und gelben Farbtönen gestrichen worden. Er war froh, dass man das nicht auch bei seiner Arbeitsstelle ausprobiert hatte, denn er fand das langweilige Grau beruhigend.

Am Tor zeigte er bei Bernie seine Kriminaldienstmarke vor. Der kannte ihn zwar gut, aber Vorschrift war nun mal Vorschrift. Und Bernie schien es neuerdings zu gefallen, seine Opfer lange zappeln zu lassen.

»Und Sie arbeiten wirklich hier? Zeigen Sie mal Ihren Ausweis.«

»Lass den Quatsch«, maulte Seefeldt gelangweilt. »Den Unsinn kannst du bei anderen abziehen.«

»Na, na, na, man muss immer vorsichtig sein. Du könntest dich vielleicht maskiert haben.«

»Dann hätte ich garantiert ein anderes Gesicht gewählt als das hier.« Seefeldt lachte und zog seine Wange lang, als wolle er beweisen, dass er keine Maske trug.

»Schon okay, Luis. Was gibt’s Neues? Wieder an einem Fall dran?«

»Aktuell nicht. Zumindest an keinem großen. Aber wir wollen ja nichts verschreien, nicht wahr?«

Bernie beugte sich aus seinem Kabuff zu ihm hinüber und raunte: »Wenn mal wieder was ansteht, will ich unbedingt mit von der Partie sein. Du weißt, dass ich mehr kann, als hier zu sitzen und Polizisten, Rechtsmediziner und Staatsanwälte zu kontrollieren.«

Er quetschte seine Masse regelrecht durch das kleine Fenster, und Seefeldt hatte die Befürchtung, er würde stecken bleiben.

»Allerdings bist du keiner von uns. Das wird schwierig, aber ich werde mir was ausdenken. Versprochen.«

Bernies rundes Gesicht strahlte, und seine grauen Augen leuchteten hinter der Brille auf. »Das ist doch mal ein Wort! Danke, Luis, dafür darfst du jetzt auch durchfahren.«

»Wie gnädig.«

Seefeldt schmunzelte, und Bernie drückte sich mit einem Ächzen zurück in sein kleines Häuschen, kam dann umständlich heraus und schloss das Tor mit den dünnen schwarzen Stäben mit Hilfe eines großen Schlüsselbunds auf.

Seefeldt hatte Mitleid mit diesem armen Teufel, der früher einmal Streifenpolizist gewesen, mittlerweile jedoch zu ungelenk geworden war und bloß noch als Büroaushilfe, Hausmeister und Wärter arbeitete. Der Kommissar tippte sich zum Gruß mit dem ausgestreckten Zeigefinger an die Stirn und passierte die Barriere.

Kurz darauf parkte er den Wagen auf dem zugewiesenen Platz und stieg aus. Er bemerkte sofort, dass etwas anders war. Das teure Fahrzeug neben ihm kannte er nicht. Er schaute sich vorsichtig um und warf anschließend einen neugierigen Blick in den silbernen Mercedes.

Staatsanwalt, überlegte er. Oder einer der Richter. Womöglich der Chef höchstpersönlich.

Das wunderte ihn allerdings schon, da es sich bei diesem Parkplatz eigentlich um den von Therese Fleischer handelte, ihre Rechtsmedizinerin, die häufig zu Besuch auf dem Revier war, um Vorträge zu halten, Berichte abzugeben und zu erläutern oder Fragen zu beantworten.

Im Inneren war nichts zu sehen, was sein Interesse weckte, außer einer kleinen bunten Puppe, die statt eines Würfels – oder was die Menschen sonst gerne vor sich baumeln sahen – am Rückspiegel hing. Sie war handgefertigt und mit Perlen geschmückt. Ihr leichtes Schwanken verriet ihm, dass der Wagen erst seit kurzem hier stand.

Ein Blick auf die Armbanduhr mahnte ihn zur Eile. Er hetzte durch den Eingang und hinauf in den ersten Stock, wo sein Büro lag. Als er auf dem quietschenden Drehstuhl saß und seinen Computer hochfuhr, atmete er erst mal durch.

Drei Stunden später traf er in der Kantine auf Henning Wagenknecht, der ihn zu sich an den Tisch winkte. Vor dem jungen Mann stand ein riesiger Berg Kartoffelbrei und Schnitzel. Seefeldt schluckte schwer und versuchte, den aufkeimenden Appetit zu verdrängen.

»Was ist los, Onkel Adi? Alles in Butter?« Henning strahlte ihm breit lächelnd entgegen und aß genüsslich weiter.

Seefeldt setzte sich ihm gegenüber, angesäuert wegen der Anrede. Adi stand für Adolf und bezog sich auf Adolf Seefeldt, einen Serienmörder der 30er Jahre, der 1936 hingerichtet worden war. Man hatte ihn gemeinhin Onkel Adi oder Onkel Tick-Tack genannt. Seit er Henning kennengelernt und dieser mitbekommen hatte, dass sein vollständiger Name Alois Seefeldt lautete, er also so ähnlich klang wie der des Mörders, machte er sich einen Spaß daraus.

»Ich wusste gar nicht, dass du Zeit hast, so reinzuhauen«, lenkte Seefeldt ab. »Zu wenig Arbeit gerade?«

Henning zuckte mit den Schultern und schlang gierig das nächste Stück Fleisch hinunter. Dann sah er auf und wollte offenbar etwas Aufregendes erzählen, wurde jedoch von einem Hustenanfall unterbrochen. Ein paar Speicheltropfen trafen Seefeldt im Gesicht. Er verzog angewidert die Mundwinkel und schnappte sich eine Serviette vom Nebentisch, um sich notdürftig abzutupfen. Henning bekam inzwischen wieder Luft und wartete einen Augenblick, ehe er fortfuhr.

»Wir haben eine Neue. Drüben in der Rechtsmedizin. Soll ziemlich heiß sein, meint Theo.«

Deshalb also der fremde Wagen auf dem Gelände.

»Für Theo ist sogar die alte Rowenta heiß. Und das ist immerhin unsere Kaffeemaschine.«

»Da hast du auch wieder recht. Auf alle Fälle hält sie sich gerade hier bei uns auf, um sich vorzustellen.«

»Die Rowenta?«

»Hör auf, mich zu verarschen«, maulte Henning. »Mal sehen, ob ich sie erwische. Eine derartige Chance lasse ich mir doch nicht entgehen.«

»Als ob du bei der eine hättest. Du weißt doch, dass diese Mediziner ganz anders ticken als wir.«

»Und ich dachte, Onkel Tick-Tack könnte mir diesbezüglich einen guten Rat erteilen«, erwiderte Henning süßlich lächelnd.

Seefeldt erhob sich. »Viel Glück. Du wirst es brauchen.«

Er winkte lässig im Hinausgehen und verdrehte belustigt die Augen. Henning blieb ein hoffnungsloser Fall, auf den er sich allerdings, sollte es hart auf hart kommen, stets verlassen konnte.

Erst vor der Tür bemerkte Seefeldt, dass er in der Kantine gar nichts gekauft hatte. Sein Magen knurrte, doch er wollte diese Tatsache nutzen, um ein wenig Diät zu halten.

Eine Einbruchserie zerbrach ihnen derzeit den Kopf. Die Diebe hatten es besonders auf Blumenläden abgesehen. Sie plünderten Erspartes, verwüsteten das Geschäft und verschwanden, ohne eine Spur zu hinterlassen, in der Dunkelheit. Davon betroffen waren ausschließlich Läden in Frohnau und Hermsdorf, woraus Seefeldt schloss, dass die Täter selbst von dort stammten.

Als er seinen Blick über den Hof schweifen ließ, sah er, dass der fremde Wagen nicht mehr da war. Seine neue Kollegin hatte ihren Besuch anscheinend sehr kurz gehalten. Die Sonne brannte ihm unermüdlich ins Gesicht, und er trat einen Schritt zurück in den Schatten, um für kurze Zeit die müden Augen zu schließen. Das Hemd klebte ihm an Hals und Rücken, und auf seiner heißen Stirn standen Schweißperlen. Es wurde höchste Zeit, dass es wieder regnete.

Ein Piepen an seiner Seite ließ ihn aufhorchen. Die Zentrale funkte ihn an, da man ihn in seinem Büro nicht hatte finden können.

»Ja? Seefeldt hier.«

»Hallo, Luis, hier ist Verena. Wenn du gerade zufällig unten bist, sollst du bitte zum Tor kommen. Wir können Bernie nicht erreichen, und irgendwas scheint mit der Überwachungskamera nicht zu stimmen. Jemand hat sich wohl einen Scherz erlaubt und sie mit Kaugummi verklebt oder ein Tuch darüber geworfen.«

»Ich bin sofort da und gebe dir Bescheid«, versprach er und machte sich auf den Weg hinüber zur Einfahrt.

Er konnte Bernie nirgendwo entdecken und war so in Gedanken versunken, dass er zunächst nicht sah, dass eine Person mit schleppenden Schritten auf ihn zukam. Schließlich hielt er inne und sah den Mann mit den langen blonden Haaren, der beide Hände fest auf die Brust presste und nach Atem rang. Sein schmales Gesicht war so schmerzverzerrt, dass es aussah, als würde er jeden Moment zusammenbrechen. Die hellen Augen waren ungläubig aufgerissen. Seefeldt sah das Flehen und eine unbändige Angst darin. Sofort rannte er auf den Fremden zu, der den Parkplatz bereits betreten hatte.

»Was ist mit Ihnen? Kann ich irgendwie helfen?«

Der andere fiel, noch bevor er überhaupt einen Ton herausbringen konnte, vornüber und in seine Arme.

Seefeldt überwand seine Schockstarre schnell, da er für einen derartigen Fall ausgebildet worden war und bereits mehrere Extremsituationen erlebt hatte. Sofort funkte er einen Rettungswagen und seine Kollegen im Gebäude hinter sich an. Währenddessen ließ er seine Augen über den verlassenen Parkplatz wandern, konnte aber niemand Verdächtigen entdecken. Der Verletzte schaute ihn direkt an, aber nun waren seine Augen leer. Seefeldt fühlte seinen Puls und schüttelte betroffen den Kopf. Ein Rinnsal lief dem Mann aus dem Mund, verschwand irgendwo unter seinem Kinn. Er war tot und nicht mehr zu retten. Dann entdeckte Seefeldt das riesige Loch in seiner Brust, aus dem es unaufhörlich blutete. Sein eigenes Hemd war voll von der roten Flüssigkeit, und ihrer beiden Hände klebten vor Blut. Geschockt starrte er darauf und war plötzlich sehr froh, nichts gegessen zu haben.

Kapitel 2

Ein Stöhnen ließ ihn aufhorchen.

»Bernie?«, rief er ängstlich. »Wo bist du?«

»Oooooh, bist du das … Luis?« Seine Stimme klang jammernd, beinahe wie ein Klageruf.

»Ja, was ist passiert?«

Endlich erhob sich der beleibte Mann mühsam vom Boden. Er trat aus dem Dunkel des Häuschens ins Licht und hielt sich die Stirn, auf der blaugraue Flecken prangten.

»Du bist verletzt!«, sagte Seefeldt entsetzt. »Gleich kommt ein Krankenwagen. Der hier wird ihn nicht mehr brauchen, aber du. Und dann erzählst du uns, was vorgefallen ist.«

»Die Kamera … ich wollte …«

»Später, Bernie. Setz dich und versuch, dich zu beruhigen.«

»Man hat mir eine übergezogen«, erklärte er angestrengt und setzte sich vor Seefeldt und den anderen, der sich nicht mehr regte. »Mit einer Stange oder so etwas.«

»Konntest du jemanden erkennen?«

»Nein, es ging alles viel zu schnell.« Dann entdeckte er den Toten und die Blutlache, die sich unter ihm bildete. »O mein Gott! Was … was ist denn …«

»Er ist tot. Derjenige, der dich außer Gefecht gesetzt hat, wird ihn wohl auf dem Gewissen haben. Zumindest vermute ich das. Aber zerbrich dir jetzt nicht den Kopf darüber. Du hast bestimmt eine Gehirnerschütterung davongetragen.«

Von weitem waren Sirenen zu hören, und hinter sich vernahm Seefeldt lauter werdende Stimmen. Bald darauf wimmelte es von Polizisten, Spurensicherung und Notärzten.

Seefeldt kam es vor, als habe er gar keine Dusche in der Umkleidekabine der Station genommen und sich anschließend auch kein neues Hemd übergezogen. Der Schweiß lief ihm schon wieder übers ganze Gesicht und den Rücken. Diese Temperaturen waren unerträglich, das fand nicht nur er.

Er würde außerdem einige unangenehme Bluttests über sich ergehen lassen müssen, die seiner Unversehrtheit dienten.

Ständig musste er an den Toten denken, den man anhand seines Ausweises identifiziert hatte. Derzeit wurden seine Angehörigen benachrichtigt und die Leiche auf die letzte Identifizierung durch ein Familienmitglied vorbereitet.

Ausgeraubt hatte man ihn nicht, weswegen sie dieses Motiv ausschließen konnten. Aber dass er Opfer einer Gewalttat geworden war, war vollkommen sicher. Jemand hatte ihn mit etwas Großem erstochen, einem langen Messer vielleicht.

Seefeldt wollte, da er mit der Klärung des Falles betraut worden war, so bald wie möglich in der Pathologie erscheinen. Der Körper war laut Verenas Aussage ins Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin in der Turmstraße in Moabit gebracht worden. Er mochte den langen Weg dorthin nicht, aber das war er der Familie des Toten schuldig. Also setzte er sich in sein Auto, in dessen Innenraum es so unerträglich stickig und heiß war, dass er sogleich wieder hinaussprang und für mehrere Minuten die Türen zum Durchlüften öffnete.

Er stieg erneut ein und fasste Gurt und Lenkrad so kurz wie möglich an, um sich keine Brandblase einzufangen. Er wusste zwar, dass das nicht so schnell ging, aber er musste schließlich niemandem seine Tapferkeit beweisen und es unnötig herausfordern. Seefeldt drehte das Radio laut auf, während er auf die Straße hinausfuhr. Als The Doors Roadhouse Blues spielten, sang er mit.

Einige Zeit später hatte er den täglichen Verkehrstrubel bewältigt – wobei er einen weiten Bogen um das Haus seiner Ex-Frau gemacht hatte – und parkte auf einem frei zugänglichen Platz im Schatten der Bäume. Das Schöne an Berlin waren seine grünen Ecken. Die Stadt strotzte nur so vor Natur und machte dennoch ihrer Funktion als Hauptstadt alle Ehre. Er mochte es, hier zu leben und zu arbeiten.

Das Erste, was ihm auffiel, war der silberne Mercedes, der nicht weit von seinem Toyota geparkt stand. Gleich sollte er also die neue Kollegin kennenlernen, die ihn über den ersten Stand der Untersuchung aufklären würde. Seefeldt glaubte Theos Erzählungen nicht recht, weshalb er sich nicht die Mühe machte, sich ordentlich herzurichten. Ihn erwartete sicher bloß eine dieser kühlen Blondinen, die ihre Nase zu weit oben hielten, oder eine der molligen Rothaarigen, die es neuerdings scharenweise zu geben schien. Klar, dass er sich bei dieser Einschätzung zu sehr von seiner Ex-Frau, der kaltherzigen Blonden, und seiner ersten Liebe Kathi, dem molligen Rotschopf, beeinflussen ließ. Was sie jetzt wohl machten? Er schob die Gedanken an sie beiseite und meldete sich am Empfangsschalter, wo er Marke und Ausweis vorzeigte und durchgelassen wurde.

»Man erwartet Sie«, verkündete eine kleine Frau um die 60, die die Haare in einem grellen Lila gefärbt hatte. Sie rückte ihre Brille zurecht und besah ihn sich mit einem strengen Blick über die Gläser hinweg.

»Danke«, erwiderte Seefeldt leicht irritiert und entkam den bohrenden Blicken der Dame erst hinter der Biegung des Gangs.

Es wurde zunehmend kälter, als er an den Kühlräumen vorbeischritt, in denen in vier Etagen die Körper kürzlich Verstorbener lagerten. Dann stand er vor der Tür des Sektionssaals. Er klopfte laut und trat ein.

Sofort schlug ihm der abstoßend süßliche Geruch von Chemikalien und Verwesung entgegen, auch wenn der Raum ziemlich steril wirkte. Ganz verbergen konnte man den Gestank eines Toten aber nie. Der Saal lag verlassen da, nur auf dem vordersten Tisch befand sich ein lebloser bleicher Körper, dessen untere Hälfte mit einem weißen Tuch bedeckt war. Über den Beinen befand sich ein metallenes Tablett, auf dem die Sektionsinstrumente bereitlagen. An den Wänden, die von zwei roten Streifen aus Fliesen durchzogen wurden, standen mehrere Waagen zum Wiegen von Organen. Auf der anderen Seite sah er den Waschbereich samt Desinfektionsmittelspender.

Plötzlich flog die Tür hinter ihm auf, und er drehte sich erschrocken um. Seefeldt hätte alles erwartet, nur nicht das. Vor ihm stand eine brünette Frau Mitte oder Anfang 30, die einen halben Kopf kleiner war als er. Sie hatte langes Haar, das ihr in Fransen in die Stirn fiel und hinten zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden worden war. Ihre großen Augen mit den langen Wimpern leuchteten haselnussbraun und strömten so viel Wärme aus, dass Seefeldt meinte, die ohnehin hohe Temperatur hätte sich in diesem Augenblick drastisch nach oben geschraubt. Ihm kam sein Kragen auf einmal furchtbar eng vor. Ihr schlanker Körper war von einem unförmigen weißen Kittel umhüllt. Aber was ihn wirklich verblüffte, war ihre Hautfarbe.

Bei seinem verdutzten Gesichtsausdruck lächelte sie ihn an, klemmte ihre Akten unter den Arm und reichte ihm ihre schlanke Hand. »Sie müssen Herr Seefeldt sein, nicht wahr?«

Ihre Stimme war angenehm tief. Sie lächelte ihn weiter freundlich an, und die geraden weißen Zähne hoben sich perfekt von ihrer dunklen Haut ab.

»Ähm, ja«, antwortete er nach einigen Sekunden und räusperte sich peinlich berührt. »Kriminalkommissar Alois Seefeldt, Polizeidirektion 1, Abschnitt 12.«

»Alois Seefeldt?«, wiederholte sie und grübelte kurz. »Heißt so nicht irgendein Verrückter, der …«

»Fast«, unterbrach er sie eilig. »Adolf.«

»Ah, stimmt. Aber er ist längst tot, richtig?«

»Ja, zum Glück. Wurde Mitte der 30er Jahre per Fallbeil hingerichtet.«

Sie hob erstaunt ihre geschwungenen Augenbrauen. »Eine äußerst interessante Art zu sterben. Ich würde gern mal jemanden mit solchen Merkmalen untersuchen.«

Ihre makabre Denkweise gefiel ihm.

»Wie heißen Sie?«, fragte er.

Er war jetzt wirklich neugierig auf die schöne Fremde.

»Ach herrje, tut mir leid!«, rief sie und schlug sich an die Stirn. »Ich bin noch etwas durcheinander wegen des Flugs. Aber ich finde es klasse, dass ich so früh schon mit einem so wichtigen Todesfall konfrontiert werde. Kaum bin ich hier, kann ich mich in die Arbeit stürzen.« Sie kam ein Stück näher, und es schien ihm, als habe sich der ekelerregende Gestank plötzlich in Rosenduft verwandelt. »Dr. med. Faraya Wolf, Fachärztin für Rechtsmedizin.«

»Freut mich. Ein interessanter Name.«

»Ich stamme aus Tansania. Vollständig heiße ich Faraya Amali Wolf.«

Verheiratet, schlussfolgerte er anhand des Nachnamens und ärgerte sich über sein Interesse an ihr. Er sollte sich ein für alle Mal vom weiblichen Geschlecht fernhalten, wenn er nicht noch ein Haus und drei Viertel seines Ersparten verlieren wollte.

»Herr Wolf muss ein glücklicher Mann sein.«

Erst danach bemerkte er, dass er den Satz aus Versehen laut ausgesprochen hatte. Sie musterte ihn kurz skeptisch, dann lächelte sie wieder.

»Ja, in der Tat, das ist er«, entgegnete sie geheimnisvoll und ging zum aktuellen Fall über.

Als sie sich für einen Moment wegdrehte, um die Papiere beiseitezulegen, fuhr er sich hektisch durchs Haar, richtete seinen Kragen und beschnupperte sich unauffällig. Ausgerechnet heute war es so heiß, dass er so verdammt viel schwitzte. Sie hatte bestimmt einen furchtbaren ersten Eindruck von ihm.

»Dann legen Sie mal los, Frau Wolf. Ich weiß, dass Sie sicher noch anderes zu tun haben.«

»Nett von Ihnen«, entgegnete sie. »Aber ich bin derzeit lediglich mit diesem einen Fall beschäftigt und kann mich voll und ganz darauf konzentrieren.«

»Umso besser für mich.« Er hüstelte verlegen. »Ich meine, weil Sie mir ja dann die ganze Zeit zur Verfügung stehen können. Ähm, ich wollte damit sagen, dass …«

»Schon okay«, unterbrach sie ihn und lächelte wieder so warm, dass ihm das Herz aufging. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen alles, und ich kann Ihnen schon einige sehr interessante Details verraten.«

»Da bin ich aber gespannt.«

Sie traten hinüber zu dem Toten, den Seefeldt als den Mann wiedererkannte, der in seinen Armen gestorben war. Ein beklemmendes Gefühl erfasste ihn.

»Es handelt sich hierbei, wie Sie ja selbst bereits wissen, um Martin Schroth, 42 Jahre alt, ledig«, las sie von einem Blatt in ihrer Hand ab. Erst jetzt sah er die dünne Brille, die sie sich aufgesetzt hatte. »Dieser Mann wurde erstochen. Allerdings nicht auf dem normalen Weg.«

»Was meinen Sie damit?«

Seefeldt wurde hellhörig und beugte sich leicht über den Toten zu ihr hin, um sie besser verstehen zu können.

»Sehen Sie hier?« Sie zeigte auf die riesige, verrunzelte Wunde in seiner Brust. »Der Stich traf ihn knapp unter dem Herzen und beschädigte einige Organe. Und wir haben es hier nicht mit einer normalen Waffe zu tun, sondern mit einer, deren Durchmesser vier Zentimeter betrug und die nach oben hin immer dünner und spitzer wurde. Außerdem muss sie kegelförmig gewesen sein.«

Der Kommissar runzelte verwundert die Stirn. »Eine Art Pfahl? Wie bei einem Vampir?«

Sie nickte bedächtig, und während sie weitererzählte, beobachtete er sie. Faraya schien voll und ganz in ihrem Element zu sein.

»Das Tollste kommt aber noch: Die Haut, sprich das Gewebe, direkt um die Wunde zeigt Anzeichen einer Erfrierung. Ich schließe daraus, dass die Waffe einen Kälteschock auslöste.«

»Erfrierungen im Hochsommer? Ein bisschen ungewöhnlich, finden Sie nicht auch? Was wollen Sie mir damit sagen?«

»Ich dachte mir eigentlich, Sie könnten mir da weiterhelfen. Wir haben es auf jeden Fall mit einem Killer zu tun, der eine tödliche Waffe mit ganzer Kraft in einen Körper rammt.«

»Er muss also stark sein?«

»Ich schließe es daraus. Immerhin drang der Stachel, oder um was es sich sonst handelt, so weit in seine Brust ein, dass er hinten austrat, und wir bestehen schließlich nicht nur aus Flüssigkeiten. Hier hat wohl jemand seine Wut an dem armen Kerl ausgelassen.«

»Und er hat sich bezüglich der Waffe sicher gut vorbereitet, wenn sie so speziell ist. Also ist es eine geplante Tat gewesen«, fuhr Seefeldt fort. »Wow, das sind viele Informationen für den Beginn. Damit können wir sicher etwas anfangen. Was ist mit seinem Mageninhalt?«

Sie blätterte in ihrer Liste. »Vollkornbrot mit Butter und Marmelade, dazu Milch und Kakao. Nichts Ungewöhnliches, würde ich sagen. Einfach nur sein Frühstück. Vom Vorabend hätten wir dann noch Reste von Hühnerfleisch und irgendeiner Mango-Sauce. Wahrscheinlich etwas vom Chinesen, wenn mich nicht alles täuscht.«

»Irgendwelche anderen Verletzungen oder Merkmale?«

»Auf seiner rechten Schulter, momentan nicht sichtbar, ist ein großes Tattoo. Ich weiß allerdings nicht, was es darstellen soll.«

»Haben Sie Bilder davon? Ich möchte ihn ungern anfassen und umdrehen müssen«, meinte Seefeldt eingeschüchtert.

Sie versuchte, ihr Kichern notdürftig zu unterdrücken. Farayas verlegener Blick traf ihn unvermittelt, bevor sie wieder die gewohnte Miene aufsetzte.

»Ich finde es erstaunlich, dass so viele Kommissare zwar beinahe tagtäglich mit Leichen zu tun haben, es aber nicht aushalten, mal etwas länger neben einer zu stehen oder sie zu berühren. Allein der Gedanke daran scheint ja die Hölle für Sie zu sein.«

»Ich arbeite schließlich nicht direkt mit dem da, sondern mit seiner Vergangenheit und dem Tathergang. Ich will mir hier lediglich Informationen holen«, verteidigte er sich und fuhr sich durch das kurze wuschelige Haar, das erneut völlig durcheinandergeraten war.

»Schon gut, ich verurteile niemanden für seine Schwächen. Keine Bange, ich erzähle keinem davon«, erwiderte sie schmunzelnd und kramte in ihren Akten. »Bitte sehr.«

»Danke«, antwortete er säuerlich und bemerkte nicht, dass sie ihn eingehend von oben bis unten musterte, während er sich die Fotografien ansah.

»Eine … eine Blume?«, mutmaßte er nachdenklich.

»Das war auch mein erster Eindruck, aber drehen Sie das Ganze mal um.«

Er tat, was sie sagte, und staunte nicht schlecht.

»Jetzt ist es irgendein Höllenfeuer, würde ich sagen. Ich werde der Sache nachgehen. Brauchen Sie die noch, oder kann ich sie mitnehmen?«

»Tun Sie, was immer Sie wollen.«

Was ich will? Das weiß ich selbst gerade nicht. Einerseits will ich mich von dir fernhalten, weil du mir sonst den Kopf verdrehst, dich aber gleichzeitig auch besser kennenlernen.

Sein Gesicht erhitzte sich, und er wandte sich hastig ab, wobei er so tat, als betrachte er das Bild an der Wand, auf dem der menschliche Körper samt Eingeweiden und Organen abgebildet war. Solche voreiligen Schlüsse kannte er an sich gar nicht und schämte sich sogar dafür, denn er hatte diese Frau gerade eben zum ersten Mal getroffen.

Faraya wusch sich am Waschbecken gegenüber gründlich die Hände. Dann streifte sie endlich den weißen Kittel ab und präsentierte Seefeldt ihr ausgeprägtes Hinterteil, das in einer engen, dunkelblauen Jeans steckte. An den Füßen trug sie hohe schwarze Stiefel, die unter ihrer Hose verschwanden, und ihr schlanker Oberkörper war von einem dünnen, beigefarbenen Pullover umhüllt.

»Sind Sie da drin nicht zu heiß?«, fragte er, ohne nachzudenken, und biss sich auf die Zunge. »Ich … ich meinte natürlich, ob Ihnen da drin nicht zu heiß wird. Immerhin haben wir locker über 30 Grad draußen.«

Er hoffte, dass sie seinen neuerlichen Patzer und den Schweißausbruch nicht bemerkte.

»Ich bin Hitze gewohnt«, winkte sie ab, und er folgte ihr durch die Gänge zurück zum Eingangsbereich. »In Afrika ist es meist viel schlimmer.«

»Wie sind Sie hierhergekommen?«

»Mit dem Flugzeug«, erwiderte Faraya, obwohl sie genau wusste, was er meinte. Sie machte sich einen Spaß daraus, ihn an der Nase herumzuführen. »Ich bin ausgewandert, weil ich meinem Beruf hier besser nachgehen kann und mich die Liebe sozusagen … festgehalten hat. Ehe ich mich versah, war ich schon eine halbe Berlinerin.«

Der perfekte Herr Wolf also. Zu schade.

Sie sprach wirklich gut Deutsch. Man bemerkte nur einen leichten Akzent, der Seefeldts Sinne fast verrücktspielen ließ. Sie reichten sich die Hände, und er achtete darauf, sie nicht zu hart anzupacken, obwohl er keine Befürchtungen hatte, sie könnte zerbrechen. Dafür waren ihr Wille und das afrikanische Feuer in ihren Augen viel zu stark.

»Ich werde Sie wahrscheinlich noch häufiger aufsuchen. Der Fall wird uns bestimmt noch einige Wochen, wenn nicht sogar Monate beschäftigen.«

»Es freut mich, wenn ich helfen kann. Ich muss jetzt schnell zurück und den Körper wieder an seinen Platz im Kühlraum bringen. Machen Sie es gut, Alois.«

Sie drehte sich mit einem letzten herzlichen Lächeln um, und ihre Schritte hallten noch in seinen Ohren wider, als sie längst aus seinem Blickfeld verschwunden war.

Faraya hatte ihn beim Vornamen genannt, worauf er kindlich stolz war. Und zum ersten Mal in seinem Leben fand er, dass es nicht albern geklungen hatte.

***

Die Rechtsmedizinerin haderte mit sich selbst, nachdem der Kommissar gegangen war. Sie warf einen Blick zurück auf den Leichnam, der still dalag und doch so gesprächig war wie sonst nichts im Raum. Das Tattoo hatte sich in ihre Gedanken eingebrannt und ließ sie nicht mehr los.

Sie musste ihm davon erzählen. Alles. Aber sie war hin- und hergerissen. Das Thema betraf zu sehr ihre Privatsphäre, und sie wusste nicht, welche Konsequenzen daraus entstehen könnten.

Welche neuen Konflikte. Welche Angst.

Vielleicht sollte sie einfach noch mal ihre beste Freundin Linda anrufen und sich einiges von der Seele reden. Zurzeit schien ihr Leben wieder einmal aus den Fugen geraten zu sein. Linda wusste meist, was zu tun war. Auch wenn ihr Lösungsansatz lediglich aus dem Trinken eines gemeinsamen Bechers Kaffee bestand, half sie Faraya damit immer sehr.

Alois Seefeldt schien ein netter, ehrlicher Mann zu sein, der seinem Beruf mit dem nötigen Ernst nachging. Doch jeder erste Eindruck konnte von einer gnadenlosen Wendung und dem genauen Gegenteil verdrängt werden. Faraya kannte das nur zu gut und wollte es nicht noch einmal am eigenen Leib erfahren. Aber auf jeden Fall war er sehr süß gewesen. Sie musste schmunzeln, als sie sich an seine Versprecher erinnerte. Immerhin zauberte er das Lächeln zurück auf ihr Gesicht. So ein Mensch konnte doch eigentlich nicht bösartig veranlagt sein.

Sie entschied sich letztlich, ihm ihre Geschichte zu erzählen. Ohne etwas zu verschweigen und ohne Lügen.

Sie rief nach ihrem Kollegen, dem blonden Jüngling, der ihr immer viel zu auffällig auf den Po starrte, und zog sich wieder den Kittel über. Zusammen brachten sie die Leiche zurück in den Kühlraum.

Jetzt ging es an das Schreiben der dazugehörigen Berichte, die noch viel Zeit in Anspruch nehmen würden. Faraya setzte sich an den breiten Schreibtisch im Zimmer eine Etage über dem Sektionssaal, ihre verhasste Brille auf der Nase, und begann damit, sich durch endlosen Papierkram zu wühlen und das erste von vielen Schriftstücken aufzusetzen.

Sie grübelte weiter über die Tatwaffe. Was konnte eine Wunde für einen kleinen Moment so vereisen lassen? Mittlerweile klebte ihr die Zunge am Gaumen, so durstig war sie. Sie erhob sich aus ihrer unbequemen Position und streckte sich. Dann schritt sie hinüber zu ihrem Kühlschrank, um das Gefrierfach zu öffnen, in dem sie kurz zuvor eine Dose Limonade verstaut hatte, damit sie schneller abkühlte. So tat es ihr Vater stets, wenn er nach der Arbeit nach Hause kam und sich einen Film ansah. Die kühle Luft tat ihr gut, und sie verharrte eine Zeitlang vor dem geöffneten Schrank. Als sie nach der Dose griff, dachte sie erneut an das Tattoo des Toten – und verletzte sich aus Unachtsamkeit an der eisigen, gefrorenen Decke des Fachs, als sie die Hand zurückzog. Auf dem Handrücken prangten jetzt drei rote Schrammen.

»So ein Mist«, fluchte sie leise und griff noch mal nach der Limonade.

Auf dem Rückweg zum Schreibtisch hielt sie inne und wandte sich um. Ihre Augen weiteten sich aufgeregt, und sie betrachtete die Wunde auf dem Handrücken genauer.

Eis natürlich, ging ihr durch den Kopf. Was kann eine Wunde besser vereisen als Eis selbst?

Sie beschloss, den Kommissar gleich morgen von ihrer Vermutung in Kenntnis zu setzen.

Kapitel 3

Seefeldt war am nächsten Tag auf dem Weg zu Bernie nach Hause, um ihn wegen des Mordes zu befragen. Vielleicht erinnerte er sich trotz Gehirnerschütterung an Einzelheiten.