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Was tun wir, wenn unser geliebtes Haustier stirbt? Sollen wir es erlösen oder darf es seinen natürlichen Tod sterben? Wie gehen wir mit Trauer und Schuldgefühlen um? Was ist Tierliebe? Warum quälen Menschen Tiere? Und was hat die Liebe zu Kindern damit zu tun? Um diese und andere Fragen geht es in diesem Buch, das sich einerseits als Ratgeber für den Umgang mit Sterben und Tod unserer Haustiere versteht. Andererseits möchte es dazu anregen, über psychologische und spirituelle Aspekte von Tierhaltung nachzudenken und dazu ermutigen, Intuition und Mitgefühl in unserem Leben mehr Raum zu geben.
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Seitenzahl: 120
Veröffentlichungsjahr: 2013
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Für Daisy
in Liebe und Dankbarkeit
Manchmal sitzt sie dir zu Füßen und sieht
dich so sanft und zärtlich an, daß die Tiefe
ihres Blickes dich betroffen macht. Wer mag
glauben, daß hinter diesen leuchtenden
Augen keine Seele sei?
Théophile Gautier
Einleitung
Daisy's Geschichte
Abschied
Tierliebe
Als meine geliebte Kartäuserkatze Daisy an einem sonnigen Septembermorgen starb, ging für mich ein Lebensabschnitt zu Ende, der mich für immer verändert hat. Ich habe durch dieses bezaubernde sanfte, humorvolle, geduldige Geschöpf unendlich viel über das Leben und zuletzt auch über das Sterben gelernt.
Das Thema Tod steht im Zusammenleben mit einem Tier immer im Raum. Wir mögen es eine ganze Weile verdrängen, doch früher oder später können wir dem Unvermeidlichen nicht länger ausweichen. Das sehe ich aber auch als großes Geschenk an, welches uns unsere Tiere machen. Wann denken wir sonst über den Tod nach, wenn wir nicht durch einen Schicksalsschlag dazu gezwungen werden? Es gibt bekanntlich nichts auf der Welt, was uns so sicher ist, wie das eigene Sterben und das unserer Lieben. Aus dem Verdrängen dieser Tatsache entstehen jedoch viele Verwirrungen des Menschen - von harmlosen Ersatzbefriedigungen bis hin zu schweren seelischen Störungen.
Ich habe mich schon immer für diesen Grenzbereich des Lebens sehr interessiert und den Tod nie als grausamen Endpunkt angesehen. Für mich ist er wie ein Übergang von unserer sichtbaren Wirklichkeit in eine andere Ebene, und das Sterben sehe ich als eine Geburt dorthin.
Daisy's letztes Lebensjahr war für mich eine intensive, beanspruchende Zeit, doch immer wieder durchzogen von Sonnenstrahlen, die diese Katze bis zum Schluss einfing und wieder aussandte.
Mein besonderer Dank gehört Sabine Arndt und Petra Kriegel, deren Buch über Sterbebegleitung für Tiere mir in der Zeit Daisy's fortschreitender Schwäche eine wertvolle Hilfe war bei der schweren Entscheidung zwischen Euthanasie und natürlichem Sterbeprozess. So konnte ich mich schon ein Jahr vorher auf das kommende Unbekannte einstellen und geriet nicht in Panik, als es soweit war. Dass trotzdem Zweifel bleiben, ob die Entscheidung, die wir einem uns ausgelieferten Tier zumuten, richtig war, gehört wahrscheinlich zum Leben dazu.
Die Idee zu diesem Buch entstand nach dem Tod meiner Katze. Es möchte einerseits ein Ratgeber für Menschen sein, die sich Gedanken über Sterben und Tod ihrer Haustiere machen, zu eigenen Entscheidungen ermutigen und Hilfe für die Zeit der Trauer bieten. Andererseits befasse ich mich im letzten Kapitel mit dem vielfältigen Thema Tierliebe.
Dabei greife ich sowohl auf Erfahrungen aus meiner mehrjährigen tierpsychologischen Beratungstätigkeit zurück als auch auf psychologische und philosophische Einsichten, die ich in den letzten Jahren gewonnen habe.
Ich möchte einige Aspekte unseres Umgangs mit Tieren etwas näher beleuchten, weil ich glaube, dass über die Mensch-Tier-Beziehung viele Missverständnisse existieren. Besonders wichtig ist es mir dabei, aufzuzeigen, wie eng unsere eigene psychische und physische Gesundheit mit dem Wohlergehen der Tiere zusammenhängt und dass es eine Kausalkette gibt, die immer wieder Leid für Mensch und Tier produziert.
Wenn ich mit meinen Gedanken einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass unser Planet lebenswerter wird für Mensch und Tier, würde mich das sehr freuen.
Ich wünsche Ihnen viele schöne, liebevolle Stunden mit Ihren Tieren und bedanke mich herzlich für Ihr Interesse an diesem Buch.
Susanne Hartwig
Hinweis: Ich bin weder Tierärztin noch Tierheilpraktikerin. Meine Ausführungen über Sterben und Sterbebegleitung verstehen sich als Anregung, über das Thema nachzudenken, sind aber in keinem Fall dazu geeignet, eine notwendige tiermedizinische Behandlung zu ersetzen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich auf den Gebrauch der geschlechtergerechten Sprache verzichtet. Damit ist keine Diskriminierungsabsicht verbunden. Selbstverständlich sind im Zweifelsfall Frauen und Männer gemeint.
Da mein Buch keine wissenschaftliche Arbeit darstellt, habe ich die im Text erwähnten Bücher im Anhang aufgeführt, um den Lesefluss nicht durch Quellenangaben oder Fußnoten zu beeinträchtigen.
Als ich mich auf den Weg machte, um Daisy und ihre Schwester endlich kennenzulernen, wusste ich schon Einiges aus Erzählungen der Züchterin über die beiden Kartäusermädchen. Daisy war das Mama-Kind, das ihrer Mutter Lilli nicht von der Seite wich, während ihre Schwester verliebt in den Papa war.
Ich war eigentlich schon vor der ersten Begegnung sicher, dass ich mich für Daisy entscheiden würde. Mich beeindruckte ihre Geschichte sehr und ich fühlte mich diesem Kätzchen, ohne es gesehen zu haben, bereits verbunden. Schon ihr erster Lebenstag verlief dramatisch: Das kleine Katzenkind kam mit einem offenen Bauch zur Welt und nur, weil es so kämpferisch und lebenshungrig in ihrer Hand quietschte, fuhr die Züchterin mitten in der Nacht ins nächste Dorf zum einzigen diensthabenden Tierarzt, der sonst nur Rinder behandelte. Ihm war das Ganze auch nicht so geheuer, weil er so etwas Winziges noch nie operiert hatte. Aber er tat sein Bestes, gab Daisy aber keine gute Prognose. Er glaubte, dass sie trotz OP die Nacht nicht überstehen würde.
Aber meine Daisy überlebte und entwickelte sich zu einer schalkhaften, tollpatschigen kleinen Katze, die auch gern mal in ihren Wassernapf purzelte. Wahrscheinlich lernte sie damals schon, Wasser zu schätzen. So wusch sie sich immer erst sorgfältig die Vorderpfötchen, bevor sie aus ihrem Napf trank. Das wurde schnell eines ihrer vielen liebenswerten Rituale.
Als Daisy und ich uns dann zum ersten Mal begegneten, fiel meine endgültige Entscheidung für sie recht schnell, als sie mir mit einem neckischen Zwinkern in meinen großen Zeh biss. Das Wissen um ihre aufregenden ersten Lebenstage und ihre kleine Kämpfernatur machten das Bild von „meiner“ Katze komplett. Am Bauch hatte sie immer noch die große Narbe und wir witzelten, dass der Tierarzt lieber gleich einen Reißverschluss hätte einnähen sollen, denn in ein paar Monaten würde Daisy's Kastration anstehen.
Ein paar Wochen nach dieser ersten Begegnung durften wir sie dann endlich abholen in ihr neues Zuhause. Daisy war jetzt zwölf Wochen alt und ihre wunderbare Katzenmama, die ihre kleine Daisy immer im Schlepptau hatte, blinzelte nur träge, als ihr Töchterchen in meinen Katzenkorb kletterte. Auch als ich die Klappe schloss, blieb sie entspannt liegen und ich war froh, dass ich Lilli's Segen hatte. Mir tat es furchtbar leid, die beiden zu trennen, denn sie waren nach wie vor ein Herz und eine Seele.
Daisy legte sich, satt wie sie war, erstmal gemütlich im Korb schlafen (obwohl – satt war sie eigentlich nie). Als wir sie zum Auto trugen, blieb auch zunächst alles ruhig. Während der Fahrt wurde ihr die Sache dann aber wohl doch langsam mulmig und sie miaute etwas, womit sie uns einen ersten Eindruck von ihrer melodiösen, siamartigen Stimme gab.
Gleich als wir zu Hause ankamen und sie alles neugierig ausgekundschaftet und beschnuppert hatte, schnappte Daisy sich eine Sisalrolle und kullerte damit gefühlte zwei Stunden durch den Flur. Ich versuchte immer wieder, ihr spielerisch die Katzenklappe zu erklären, durch die sie ins Bad zu ihrer Toilette gelangen konnte. Dazu hielt ich die Klappe hoch, während sie begeistert rein- und rauskletterte, um die Papierkugel zu fangen, die ich ihr hinwarf. Nachdem sie das, ohne aus der Puste zu kommen, -zigmal gemacht hatte, dachte ich, es wäre an der Zeit für sie, zu begreifen, dass ich die Klappe nicht den ganzen Tag hochhalten kann. Ich war auf ein großes Theater gefasst, als sie drin im Bad war und erwartete schon das Ertönen des Gesangs, den ich die nächsten zwölf Jahre noch lieben, aber auch fürchten lernen sollte. Es dauerte keine Minute, da stolzierte sie mit erhobenem Schwänzchen, ohne einen Laut von sich zu geben, zielstrebig durch die Klappe heraus. Ich staunte nicht schlecht.
Gleich wandte sie sich wieder ihrer Sisalrolle zu und polterte weiter damit durch den langen Flur. Erst einige Zeit später wurde sie müde, hüpfte aufs Sofa, begann ihr hochwissenschaftliches Einroll-Ritual und schnurrte vor sich hin. Ich hatte Bedenken, dass sie mitten in der Nacht aufwachen könnte und herzzerreißend nach ihrer Mama rufen würde. Aber sie war von dem aufregenden Tag wohl so mitgenommen, dass sie bis morgens durchschlief. Wir wachten von ihrem Hunger-Morgenlied auf und begeisterten sie mit ihrem ersten Frühstück im neuen Heim. Ich glaube, erst da beschloss sie, zu bleiben. Liebe ging bei ihr buchstäblich durch den Magen und ich bin sicher, für ein leckeres Essen wäre sie mit Jedem mitgegangen.
Diesem ersten Morgen mit Daisy folgten Wochen, Monate, Jahre voller Freude, Schalk, Streicheleinheiten, innigstgeliebter Sonnenplätze, waghalsiger Kratzbaummanöver, irrer Sprungakrobatik, ohrenbetäubender Hunger-Gesänge, fröhlichem Erzählen in immer neuen Tonfolgen, verzücktem Meisen-Beobachten im Baum vor dem Fenster, wohligem Schnurren von Sonnenaufgang bis zum Mondschein... Ja, ich glaube, diese Katze war glücklich. Dazu trug wohl wesentlich ihr ausgeglichenes Naturell bei. Sie lebte ihr Leben mit einer gewissen stoischen Grundheiterkeit, die sie bis zu ihrem Tod nicht verlor.
Als Daisy 10 Jahre alt wurde, zeigten sich bei ihr erste Anzeichen des Alters, ihre Barthaare wurden langsam alle weiß und ihre Gelenkprobleme, die sie durch eine angeborene Fehlstellung der Wirbelsäule hatte, verschlimmerten sich. Auch passierte es jetzt manchmal, dass sie es nicht mehr bis zur Toilette schaffte und sie kam nur mühsam auf höher gelegene Plätze. Nicht jeder Tag war so. Oft führte sie sich auf wie eine einjährige Katze und ließ mich für einige Tage vergessen, dass die Zeit knapper wurde. Doch ihre Ausgelassenheit in solchen Momenten stellte natürlich auch ein großes Verletzungsrisiko für sie dar. Auf Anraten des Tierarztes baute ich alle höhergelegenen Ebenen von Daisy's geliebtem Kratzbaum ab, so dass sie nicht mehr bis unter die Decke klettern und aus großer Höhe herunterspringen konnte. Diese Einschränkung steckte sie erstaunlich gut weg. Sie beäugte nur einmal kurz ihren jetzt irgendwie verstümmelten alten Freund, setzte sich kurz auf die nun oberste Platte, die sich nur noch knapp einen Meter über der Erde befand, sinnierte blinzelnd vor sich hin und kam wohl zu dem Schluss, dass es nicht zu ändern ist. Dann kletterte sie wieder herunter und es sah aus, als würde sie mit den Schultern zucken und sagen: "Was soll's? Da oben gab's sowieso nie Futter".
Der Kratzbaum verlor immer mehr an Bedeutung und sie zog die Kuschelplätze vor, die ich ihr in Bodennähe einrichtete. Am liebsten lag sie aber nach wie vor bei mir auf dem Sofa, in der Nähe des Fensters und der Heizung. Von da aus konnte sie bequem in den Baum schauen, in dem die frechen Meisen herumhüpften. Manchmal traute sich eine von ihnen direkt ans Fenster und mir schien es oft, als würden sie sich einen Spaß daraus machen, meine Katze in Aufregung zu versetzen. Ich glaube, sie wussten, dass Daisy sie nicht erreichen konnte und spielten ihren Trumpf gnadenlos aus.
Im Herbst genoss sie das wirbelnde Tanzen der bunten Blätter, die der Wind manchmal an die Scheibe wehte. Damit war auch wieder die Zeit gekommen, wo sie sich auf der Heizung wärmen konnte. Es war ein Fest für sie, wenn sie das erste Mal nach dem Sommer das bekannte Rauschen und Blubbern vernahm, mit dem sich die Wärme ankündigte, die sie so liebte. Sie kletterte dann begeistert schnurrend auf den harten Heizkörper, machte sich so schmal wie möglich und kam dann für Stunden nicht wieder herunter. Aus unerfindlichen Gründen benutzte sie nie die bequeme und besser ereichbare Kuschelliege, die ich an der Heizung angebracht hatte.
Es wurde wieder Weihnachten und ich merkte, dass die Tage mit Daisy immer kostbarer wurden. Ihr Bewegungsapparat ließ sie zunehmend im Stich. Manchmal sah ich sie an, streichelte ihr Köpfchen und sagte: "Na, meine Kleine, schaffst Du's noch?" Dann erntete ich einen durchdringenden Blick, tiefes Schnurren und ein kräftiges, bestimmtes 'Mau'.
Ich wusste, ich durfte mir nichts vormachen. Auch wenn ich gehofft hatte, sie würde sehr alt werden, sah es nun nicht mehr danach aus. Ihr Herz war zwar noch kräftig und gesund wie immer, doch ihre Nieren arbeiteten nicht mehr so, wie es sein sollte. Da keine Heilung möglich war, konnte ich meiner Katze die kommende Lebensphase nur noch so schön wie möglich machen. Ich begann mich langsam auf unseren letzten gemeinsamen Lebensabschnitt vorzubereiten.
Im Juni wurde Daisy elf Jahre alt und die guten und schlechten Tage begannen, sich abzuwechseln. Glücklicherweise arbeitete ich zu Hause, so dass ich fast den ganzen Tag bei ihr sein konnte. Sie blieb trotz aller körperlichen Verschlimmerungen immer gleichbleibend gut gelaunt und heiterte mich sogar manchmal mit ihren Albereien auf, wenn ich wiedermal vom, nun mehrmals täglichen, Putzen der Wohnung genervt war. Ich bemühte mich, nie zu Schimpfen, denn ich wusste ja, dass es ihr schwer fiel, mit ihren steifen Hinterbeinen über den Rand der Toilette zu klettern. Manchmal merkte sie es auch einfach zu spät, weil die Nerven in ihrem Rücken nicht mehr richtig funktionierten. Wir hatten die Idee, die Ränder der beiden Katzentoiletten um die Hälfte abzusägen, so dass Daisy leichter hineinkam. Sie war sofort begeistert und die Wohnung blieb von nun an wieder sauber. Aber bereits vier Wochen später schaffte sie auch das nicht mehr und ich spürte immer deutlicher, wie uns die Zeit davonlief.
Ich hatte den Eindruck, Daisy übte das Loslassen. Sie merkte, dass ihr Leben auf der Erde zu Ende ging und verabschiedete sich sowohl von Plätzen, die sie nicht mehr erreichen konnte als auch von Körperfunktionen, die sie bald nicht mehr brauchte. Ich bin heute fest davon überzeugt, dass es so war, denn sie wurde nie depressiv in dieser Zeit, sondern blieb dieselbe ausgeglichene, heitere Katzenpersönlichkeit, die sie immer war. Bis zum letzten Tag genoss sie die kleinen Freuden, die ihr das ganze Leben lang ein Leuchten in ihre Bernsteinaugen zauberten: den täglichen Klecks Butter, den sie lautstark einforderte, als hätte ihr kleiner kranker Körper noch alle Kraft der Welt, die warmen Sonnenflecke auf den Teppichen, die ich allerdings mittlerweile durch waschbare Badematten ersetzt hatte und die ausgiebigen Streicheleinheiten, die sie von mir bekam. Jeden Tag habe ich mir gesagt: Solange ich noch dieses Aufleuchten in ihren Augen sehe, möchte sie leben. Ich war immer mehr davon überzeugt, dass sie es mir zeigt, wenn sie nicht mehr kann. Manchmal sagte ich jetzt leise zu ihr: "Bleib nur, wenn Du es wirklich willst, bleib nicht wegen mir."
Ich hatte mittlerweile mehrmals das Buch von Sabine Arndt und Petra Kriegel über Sterbebegleitung bei Tieren gelesen und wünschte mir so sehr, dass Daisy
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