Setz alles auf Leidenschaft - Brenda Jackson - E-Book

Setz alles auf Leidenschaft E-Book

BRENDA JACKSON

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Beschreibung

Brooke spürt sofort die ungebrochene Leidenschaft, als sie ihren Ex Ian in seinem Kasino wiedertrifft. Und sie gerät in Bedrängnis, denn zwischen heißen Küssen muss Brooke als Agentin undercover ermitteln - gegen den Mann, den sie liebt ...

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IMPRESSUM

SETZ ALLES AUF LEIDENSCHAFT erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2006 by Brenda Streater Jackson Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1550 - 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Bauer

Abbildungen: Marko Marcello / Thinkstock

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733743277

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de

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PROLOG

„Ich mache das nicht, Malcolm!“, erklärte Brooke Chamberlain scharf und schob sich geistesabwesend eine dunkelbraune Locke hinters Ohr, die ihr ins Gesicht gefallen war.

Wenn sie auch nur die leiseste Ahnung gehabt hätte, weshalb sie ins Büro des Chefs zitiert worden war, hätte sie sich mit Sicherheit eine Ausrede einfallen lassen.

Aus ihrer Sicht war seine Bitte völlig inakzeptabel.

Erstens hatte sie gerade erst einen Einsatz beendet, in dem sie aufgedeckt hatte, dass ein bekanntes Weingut mehr als nur Qualitätsweine produzierte. Und zweitens verlangte Malcolm von ihr, dass sie über ihren Schatten sprang und ausgerechnet dem Mann nachspionierte, der sie aus tiefstem Herzen hassen musste – Ian Westmoreland.

Nervös fuhr sich Malcolm Price mit der Hand übers Gesicht. „Setz dich, Brooke. Ich will dir erklären, warum ich dich für diesen Einsatz ausgewählt habe.“

Sie gab einen wenig damenhaften Laut von sich. In ihren Augen gab es nichts zu erklären. Malcolm war mehr als nur ihr Chef. Er war ein guter Freund, und sie kannten sich seit ihrem ersten Tag beim FBI. Deshalb war er auch einer der wenigen, die über ihre frühere Beziehung zu Ian und über den Trennungsgrund Bescheid wussten.

„Wieso verlangst du das ausgerechnet von mir, Malcolm?“, fragte sie und ging unruhig im Zimmer auf und ab, anstatt sich zu setzen.

„Wenn du Nein sagst, fällt die Wahl auf Walter Thurgood.“

Abrupt blieb sie stehen. „Thurgood?“

„Ja, und wenn er den Einsatz leitet, kann ich nichts mehr tun.“

Brooke setzte sich jetzt doch in den Sessel, den Malcolm ihr angeboten hatte. Walter Thurgood war ein ehrgeiziger Emporkömmling, der seit einigen Jahren beim FBI arbeitete. Er verfolgte hochgesteckte Ziele, und eines davon war, ein Top-FBI-Mann zu werden. Nach seinen ersten Einsätzen stand er im Ruf, ein guter Ermittler zu sein, der seine Fälle erfolgreich löste – wenn auch manchmal mit fragwürdigen Methoden.

„Selbst wenn Ian Westmoreland eine weiße Weste hat, wird ihn Thurgood in ein denkbar schlechtes Licht rücken und als Verbrecher hinstellen. Hauptsache, es ist gut für seine Karriere“, sagte Malcolm, ohne zu verbergen, wie wenig er Thurgood mochte.

Brooke war klar, dass Malcolm recht hatte. Und sie wusste auch, was er nicht ausgesprochen hatte: dass dem Sohn eines einflussreichen Mannes viel zu selten auf die Finger geklopft wurde.

„Aber wenn du denkst, dass Ians Geschäfte sauber sind, und du ihn nicht verdächtigst, warum dann die Ermittlungen?“, fragte sie.

„Weil der vorherige Eigentümer, Bruce Aiken, illegales Glücksspiel betrieben hat. Wir wollen vermeiden, dass Aikens alte Freunde zurückkommen. Während des Gerichtsverfahrens gegen ihn waren sie untergetaucht, könnten jetzt aber ohne das Wissen Westmorelands ihre alten Geschäfte wieder aufnehmen. Gewissermaßen tust du ihm sogar einen Gefallen, wenn du dich ein bisschen umschaust.“

Sie wandte den Blick ab und betrachtete ihre ineinander verschränkten Hände. Brooke und Malcolm wussten beide, dass Ian die Sache nicht so sehen würde. Es würde das Misstrauen zwischen Ian und ihr selbst nur verstärken. Andererseits wollte sie auf keinen Fall zulassen, dass Thurgood den Fall an sich riss. Denn das würde geradezu katastrophal für Ian enden.

Brooke hob den Kopf und sah Malcolm wieder ins Gesicht. „Und es ist keine offizielle Ermittlung?“

„Richtig. Du machst einfach deine wohlverdienten Ferien und hältst dabei Augen und Ohren offen.“

Sie beugte sich vor, und Ärger blitzte in ihren Augen auf. „Ian ist einer der ehrenhaftesten Männer, die ich kenne.“

„Wenn das so ist, brauchst du dir ja keine Sorgen zu machen.“

Einen Augenblick sah sie ihn gedankenverloren an, bevor sie sagte: „Okay.“

Fragend zog Malcolm eine Augenbraue hoch. „Heißt das, du machst es?“

Es war ihnen beiden klar, dass sie in einer Zwickmühle steckte. „Ja, ich mache es. Und du hast es von vornherein gewusst.“

Lächelnd nickte er. Und in dem Blick seiner tiefblauen Augen erkannte Brooke, dass er noch etwas wusste: dass sie Ian Westmoreland auch nach vier Jahren noch immer liebte.

1. KAPITEL

Ian Westmoreland saß an seinem Schreibtisch und steckte bis zum Hals in Büroarbeit, als er plötzlich ein seltsames Ziehen in der Magengegend spürte. Dafür gab es keinen ersichtlichen Grund. Aber Ian war inzwischen dreiunddreißig Jahre alt und hatte gelernt, auf seine Intuition ebenso zu vertrauen wie auf seinen Verstand.

Nachdenklich hob er den Kopf und blickte auf die holzvertäfelte Wand vor ihm.

Er streckte die Hand aus, drückte einen Knopf und beobachtete, wie die Holzverkleidung zur Seite glitt und den Blick auf eine riesige Glasfront freigab.

Geschäftig liefen die Menschen durch das Casino, versuchten ihr Glück an den Spielautomaten und – tischen und bemerkten nicht, dass sie beobachtet wurden. In bestimmten Bereichen des Casinos wurden sie außerdem abgehört. Mehr als einmal hatten die Überwachungsgeräte Gespräche aufgezeichnet, die besser unbelauscht geblieben wären. Aber für den Betrieb eines Casinos von der Größe des „Rolling Cascade“ hatten Monitore und verspiegelte Glaswände aus Sicherheitsgründen durchaus ihre Daseinsberechtigung.

Nicht alle Casinobesucher waren gekommen, um zu spielen. Leider gab es auch einige, die die Schwäche anderer gezielt ausnutzten, und auf diese Sorte Gäste konnte Ian sehr gut verzichten. Der große Überwachungsraum im dritten Stock war mit erstklassigen Sicherheitsexperten besetzt, die mithilfe von hundert Monitoren vierundzwanzig Stunden am Tag Aufsicht führten und sicherstellten, dass es keine Zwischenfälle gab.

Seit der großen Eröffnungsfeier verzeichneten Casino und Resort viele Buchungen von Menschen, die neugierig waren und sich das Resultat der umfangreichen Renovierungsarbeiten anschauen wollten. Sie fanden die Gerüchte bestätigt: Das vormals heruntergewirtschaftete Casino erstrahlte nun in völlig neuem Glanz. Eine Sonderausgabe des People Magazine hatte verkündet, dass das „Rolling Cascade“ Casino echte Las-Vegas-Atmosphäre an den Lake Tahoe gebracht hatte – und das auf allerhöchstem Niveau.

Ian stand auf, ging auf und ab und setzte sich schließlich auf die Schreibtischkante. Sein scharfer und abschätzender Blick war auf die Menschenmenge gerichtet. Es musste einen Grund dafür geben, dass er diese merkwürdige Anspannung verspürte. Der Eröffnungstag war ein voller Erfolg gewesen, und Ian war glücklich, dass ihm der Aufstieg zum Casinobesitzer so leichtgefallen war. Vorher hatte er als Kapitän ein Riverboat gesteuert, ein Ausflugsschiff auf dem Mississippi.

Nach ein paar Minuten wollte er sich abwenden – seine Intuition funktionierte wohl heute nicht –, als er sie sah.

Brooke Chamberlain.

Erschrocken sprang er auf. Was, zum Teufel, machte sie hier? Er entschied, dass er keine Zeit mit Rätselraten verschwenden wollte, und griff zum Telefonhörer. Der Sicherheitsmanager des Casinos meldete sich sofort.

„Ja, Ian?“

„Am südwestlichen Blackjack-Tisch steht eine Frau in einem taubenblauen Hosenanzug. Bitte begleite sie in mein Büro.“

Es entstand eine Pause, bevor der Sicherheitsmanager etwas erwiderte. Ian antwortete mit belegter Stimme: „Ja, ich

weiß, es ist Brooke Chamberlain.“

Er legte auf und ließ seine Gedanken wieder zu der Frau schweifen, der er einst beinahe einen Heiratsantrag gemacht hatte … vor ihrem Verrat. Er hatte sie zuletzt vor drei Jahren gesehen, bei der Hochzeit seines Cousins Dare in Atlanta. Sie war eingeladen worden, da sie einige Zeit als Polizistin für Sheriff Dare Westmoreland gearbeitet hatte. Ian hatte sie absichtlich nicht beachtet.

Aber diesmal lagen die Dinge wirklich anders. Sie war hier in seinem Revier, und er hatte vor, sie das spüren zu lassen.

Ian beobachtete sie.

Brooke war sich nicht sicher, von wo aus. Aber die FBI-Agentin in ihr wusste, dass zahlreiche Videokameras liefen. Sie waren so diskret platziert, dass sie zweifelte, ob die vielen Menschen, die begierig aufs Spielen und Wetten waren, sie überhaupt wahrnahmen.

„Entschuldigung. Miss Chamberlain?“

Sie drehte sich um und blickte in das Gesicht eines großen, kräftigen Mannes Ende vierzig mit blonden Haaren und dunkelblauen Augen. „Ja?“

„Ich bin Vance Parker, der Sicherheitschef des Casinos. Der Eigentümer, Ian Westmoreland, möchte mit Ihnen reden – in seinem Büro.“

Sie musste lächeln. „Gut, Mister Parker, gehen Sie bitte voran.“

Als Vance Parker sie zum Aufzug begleitete, betete sie, dass sie es schaffen würde, die nächsten zwei Wochen zu überleben.

Ian, der blicklos auf die Glaswand sah, hatte ihre Begegnung genau verfolgt. Als sie gehört hatte, wer der Eigentümer war, hatte Brooke nicht überrascht reagiert. Die Möglichkeit, dass sie nicht wusste, in wessen Casino sie war, konnte er damit vergessen. Sie hatte sich absichtlich in die Höhle des Löwen begeben, und er würde herausfinden, warum.

Ian stand auf, lief im Zimmer hin und her und spürte, dass das Ziehen in seiner Magengegend schlimmer geworden war. Und es verstärkte sich noch mehr, als er hörte, dass der Aufzug in seiner Etage stoppte.

Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, er würde gleich der Frau gegenüberstehen, die er niemals ganz aus seinen Gedanken hatte verbannen können. Ob absichtlich oder unabsichtlich – während der zwei Jahre, in denen er mit Brooke zusammen war, hatten sich seine Erwartungen Frauen gegenüber verändert. Am Tag Polizistin und nachts ganz Frau, ließ sie jede etwaige Nachfolgerin irgendwie zweitklassig aussehen.

Ob er wollte oder nicht, er musste sich schließlich eingestehen, dass Brooke Chamberlain die ideale Partnerin für ihn war. Die einzige Frau, die ihm das Verlangen nach anderen Frauen genommen hatte. Die Einzige, die es verstand, sein wildes Herz zu zähmen.

Nicht nur zu zähmen, sondern zu erobern.

Er lächelte bitter. Aber jetzt war er älter und klüger, und sein Herz, das einmal ihr gehört hatte, war versteinert. Trotzdem stockte ihm der Atem, als er das Geräusch der sich öffnenden Aufzugtür hörte und sich umdrehte.

Ihre Blicke begegneten sich, und er musste sich eingestehen, dass das Gefühl, das sie beide verband, immer noch da war. Heiß. Intensiv. Erregend. Es war ganz deutlich im Zimmer spürbar, er konnte es fühlen. Er stützte sich auf den Schreibtisch, denn der Fußboden schien auf einmal zu schwanken.

Seit dem Morgen, an dem Ian die Wahrheit herausgefunden und nach dem heftigen Streit ihr Apartment verlassen hatte, waren sie einander nicht mehr so nahe gekommen. Bei der Hochzeit von Dare und Shelly war Ian auf Distanz gegangen und hatte peinlich genau einen Mindestabstand von drei Metern zu ihr eingehalten. Aber trotz dieser Vorsichtsmaßnahme war das Ziehen in seinem Bauch auch da deutlich zu spüren gewesen.

In all den Jahren war es ihm nicht gelungen, den Tag aus seinem Gedächtnis zu streichen, als sie einander zum ersten Mal in Dares Polizeibüro begegnet waren. Damals war sie zweiundzwanzig und selbst in ihrer Polizeiuniform so anziehend, dass ihm der Atem stockte – und genauso attraktiv war sie noch immer.

Ihre Beziehung war ihm perfekt erschienen, bis die Umstände ihm keine Wahl gelassen hatten, als sich von ihr zu trennen. Dennoch musste er zugeben, dass Brooke die allerschönste Frau war, die er je gesehen hatte.

Sie hatte einen wunderbaren bronzefarbenen Teint; ihre Augen schimmerten, je nach Stimmung, in verschiedenen Brauntönen; und wenn sie lächelte, verspürte er ein aufregendes Prickeln; die Locken fielen ihr üppig über die Schultern – die Schultern, die er so gerne festgehalten hatte, wenn sie sich geliebt hatten.

Er ballte die Hand zur Faust. Der Gedanke, dass Brooke in ihm unerwünschte Erinnerungen weckte, ärgerte ihn. Er zwang sich, den Blick von ihr abzuwenden und auf Vance zu richten. „Danke, Mister Parker. Das ist alles.“

Neugierig zog Ians Freund eine Augenbraue hoch und zuckte die breiten Schultern, bevor er sich umdrehte und zum Aufzug ging. Sobald sich die Aufzugtür geschlossen hatte, wandte Ian seine Aufmerksamkeit wieder Brooke zu. Sie war durch den Raum gegangen und stand nun mit dem Rücken zu ihm, wobei sie gerahmte Aufnahmen betrachtete, die ihn einmal mit Tiger Woods und einmal mit dem Basketballspieler Dennis Rodman zeigten.

Zu seiner Überraschung brach sie das Schweigen mit den Worten: „Ich habe gehört, dass Tiger Woods und Dennis Rodman hier in der Gegend zu Hause sind.“

Ian hob die Brauen. Wollte sie Small Talk machen? Stimmt, er hätte es wissen müssen. Brooke neigte dazu, draufloszuplappern, wenn sie in eine Situation kam, die sie nervös machte. In der Nacht ihres ersten Dates hatte er das sehr liebenswürdig gefunden. Aber jetzt war es einfach nur nervig.

Er wollte keinen Small Talk mit ihr machen, und er wollte sie nicht hierhaben. Das brachte ihn zurück zu dem eigentlichen Grund, weshalb sie hier im Büro war. Er wollte Antworten, und er wollte sie jetzt.

„Ich habe dich nicht durch Vance herbringen lassen, um mit dir die Wohnsitze von Woods und Rodman zu erörtern. Ich will wissen, was, zum Teufel, du hier machst, Brooke.“

Der entscheidende Augenblick war gekommen. Als Ian Vance Parker weggeschickt hatte, hatte Brooke die Chance genutzt, sich Ians Blick zu entziehen. Seit sie Malcolms Büro verlassen hatte, hatte sie versucht, sich auf die Begegnung mit Ian einzustellen, aber noch immer war sie nicht wirklich bereit dafür. Sie konnte jetzt nichts anderes tun, als sich umzudrehen und zu hoffen, dass er ihr eines Tages die Lüge verzeihen würde, die sie ihm jetzt gleich auftischen würde.

Seufzend drehte sie sich langsam um. Ihre Augen leuchteten jetzt intensiver als vor wenigen Augenblicken, als Vance noch da war. Ihre Körpertemperatur stieg, jede einzelne Zelle ihres Körpers schien von Hitze verzehrt zu werden.

Ihr fehlten die Worte, seit Ian ihr buchstäblich den Atem geraubt hatte. Er war schon immer ein gut aussehender Mann gewesen, und jetzt, drei Jahre nachdem sie ihn zuletzt gesehen hatte, wirkte er noch attraktiver. Der gepflegte, kurz geschnittene Bart stand ihm gut. Er hatte immer diesen umwerfenden Blick gehabt, der zu sagen schien: Ich sterbe, wenn ich dich nicht haben kann. Er war schon immer ein Mann, der die Aufmerksamkeit von Frauen magisch anzog. Und nun umgab den reifer gewordenen Ian eine Aura purer Erotik.

Als sie vor einigen Jahren den Job bei Dare Westmore-land in Atlanta angetreten hatte, hatte Brooke schon von den beiden Westmoreland-Cousins gehört, die im selben Alter waren und bevorzugt zusammen auftraten. Ian und sein Cousin Storm waren weit über Atlanta hinaus als notorische Spieler und legendäre Liebhaber bekannt.

Es ging das Gerücht um, dass Ian jede Frau, mit der er ausging, ins Bett bekam. Aber das änderte sich, als er begann, sich für Brooke zu interessieren. Für ihn war sie eine harte Nuss – eine der wenigen Frau, die seinem Charme widerstanden.

Anstatt ohnmächtig seinem Zauber zu verfallen, so wie die anderen Frauen, hatte sie ihn dazu angehalten, sie nach allen Regeln der Kunst zu erobern. Als Folge davon durfte sie zwei Jahre lang exklusiv seine wunderbaren Qualitäten als Liebhaber genießen.

Sie hatte herausgefunden, dass Ian besser war als sein Ruf. Der Gedanke daran, wie er sie in einem Moment zärtlich liebkost und im nächsten leidenschaftlich geliebt hatte, erregte sie noch immer und ließ sie erschauern. Er war ihr erster Mann gewesen und, wie sie im Stillen hinzufügte, auch ihr einziger.

„Willst du noch länger stumm herumstehen, oder bekomme ich endlich eine Antwort, Brooke?“

Ians ärgerliche Frage holte sie unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück.

Sie stützte die Hände in die Seiten und erwiderte im selben barschen Tonfall wie er: „Klar bekommst du eine Antwort, Ian.“

Ian verschränkte die Arme vor der Brust. Wie hatte er vergessen können, wie schnell Brookes Augen vor Zorn aufblitzten? Wie sich ihre vollen und sinnlichen Lippen in einen Schmollmund verwandelten? Die ganze Zeit über hatte er ihre ehrliche Mimik vermisst, die ihre Gefühle zu jeder Zeit widerspiegelte. Und auch ihr heißblütiges Temperament, das jederzeit zum Ausbruch kommen konnte, wenn sie sich über etwas ärgerte, hatte ihm gefehlt.

Die Frauen, mit denen er sich nach ihr getroffen hatte, waren für seinen Geschmack zu sanft und zu angepasst. Es fehlte ihnen an Courage, sie bemühten sich viel zu sehr, ihm alles recht zu machen. Nicht so die Frau, die jetzt vor ihm stand. Sie konnte austeilen wie niemand sonst, und dafür hatte er sie stets bewundert. Das war vielleicht einer der Gründe, warum er so schlecht über die Trennung hinweggekommen war.

„Ich bin aus demselben Grund hier wie alle anderen auch. Ich brauche eine Auszeit von meinem Job, und daher habe ich hier einen vierzehntägigen Aufenthalt gebucht“, unterbrach sie seine Gedanken.

Ian seufzte. Der Grund erschien ihm fadenscheinig. „Warum ausgerechnet hier? Es gibt tausend andere Möglichkeiten.“

„Ja, sicher. Als ich gebucht habe, wusste ich nicht, dass du hier der Eigentümer bist. Ich dachte, du wärst immer noch Riverboat-Kapitän.“

Ein paar Sekunden lang sagte er gar nichts. „Der Hurricane Katrina hat dem ein vorläufiges Ende gesetzt. Aber ich habe mich schon ein paar Monate davor entschieden, das Casino zu kaufen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder an Land ging.“

Er betrachtete sie einen Moment und fragte: „Und wann hast du erfahren, dass das Casino mir gehört?“

Brooke zuckte die Schultern. „Vor ein paar Tagen. Aber mein Geld, das ich hier ausgebe, ist genauso viel wert wie das aller anderen Besucher. Und ich kann nicht mein ganzes Leben lang aufpassen, dass ich nicht an der nächsten Ecke auf dich treffe.“

Unwillig fuhr sie sich mit der Hand durchs Haar, sodass ihr die Locken auf die Schultern fielen.

„Zum Teufel, Ian, wir sollten unsere Vergangenheit als glücklich oder unglücklich abhaken, je nachdem, wie du sie empfindest, und uns der Gegenwart zuwenden. Ich habe nur Gutes von diesem Casino gehört. Es ist genau das, was ich jetzt brauche. Und um ganz ehrlich zu sein, ich schätze es gar nicht, mich zu dir beordern zu lassen wie eine Kriminelle. Wenn du immer noch an der Vergangenheit hängst und glaubst, wir könnten nicht zwei Wochen lang dieselbe Luft atmen, sag es mir bitte. Dann gebe ich mein Geld woanders aus.“

Verärgert biss Ian die Zähne zusammen. Sie hatte natürlich recht – er sollte sie in Ruhe lassen und zur Tagesordnung übergehen; aber was mehr als alles andere an ihm nagte, war nicht die Tatsache, dass Schluss war, sondern der Grund, warum sie es beendet hatten. Sie waren ein besonderes Paar gewesen. Sie war die einzige Frau, mit der er sich eine Ehe hatte vorstellen können. Aber am Ende war sie die Frau, die sein Herz gebrochen hatte.

Selbst als sie beide weggezogen waren – sie in den District Columbia, um die Stelle beim FBI anzutreten, er nach Memphis, um die Delta Princess zu übernehmen –, konnten sie trotz der großen Entfernung die Beziehung ohne Weiteres aufrechterhalten. Ein Jahr später wollten sie heiraten.

Aber das eine Mal, als Brooke ihn in einen wichtigen Sachverhalt hätte einweihen müssen, hatte sie nicht genug Vertrauen zu ihm gehabt. Stattdessen hatte sie ihm verschwiegen, dass sich ihre Ermittlungen gegen einen seiner Geschäftspartner richteten. Als er es herausgefunden hatte, war ein Mann tot, und eine Familie war zerstört.

Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn sie wieder abgereist wäre. Das Wiedersehen mit ihr und seine Reaktion darauf hatten ihm deutlich vor Augen geführt, dass er Brooke auch nach vier Jahren nicht aus seiner Gedanken- und Gefühlswelt verbannen konnte. Aber dazu war es höchste Zeit. Vielleicht war der erste Schritt, zu beweisen, dass sie tatsächlich dieselbe Luft atmen konnten.

„Also gut, bleib da, wenn du willst. Es ist deine Entscheidung“, sagte er schließlich.

Brooke hob den Kopf. Ja, es war ihre Entscheidung. Kein Zweifel, er würde sie am liebsten hinauswerfen, womöglich so, dass sie gleich im Lake Tahoe landete. Dennoch sagte sie entschlossen: „Dann bleibe ich. Und jetzt entschuldige mich bitte, ich möchte jetzt meine Ferien genießen.“

Sie ging zum Aufzug, ohne ihn nochmals anzusehen, drückte den Knopf und trat in die Kabine, nachdem sich die Tür geöffnet hatte. Als Brooke sich umdrehte, trafen sich nochmals für einen kurzen Moment ihre Blicke, bevor sich die Tür mit einem leisen Rauschen schloss. Hatte da etwas in ihren Augen aufgeleuchtet? Dreistigkeit? Bedauern? Lust?

Ian runzelte die Stirn. Wie konnte er sich auf die Gegenwart konzentrieren und dabei das Vergangene ruhen lassen? Jedes Mal, wenn er an das dachte, was sie getan hatte, stieg derselbe Ärger wie damals in ihm hoch.

Er ging um seinen Schreibtisch herum und drückte einen Knopf. Sofort erklang Vance’ tiefe Stimme. „Ja, Ian?“

„Miss Chamberlain ist auf dem Rückweg.“

„Alles klar. Soll ich sie im Auge behalten, während sie hier ist?“

„Nein“, sagte Ian schnell. Aus irgendeinem Grund gefiel ihm der Gedanke nicht, dass irgendjemand – vor allem ein anderer Mann – Brooke im Auge behalten sollte. Er kam zu dem Schluss, dass er seinem Freund eine Erklärung schuldig war, und sagte: „Brooke und ich müssen allmählich unsere Vergangenheit begraben.“

„Aha.“

„Und noch etwas, Vance. Sie ist FBI-Agentin.“

Ian hörte seinen Freund einen leisen Fluch murmeln, bevor er fragte: „Ist sie dienstlich oder privat hier?“

„Sie sagt, sie sei nur zum Vergnügen hier, aber ich werde sie im Auge behalten, um sicherzugehen. Nach allem, was ich weiß, könnte sie der eine oder andere Fall hierhergeführt haben, und je nachdem, was dahintersteckt, könnte es schlechte Publicity für das ‚Cascade‘ bedeuten.“

„Würde sie es dir nicht sagen, wenn sie dienstlich hier wäre?“

Ian lachte bitter. „Nein, sie würde es mir weiß Gott nicht sagen. Loyalität gehört leider nicht zu Brooke Chamberlains Stärken.“

Brooke wusste, dass sie wahrscheinlich mit Videokameras beobachtet wurde, und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Um sie herum drängte sich die Menschenmenge in die Spielhallen, zur Bar, zur Lounge oder zu den Spielautomaten. Sie schlenderte durch das Casino zur Seilbahn, in deren Gondeln die Besucher bequem zum Resortgelände gelangen konnten, und fuhr damit zu ihrer Villa.

Als sie kurze Zeit später ihre Tür öffnete und hineinging, ließ sie ihren Tränen freien Lauf. Sie konnte ganz gut in Ians Augen lesen, und seinen tiefen Hass zu spüren war mehr, als sie ertragen konnte. Wenn er bloß nicht herausfand, warum sie tatsächlich hier war …

Sie atmete tief ein und wischte ihre Tränen ab, denn sie musste sich bei Malcolm melden. Nachdem sie ihr Handy aus der Handtasche genommen hatte, wählte sie. Beim zweiten Läuten nahm er ab.

„Ich bin im ‚Rolling Cascade‘, Malcolm.“

Offenbar hörte er die Anspannung in Brookes Stimme, denn er sagte: „Du bist doch Ian Westmoreland schon begegnet, stimmt’s?“

„Ja.“

Nach einer kurzen Pause sagte er: „Du weißt ja, es ist keine offizielle Ermittlung, Brooke. Genieße einfach deine Ferien, aber wenn dir etwas Ungewöhnliches auffällt, lass es uns wissen.“

„Auch das ist Spionieren.“

„Ja, aber auch Westmoreland hat einen Vorteil davon. Du schadest ihm nicht, du hilfst ihm sogar.“

„Er wird es sicher nicht so sehen.“ Ihre Erwiderung klang schwach, weil ihr wieder Tränen in die Augen traten. „Also gut, Malcolm, ich melde mich bei euch, wenn irgendetwas vorfällt. Ansonsten sehen wir uns in zwei Wochen.“

„Okay, und pass gut auf dich auf.“