Sherlock Holmes – Der erbleichte Soldat und weitere Detektivgeschichten - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes – Der erbleichte Soldat und weitere Detektivgeschichten E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Vollständig überarbeitete, korrigierte und illustrierte Fassung Mit 25 Illustrationen Wie kann man Sherlock Holmes nicht kennen? Den berühmtesten Detektiv der Geschichte, der mit seinem messerscharfen Verstand und seiner Ermittlungsart als Vorlage für fast alle kriminalistischen Nachfolger diente. Hier lernen Sie das lesenswerte Original kennen. Dieser Band beinhaltet folgende Kurzgeschichten: "Der Mazarin-Stein" ("The Mazarin Stone"), 1921 Sherlock Holmes wird beauftragt, den Mazarin-Stein - einen Teil der britischen Kronjuwelen - zu finden. Schnell hat Holmes einen Hauptverdächtigen bei der Hand. "Der illustre Klient" ("The Illustrious Client"), 1924 Im Auftrag eines anonymen Klienten wird Holmes engagiert, Violet de Merville aus den Fängen des berüchtigten Barons Adelbert Gruner zu befreien. "Die verschleierte Mieterin" ("The Veiled Lodger"), 1927 Mrs. Merrilow ist in Sorge um ihre Mieterin, die sich nur verschleiert zeigt. Holmes wird zu Hilfe gerufen. "Die Drei Giebel" ("The Three Gables"), 1926 Im Hause der zurückgezogen lebenden Mrs. Maberley ereignen sich mysteriöse Vorfälle. "Der erbleichte Soldat" ("The Blanched Soldier"), 1926 James M. Dodd, ein Kriegsveteran, wittert eine Verschwörung um Godfrey Emsworth, den Mann, der ihm einst das Leben rettete und der angeblich auf Weltreise sein soll. "Der Farbenhändler im Ruhestand" ("The Retired Colourman"), 1926 Der ehemalige Farbenhändler Josiah Amberley ist verzweifelt. Seine 20 Jahre jüngere Frau ist mit Dr. Ray Ernest durchgebrannt und hat seine Ersparnisse mitgehen lassen. Null Papier Verlag

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Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Der erbleichte Soldat und weitere Detektivgeschichten

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Der erbleichte Soldat und weitere Detektivgeschichten

Vollständige & Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Übersetzung: Eve FritscheIllustrationen: Kurt Lange EV: Hugo Wille, Verlagsbuchhandlung, Berlin, 1927, 1928 3. Auflage, ISBN 978-3-954182-43-5

www.null-papier.de/holmes

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Die ein­zel­nen Ge­schich­ten

Ar­thur Co­nan Doy­le & Sher­lock Hol­mes

Der Ma­za­rin-Stein

Der il­lus­t­re Kli­ent

Die ver­schlei­er­te Mie­te­rin

Die Drei Gie­bel

Der er­bleich­te Sol­dat

Der Far­ben­händ­ler im Ru­he­stand

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

Al­le Ro­ma­ne, alle Kurz­ge­schich­ten

Ü­ber 400 Zeich­nun­gen

Ju­bi­lä­ums­aus­ga­be: 0,99 €

null-pa­pier.de/371

Die einzelnen Geschichten

»Der Ma­za­rin-Stein« (»The Ma­za­rin Sto­ne«), 1921

Sher­lock Hol­mes wird be­auf­tragt, den Ma­za­rin-Stein - einen Teil der bri­ti­schen Kron­ju­we­len - zu fin­den. Schnell hat Hol­mes einen Haupt­ver­däch­ti­gen bei der Hand. Wird es ihm ge­lin­gen, die­sen bei ei­nem Be­such in der Ba­ker Street zu über­füh­ren?

»Der il­lus­t­re Kli­ent« (»The Il­lus­trious Cli­ent«), 1924

Im Auf­trag ei­nes an­ony­men Kli­en­ten wird Hol­mes en­ga­giert, Vio­let de Mer­ville aus den Fän­gen des be­rüch­tig­ten Barons Adel­bert Gru­ner zu be­frei­en. Hol­mes steht ei­nem eben­bür­ti­gen Geg­ner ge­gen­über, der selbst vor ei­nem Mord­an­schlag nicht zu­rück­schreckt

»Die ver­schlei­er­te Mie­te­rin« (»The Vei­led Lod­ger«), 1927

Mrs. Mer­ri­low ist in Sor­ge um ihre Mie­te­rin, die sich nur ver­schlei­ert zeigt. Hol­mes wird zu Hil­fe ge­ru­fen. Kann er die be­vor­ste­hen­de Tra­gö­die ab­wen­den

»Die Drei Gie­bel« (»The Three Ga­bles«), 1926

Im Hau­se der zu­rück­ge­zo­gen le­ben­den Mrs. Ma­ber­ley er­eig­nen sich mys­te­ri­öse Vor­fäl­le: Zu­nächst will je­mand ihr Haus zu ei­nem über­teu­er­ten Preis er­wer­ben und schließ­lich wird sie des Nachts über­fal­len. Was steckt da­hin­ter?

»Der er­bleich­te Sol­dat« (»The Blan­ched Sol­dier«), 1926

Ja­mes M. Dodd, ein Kriegs­ve­teran, wit­tert eine Ver­schwö­rung um God­frey Ems­worth, den Mann, der ihm einst das Le­ben ret­te­te und der an­geb­lich auf Welt­rei­se sein soll. Dodd en­ga­giert Hol­mes, um das Rät­sel zu lö­sen.

»Der Far­ben­händ­ler im Ru­he­stand« (»The Re­ti­red Co­lour­man«), 1926

Der ehe­ma­li­ge Far­ben­händ­ler Jo­siah Am­ber­ley ist ver­zwei­felt. Sei­ne 20 Jah­re jün­ge­re Frau ist mit Dr. Ray Er­nest durch­ge­brannt und hat sei­ne Er­spar­nis­se mit­ge­hen las­sen. Aber in die­sem Fall ist nichts, wie es zu­nächst scheint.

Arthur Conan Doyle & Sherlock Holmes

Wo­mög­lich wäre die Li­te­ra­tur heu­te um eine ih­rer schil­lernds­ten De­tek­tiv­ge­stal­ten är­mer, wür­de der am 22. Mai 1859 in Edin­bur­gh ge­bo­re­ne Ar­thur Igna­ti­us Co­nan Doy­le nicht aus­ge­rech­net an der me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät sei­ner Hei­mat­stadt stu­die­ren. Hier näm­lich lehrt der spä­ter als Vor­rei­ter der Fo­ren­sik gel­ten­de Chir­urg Jo­seph Bell. Die Metho­dik des Do­zen­ten, sei­ne Züge und sei­ne ha­ge­re Ge­stalt wird der an­ge­hen­de Au­tor für den der­einst be­rühm­tes­ten De­tek­tiv der Kri­mi­nal­li­te­ra­tur über­neh­men.

Ge­burt und Tod des Hol­mes

Der ers­te Ro­man des seit 1883 in South­sea prak­ti­zie­ren­den Arz­tes teilt das Schick­sal zahl­lo­ser Erst­lin­ge – er bleibt un­voll­en­det in der Schub­la­de. Erst 1887 be­tritt Sher­lock Hol­mes die Büh­ne, als „Ei­ne Stu­die in Schar­lach­rot“ er­scheint. Nach­dem Co­nan Doy­le im Ma­ga­zin The Strand sei­ne Hol­mes-Epi­so­den ver­öf­fent­li­chen darf, ist er als er­folg­rei­cher Au­tor zu be­zeich­nen. The Strand er­öff­net die Rei­he mit „Ein Skan­dal in Böh­men“. Im Jahr 1890 zieht der Schrift­stel­ler nach Lon­don, wo er ein Jahr dar­auf, dank sei­nes li­te­ra­ri­schen Schaf­fens, be­reits sei­ne Fa­mi­lie er­näh­ren kann; seit 1885 ist er mit Loui­se Hawkins ver­hei­ra­tet, die ihm einen Sohn und eine Toch­ter schenkt.

Gin­ge es aus­schließ­lich nach den Le­sern, wäre dem küh­len De­tek­tiv und sei­nem schnauz­bär­ti­gen Mit­be­woh­ner ewi­ges Le­ben be­schie­den. Die Aben­teu­er der bei­den Freun­de neh­men frei­lich, wie ihr Schöp­fer meint, zu viel Zeit in An­spruch; der Au­tor möch­te his­to­ri­sche Ro­ma­ne ver­fas­sen. Des­halb stürzt er 1893 in „Das letz­te Pro­blem“ so­wohl den De­tek­tiv als auch des­sen Wi­der­sa­cher Mo­ri­ar­ty in die Rei­chen­bach­fäl­le. Die Pro­tes­te der ent­täusch­ten Le­ser­schaft fruch­ten nicht – Hol­mes ist tot.

Die Wie­der­au­fer­ste­hung des Hol­mes

Ob­wohl sich der Schrift­stel­ler mitt­ler­wei­le der Ver­gan­gen­heit und dem Mys­ti­zis­mus wid­met, bleibt sein In­ter­es­se an Po­li­tik und rea­len Her­aus­for­de­run­gen doch un­ge­bro­chen. Den Zwei­ten Bu­ren­krieg er­lebt Co­nan Doy­le seit 1896 an der Front in Süd­afri­ka. Aus sei­nen Ein­drücken und po­li­ti­schen An­sich­ten re­sul­tie­ren zwei nach 1900 pu­bli­zier­te pro­pa­gan­dis­ti­sche Wer­ke, wo­für ihn Queen Vic­to­ria zum Rit­ter schlägt.

Eben zu je­ner Zeit weilt Sir Ar­thur zur Er­ho­lung in Nor­folk, was Hol­mes zu neu­en Ehren ver­hel­fen wird. Der Li­te­rat hört dort von ei­nem Geis­ter­hund, der in Dart­moor1 eine Fa­mi­lie ver­fol­gen soll. Um das Mys­te­ri­um auf­zu­klä­ren, re­ani­miert Co­nan Doy­le sei­nen ex­zen­tri­schen Ana­ly­ti­ker: 1903 er­scheint „Der Hund der Bas­ker­vil­les“. Zeit­lich noch vor dem Tod des De­tek­tivs in der Schweiz an­ge­sie­delt, er­fährt das Buch enor­men Zu­spruch, wes­halb der Au­tor das Ge­nie 1905 in „Das lee­re Haus“ end­gül­tig wie­der­be­lebt.

Das un­wi­der­ruf­li­che Ende des Hol­mes

Nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau im Jahr 1906 und der Hei­rat mit der, wie Co­nan Doy­le glaubt, me­di­al be­gab­ten Jean Le­ckie be­fasst sich der Pri­vat­mann mit Spi­ri­tis­mus. Sein li­te­ra­ri­sches Schaf­fen kon­zen­triert sich zu­neh­mend auf Zu­kunfts­ro­ma­ne, de­ren be­kann­tes­ter Pro­tago­nist der Ex­zen­tri­ker Pro­fes­sor Chal­len­ger ist. Als po­pu­lärs­ter Chal­len­ger-Ro­man gilt die 1912 ver­öf­fent­lich­te und be­reits 1925 ver­film­te Ge­schich­te „Die ver­ges­se­ne Welt“, die Co­nan Doy­le zu ei­nem Witz ver­hilft: Der durch­aus schlitz­oh­ri­ge Schrift­stel­ler zeigt im klei­nen Kreis ei­ner Spi­ri­tis­ten­sit­zung Film­auf­nah­men ver­meint­lich le­ben­der Sau­ri­er, ohne zu er­wäh­nen, dass es sich um Ma­te­ri­al der ers­ten Ro­man­ver­fil­mung han­delt.

Die spä­te Freund­schaft des Li­te­ra­ten mit Hou­di­ni zer­bricht am Spi­ri­tis­mus-Streit, denn der un­char­man­te Zau­ber­künst­ler ent­larvt zahl­rei­che Be­trü­ger, wäh­rend der Schrift­stel­ler von der Exis­tenz des Über­na­tür­li­chen über­zeugt ist. Co­nan Doy­les Geis­ter­glau­be er­hält Auf­trieb, als sein äl­tes­ter Sohn Kings­ley wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs an der Front fällt.

Noch bis 1927 be­dient der Au­tor das Pub­li­kum mit Kurz­ge­schich­ten um Hol­mes und Wat­son; zu­letzt er­scheint „Das Buch der Fäl­le“. Als Sir Ar­thur Co­nan Doy­le am 7. Juli 1930 stirbt, trau­ern Fa­mi­lie und Le­ser­schaft glei­cher­ma­ßen, denn dies­mal ist Hol­mes wirk­lich tot.

Von der Be­deu­tung ei­nes Ge­schöp­fes

Oder viel­mehr ist Hol­mes ein ewi­ger Wie­der­gän­ger, der im Ge­dächt­nis des Pub­li­kums fort­lebt. Nicht we­ni­ge Le­ser hiel­ten und hal­ten den De­tek­tiv für eine exis­ten­te Per­son, was nicht zu­letzt Co­nan Doy­les er­zäh­le­ri­schem Ge­schick und dem Rea­li­täts­be­zug der Ge­schich­ten zu ver­dan­ken sein dürf­te. Tat­säch­lich kam man im 20. Jahr­hun­dert dem Be­dürf­nis nach et­was Hand­fes­tem nach, in­dem ein Haus in der Lon­do­ner Ba­ker Street die Num­mer 221 b er­hielt. Dort be­fin­det sich das Sher­lock-Hol­mes-Mu­se­um.

Co­nan Doy­les zeit­ge­nös­si­scher Schrift­stel­ler­kol­le­ge Gil­bert Keith Che­s­ter­ton, geis­ti­ger Va­ter des kri­mi­na­lis­ti­schen Pa­ter Brown, brach­te das li­te­ra­ri­sche Ver­dienst sei­nes Lands­manns auf den Punkt: Sinn­ge­mäß sag­te er, dass es nie bes­se­re De­tek­tiv­ge­schich­ten ge­ge­ben habe und dass Hol­mes mög­li­cher­wei­se die ein­zi­ge volks­tüm­li­che Le­gen­de der Mo­der­ne sei, de­ren Ur­he­ber man gleich­wohl nie ge­nug ge­dankt habe.

Dass der De­tek­tiv sein sons­ti­ges Schaf­fen der­ma­ßen über­la­gern konn­te, war Co­nan Doy­le selbst nie­mals recht. Er hielt sei­ne his­to­ri­schen, po­li­ti­schen und spä­ter sei­ne mys­ti­zis­tisch-spi­ri­tis­ti­schen Ar­bei­ten für wert­vol­ler, wäh­rend die Kurz­ge­schich­ten dem blo­ßen Brot­er­werb dienten. Ver­mut­lich über­sah er bei der Selb­st­ein­schät­zung sei­ner ver­meint­li­chen Tri­vi­al­li­te­ra­tur de­ren enor­me Wir­kung, die weit über ih­ren ho­hen Un­ter­hal­tungs­wert hin­aus­ging.

So wie Jo­seph Bell, Co­nan Doy­les Do­zent an der Uni­ver­si­tät, durch prä­zi­se Beo­b­ach­tung auf die Er­kran­kun­gen sei­ner Pa­ti­en­ten schlie­ßen konn­te, soll­te Sher­lock Hol­mes an Kri­mi­nal­fäl­le her­an­ge­hen, die so­wohl sei­nen Kli­en­ten als auch der Po­li­zei un­er­klär­lich schie­nen. Bells streng wis­sen­schaft­li­ches Vor­ge­hen stand Pate für De­duk­ti­on und fo­ren­si­sche Metho­dik in den vier Ro­ma­nen und 56 Kurz­ge­schich­ten um den ha­ge­ren Gent­le­man-De­tek­tiv. Pro­fes­sor Bell be­riet die Po­li­zei bei der Ver­bre­chensauf­klä­rung, ohne in den of­fi­zi­el­len Be­rich­ten oder in den Zei­tun­gen er­wähnt wer­den zu wol­len. Die Ähn­lich­keit zu Hol­mes ist au­gen­fäl­lig. Wirk­lich war in den Ge­schich­ten die Fik­ti­on der Rea­li­tät vor­aus, denn wis­sen­schaft­li­che Ar­beits­wei­se, ge­naue Ta­tort­un­ter­su­chung und ana­ly­tisch-ra­tio­na­les Vor­ge­hen wa­ren der Kri­mi­na­lis­tik je­ner Tage neu. Man ur­teil­te nach Au­gen­schein und ent­warf Theo­ri­en, wo­bei die Be­weis­füh­rung nicht er­geb­ni­sof­fen ge­führt wur­de, son­dern le­dig­lich jene Theo­ri­en be­le­gen soll­te. Zwei­fel­los hat die Po­pu­la­ri­tät der Er­leb­nis­se von Hol­mes und Wat­son den Auf­stieg der rea­len Fo­ren­sik in der Ver­bre­chensauf­klä­rung un­ter­stützt.

Ein wei­te­rer in­ter­essan­ter Aspekt der Er­zäh­lun­gen be­trifft Co­nan Doy­les Nei­gung, sei­ne ei­ge­nen An­sich­ten ein­zu­ar­bei­ten. Zwar be­vor­zug­te er zu die­sem Zweck an­de­re Schaf­fens­zwei­ge, aber es fin­den sich ge­sell­schaft­li­che und mo­ra­li­sche Mei­nun­gen, wenn Hol­mes etwa Ver­bre­cher ent­kom­men lässt, weil er meint, dass eine Tat ge­recht ge­we­sen oder je­mand be­reits durch sein Schick­sal ge­nug ge­straft sei. Ge­le­gent­lich ist da­bei fest­zu­stel­len, dass er An­ge­hö­ri­ge nied­ri­ger Stän­de gleich­gül­ti­ger be­han­delt als die Ver­tre­ter der „gu­ten Ge­sell­schaft“.

Fik­ti­ve Bio­gra­fi­en des De­tek­tivs, Büh­nen­stücke, Ver­fil­mun­gen und zahl­lo­se Nach­ah­mun­gen, dar­un­ter nicht sel­ten Sa­ti­ren, von de­nen Co­nan Doy­le mit „Wie Wat­son den Trick lern­te“ 1923 selbst eine ver­fass­te, kün­den von der un­ge­bro­che­nen Be­liebt­heit des kri­mi­na­lis­ti­schen Duos, ohne das die Welt­li­te­ra­tur we­ni­ger span­nend wäre.

be­rüch­tig­tes, bri­ti­sches Ge­fäng­nis in ei­ner Moor­ge­gend ge­le­gen  <<<

Der Mazarin-Stein

Es war Dr. Wat­son lieb, dass er wie­der ein­mal in dem un­or­dent­li­chen Zim­mer im ers­ten Stock­werk der Ba­ker Street sein konn­te, von dem so vie­le merk­wür­di­ge Aben­teu­er ih­ren Aus­gang ge­nom­men hat­ten. Sei­ne Bli­cke schweif­ten über die wis­sen­schaft­li­chen Ta­bel­len an der Wand, über den von Säu­ren ver­ätz­ten Tisch mit den Che­mi­ka­li­en, den in der Ecke ste­hen­den Gei­gen­kas­ten und den Koh­len­schrank, der seit je­her als Auf­be­wah­rungs­ort für die Pfei­fen und den Ta­bak diente. Schließ­lich blie­ben sei­ne Au­gen auf dem fri­schen, lä­cheln­den Ge­sicht Bil­lys, des jun­gen, je­doch sehr klu­gen und takt­vol­len Die­ners, haf­ten, der in die Ein­sam­keit und Zu­rück­ge­zo­gen­heit des großen De­tek­tivs ei­ni­ges Le­ben ge­bracht hat­te.

»Es scheint hier al­les ganz un­ver­än­dert zu sein, Bil­ly. Auch Sie ha­ben sich nicht ver­än­dert. Hof­fent­lich kann man von ihm das­sel­be sa­gen?«

Bil­ly warf einen be­sorg­ten Blick auf die ge­schlos­se­ne Tür, die in das Schlaf­zim­mer führ­te. »Ich den­ke, er liegt im Bett und schläft«, ant­wor­te­te er.

Es war ein wun­der­schö­ner Som­mer­tag und be­reits sie­ben Uhr abends, den­noch war Dr. Wat­son über die­se Be­mer­kung durch­aus nicht über­rascht, denn er kann­te die un­re­gel­mä­ßi­ge Le­bens­wei­se sei­nes al­ten Freun­des zur Ge­nü­ge.

»Das be­deu­tet wohl, dass er einen Fall in Ar­beit hat?«

»Ja­wohl, Herr Dok­tor, und ge­ra­de jetzt ist er scharf im Zuge. Ich fürch­te für sei­ne Ge­sund­heit. Er wird im­mer blas­ser und dün­ner und isst rein gar nichts. Wenn ihn Mrs. Hud­son fragt: ›Wann möch­ten Sie ger­ne es­sen, Mr. Hol­mes,‹ ant­wor­tet er etwa: ›Ü­ber­mor­gen sie­ben Uhr drei­ßig abends, dann aber ganz ge­hö­rig.‹ Sie wis­sen ja, wie er sein kann, wenn er auf einen Fall er­picht ist.«

»Ja, ja, Bil­ly, das weiß ich sehr gut.«

»Er ver­folgt je­man­den. Ges­tern ging er als Ar­bei­ter ver­klei­det aus und heu­te als alte Frau. So­gar mich hat er fast zu täu­schen ver­mocht, ob­wohl ich doch sei­ne Art schon ken­nen soll­te.«

Bil­ly wies grin­send auf einen sehr bau­schi­gen Son­nen­schirm, der am Sofa lehn­te. »Das ist ein Teil der Alt­wei­be­raus­stat­tung«, sag­te er.

»Aber worum han­delt es sich denn dies­mal ei­gent­lich, Bil­ly?«

Bil­ly dämpf­te sei­ne Stim­me wie je­mand, der über große Staats­ge­heim­nis­se spricht. »Ih­nen kann ich es ja sa­gen, Herr Dok­tor, aber be­hal­ten Sie es für sich. Es ist die Sa­che mit dem Kron­dia­man­ten.«

»Was? – Der Ein­bruch, bei dem der Dia­mant, der einen Wert von hun­dert­tau­send Pfund hat, ge­stoh­len wur­de?«

»Ja, Herr Dok­tor, den müs­sen sie wie­der ha­ben. Der Mi­nis­ter­prä­si­dent und der Mi­nis­ter des In­nern wa­ren bei uns. Auf dem Sofa dort ha­ben sie bei­de ge­ses­sen. Mr. Hol­mes war sehr nett zu ih­nen. Er ver­sprach ih­nen, sein Mög­lichs­tes zur Auf­fin­dung des Dia­man­ten zu tun, und das be­ru­hig­te sie bald. Dann ist noch Lord Cant­le­me­re da –«

»Ah, der?«

»Ja, Herr Dok­tor, was das be­deu­tet, wis­sen Sie wohl. Das ist ein stei­fer, tro­ckener Pa­tron, wenn ich so sa­gen darf. Ich habe nichts ge­gen den Mi­nis­ter­prä­si­den­ten und auch nichts ge­gen den Mi­nis­ter des In­nern, der ein höf­li­cher, ver­bind­li­cher Mann zu sein scheint, ein­zu­wen­den; aber Sei­ne Lord­schaft kann ich nicht aus­ste­hen. Auch Mr. Hol­mes mag den Mann nicht. Wis­sen Sie, er hält nichts von Mr. Hol­mes’ Fä­hig­kei­ten und war ge­gen sei­ne Be­trau­ung mit der An­ge­le­gen­heit. Er sähe es ganz ger­ne, wenn Mr. Hol­mes ver­sag­te.«

»Und weiß das Mr. Hol­mes?«

»Mr. Hol­mes weiß im­mer al­les, was nö­tig ist zu wis­sen.«

»Na, dann wol­len wir nur hof­fen, dass er nicht ver­sagt, da­mit Lord Cant­le­me­re be­schämt wer­de. Aber, Bil­ly, was ist das für ein Vor­hang vor dem Fens­ter?«

»Mr. Hol­mes hat ihn vor drei Ta­gen an­brin­gen las­sen. Wir ha­ben et­was Drol­li­ges da­hin­ter.«

Bil­ly schritt zu dem Vor­hang, der die Ni­sche des Er­kers ver­deck­te, und zog ihn zu­rück.

Dr. Wat­son konn­te einen Aus­ruf des Er­stau­nens nicht un­ter­drücken. Dort saß im Schlaf­rock, be­quem in einen Ses­sel ver­gra­ben, das Ge­sicht im Halb­pro­fil ge­gen das Fens­ter ge­rich­tet, die Au­gen ge­senkt, als lese er ein Buch, eine sehr ge­treue Nach­bil­dung sei­nes al­ten Freun­des. Bil­ly nahm der Pup­pe den Kopf ab und hielt ihn in die Luft.

»Wir ge­ben der Pup­pe und dem Kopf von Zeit zu Zeit eine an­de­re Stel­lung, da­mit das gan­ze na­tür­li­cher aus­sieht. Ich wür­de sie na­tür­lich nicht an­rüh­ren, wenn nicht die Vor­hän­ge her­ab­ge­las­sen wä­ren. Wenn die­se auf­ge­zo­gen sind, kann man näm­lich die Ge­stalt von drü­ben se­hen.«

»Wir ha­ben frü­her schon ein­mal et­was der­ar­ti­ges be­nutzt.«

»Wohl vor mei­ner Zeit«, mein­te Bil­ly. Er zog die Vor­hän­ge zu­rück und sah auf die Stra­ße. »Von drü­ben be­ob­ach­ten uns im­mer Leu­te. Auch jetzt sehe ich einen Kerl am Fens­ter. Über­zeu­gen Sie sich bit­te selbst.«

Wat­son schritt auf das Fens­ter zu, als sich plötz­lich die Schlaf­zim­mer­tür öff­ne­te und Hol­mes’ lan­ge, dün­ne Ge­stalt auf­tauch­te. Sein Ge­sicht war blass und trug den Aus­druck großer Er­schöp­fung, aber sein Schritt und sei­ne Hal­tung wa­ren leb­haft wie im­mer. Mit ei­nem Satz war er in der dunklen Ecke ne­ben dem Fens­ter und hat­te die Vor­hän­ge wie­der zu­ge­zo­gen.

»So, nun kann nichts mehr pas­sie­ren, Bil­ly. Sie wa­ren in Le­bens­ge­fahr, mein lie­ber Jun­ge, und ich kann Sie ge­ra­de jetzt nicht ent­beh­ren. Oh, Wat­son, ich freue mich, dich wie­der ein­mal bei mir zu se­hen. Du bist ge­ra­de in ei­nem kri­ti­schen Au­gen­blick ge­kom­men.«

»Das scheint mir so!«

»Bil­ly, Sie kön­nen ge­hen. Die­ser Jun­ge ist ein Pro­blem, Wat­son. Kann ich es ei­gent­lich ver­ant­wor­ten, ihn ei­ner Ge­fahr aus­zu­set­zen?«

»Was für ei­ner Ge­fahr, Hol­mes?«

»Der ei­nes plötz­li­chen To­des. Ich er­war­te et­was heu­te Abend.«

»Was denn?«

»Er­mor­det zu wer­den, Wat­son.«

»Na, na, Hol­mes, du scherzt!«

»Glau­be mir, selbst mein schwa­cher Sinn für Hu­mor wür­de bes­se­re Scher­ze ent­fal­ten kön­nen. Aber wol­len wir es uns nicht in­zwi­schen be­quem ma­chen? Darf ich dir einen Whis­ky an­bie­ten? Das So­da­was­ser und die Zi­gar­ren sind an ih­rem al­ten Plat­ze. Ich freue mich, dich wie­der ein­mal in dei­nem an­ge­stamm­ten Lehn­ses­sel zu se­hen. Hof­fent­lich stört dich mei­ne Pfei­fe nicht. Der elen­de Ta­bak muss mir in die­sen Ta­gen die Nah­rung er­set­zen.«

»Aber warum isst du nicht?«

»Weil der Geist sich schärft, wenn man ihn durch Hun­gern dazu zwingt. Du, mein lie­ber Wat­son, als Arzt musst zu­ge­ben, dass die Blut­zu­fuhr, die die Ver­dau­ung be­an­sprucht, einen Ver­lust für das Ge­hirn be­deu­tet. Ich aber bin ganz Ge­hirn. Al­les üb­ri­ge an mir ist nur ein An­häng­sel. Da­her muss ich auf mein Ge­hirn Rück­sicht neh­men.«

»Was ist das für eine Ge­fahr, Hol­mes, von der du sprichst?«

»Ach ja, die Ge­fahr! Mein Le­ben steht auf dem Spiel, und des­halb ist es wohl bes­ser, dass du dein Ge­dächt­nis mit dem Na­men und der An­schrift des Mör­ders be­las­test. Du könn­test sie dann mit ei­nem Gruß und ei­nem letz­ten Se­gen von mir in ›S­cot­land Yard‹ be­kannt­ge­ben. Syl­vi­us ist der Name – Graf Ne­gret­to Syl­vi­us – und die An­schrift: 136 Moor­si­de Gar­dens, N. W. Aber schreib sie dir lie­ber auf, mein Jun­ge.«

Über Wat­sons ehr­li­ches Ge­sicht flog ein Schat­ten der Be­sorg­nis. Er wuss­te nur zu gut, welch großen Ge­fah­ren sich Hol­mes aus­zu­set­zen pfleg­te, und dass er nie­mals über­trieb, son­dern im Ge­gen­teil sehr zu­rück­hal­tend in sei­nen An­ga­ben war. Wat­son war ein Mann der Tat, und er zeig­te sich auch die­ser Sach­la­ge ge­wach­sen.

»Rech­ne bei die­ser Sa­che mit mir, Hol­mes. Ich habe heu­te und mor­gen nichts Be­son­de­res vor.«

»Dei­ne Moral scheint sich nicht zu bes­sern, mein lie­ber Wat­son. Jetzt hast du dir zu dei­nen an­de­ren Las­tern auch noch das Flun­kern an­ge­wöhnt. Du bist doch ein sehr be­gehr­ter Arzt, den man zu je­der Ta­ges- und Nacht­zeit ruft.«

»Ach, das ist nicht so schlimm. Aber kannst du denn die­sen Men­schen nicht fest­neh­men las­sen?«

»Ja, Wat­son, das könn­te ich. Das be­un­ru­higt ihn ja auch so sehr.«

»Wa­rum tust du es denn nicht?«

»Weil ich nicht weiß, wo der Dia­mant ist.«

»Ah, Bil­ly er­zähl­te mir et­was da­von – das ver­miss­te Kron­ju­wel!«

»Ja, der große gel­be Ma­za­rin-Stein. Ich habe mein Netz ge­legt und habe mei­nen Fisch ge­fan­gen. Aber den Stein habe ich nicht be­kom­men. Was nützt es also, wenn ich die Gau­ner ver­haf­ten las­se? Die Welt wür­de zwar ge­win­nen, wenn sie im Ge­fäng­nis sä­ßen, aber das zu er­rei­chen, ge­nügt mir nicht. Ich muss den Stein ha­ben.«

»Und ist der Graf Syl­vi­us ei­ner dei­ner Fi­sche?«

»Ja, und noch dazu ein Hai­fisch. Er schnappt nach mir. Der an­de­re ist Sam Mer­ton, der Bo­xer. Mer­ton ist kein schlech­ter Kerl, aber der Graf be­nutzt ihn als Werk­zeug. Sam ist auch kein Hai­fisch, son­dern ein großer, di­cker, dum­mer, breit­schäd­li­ger Gründ­ling. Aber er zap­pelt eben­falls in mei­nem Netz.«

»Wo steckt denn die­ser Graf Syl­vi­us?«

»Ich war ihm den gan­zen Vor­mit­tag auf den Fer­sen. Du hast mich schon frü­her als alte Dame ver­klei­det ge­se­hen, Wat­son, aber nie­mals ist mir die­se Ver­klei­dung bes­ser ge­lun­gen als heu­te. Den­ke dir, er hob mir so­gar den Son­nen­schirm auf. ›Mit Ver­laub, gnä­di­ge Frau‹, sag­te er mit der lie­bens­wür­di­gen Art des Süd­län­ders – du musst wis­sen, dass er ein hal­ber Ita­lie­ner ist –. Die­se Leu­te kön­nen be­stri­ckend höf­lich sein, wenn sie gut auf­ge­legt sind, im Zor­ne aber wer­den sie zu wah­ren Teu­feln in Men­schen­ge­stalt. Das Le­ben ist doch voll der selt­sams­ten Be­ge­ben­hei­ten, Wat­son.«

»Es hät­te wohl auch eine tra­gi­sche wer­den kön­nen.«

»Ja, viel­leicht. Ich folg­te ihm bis zu der Werk­statt des al­ten Strau­ben­zee in den Mi­no­ries.1 Strau­ben­zee hat die Wind­büch­se2 ge­macht – eine gute Ar­beit, wie ich höre. – Ich den­ke, sie wird jetzt schon im ge­gen­über­lie­gen­den Fens­ter sein. Hast du die Pup­pe ge­se­hen? Aber was rede ich. Bil­ly hat sie dir ja ge­zeigt. Die kann jetzt je­den Au­gen­blick eine Ku­gel durch ih­ren schö­nen Kopf be­kom­men. Ah, da ist Bil­ly. Wa­rum kom­men Sie?«

Der jun­ge Bur­sche hat­te mit ei­ner Vi­si­ten­kar­te auf dem Ta­blett das Zim­mer be­tre­ten. Hol­mes warf einen Blick dar­auf, zog die Brau­en in die Höhe, und ein be­lus­tig­tes Lä­cheln um­spiel­te sei­ne Lip­pen.

»Ha, der Mann selbst! Das habe ich kaum er­war­tet. Greif in die Bren­nes­seln, Wat­son! Der Mann hat Ner­ven. Vi­el­leicht hast du schon ge­hört, dass er als Jä­ger von Groß­wild einen Ruf ge­nießt. Es wäre wohl ein glor­rei­cher Ab­schluss sei­ner Schuss­lis­te, wenn er mich jetzt zur Stre­cke bräch­te. Das ist ein Be­weis, dass er mich auf sei­nen Fer­sen fühlt.«

»Lass doch die Po­li­zei ho­len.«

»Das wer­de ich wahr­schein­lich tun, aber jetzt noch nicht. Wat­son, wür­dest du wohl ein­mal vor­sich­tig aus dem Fens­ter se­hen, ob ir­gend­je­mand auf der Stra­ße her­um­lun­gert.«

Wat­son lug­te be­hut­sam durch den Spalt zwi­schen Vor­hang und Fens­ter­rah­men. »Ja, in der Nähe der Haus­tür steht ein rau­er Ge­sel­le.«

»Das wird Sam Mer­ton sein, der treue, aber ziem­lich ein­fäl­ti­ge Sam. Wo ist die­ser Herr, Bil­ly?«

»Im War­te­zim­mer, Mr. Hol­mes.«

»Füh­ren Sie ihn her­ein, wenn ich läu­te.«

»Ja­wohl.«

»Auch wenn ich nicht im Zim­mer bin, füh­ren Sie ihn trotz­dem her­ein.«

»Ja­wohl, Mr. Hol­mes.«

Wat­son war­te­te, bis sich die Tür hin­ter dem Jun­gen ge­schlos­sen hat­te, und wand­te sich dann mit erns­tem Ge­sicht an sei­nen Freund. »Höre, Hol­mes, das ist doch ein­fach un­mög­lich. Die­ser ver­we­ge­ne Mensch scheut doch vor nichts zu­rück. Vi­el­leicht ist er her­ge­kom­men, um dich zu er­mor­den.«

»Das wür­de mich nicht über­ra­schen.«

»Ich wer­de bei dir hier im Zim­mer blei­ben. Ich be­ste­he dar­auf.«

»Du wür­dest nur schreck­lich im Wege sein.«

»Wem? Ihm?«

»Nein, lie­ber Jun­ge, mir.«

»Ich kann dich aber un­mög­lich al­lein las­sen.«

»Doch, Wat­son, das kannst du und das wirst du auch, denn du warst nie­mals ein Spiel­ver­der­ber, und ich bin über­zeugt, dass du das auch heu­te nicht sein wirst. Die­ser Mensch ist um sei­ner ei­ge­nen Ab­sich­ten wil­len ge­kom­men, aber sein Be­such soll mei­nen Zwe­cken die­nen.«

Hol­mes zog sein No­tiz­buch aus der Ta­sche und krit­zel­te ei­ni­ge Wor­te auf ein Blatt. »Nimm dir, bit­te, einen Wa­gen, fah­re nach Scot­land Yard und gib die­se Zei­len Mr. Youghal von der Kri­mi­nal-Nach­for­schungs-Ab­tei­lung. Komm dann mit dem Be­am­ten zu­rück. Die Ver­haf­tung des Bur­schen wird fol­gen.«

»Das tue ich mit Ver­gnü­gen.«

»In­zwi­schen wer­de ich wohl ge­ra­de ge­nü­gend Zeit ha­ben, aus­fin­dig zu ma­chen, wo der Stein ist.« Er läu­te­te. »Lass uns durch das Schlaf­zim­mer ge­hen. Die­ser zwei­te Aus­gang ist au­ßer­or­dent­lich nütz­lich. Ich möch­te gern mei­nen Hai­fisch se­hen, ohne dass er mich sieht, und ich habe, wie du dich viel­leicht er­in­nerst, mein ei­ge­nes Ver­fah­ren da­für.«

Graf Syl­vi­us wur­de, weil Hol­mes und Wat­son in­zwi­schen hin­aus­ge­gan­gen wa­ren, von Bil­ly eine Mi­nu­te spä­ter in ein lee­res Zim­mer ge­führt. Der be­rühm­te Jä­ger, Sports­mann und Le­be­mann war ein kräf­ti­ger, brü­net­ter Mann mit ei­nem mäch­ti­gen dunklen Schnurr­bart, der einen grau­sa­men Mund mit zu­sam­men­ge­knif­fe­nen, schma­len Lip­pen be­schat­te­te. Die­sen über­rag­te eine lan­ge, ge­bo­ge­ne Nase, die an den Schna­bel ei­nes Ad­lers er­in­ner­te. Er war sehr gut ge­klei­det, aber sei­ne far­ben­präch­ti­ge Kra­wat­te, sei­ne fun­keln­de Bu­sen­na­del und sei­ne glit­zern­den Rin­ge wirk­ten et­was auf­dring­lich. Als die Tür sich hin­ter ihm ge­schlos­sen hat­te, sah er sich mit wil­den, er­schreck­ten Bli­cken im Zim­mer um, wie je­mand, der auf je­dem Schritt eine Fal­le wit­tert. Plötz­lich zuck­te er hef­tig zu­sam­men. Sei­ne Au­gen blie­ben an dem Ses­sel im Er­ker hän­gen, über des­sen Leh­ne ein Kopf und der Kra­gen ei­nes Schlafrockes her­vor­rag­te. Zu­erst flog nur ein Aus­druck höchs­ter Ver­wun­de­rung über sei­ne Züge, dann aber glimm­te es in sei­nen Au­gen mord­gie­rig auf. Er warf noch ein­mal einen scheu­en Blick um sich, wie um sich zu ver­ge­wis­sern, dass auch nie­mand in der Nähe sei, und nun schlich er sich auf den Ze­hen­spit­zen, sei­nen di­cken Stock halb er­ho­ben, an die Ge­stalt im Er­ker her­an. Fer­tig zum letz­ten Sprung hol­te er zum töd­li­chen Hie­be aus; da er­klang eine ge­las­se­ne Stim­me:

»Wa­rum wol­len Sie mir denn die schö­ne Pup­pe ka­putt schla­gen, Herr Graf?«

In der ge­öff­ne­ten Schlaf­zim­mer­tür stand Hol­mes.

Graf Syl­vi­us tau­mel­te zu­rück, Be­stür­zung auf sei­nen ver­zerr­ten Zü­gen. Noch ein­mal er­hob er den Tot­schlä­ger, als woll­te er sich jetzt auf das Ori­gi­nal stür­zen, aber in des­sen ru­hi­gen grau­en Au­gen und mo­kan­tem Lä­cheln lag et­was, das sei­nen Arm sin­ken ließ.

»Eine gut ge­lun­ge­ne Ar­beit, nicht wahr?« sag­te Hol­mes, sich sei­nem Eben­bil­de nä­hernd. »Ta­ver­nier, der be­kann­te fran­zö­si­sche Mo­del­lie­rer, hat die Pup­pe ge­macht. In Wachs­ar­beit ist er ge­nau so ein Meis­ter, wie Ihr Freund Strau­ben­zee in Luft­ge­weh­ren.«

»Luft­ge­weh­re? Was mei­nen Sie da­mit?«

»Le­gen Sie doch Ihren Hut und Stock dort auf den Tisch. Dan­ke sehr! Bit­te neh­men Sie Platz. Möch­ten Sie nicht auch Ihren Re­vol­ver ab­le­gen? Aber, Sie sit­zen wohl lie­ber drauf. Üb­ri­gens kommt mir Ihr Be­such sehr ge­le­gen, denn ich heg­te schon lan­ge den Wunsch, ei­ni­ge Mi­nu­ten mit Ih­nen zu plau­dern.«

Der Graf run­zel­te die Stir­ne und sah Hol­mes fins­ter an. »Das­sel­be trifft bei mir zu, und des­halb bin ich ge­kom­men. Ich will gar nicht leug­nen, dass ich Sie eben über­fal­len woll­te.«

Hol­mes setz­te sich halb auf die Tisch­kan­te und pen­del­te mit dem Un­ter­schen­kel. »Es schi­en mir, als heg­ten Sie sol­che Ab­sich­ten«, ant­wor­te­te er. »Aber warum die­se Auf­merk­sam­kei­ten?«

»Weil Sie sich so viel Um­stän­de ge­macht ha­ben, um mich zu be­läs­ti­gen, und weil Sie Ihre Hel­fers­hel­fer auf mei­ne Spur ge­setzt ha­ben.«

»Mei­ne Hel­fers­hel­fer? Ich ver­si­che­re Sie, dass Sie sich ir­ren.«

»Un­sinn, ich habe sie doch ›be­schat­ten‹ las­sen. Aber da habe ich auch wohl noch ein Wört­chen mit­zu­re­den, Hol­mes.«

»Es ist zwar nur eine Ne­ben­säch­lich­keit, Graf Syl­vi­us, aber viel­leicht ha­ben Sie doch die Güte, mich mit ›Mis­ter‹ an­zu­re­den. Sie wer­den wohl ver­ste­hen, dass ich sonst mit der hal­b­en Gau­ner­welt auf ver­trau­tem Fuße ste­hen wür­de, und mir bei­stim­men, dass es nicht mög­lich ist, Aus­nah­men zu ma­chen.«

»Also gut, Mis­ter Hol­mes.«

»Aus­ge­zeich­net! Aber ich ver­si­che­re Ih­nen noch ein­mal, dass Ihre Be­haup­tung be­züg­lich mei­ner Agen­ten falsch ist.«

Graf Syl­vi­us lach­te ver­ächt­lich. »An­de­re Leu­te ha­ben viel­leicht eine eben­so gute Beo­b­ach­tungs­ga­be wie Sie, Mr. Hol­mes. Ges­tern spür­te mir ein al­ter Sports­mann nach und heu­te eine äl­te­re Frau. Sie wa­ren den gan­zen Tag hin­ter mir her.«

»Wirk­lich, mein Herr, Sie schmei­cheln mir. Der alte Baron Dow­son sag­te am Abend, be­vor man ihn häng­te:

›Was der Staat und die Po­li­zei an Hol­mes ge­won­nen ha­ben, hat die Büh­ne an ihm ver­lo­ren.‹ Und jetzt lo­ben auch Sie lie­bens­wür­di­ger­wei­se mei­ne be­schei­de­nen Ver­klei­dungs­küns­te.«

»Was? Sie wa­ren es selbst?«

Hol­mes zuck­te mit den Schul­tern. »Dort in der Ecke steht der Son­nen­schirm, den Sie mir so höf­lich auf­ho­ben, ehe Sie Ver­dacht ge­schöpft hat­ten.«

»Hät­te ich das ge­wusst, so hät­ten Sie nie­mals –«

»… die­ses be­schei­de­ne Heim wie­der­ge­se­hen«, vollen­de­te Hol­mes. »Ich war mir des­sen be­wusst. Aber trös­ten Sie sich. Je­der Mensch hat ver­pass­te Ge­le­gen­hei­ten zu be­kla­gen. Da­mals wuss­ten Sie es eben noch nicht, und des­halb sit­zen wir jetzt hier bei­sam­men.«

Un­ter des Gra­fen bu­schi­gen Au­gen­brau­en schos­sen dro­hen­de Blit­ze her­vor. »Ihre Wor­te ma­chen die Sa­che nur noch schlim­mer. Es wa­ren also nicht Ihre Agen­ten, son­dern Sie selbst wa­ren in Ver­klei­dun­gen so zu­dring­lich. Sie ge­ben also zu, dass Sie mir ge­folgt sind. Wa­rum?«

»Hö­ren Sie mich an, Graf. Sie pfleg­ten doch in Afri­ka Lö­wen zu schie­ßen?«

»Ja, und…«

»Wa­rum?«

»Wa­rum? – Der Sport – die Er­re­gung – die Ge­fahr!«

»Und zwei­fel­los auch, um das Land von ei­ner Pla­ge zu be­frei­en?«

»Ge­wiss!«

»Also das sind mit we­ni­gen Wor­ten auch mei­ne Grün­de für die Jagd auf Sie.«

Der Graf sprang auf, und sei­ne Hand fuhr nach sei­ner hin­te­ren Ho­sen­ta­sche.

»Set­zen Sie sich, mein Herr, set­zen Sie sich! Ich habe noch einen an­de­ren, einen prak­ti­sche­ren Grund für mein Ver­hal­ten. Ich will den gel­ben Dia­man­ten ha­ben!«

Graf Syl­vi­us lehn­te sich bos­haft lä­chelnd in sei­nem Stuhl zu­rück. »Wirk­lich?« höhn­te er.

»Sie wis­sen ja ge­nau, dass ich des­halb hin­ter Ih­nen her bin. Sie sind heu­te Abend ja nur hier, um aus­fin­dig zu ma­chen, wie viel ich von der Sa­che weiß, und ob es ab­so­lut not­wen­dig ist, mich aus dem Wege zu räu­men. Nun, ich kann Ih­nen ver­si­chern, dass es von Ihrem Stand­punk­te aus wirk­lich not­wen­dig ist, denn ich weiß al­les bis auf einen Um­stand, den Sie mir je­doch gleich ver­ra­ten wer­den.«

»So, mei­nen Sie? Und der wäre?«

»Das au­gen­blick­li­che Ver­steck des Kron­dia­man­ten.«

Der Graf sah sein Ge­gen­über durch­drin­gend an. »Also das wol­len Sie wis­sen, aber warum, zum Teu­fel, soll ge­ra­de ich es Ih­nen sa­gen kön­nen?«

»Sie kön­nen es, und Sie wer­den es!«

»Was Sie nicht sa­gen!«

»Sie kön­nen mich nicht bluf­fen, Graf Syl­vi­us.« Hol­mes stahl­graue Au­gen nah­men einen har­ten Aus­druck an, und sei­ne Bli­cke bohr­ten sich in die sei­nes Gas­tes. »Sie sind für mich aus Glas. Ich sehe bis auf den Grund Ih­rer See­le.«

»Na, dann wer­den Sie ja auch se­hen, wo der Dia­mant ist!«

Hol­mes klatsch­te ver­gnügt in die Hän­de und sag­te, mit dem Zei­ge­fin­ger spöt­tisch auf den Gra­fen deu­tend. »Also Sie wis­sen es doch, denn Sie ha­ben es eben zu­ge­ge­ben.«

»Ich habe gar nichts zu­ge­ge­ben.«

»Hö­ren Sie, Graf, wenn Sie ver­nünf­tig sein wol­len, kön­nen wir ein Ge­schäft zu­sam­men ma­chen. Wenn nicht, so wer­den Sie den kür­ze­ren zie­hen.«

Graf Syl­vi­us warf einen Blick zur De­cke em­por. »Und Sie re­den von Bluf­fen!«