Sherlock Holmes – Der Hund von Baskerville - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes – Der Hund von Baskerville E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Die berühmteste Sherlock-Holmes-Geschichte erstmals ungekürzt und illustriert als digitale Ausgabe Der Hund von Baskerville (oder besser: Der Hund der Baskervilles) ist gewürzt mit allem, was eine gute Holmes-Geschichte ausmacht: Ein altes, düsteres Familiengeheimnis, eine Frau in Not (eigentlich sind es hier derer drei) und einem Gegner, "der unserer Klinge würdig ist." Wenn man diese Geschichte liest, ach was, verschlingt, weiß man gleich, woher die Vorlage aller modernen TV- und Filmdetektive stammt. Lesen Sie nicht die Kopie! Lesen Sie das Original! Lesen Sie gleich jetzt ein Probekapitel! ...Ich lag an Holmes' Ellbogen und warf einen schnellen Blick auf sein Gesicht. Er war bleich, aber offenbar frohlockte er innerlich; seine Augen funkelten hell im Mondenschein. Plötzlich aber stierte er entsetzt vorwärts und seine Lippen öffneten sich in maßlosem Erstaunen. Im selben Augenblick stieß Lestrade einen Schrei des Entsetzens aus und fiel mit dem Gesicht auf die Erde. Ich sprang auf; meine zitternde Hand umklammerte den Revolver, aber ich konnte nicht schießen, mein Geist war gelähmt Von dem Anblick des grausigen Geschöpfes, das aus dem Nebel hervorgesprungen kam.... Null Papier Verlag

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Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Der Hund von Baskerville

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes – Der Hund von Baskerville

Vollständige & Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Übersetzung: Heinrich DarnocIllustrationen: Hans Anton Aschenborn EV: Stuttgart, Verlag R. Lutz, 1903 3. Auflage, ISBN 978-3-954181-09-4

null-papier.de/157

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Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Ar­thur Co­nan Doy­le & Sher­lock Hol­mes

I. Der teu­re Stock

II. Ein rät­sel­haf­tes Ver­häng­nis

III. Ver­such ei­ner Er­klä­rung

IV. Be­ra­tun­gen

V. Im­mer mehr klei­ne Ge­heim­nis­se

VI. Sir Hen­rys Ein­zug in Bas­ker­ville Hall

VII. Dok­tor Wat­sons ers­ter Aus­gang

VIII. Dok­tor Wat­sons ers­ter Be­richt

IX. Dok­tor Wat­sons zwei­ter Be­richt

X. Aus­zug aus Dr. Wat­sons Ta­ge­buch

XI. Die Spur wird deut­li­cher

XII. Sher­lock Hol­mes greift ein

XIII. Die Rät­sel lö­sen sich

XIV. Der große Schlag

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

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Arthur Conan Doyle & Sherlock Holmes

Wo­mög­lich wäre die Li­te­ra­tur heu­te um eine ih­rer schil­lernds­ten De­tek­tiv­ge­stal­ten är­mer, wür­de der am 22. Mai 1859 in Edin­bur­gh ge­bo­re­ne Ar­thur Igna­ti­us Co­nan Doy­le nicht aus­ge­rech­net an der me­di­zi­ni­schen Fa­kul­tät der Uni­ver­si­tät sei­ner Hei­mat­stadt stu­die­ren. Hier näm­lich lehrt der spä­ter als Vor­rei­ter der Fo­ren­sik gel­ten­de Chir­urg Jo­seph Bell. Die Metho­dik des Do­zen­ten, sei­ne Züge und sei­ne ha­ge­re Ge­stalt wird der an­ge­hen­de Au­tor für den der­einst be­rühm­tes­ten De­tek­tiv der Kri­mi­nal­li­te­ra­tur über­neh­men.

Ge­burt und Tod des Hol­mes

Der ers­te Ro­man des seit 1883 in South­sea prak­ti­zie­ren­den Arz­tes teilt das Schick­sal zahl­lo­ser Erst­lin­ge – er bleibt un­voll­en­det in der Schub­la­de. Erst 1887 be­tritt Sher­lock Hol­mes die Büh­ne, als »Eine Stu­die in Schar­lach­rot« er­scheint. Nach­dem Co­nan Doy­le im Ma­ga­zin The Strand sei­ne Hol­mes-Epi­so­den ver­öf­fent­li­chen darf, ist er als er­folg­rei­cher Au­tor zu be­zeich­nen. The Strand er­öff­net die Rei­he mit »Ein Skan­dal in Böh­men«. Im Jahr 1890 zieht der Schrift­stel­ler nach Lon­don, wo er ein Jahr dar­auf, dank sei­nes li­te­ra­ri­schen Schaf­fens, be­reits sei­ne Fa­mi­lie er­näh­ren kann; seit 1885 ist er mit Loui­se Hawkins ver­hei­ra­tet, die ihm einen Sohn und eine Toch­ter schenkt.

Gin­ge es aus­schließ­lich nach den Le­sern, wäre dem küh­len De­tek­tiv und sei­nem schnauz­bär­ti­gen Mit­be­woh­ner ewi­ges Le­ben be­schie­den. Die Aben­teu­er der bei­den Freun­de neh­men frei­lich, wie ihr Schöp­fer meint, zu viel Zeit in An­spruch; der Au­tor möch­te his­to­ri­sche Ro­ma­ne ver­fas­sen. Des­halb stürzt er 1893 in »Das letz­te Pro­blem« so­wohl den De­tek­tiv als auch des­sen Wi­der­sa­cher Mo­ri­ar­ty in die Rei­chen­bach­fäl­le. Die Pro­tes­te der ent­täusch­ten Le­ser­schaft fruch­ten nicht – Hol­mes ist tot.

Die Wie­der­au­fer­ste­hung des Hol­mes

Ob­wohl sich der Schrift­stel­ler mitt­ler­wei­le der Ver­gan­gen­heit und dem Mys­ti­zis­mus wid­met, bleibt sein In­ter­es­se an Po­li­tik und rea­len Her­aus­for­de­run­gen doch un­ge­bro­chen. Den Zwei­ten Bu­ren­krieg er­lebt Co­nan Doy­le seit 1896 an der Front in Süd­afri­ka. Aus sei­nen Ein­drücken und po­li­ti­schen An­sich­ten re­sul­tie­ren zwei nach 1900 pu­bli­zier­te pro­pa­gan­dis­ti­sche Wer­ke, wo­für ihn Queen Vic­to­ria zum Rit­ter schlägt.

Eben zu je­ner Zeit weilt Sir Ar­thur zur Er­ho­lung in Nor­folk, was Hol­mes zu neu­en Ehren ver­hel­fen wird. Der Li­te­rat hört dort von ei­nem Geis­ter­hund, der in Dart­moor1 eine Fa­mi­lie ver­fol­gen soll. Um das Mys­te­ri­um auf­zu­klä­ren, re­ani­miert Co­nan Doy­le sei­nen ex­zen­tri­schen Ana­ly­ti­ker: 1903 er­scheint »Der Hund der Bas­ker­vil­les«. Zeit­lich noch vor dem Tod des De­tek­tivs in der Schweiz an­ge­sie­delt, er­fährt das Buch enor­men Zu­spruch, wes­halb der Au­tor das Ge­nie 1905 in »Das lee­re Haus« end­gül­tig wie­der­be­lebt.

Das un­wi­der­ruf­li­che Ende des Hol­mes

Nach dem Tod sei­ner ers­ten Frau im Jahr 1906 und der Hei­rat mit der, wie Co­nan Doy­le glaubt, me­di­al be­gab­ten Jean Le­ckie be­fasst sich der Pri­vat­mann mit Spi­ri­tis­mus. Sein li­te­ra­ri­sches Schaf­fen kon­zen­triert sich zu­neh­mend auf Zu­kunfts­ro­ma­ne, de­ren be­kann­tes­ter Pro­tago­nist der Ex­zen­tri­ker Pro­fes­sor Chal­len­ger ist. Als po­pu­lärs­ter Chal­len­ger-Ro­man gilt die 1912 ver­öf­fent­lich­te und be­reits 1925 ver­film­te Ge­schich­te »Die ver­ges­se­ne Welt«, die Co­nan Doy­le zu ei­nem Witz ver­hilft: Der durch­aus schlitz­oh­ri­ge Schrift­stel­ler zeigt im klei­nen Kreis ei­ner Spi­ri­tis­ten­sit­zung Film­auf­nah­men ver­meint­lich le­ben­der Sau­ri­er, ohne zu er­wäh­nen, dass es sich um Ma­te­ri­al der ers­ten Ro­man­ver­fil­mung han­delt.

Die spä­te Freund­schaft des Li­te­ra­ten mit Hou­di­ni zer­bricht am Spi­ri­tis­mus-Streit, denn der un­char­man­te Zau­ber­künst­ler ent­larvt zahl­rei­che Be­trü­ger, wäh­rend der Schrift­stel­ler von der Exis­tenz des Über­na­tür­li­chen über­zeugt ist. Co­nan Doy­les Geis­ter­glau­be er­hält Auf­trieb, als sein äl­tes­ter Sohn Kings­ley wäh­rend des Ers­ten Welt­kriegs an der Front fällt.

Noch bis 1927 be­dient der Au­tor das Pub­li­kum mit Kurz­ge­schich­ten um Hol­mes und Wat­son; zu­letzt er­scheint »Das Buch der Fäl­le«. Als Sir Ar­thur Co­nan Doy­le am 7. Juli 1930 stirbt, trau­ern Fa­mi­lie und Le­ser­schaft glei­cher­ma­ßen, denn dies­mal ist Hol­mes wirk­lich tot.

Von der Be­deu­tung ei­nes Ge­schöp­fes

Oder viel­mehr ist Hol­mes ein ewi­ger Wie­der­gän­ger, der im Ge­dächt­nis des Pub­li­kums fort­lebt. Nicht we­ni­ge Le­ser hiel­ten und hal­ten den De­tek­tiv für eine exis­ten­te Per­son, was nicht zu­letzt Co­nan Doy­les er­zäh­le­ri­schem Ge­schick und dem Rea­li­täts­be­zug der Ge­schich­ten zu ver­dan­ken sein dürf­te. Tat­säch­lich kam man im 20. Jahr­hun­dert dem Be­dürf­nis nach et­was Hand­fes­tem nach, in­dem ein Haus in der Lon­do­ner Ba­ker Street die Num­mer 221 b er­hielt. Dort be­fin­det sich das Sher­lock-Hol­mes-Mu­se­um.

Co­nan Doy­les zeit­ge­nös­si­scher Schrift­stel­ler­kol­le­ge Gil­bert Keith Che­s­ter­ton, geis­ti­ger Va­ter des kri­mi­na­lis­ti­schen Pa­ter Brown, brach­te das li­te­ra­ri­sche Ver­dienst sei­nes Lands­manns auf den Punkt: Sinn­ge­mäß sag­te er, dass es nie bes­se­re De­tek­tiv­ge­schich­ten ge­ge­ben habe und dass Hol­mes mög­li­cher­wei­se die ein­zi­ge volks­tüm­li­che Le­gen­de der Mo­der­ne sei, de­ren Ur­he­ber man gleich­wohl nie ge­nug ge­dankt habe.

Dass der De­tek­tiv sein sons­ti­ges Schaf­fen der­ma­ßen über­la­gern konn­te, war Co­nan Doy­le selbst nie­mals recht. Er hielt sei­ne his­to­ri­schen, po­li­ti­schen und spä­ter sei­ne mys­ti­zis­tisch-spi­ri­tis­ti­schen Ar­bei­ten für wert­vol­ler, wäh­rend die Kurz­ge­schich­ten dem blo­ßen Brot­er­werb dienten. Ver­mut­lich über­sah er bei der Selb­st­ein­schät­zung sei­ner ver­meint­li­chen Tri­vi­al­li­te­ra­tur de­ren enor­me Wir­kung, die weit über ih­ren ho­hen Un­ter­hal­tungs­wert hin­aus­ging.

So wie Jo­seph Bell, Co­nan Doy­les Do­zent an der Uni­ver­si­tät, durch prä­zi­se Beo­b­ach­tung auf die Er­kran­kun­gen sei­ner Pa­ti­en­ten schlie­ßen konn­te, soll­te Sher­lock Hol­mes an Kri­mi­nal­fäl­le her­an­ge­hen, die so­wohl sei­nen Kli­en­ten als auch der Po­li­zei un­er­klär­lich schie­nen. Bells streng wis­sen­schaft­li­ches Vor­ge­hen stand Pate für De­duk­ti­on und fo­ren­si­sche Metho­dik in den vier Ro­ma­nen und 56 Kurz­ge­schich­ten um den ha­ge­ren Gent­le­man-De­tek­tiv. Pro­fes­sor Bell be­riet die Po­li­zei bei der Ver­bre­chensauf­klä­rung, ohne in den of­fi­zi­el­len Be­rich­ten oder in den Zei­tun­gen er­wähnt wer­den zu wol­len. Die Ähn­lich­keit zu Hol­mes ist au­gen­fäl­lig. Wirk­lich war in den Ge­schich­ten die Fik­ti­on der Rea­li­tät vor­aus, denn wis­sen­schaft­li­che Ar­beits­wei­se, ge­naue Ta­tort­un­ter­su­chung und ana­ly­tisch-ra­tio­na­les Vor­ge­hen wa­ren der Kri­mi­na­lis­tik je­ner Tage neu. Man ur­teil­te nach Au­gen­schein und ent­warf Theo­ri­en, wo­bei die Be­weis­füh­rung nicht er­geb­ni­sof­fen ge­führt wur­de, son­dern le­dig­lich jene Theo­ri­en be­le­gen soll­te. Zwei­fel­los hat die Po­pu­la­ri­tät der Er­leb­nis­se von Hol­mes und Wat­son den Auf­stieg der rea­len Fo­ren­sik in der Ver­bre­chensauf­klä­rung un­ter­stützt.

Ein wei­te­rer in­ter­essan­ter Aspekt der Er­zäh­lun­gen be­trifft Co­nan Doy­les Nei­gung, sei­ne ei­ge­nen An­sich­ten ein­zu­ar­bei­ten. Zwar be­vor­zug­te er zu die­sem Zweck an­de­re Schaf­fens­zwei­ge, aber es fin­den sich ge­sell­schaft­li­che und mo­ra­li­sche Mei­nun­gen, wenn Hol­mes etwa Ver­bre­cher ent­kom­men lässt, weil er meint, dass eine Tat ge­recht ge­we­sen oder je­mand be­reits durch sein Schick­sal ge­nug ge­straft sei. Ge­le­gent­lich ist da­bei fest­zu­stel­len, dass er An­ge­hö­ri­ge nied­ri­ger Stän­de gleich­gül­ti­ger be­han­delt als die Ver­tre­ter der »gu­ten Ge­sell­schaft«.

Fik­ti­ve Bio­gra­fi­en des De­tek­tivs, Büh­nen­stücke, Ver­fil­mun­gen und zahl­lo­se Nach­ah­mun­gen, dar­un­ter nicht sel­ten Sa­ti­ren, von de­nen Co­nan Doy­le mit »Wie Wat­son den Trick lern­te« 1923 selbst eine ver­fass­te, kün­den von der un­ge­bro­che­nen Be­liebt­heit des kri­mi­na­lis­ti­schen Duos, ohne das die Welt­li­te­ra­tur we­ni­ger span­nend wäre.

be­rüch­tig­tes, bri­ti­sches Ge­fäng­nis in ei­ner Moor­ge­gend ge­le­gen  <<<

I. Der teure Stock

Sher­lock Hol­mes, der für ge­wöhn­lich mor­gens sehr spät auf­stand, wenn er nicht – was al­ler­dings nicht sel­ten vor­kam – die gan­ze Nacht hin­durch auf­ge­we­sen war… Sher­lock Hol­mes saß am Früh­stücks­tisch. Ich stand auf dem Ka­min­tep­pich und nahm den Stock zur Hand, den un­ser Be­su­cher ges­tern Abend zu­rück­ge­las­sen hat­te. Es war ein schö­nes, dickes Stück Holz mit run­dem Knauf – ein so­ge­nann­ter Po­li­zis­ten­knüp­pel. Un­mit­tel­bar un­ter dem Knopf be­fand sich ein fast zoll­brei­ter sil­ber­ner Reif mit ei­ner In­schrift:

Ja­mes Mor­ti­mer, M. R. C. S. von sei­nen Freun­den vom C. C. H.

Es war so recht ein alt­mo­di­scher Haus­dok­tor­stock – wür­dig, derb, ver­trau­en­er­we­ckend.

»Nun, Wat­son, was machst du dar­aus?«

Hol­mes saß mit dem Rücken ge­gen mich, ich hat­te nichts ge­tan, wor­aus er auf mei­ne Be­schäf­ti­gung hät­te schlie­ßen kön­nen.

»Wo­her wuss­test du, was ich mach­te? Ich glau­be wahr­haf­tig, du hast ein paar Au­gen im Hin­ter­kopf.«

»Wenn auch das nicht, so habe ich doch eine blitz­blan­ke, sil­ber­plat­tier­te Kaf­fee­kan­ne vor mir«, ent­geg­ne­te er. »Aber sage mir, Wat­son, was machst du aus un­se­res Be­su­chers Stock? Da er uns un­glück­li­cher­wei­se nicht an­ge­trof­fen hat und wir kei­ne Ah­nung ha­ben, was er von uns will, so er­hält die­ses zu­fäl­lig hier­geblie­be­ne An­den­ken eine ge­wis­se Be­deu­tung. Lass mal hö­ren, wie du dir nach dem Spa­zier­stock den Be­sit­zer vor­stellst.«

»Ich den­ke,« sag­te ich, nach bes­ten Kräf­ten mich der Metho­de be­die­nend, die mein Freund Hol­mes bei sei­nen For­schun­gen an­zu­wen­den pfleg­te, »Dok­tor Mor­ti­mer ist ein äl­te­rer Arzt mit gu­ter Pra­xis. Er ist ein an­ge­se­he­ner Mann, da sei­ne Be­kann­ten ihm ein sol­ches Zei­chen ih­rer Wert­schät­zung ge­ben.«

»Gut!« rief Hol­mes. »Aus­ge­zeich­net!«

»Fer­ner dürf­te die Wahr­schein­lich­keit da­für spre­chen, dass er ein Land­arzt ist, der einen gu­ten Teil sei­ner Kran­ken­be­su­che zu Fuß macht.«

»Wa­rum?«

»Weil sein Stock, ob­wohl er ur­sprüng­lich sehr schön war, so mit­ge­nom­men ist, dass ich mir kaum vor­stel­len kann, ein städ­ti­scher Arzt habe ihn ge­braucht. Die star­ke ei­ser­ne Zwin­ge ist sehr ab­ge­nutzt, es ist also of­fen­sicht­lich, dass der Stock tüch­ti­ge Mär­sche mit­ge­macht hat.«

»Voll­kom­men ver­nünf­tig ge­dacht!« be­merk­te Hol­mes.

»Und wei­ter – da sind ›die Freun­de vom C. C. H.‹. Ich möch­te an­neh­men, es han­delt sich da um ir­gend­ei­nen ›Hetz­jagd­ver­ein‹, des­sen Mit­glie­dern er viel­leicht ärzt­li­chen Bei­stand ge­leis­tet hat, wo­für sie ihm dann ein klei­nes An­den­ken be­scher­ten.«

»Wirk­lich, Wat­son, du über­triffst dich selbst«, sag­te Hol­mes, sei­nen Stuhl zu­rück­schie­bend und sich eine Zi­ga­ret­te an­zün­dend. »Ich füh­le mich ver­pflich­tet, zu sa­gen, dass du bei den Be­rich­ten, in de­nen du mei­ne be­schei­de­nen Leis­tun­gen so freund­lich ge­schil­dert hast, dei­ne ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten weit un­ter­schätzt hast. Du bist viel­leicht nicht sel­ber ein großes Licht, aber du bringst an­de­ren Er­leuch­tung. Es gibt Leu­te, die, ohne selbst Ge­nies zu sein, eine be­mer­kens­wer­te Gabe be­sit­zen, das Ge­nie an­de­rer an­zu­re­gen. Ich ge­ste­he, mein lie­ber Jun­ge, ich bin sehr tief in dei­ner Schuld.«

So großes Lob hat­te er noch nie vor­her aus­ge­spro­chen, und ich muss ge­ste­hen, sei­ne Wor­te mach­ten mir ein in­ni­ges Ver­gnü­gen, denn ich hat­te mich oft­mals ein biss­chen dar­über ge­är­gert, dass er ge­gen mei­ne Be­wun­de­rung und mei­ne Ver­su­che, die öf­fent­li­che Auf­merk­sam­keit auf sei­ne Leis­tun­gen zu len­ken, sich so gleich­gül­tig zeig­te. Auch mach­te es mich nicht we­nig stolz, sein Sys­tem in ei­ner Wei­se mir zu ei­gen ge­macht zu ha­ben, dass er mir zu der An­wen­dung des­sel­ben sei­nen Bei­fall aus­sprach. Hol­mes nahm mir nun den Stock aus der Hand und prüf­te ihn ein paar Mi­nu­ten lang mit blo­ßen Au­gen. Dann leg­te er mit ei­nem Aus­druck großen In­ter­es­ses die Zi­ga­ret­te weg, trat mit dem Stock ans Fens­ter und un­ter­such­te ihn noch ein­mal mit­tels ei­ner Lupe.

»In­ter­essant, wenn­gleich sehr ein­fach«, sag­te er, als er sich wie­der in sei­ne Lieb­lings­so­fae­cke setz­te. »Si­cher­lich gibt der Stock ein oder zwei An­deu­tun­gen. Er lie­fert uns den Aus­gangs­punkt für meh­re­re Schluss­fol­ge­run­gen.«

»Ist mir ir­gend et­was ent­gan­gen?« frag­te ich, ein we­nig mich in die Brust wer­fend. »Ich den­ke doch, ich habe nichts von Be­deu­tung über­se­hen?«

»Ich fürch­te, mein lie­ber Wat­son, dei­ne Fol­ge­run­gen wa­ren größ­ten­teils falsch. Wenn ich sag­te, du regst mich an, so mein­te ich da­mit – um of­fen zu sein –, dass ich durch dei­ne Trug­schlüs­se ge­le­gent­lich auf die Wahr­heit ge­bracht wur­de. In­des­sen bist du in die­sem Fall doch nicht gänz­lich auf dem Holz­we­ge. Der Mann ist ganz ge­wiss ein Land­arzt. Und er geht viel zu Fuß.«

»Also hat­te ich recht!«

»In­so­weit, ja.«

»Aber das war doch al­les!«

»Nein, nein, mein lie­ber Wat­son, nicht al­les – durch­aus nicht al­les. Ich möch­te zum Bei­spiel an­neh­men, dass ein Dok­tor ein Ge­schenk wohl eher von ei­nem Ho­spi­tal als von ei­nem Hetz­jagd­ver­ein er­hält, und dass, wenn vor dem H. des ›Ho­spi­tal‹ die An­fangs­buch­sta­ben ›C.C.‹ ste­hen, sich ganz un­ge­zwun­gen die Aus­le­gung ›Cha­ring-Croß‹1 dar­bie­tet.«

»Du könn­test recht ha­ben.«

»Die Wahr­schein­lich­keit spricht da­für. Und wenn wir da­von aus­ge­hen wol­len, so ha­ben wir eine fri­sche Grund­la­ge, wor­auf wir eine Vor­stel­lung von un­se­rem un­be­kann­ten Be­su­cher uns auf­bau­en kön­nen.«

»Nun, also an­ge­nom­men, ›C. C. H.‹ be­deu­te ›Cha­ring-Croß-Ho­spi­tal‹, was kön­nen wir für wei­te­re Schlüs­se aus die­sem Um­stan­de zie­hen?«

»Kannst du nicht sel­ber dar­auf kom­men? Du kennst mei­ne Metho­den. Wen­de sie an!«

»Mir fällt bloß die sehr ein­fa­che Schluss­fol­ge­rung ein, dass der Mann in der Stadt prak­ti­ziert hat, be­vor er aufs Land zog.«

»Ich den­ke, wir dür­fen uns in un­sern Schlüs­sen ru­hig ein biss­chen wei­ter wa­gen. Be­trach­te mal den Fall vom fol­gen­den Stand­punkt aus: Bei was für ei­ner Ge­le­gen­heit wird ein sol­ches Ge­schenk höchst­wahr­schein­lich ge­macht wor­den sein? Wann wer­den sei­ne Freun­de zu­sam­men­ge­tre­ten sein, um ihm die­se Gabe zu stif­ten? Of­fen­bar in dem Au­gen­blick, als Dok­tor Mor­ti­mer das Ho­spi­tal ver­ließ, um sich eine ei­ge­ne Pra­xis zu grün­den. Wir wis­sen, ein Ge­schenk ist ge­macht wor­den. Wir glau­ben, der Mann ist vom Ho­spi­tal aufs Land ge­zo­gen. Ge­hen wir denn also in un­se­ren Mut­ma­ßun­gen zu weit, wenn wir sa­gen, das Ge­schenk wur­de ihm ge­le­gent­lich sei­nes Fort­gan­ges dar­ge­bracht?«

»Das klingt al­ler­dings wahr­schein­lich.«

»Nun wird es dir klar sein, dass er nicht dem ärzt­li­chen ›Sta­be‹ des Kran­ken­hau­ses an­ge­hört ha­ben kann, denn eine der­ar­ti­ge Stel­lung be­kommt nur ein Arzt, der be­reits eine gute Lon­do­ner Pra­xis hat, und ein sol­cher wür­de nicht aufs Land zie­hen. Wer war er also? Wenn er zum Ho­spi­tal und doch nicht zum Sta­be des­sel­ben ge­hör­te, so kann er nur As­sis­tent ge­we­sen sein – we­nig mehr als ein äl­te­rer Kan­di­dat der Me­di­zin. Sein Fort­gang fand vor fünf Jah­ren statt – das Da­tum steht auf dem Stock. So geht also dein erns­ter Fa­mi­li­en­dok­tor rei­fe­ren Al­ters in Luft auf, mein lie­ber Wat­son, und her­aus kommt ein jun­ger Bur­sche un­ter drei­ßig Jah­ren, lie­bens­wür­dig, ohne Ehr­geiz, zer­streut – und Be­sit­zer ei­nes von ihm sehr ge­lieb­ten Hun­des, von wel­chem ich so ganz im All­ge­mei­nen nur sa­gen möch­te, dass er grö­ßer als ein Te­ckel und klei­ner als eine Dog­ge ist.«

Ich lach­te un­gläu­big, wäh­rend Sher­lock Hol­mes sich auf sei­nem Sofa zu­rück­lehn­te und klei­ne Rauch­rin­ge in die Luft blies.

»Ge­gen dei­ne letz­te Ver­si­che­rung ver­mag ich nichts ein­zu­wen­den,« sag­te ich, »aber zum min­des­ten ist es nicht schwie­rig, ein paar An­ga­ben über des Man­nes Al­ter und bis­he­ri­ge Be­rufs­tä­tig­keit zu er­lan­gen.« Ich nahm von dem Bü­cher­brett­chen, wor­auf mei­ne me­di­zi­ni­schen Wer­ke stan­den, den Me­di­zi­nal­ka­len­der her­un­ter und schlug den Na­men auf. Es wa­ren meh­re­re Mor­ti­mers auf­ge­führt, aber was wir von un­se­rem Be­su­cher be­reits wuss­ten, pass­te nur auf einen ein­zi­gen von die­sen. Ich las die be­tref­fen­de Stel­le vor:

»Mor­ti­mer, Ja­mes, M.R.C.S. 1882, Grim­pen, Dart­moor, De­v­ons­hi­re. Von 1882 bis 1884 As­sis­tent am Cha­ring-Croß-Ho­spi­tal. Er­hielt den ›Jack­son-Preis für ver­glei­chen­de Pa­tho­lo­gie‹ für sei­ne Ab­hand­lung: ›Ist Krank­heit ein Ata­vis­mus?‹ Kor­re­spon­die­ren­des Mit­glied der Schwe­di­schen pa­tho­lo­gi­schen Ge­sell­schaft. Ver­fass­te: ›Ein­fäl­le über Ata­vis­mus‹ (Lan­cet, 1882). ›Ma­chen wir Fort­schrit­te?‹ (Jour­nal of Psy­cho­lo­gy, März 1883). Ge­mein­de­arzt für Grim­pen, Thors­ley und High Bar­row.«

»Von dem Hetz­jagd­ver­ein steht nichts dar­in, Wat­son,« sag­te Hol­mes mit ei­nem bos­haf­ten Lä­cheln, »aber ein Land­arzt ist er, wie du sehr scharf­sin­nig ge­schlos­sen hast. Mir scheint, mei­ne An­nah­men fin­den sich völ­lig be­stä­tigt. Nun zum Cha­rak­ter un­se­res Man­nes! Ich sag­te, wenn ich mich nicht irre, er sei lie­bens­wür­dig, ohne Ehr­geiz, und zer­streut. Mei­ne Er­fah­rung lehrt mich, dass auf die­ser Welt nur ein lie­bens­wür­di­ger Mensch sol­che Freund­schafts­ga­ben emp­fängt, dass nur ei­ner ohne Ehr­geiz Lon­don ver­lässt, um aufs Land zu ge­hen, und dass nur ein Zer­streu­ter statt ei­ner Vi­si­ten­kar­te sei­nen Spa­zier­stock zu­rück­lässt, nach­dem er eine Vier­tel­stun­de im War­te­zim­mer ge­ses­sen hat.«

»Und der Hund?«

»Hat die Ge­wohn­heit ge­habt, sei­nem Herrn den Stock nach­zu­tra­gen. Da der Stock schwer ist, so hat der Hund ihn fest an der Mit­te ge­packt, und die Ein­drücke sei­ner Zäh­ne sind sehr deut­lich sicht­bar. Die Kinn­la­de des Hun­des ist, nach dem Ab­stand der Zahn­spu­ren zu schlie­ßen, zu breit für einen Te­ckel und nicht breit ge­nug für eine Dog­ge. Vi­el­leicht war es – ja, beim Zeus! – es ist ein brau­ner Jagd­hund!«

Hol­mes war wäh­rend des Spre­chens aus­ge­stan­den und im Zim­mer auf und ab ge­gan­gen. Dann war er in der Fens­ter­ni­sche ste­hen­ge­blie­ben. In dem Klang sei­ner Stim­me lag eine sol­che Über­zeu­gung, dass ich über­rascht auf­blick­te.

»Aber, lie­ber Jun­ge, wie kannst du bloß so et­was mit sol­cher Be­stimmt­heit be­haup­ten?«

»Aus dem sehr ein­fa­chen Grun­de, weil ich den Hund sel­ber an un­se­rer Haus­tür sehe, und da klin­gelt auch schon sein Herr. Bit­te, blei­be hier, Wat­son. Er ist ein Kol­le­ge von dir, und dei­ne Ge­gen­wart kann mir viel­leicht von Nut­zen sein. Nun, Wat­son, kommt der dra­ma­ti­sche Schick­salsau­gen­blick, – du hörst einen Schritt auf der Trep­pe – er tritt in dein Le­ben hin­ein, und du weißt nicht, bringt er dir Gu­tes oder Bö­ses. Was will Dok­tor Ja­mes Mor­ti­mer, der Mann der Wis­sen­schaft, von Sher­lock Hol­mes, dem Spe­zia­lis­ten des Ver­bre­chens?… He­rein!«

Die äu­ße­re Er­schei­nung un­se­res Be­su­chers war eine Über­ra­schung für mich, denn ich hat­te den Ty­pus ei­nes Land­arz­tes er­war­tet. Es war ein sehr großer, dün­ner Mann mit ei­ner großen schna­bel­för­mi­gen Nase, die zwi­schen zwei schar­fen, dicht zu­sam­men­ste­hen­den grau­en Au­gen her­vor­sprang. Die­se Au­gen sah man durch die Glä­ser ei­ner gol­de­nen Bril­le fun­keln. Die Klei­dung war im Schnitt sei­nem Stan­de ent­spre­chend, je­doch ziem­lich ab­ge­tra­gen; der Geh­rock hat­te blan­ke Näh­te, und die Ho­sen wa­ren un­ten aus­ge­franst. Trotz sei­ner Ju­gend hielt er den lan­gen Rücken be­reits ge­krümmt; beim Ge­hen streck­te er mit ei­nem wohl­wol­len­den Aus­druck den Kopf vor. Beim Ein­tre­ten fiel sein Blick auf den Stock, den Hol­mes noch in der Hand hielt, und er lief mit ei­nem freu­di­gen Aus­ruf auf ihn zu.

»Ich bin wirk­lich so froh!« sag­te er. »Ich wuss­te nicht ge­nau, ob ich ihn hier oder auf der Schiffs­agen­tur ver­ges­sen hat­te. Nicht um al­les in der Welt möch­te ich die­sen Stock ver­lie­ren!«

»Ein Ge­schenk, wie ich sehe!« be­merk­te Hol­mes.

»Ja.«

»Vom Cha­ring-Croß-Ho­spi­tal?«

»Von ein paar Freun­den dort bei Ge­le­gen­heit mei­ner Hei­rat.«

»Ach herr­je, das ist scha­de!« rief Hol­mes kopf­schüt­telnd.

Dok­tor Mor­ti­mer blin­zel­te in ge­lin­dem Er­stau­nen Hol­mes durch die Bril­lenglä­ser hin­durch an.

»Wa­rum ist das scha­de?«

»Ach, Sie ha­ben nur un­se­re klei­nen Mut­ma­ßun­gen ein biss­chen in Un­ord­nung ge­bracht. Bei Ih­rer Hei­rat, sag­ten Sie?«

»Ja­wohl. Ich hei­ra­te­te und ging des­halb vom Ho­spi­tal weg und gab da­mit alle Hoff­nun­gen auf eine be­que­me Pra­xis auf. Ich muss­te mir aber mei­nen ei­ge­nen Haus­halt ein­rich­ten.«

»Ei sieh, da sind wir im großen und gan­zen ja doch nicht so sehr auf dem Holz­we­ge!« sag­te Hol­mes. »Und nun, Herr Dok­tor Ja­mes Mor­ti­mer…«

»Kein Dok­tor, mein lie­ber Herr – ein be­schei­de­ner prak­ti­scher Arzt nur!«

»Und au­gen­schein­lich ein Mann von schar­fem Geis­te.«

»Ein Lehr­ling auf dem Ge­bie­te der Wis­sen­schaft, Herr Hol­mes, ein An­fän­ger, der am Stran­de des großen un­be­kann­ten Welt­mee­res Mu­scheln auf­liest! Ich ver­mu­te, dass ich mit Herrn Sher­lock Hol­mes spre­che und nicht mit…«

»Nein – der Herr hier ist mein Freund Dok­tor Wat­son.«

»Freut mich, Sie ken­nen­zu­ler­nen, Herr Dok­tor. Ich habe Ihren Na­men in Ver­bin­dung mit dem Ihres Freun­des er­wäh­nen hö­ren. Sie in­ter­es­sie­ren mich au­ßer­or­dent­lich, Herr Hol­mes. Ich hat­te an Ih­nen kaum einen sol­chen do­li­cho­ze­pha­len2 Schä­del und eine der­ar­tig aus­ge­präg­te su­pra­or­bi­ta­le3 Stir­n­ent­wick­lung er­war­tet. Wür­den Sie et­was da­ge­gen ha­ben, wenn ich mal mit dem Fin­ger über Ihre Schei­tel­naht fah­re? Ein Gips­mo­dell Ihres Schä­dels, wer­ter Herr, wür­de, so­lan­ge das Ori­gi­nal nicht zu ha­ben ist, eine Zier­de je­des an­thro­po­lo­gi­schen Mu­se­ums bil­den. Ich be­ab­sich­ti­ge nichts Un­ziem­li­ches zu sa­gen, aber ich ge­ste­he: mich ge­lüs­tet’s nach Ihrem Schä­del.«

Sher­lock Hol­mes lud mit ei­ner Hand­be­we­gung un­se­ren son­der­ba­ren Be­su­cher ein, sich’s in ei­nem Stuhl be­quem zu ma­chen. Dann sag­te er:

»Sie sind, wie ich be­mer­ke, ein En­thu­si­ast in Ihren Ge­dan­ken­gän­gen wie ich in den mei­ni­gen. Ich sehe an Ihren Fin­ger­spit­zen, dass Sie sich Ihre Zi­ga­ret­ten sel­ber dre­hen. Zün­den Sie sich ohne Be­den­ken eine an.«

Der Mann hol­te Ta­bak und Pa­pier aus der Ta­sche und roll­te mit über­ra­schen­der Ge­schick­lich­keit eine Zi­ga­ret­te. Sei­ne lan­gen zu­cken­den Fin­ger wa­ren so be­weg­lich und un­ru­hig wie die Füh­ler ei­nes In­sekts.

Hol­mes saß schwei­gend da, aber ich sah an den kur­z­en, schar­fen Bli­cken, wo­mit er ab und zu un­se­ren ei­gen­tüm­li­chen Ge­sell­schaf­ter be­ob­ach­te­te, dass er sich für den­sel­ben sehr in­ter­es­sier­te.

»Ich neh­me an, Herr Mor­ti­mer,« sag­te er end­lich, »dass Sie nicht le­dig­lich in der Ab­sicht, mei­nen Schä­del zu be­füh­len, mir die Ehre er­wie­sen ha­ben, ges­tern Abend und wie­der heu­te früh hier vor­zu­spre­chen?«

»Nein, Herr Hol­mes, nein – ich bin je­doch glück­lich, dass ich gleich­zei­tig auch dazu Ge­le­gen­heit ge­habt habe. Ich kam zu Ih­nen, Herr Hol­mes, weil ich mir ein­ge­ste­he, dass ich selbst ein un­prak­ti­scher Mann bin, und weil ich mich plötz­lich ei­nem sehr ernst­haf­ten und au­ßer­or­dent­li­chen Pro­blem ge­gen­über be­fin­de. Und in An­be­tracht, dass Sie, wie ich an­er­ken­ne, die zweit­höchs­te eu­ro­päi­sche Au­to­ri­tät in…«

»Wirk­lich, Herr Dok­tor? Darf ich mich er­kun­di­gen, wer die Ehre hat, die ers­te zu sein?« frag­te Hol­mes in et­was kur­z­em Ton.

»Auf einen streng wis­sen­schaft­lich den­ken­den Ge­lehr­ten muss Mon­sieur Ber­til­lons4 Metho­de einen au­ßer­or­dent­lich star­ken Reiz aus­üben.«

»Tä­ten Sie dann viel­leicht nicht bes­ser, die­sen um Rat zu fra­gen?«

»Ich sag­te, wer­ter Herr: ›für den streng wis­sen­schaft­lich Den­ken­den‹. Aber in der prak­ti­schen Be­tä­ti­gung Ih­rer Kunst ste­hen Sie al­lein da, das ist all­ge­mein an­er­kannt. Ich den­ke doch, ich habe nicht etwa un­ab­sicht­lich…«

»Kaum der Rede wert!« ant­wor­te­te Hol­mes. »Ich den­ke, Herr Dok­tor Mor­ti­mer, Sie tä­ten gut, wenn Sie ohne wei­te­re Um­schwei­fe mir klar und deut­lich vor­trü­gen, wel­cher Art das Pro­blem ist, zu des­sen Lö­sung Sie mei­nen Bei­stand zu er­hal­ten wün­schen.«

II. Ein rätselhaftes Verhängnis

Ich habe in mei­ner Ta­sche ein Ma­nu­skript!« sag­te Dok­tor Ja­mes Mor­ti­mer.

»Ich be­merk­te es, als Sie das Zim­mer be­tra­ten«, ant­wor­te­te Hol­mes.

»Es ist eine alte Hand­schrift.«

»Aus dem An­fang des acht­zehn­ten Jahr­hun­derts – falls nicht etwa eine Fäl­schung vor­liegt.«

»Wie kön­nen Sie das so be­stimmt sa­gen?«

»Sie ha­ben mich die gan­ze Zeit über ein paar Zoll­breit da­von se­hen las­sen, so­dass ich es prü­fen konn­te. Das wäre ein arm­se­li­ger Sach­ver­stän­di­ger, der nicht auf ein Jahr­zehnt oder so das Da­tum ei­nes Do­ku­ments be­stim­men könn­te. Vi­el­leicht ha­ben Sie mei­ne Ab­hand­lung über die­sen Ge­gen­stand ge­le­sen. Ich schät­ze, dass das Ma­nu­skript um das Jahr 1730 ge­schrie­ben ist.«

»Die ge­naue Jah­res­zahl ist 1742.«

Dok­tor Mor­ti­mer zog das Ma­nu­skript aus der Brust­ta­sche her­vor und fuhr fort:

»Die­ses Fa­mi­li­en­pa­pier wur­de mir von Sir Charles Bas­ker­ville an­ver­traut, des­sen plötz­li­cher tra­gi­scher Tod vor etwa drei Mo­na­ten in der Graf­schaft De­von so großes Auf­se­hen mach­te. Ich darf wohl sa­gen, dass ich nicht nur sein ärzt­li­cher Be­ra­ter, son­dern auch sein per­sön­li­cher Freund war. Er war ein stark­geis­ti­ger Mann, schlau, welt­klug und so we­nig zu Ein­bil­dun­gen ge­neigt, wie ich sel­ber. Trotz­dem nahm er es mit die­sem Schrift­stück sehr ernst, und er war in­ner­lich auf ge­nau so einen Tod vor­be­rei­tet, wie er ihn schließ­lich er­litt.«

Hol­mes streck­te die Hand nach dem Ma­nu­skript aus und brei­te­te es auf sei­nem Knie aus.

»Du wirst be­mer­ken, Wat­son, dass der Buch­sta­be ›S‹ ab­wech­selnd lang oder kurz ge­schrie­ben ist. Das ist ei­nes von meh­re­ren An­zei­chen, die es mir er­mög­lich­ten, die Ent­ste­hungs­zeit zu be­stim­men.«

Ich be­trach­te­te über sei­ne Schul­ter hin­weg das ver­gilb­te Pa­pier und die ver­blass­te Schrift. Am Kop­fen­de stand ge­schrie­ben: ›Bas­ker­ville Hall‹ und un­ten in großen krit­ze­li­gen Zah­len: ›1742‹.

»Es scheint so eine Art von Er­zäh­lung zu sein.«

»Ja, es ist die Er­zäh­lung ei­ner Sage, die in der Fa­mi­lie Bas­ker­ville im Schwan­ge ist.«

»Aber ich ver­ste­he Sie doch recht – Sie wün­schen mich doch in ei­ner et­was mo­der­ne­ren An­ge­le­gen­heit des wirk­li­chen Le­bens um Rat zu fra­gen?«

»In ei­ner höchst mo­der­nen! Und in ei­ner sehr dring­li­chen An­ge­le­gen­heit, die bin­nen vier­und­zwan­zig Stun­den zur Ent­schei­dung ge­bracht wer­den muss. Aber das Ma­nu­skript ist nur kurz und steht in in­ni­gem Zu­sam­men­hang mit der Ge­schich­te. Mit Ih­rer Er­laub­nis will ich’s Ih­nen vor­le­sen.«

Hol­mes lehn­te sich in sei­nen Stuhl zu­rück, fal­te­te die Hän­de und schloss die Au­gen mit der Mie­ne ei­nes Man­nes, der sich in sein Schick­sal er­gibt. Dok­tor Mor­ti­mer hielt das Ma­nu­skript so, dass er gu­tes Licht hat­te, und las mit lau­ter piep­si­ger Stim­me die nach­ste­hen­de Ge­schich­te aus al­ter Zeit:

»Von dem Ur­sprung des Hetz­rü­den der Bas­ker­vil­les hat man gar vie­ler­lei er­zählt, aber da ich in ge­ra­der Li­nie von Hugo Bas­ker­ville ab­stam­me, und da ich die Ge­schich­te von mei­nem Va­ter habe, der sie von dem sei­ni­gen über­lie­fert er­hielt, so habe ich sie hier nie­der­ge­schrie­ben und bin des fes­ten Glau­bens, sie hat sich so zu­ge­tra­gen, wie ich nun­mehr be­rich­ten will. Und ich bit­te Euch, mei­ne Söh­ne, Ihr wol­let glau­ben, dass eben die­sel­be Ge­rech­tig­keit, so die Sün­de be­stra­fet, wohl auch in über­rei­cher Gna­de sie ver­ge­ben möge, und dass kein Fluch so schwer sei, er kön­ne nicht durch Ge­bet und Reue ge­süh­net wer­den. Ent­neh­met also aus die­ser Ge­schich­te die Leh­re, dass Ihr Euch nicht fürch­tet, die Ver­bre­chen der Ver­gan­gen­heit möch­ten für Euch schlim­me Früch­te zei­ti­gen, son­dern dass Ihr viel­mehr ins­künf­tig wol­let recht be­dacht­sam sein, auf dass die ver­ruch­ten Lei­den­schaf­ten, die un­se­rer Fa­mi­lie so schwe­ren Harm zu­ge­fü­get, nicht aber­mals zu un­se­rem Scha­den mö­gen ent­fes­selt wer­den.

Wis­set also, dass zu den Zei­ten der großen Re­vo­lu­ti­on – de­ren Ge­schich­te, wie der ge­lehr­te Lord Cla­ren­don sie be­schrie­ben, ich Euch recht an­ge­le­gent­lich zum Le­sen emp­feh­le – die­ses Her­ren­haus ›Bas­ker­vil­le‹ be­wohnt wur­de von Herrn Hugo des­sel­bi­gen Na­mens; und es kann nicht ver­schwie­gen wer­den, dass er ein sehr wil­der, ver­ruch­ter und gott­lo­ser Mann war. Die­ses hät­ten nun wohl sei­ne Nach­barn ihm ver­zei­hen mö­gen, sin­te­ma­len in hie­si­ger Ge­gend Hei­li­ge nie­mals ha­ben ge­dei­hen wol­len; aber es war an sei­ner Wild­heit ein ge­wis­ser mut­wil­li­ger und grau­sa­mer Hu­mor, und da­durch wur­de sein Name im gan­zen Wes­ten be­kannt. Nun be­gab es sich, dass die­ser Hugo zu der Toch­ter ei­nes Land­manns, der an der Gren­ze der Bas­ker­vil­le­schen Gü­ter sei­nen Bau­ern­hof hat­te, in Lie­be ent­brann­te – wenn man eine so fins­te­re Lei­den­schaft wie die sei­ni­ge mit ei­nem so leuch­ten­den Wor­te be­zeich­nen darf. Aber die jun­ge Maid, die züch­tig und von gu­tem Rufe war, wich ihm stets aus, denn sie fürch­te­te sei­nen bö­sen Na­men.

Es be­gab sich aber, dass am Mi­chae­lis­tag1 die­ser Hugo nebst fünf oder sechs von den ver­ruch­ten Ge­nos­sen sei­ner Schwel­ge­rei­en sich in das Bau­ern­haus schlich und das Mäd­chen ent­führ­te; ihr Va­ter aber und ihre Brü­der wa­ren nicht zu Hau­se, wie er sehr wohl wuss­te.

Und sie brach­ten sie ins Schloss, und die Jung­frau wur­de in ein Zim­mer im obers­ten Stock­werk ein­ge­schlos­sen; Hugo aber und sei­ne Freun­de sa­ßen nie­der zu ei­nem lan­gen Zech­ge­la­ge, wie sie all­nächt­lich zu tun pfleg­ten. Da moch­ten wohl der ar­men Dir­ne da oben die Sin­ne schwin­den, als sie das Sin­gen und To­ben und fürch­ter­li­che Flu­chen hör­te, das von un­ten her­auf­scholl – denn man sagt, sol­che Wor­te, wie Hugo Bas­ker­ville sie im Wein­rausch äu­ßer­te, die bräch­ten den Mann, der sie sprä­che, si­cher­lich in die Höl­le.

Und zu­letzt tat sie in der Verzweif­lung ih­rer Angst et­was, wo­vor wohl der tap­fers­te und ge­wand­tes­te Mann möch­te zu­rück­ge­schau­dert sein; denn mit Hil­fe des Efeu­ge­ran­kes, das die Mau­er be­deck­te – und noch be­deckt – klomm sie von der Höhe dicht un­ter dem Da­che hin­un­ter zum fes­ten Bo­den, und dann rann­te sie nach Hau­se quer über das Moor. Der Weg aber von dem Schloss bis zu ih­res Va­ters Hof war drei Stun­den weit.

Und es be­gab sich, dass kur­ze Zeit dar­auf Hugo sei­ne Gäs­te ver­ließ, um sei­ner Ge­fan­ge­nen Spei­se und Trank zu brin­gen – und viel­leicht woll­te er noch Schlim­me­res –, und dass er den Kä­fig leer und den Vo­gel ent­flo­hen fand. Da war es gleich, als käme der Teu­fel über ihn, denn er lief die Trep­pen hin­un­ter in den Spei­se­saal und sprang auf den großen Tisch, dass Fla­schen und Tel­ler her­un­ter­fie­len, und schrie laut vor der gan­zen Ge­sell­schaft, er wol­le noch in sel­bi­ger Nacht Leib und See­le den bö­sen Mäch­ten zu ei­gen ge­ben, wenn er nur die Dir­ne wie­der ein­hol­te. Ent­setzt starr­ten die Zech­brü­der auf den ra­sen­den Mann, ei­ner aber, der noch ver­ruch­ter oder viel­leicht auch nur trun­ke­ner war als die an­de­ren, rief, sie soll­ten die Hun­de auf sie het­zen. Und Hugo lief aus dem Hau­se und rief sei­nen Stall­knech­ten zu, sie soll­ten sei­ne Stu­te sat­teln und die Hun­de aus dem Zwin­ger las­sen; er zeig­te die­sen ein Hals­tuch des Mäd­chens, und mit lau­tem Ge­kläff ging es im Mond­schein über das Moor.

Eine Zeit lang wa­ren die Zech­kum­pa­ne ganz starr vor Ver­blüf­fung; sie ver­moch­ten die Vor­gän­ge, die sich mit sol­cher Schnel­lig­keit ab­ge­spielt hat­ten, nicht zu be­grei­fen. Aber all­mäh­lich däm­mer­te ih­nen in ih­ren um­ne­bel­ten Schä­deln eine Ah­nung auf, was wohl aus dem Moor sich be­ge­ben wür­de. Und es er­hob sich ein ge­wal­ti­ger Lärm, die einen rie­fen nach ih­ren Pis­to­len, an­de­re nach ih­ren Pfer­den, noch wie­der an­de­re schri­en, es soll­ten neue Wein­fla­schen ge­bracht wer­den. End­lich je­doch wur­den sie et­was ver­nünf­ti­ger, und die gan­ze Ge­sell­schaft, drei­zehn an der Zahl, stieg zu Pfer­de und ritt Herrn Hugo nach. Der Mond schi­en klar über ih­ren Häup­tern, und sie spreng­ten in schnel­lem Lauf den Weg ent­lang, den das Mäd­chen ge­nom­men ha­ben muss­te, um ihr Haus zu er­rei­chen.

Sie wa­ren eine oder zwei Mei­len ge­rit­ten, als sie ei­nem je­ner Hir­ten be­geg­ne­ten, die nachts ihre Scha­fe über das Moor trei­ben; und sie rie­fen ihm zu, ob er den Rei­ter mit den Hun­den ge­se­hen hät­te. Und der Mann, so be­rich­tet die Über­lie­fe­rung, war so von Furcht ge­lähmt, dass er kaum spre­chen konn­te; schließ­lich aber sag­te er, er habe wirk­lich die un­glück­li­che Jung­frau ge­se­hen, und die Hun­de sei­en ihr auf der Spur ge­we­sen. ›A­ber ich habe noch mehr ge­se­hen als das!‹ sag­te er. ›Denn Hugo Bas­ker­ville ritt an mir vor­über auf sei­ner schwar­zen Stu­te, und hin­ter ihm rann­te stumm solch ein Höl­len­hund, wie Gott ihn nie­mals mir auf die Fer­sen het­zen wol­le!‹ Die trun­ke­nen Her­ren aber fluch­ten auf den Schä­fer und rit­ten wei­ter. Bald je­doch ging es ih­nen kalt über die Haut, denn es ga­lop­pier­te et­was über das Moor her­über, und die schwar­ze Stu­te ras­te, mit weißem Schaum be­deckt, mit schlei­fen­dem Zü­gel und lee­rem Sat­tel an ih­nen vor­über. Da dräng­ten die Zech­brü­der sich eng an­ein­an­der, denn eine große Angst kam über sie; trotz­dem rit­ten sie noch wei­ter, ob­wohl je­der von ih­nen, wäre er al­lein ge­we­sen, herz­lich gern sein Pferd wür­de her­um­ge­wor­fen ha­ben. Lang­sam wei­ter­rei­tend, tra­fen sie schließ­lich die Hun­de. Die­se la­gen, ob­wohl be­rühmt we­gen ih­res ed­len Ge­blüts und ih­rer Tap­fer­keit, win­selnd zu ei­nem Klum­pen zu­sam­men­ge­drängt am Ein­gang ei­ner tie­fen Schlucht; ei­ni­ge von ih­nen schli­chen sich gar zur Sei­te, die an­de­ren starr­ten mit ge­sträub­ten Haa­ren und stie­ren Au­gen in das schma­le Tal hin­ein, das vor ih­nen lag.

Die Ge­sell­schaft hat­te Halt ge­macht; die Her­ren wa­ren, wie Ihr Euch den­ken könnt, jetzt nüch­ter­ner als beim For­trei­ten. Die meis­ten woll­ten durch­aus nicht wei­ter, aber drei von ih­nen, die Kühns­ten – oder auch die Be­trun­kens­ten – rit­ten in die Schlucht hin­ein. Die­se öff­ne­te sich all­mäh­lich zu ei­nem brei­ten Raum, wo zwei große Stei­ne stan­den; sie ste­hen auch jetzt noch dor­ten und sind von Men­schen ge­setzt wor­den, de­ren Ge­den­ken seit lan­gen Zei­ten ver­schol­len ist. Der Mond schi­en hell auf den frei­en Platz, und in der Mit­te lag das Mäd­chen auf der Stel­le, wo sie vor Angst und Er­mat­tung tot hin­ge­sun­ken war. Doch nicht der An­blick ih­res Leich­nams, auch nicht der An­blick des Leich­nams von Hugo Bas­ker­ville war es, was die­sen drei gott­lo­sen Wüst­lin­gen das Haar em­por­sträub­te. Aber über Hugo, des­sen Keh­le zer­flei­schend, stand ein grau­si­ges We­sen, eine große schwar­ze Bes­tie von der Ge­stalt ei­nes Hun­des, nur viel grö­ßer als ein Hund, den je ei­nes Sterb­li­chen Auge er­schaut hat. Und vor ih­ren ent­setz­ten Au­gen riss das Tier dem Hugo Bas­ker­ville die Keh­le auf, dann sah es mit trie­fen­den Lef­zen und glü­hen­den Au­gen auf die Rei­ter; die­se aber stie­ßen ein gel­len­des Ge­schrei aus und spreng­ten, als gäl­te es das Le­ben, fort­wäh­rend schrei­end über das Moor zu­rück. Ei­ner, so er­zählt man, starb noch in sel­bi­ger Nacht von dem An­blick, die an­de­ren zwo aber wa­ren ge­bro­che­ne Män­ner für den Rest ih­rer Tage.

Die­ses ist, mei­ne Söh­ne, die Ge­schich­te von der Her­kunft des Hun­des, der, wie man sagt, seit­dem un­se­re Fa­mi­lie so grim­mig ver­folgt hat. Ich habe sie aber nie­der­ge­schrie­ben, weil et­was Be­kann­tes of­fen­bar­lich we­ni­ger Grau­en ein­flö­ßt als et­was, was nur mit Win­ken und An­deu­tun­gen ei­nem zu­ge­tra­gen wird. Es lässt sich frei­lich nicht leug­nen, dass man­cher von un­se­rer Fa­mi­lie ei­nes un­se­li­gen To­des ge­stor­ben ist, dass vie­le plötz­lich ge­heim­nis­voll und auf eine blu­ti­ge Art ver­schie­den sind. Und doch mö­gen wir uns der un­end­li­chen Güte der Vor­se­hung ru­hig an­heim­ge­ben; sie wird nie­mals die Un­schul­di­gen be­stra­fen über das drit­te oder vier­te Glied hin­aus, wie die Dro­hung in der Hei­li­gen Schrift lau­tet.

Die­ser Vor­se­hung, mei­ne Söh­ne, emp­feh­le ich Euch hier­mit, und ich rate Euch, vor­sich­tig zu sein und dem Moor fern­zu­blei­ben in je­nen fins­te­ren Stun­den, da die bö­sen Mäch­te ihr Spiel trei­ben.

Dies schrieb Hugo Bas­ker­ville für sei­ne Söh­ne Rod­ger und John. Und sie sol­len ih­rer Schwes­ter Eli­sa­beth nichts da­von sa­gen.«

Dok­tor Mor­ti­mer war mit dem Vor­le­sen der selt­sa­men Ge­schich­te fer­tig; er schob sei­ne Bril­le auf die Stirn hin­auf und warf einen er­war­tungs­vol­len Blick auf Sher­lock Hol­mes. Die­ser gähn­te, warf das Stümpf­chen sei­ner Zi­ga­ret­te ins Feu­er und sag­te:

»Nun?«

»Fin­den Sie die Ge­schich­te nicht in­ter­essant?«

»O ja, für einen Samm­ler von Mär­chen.«

Dok­tor Mor­ti­mer zog ein zu­sam­men­ge­leg­tes Zei­tungs­blatt aus der Ta­sche und sag­te:

»Nun, Herr Hol­mes, so wol­len wir Ih­nen jetzt et­was Mo­der­nes vor­le­gen. Dies hier ist die ›De­von Coun­try Chro­nic­le‹ vom 14. Mai die­ses Jah­res. Sie ent­hält einen kur­z­en Be­richt über den et­li­che Tage vor­her ein­ge­tre­te­nen Tod Sir Charles Bas­ker­vil­les.«

Mein Freund beug­te sich ein we­nig vor, und sei­ne Züge nah­men einen Aus­druck ge­spann­ter Auf­merk­sam­keit an. Un­ser Be­su­cher schob sei­ne Bril­le zu­recht und be­gann:

»Der so­eben er­folg­te plötz­li­che Tod Sir Charles Bas­ker­vil­les, von dem als ver­mut­li­chen Kan­di­da­ten der li­be­ra­len Par­tei für Mit­tel­de­von bei der nächs­ten Wahl die Rede war, ist ein trau­ri­ges Er­eig­nis für die gan­ze Graf­schaft. Wenn­gleich Sir Charles erst seit ver­hält­nis­mä­ßig kur­z­er Zeit Bas­ker­ville Hall be­wohn­te, so hat­ten ihm doch sein lie­bens­wür­di­ger Cha­rak­ter und sei­ne au­ßer­or­dent­li­che Frei­ge­big­keit die Zu­nei­gung und Ach­tung al­ler ge­won­nen, die mit ihm in Berüh­rung ka­men. In un­se­ren Ta­gen rei­cher Em­por­kömm­lin­ge freut man sich, wenn es ein­mal dem Spröß­ling ei­ner al­t­an­säs­si­gen Fa­mi­lie ge­lun­gen ist, aus ei­ge­ner Kraft ein Ver­mö­gen zu er­wer­ben und da­mit den ver­bli­che­nen Glanz sei­nes durch böse Zeit­läuf­te ge­gan­ge­nen Ge­schlech­tes wie­der auf­zu­fri­schen. Wie wohl all­ge­mein be­kannt ist, ge­wann Sir Charles große Sum­men durch Spe­ku­la­tio­nen in Süd­afri­ka. Er war wei­se ge­nug, nicht so lan­ge zu war­ten, bis das Glück sich ge­gen ihn kehr­te, son­dern mach­te sei­nen Ge­winn zu Gel­de und kehr­te da­mit nach Eng­land zu­rück. Es sind erst zwei Jah­re ver­gan­gen, seit er wie­der Bas­ker­ville Hall be­zog, und die von ihm ge­plan­ten großen Neu­bau­ten und Ver­bes­se­run­gen bil­de­ten be­kannt­lich das all­ge­mei­ne Ge­spräch in der gan­zen Ge­gend; nun sind sie durch sei­nen Tod un­ter­bro­chen wor­den! Da er selbst kei­ne Kin­der hat­te, so war es sein of­fen aus­ge­spro­che­ner Wunsch, die gan­ze Ge­gend sol­le von dem ihm be­schie­den ge­we­se­nen Glück Vor­teil ha­ben. Gar man­cher wird da­her ganz per­sön­li­che Ver­an­las­sung ha­ben, den vor­zei­ti­gen Tod des Wohl­tä­ters zu be­wei­nen. Von sei­nen hoch­her­zi­gen Schen­kun­gen zu mil­den Zwe­cken ist in un­se­ren Spal­ten oft die Rede ge­we­sen.

Die Um­stän­de, un­ter de­nen der Tod er­folgt ist, sind frei­lich durch die Un­ter­su­chung nicht gänz­lich auf­ge­klärt wor­den, doch ist im­mer­hin ge­nug fest­ge­stellt, um ge­wis­sen Gerüch­ten ent­ge­gen­zu­tre­ten, die durch den Aber­glau­ben der Be­völ­ke­rung in Um­lauf ge­setzt sind. Nicht der ge­rings­te Grund spricht für ein Ver­bre­chen oder lässt dar­auf schlie­ßen, dass über­na­tür­li­che Mäch­te im Spiel sein könn­ten. Sir Charles war Wit­wer und galt für einen Mann von et­was son­der­ba­rer Geis­tes­an­la­ge. Trotz sei­nem be­trächt­li­chen Reich­tum war er ein­fach in sei­nen Le­bens­ge­wohn­hei­ten, und die im Hau­se selbst woh­nen­de Die­ner­schaft von Bas­ker­ville Hall be­stand nur aus dem Ehe­paar Bar­ry­mo­re. Ihre Aus­sa­ge, die durch das Zeug­nis meh­re­rer Freun­de des Ver­stor­be­nen be­stä­tigt wird, lau­tet da­hin, dass Sir Charles schon seit ei­ni­ger Zeit bei schwa­cher Ge­sund­heit ge­we­sen sei und be­son­ders an ei­ner Herz­krank­heit ge­lit­ten habe, die sich in plötz­li­chen Ver­än­de­run­gen der Ge­sichts­far­be, in Atem­not und in An­fäl­len von Ge­müts­ver­stim­mung kund­ge­ge­ben. Dok­tor Mor­ti­mer, der Freund und ärzt­li­che Be­ra­ter des Ver­schie­de­nen, hat sein Zeug­nis in dem­sel­ben Sin­ne ab­ge­legt.

Die Tat­sa­chen des Fal­les sind ein­fach. Sir Charles Bas­ker­ville hat­te die Ge­wohn­heit, jede Nacht vor dem Zu­bett­ge­hen noch einen Gang in der be­rühm­ten Ta­xu­sal­lee2