Sherlock Holmes - Die weiteren Abenteuer - Arthur Conan Doyle - E-Book

Sherlock Holmes - Die weiteren Abenteuer E-Book

Arthur Conan Doyle

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Beschreibung

Vollständig überarbeitete, korrigierte und illustrierte Fassung Mit 27 Illustrationen Wie kann man Sherlock Holmes nicht kennen? Den berühmtesten Detektiv der Geschichte, der mit seinem messerscharfen Verstand und seiner Ermittlungsart als Vorlage für fast alle kriminalistischen Nachfolger diente. Hier lernen Sie das lesenswerte Original kennen. Dieser Band beinhaltet folgende Kurzgeschichten: - "Die tanzenden Männchen" ("The Dancing Men"), 1903 Der angesehene Gutsbesitzer Hilton Cubitt bittet Holmes um Hilfe. Seine Frau Elsie wird von rätselhaften Zeichnungen aus tanzenden Strichmännchen allmählich in den Wahnsinn getrieben - "Die Entführung aus der Klosterschule" ("The Priory School"), 1904 Der Sohn eines einflussreichen Adligen und sein Lehrer verschwinden über Nacht aus dem Internat. Auf der Suche im Moor findet Holmes die Leiche des Lehrers. - "Der schwarze Peter" ("Black Peter"), 1904 Captain Peter Carey wurde ermordet, erstochen mit einer Harpune. Ein Augenzeuge scheint verdächtig. Scotland Yard bittet Holmes um Hilfe. - "Die sechs Napoleonbüsten" ("The Six Napoleons"), 1904 Ein Einbrecher stiehlt wertlose Duplikate einer Napoleonbüste und zerstört sie auf offener Straße. - "Der Mord in Abbey Grange" ("The Abbey Grange"), 1904 Im prachtvollen Anwesen Abbey Grange wird der Hausherr, zeit seines Lebens ein unsympathischer Tyrann, ermordet aufgefunden. - "Der zweite Blutflecken" ("Der zweite Blutflecken"), 1905 Ein wichtiges Dokument verschwindet. Und wieder einmal droht Krieg in Europa. Und wieder einmal wird Holmes mit der Suche beauftragt. Null Papier Verlag

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Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes - Die weiteren Abenteuer

Vollständige & Illustrierte Fassung

Arthur Conan Doyle

Sherlock Holmes - Die weiteren Abenteuer

Vollständige & Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019Illustrationen: Richard GutschmidtÜbersetzung: Rudolf Lautenbach EV: Stuttgart, Verlag Robert Lutz, 1916 3. Auflage, ISBN 978-3-954182-16-9

www.null-papier.de/holmes

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Die Sher­lock Hol­mes-Samm­lung

Die ein­zel­nen Ge­schich­ten

Die tan­zen­den Männ­chen

Die Ent­füh­rung aus der Klos­ter­schu­le

Der schwar­ze Pe­ter

Die sechs Na­po­leon­büs­ten

Der Mord in Ab­bey Gran­ge

Der zwei­te Blut­fle­cken

Dan­ke

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Die Sherlock Holmes-Sammlung

Al­le Ro­ma­ne, alle Kurz­ge­schich­ten

Ü­ber 400 Zeich­nun­gen

Ju­bi­lä­ums­aus­ga­be: 0,99 €

null-pa­pier.de/371

Die einzelnen Geschichten

»Die tan­zen­den Männ­chen« (»The Dan­cing Men«), 1903

Der an­ge­se­he­ne Guts­be­sit­zer Hil­ton Cu­bitt bit­tet Hol­mes um Hil­fe. Sei­ne Frau El­sie wird von rät­sel­haf­ten Zeich­nun­gen aus tan­zen­den Strich­männ­chen all­mäh­lich in den Wahn­sinn ge­trie­ben. Hol­mes ahnt, dass des Rät­sels Lö­sung in der Ver­gan­gen­heit der Ehe­frau zu fin­den ist.

»Die Ent­füh­rung aus der Klos­ter­schu­le« (»The Prio­ry School«), 1904

Der Sohn ei­nes ein­fluss­rei­chen Ad­li­gen und sein Leh­rer ver­schwin­den über Nacht aus dem In­ter­nat. Auf der Su­che im Moor fin­det Hol­mes die Lei­che des Leh­rers. Was ist pas­siert?

»Der schwar­ze Pe­ter« (»Black Pe­ter«), 1904

Cap­tain Pe­ter Ca­rey wur­de er­mor­det, er­sto­chen mit ei­ner Har­pu­ne. Ein Au­gen­zeu­ge scheint ver­däch­tig. Scot­land Yard1 bit­tet Hol­mes um Hil­fe.

»Die sechs Na­po­leon­büs­ten« (»The Six Na­po­le­ons«), 1904

Ein Ein­bre­cher stiehlt wert­lo­se Du­pli­ka­te ei­ner Na­po­leon­büs­te und zer­stört sie auf of­fe­ner Stra­ße. Aber als schließ­lich ein Mord ge­schieht, ahnt Hol­mes, dass die Mo­ti­ve hin­ter die­ser Tat durch­aus Sinn er­ge­ben.

»Der Mord in Ab­bey Gran­ge« (»The Ab­bey Gran­ge«), 1904

Im pracht­vol­len An­we­sen Ab­bey Gran­ge wird der Haus­herr, zeit sei­nes Le­bens ein un­sym­pa­thi­scher Ty­rann, er­mor­det auf­ge­fun­den. Zu­nächst ver­däch­tigt man eine Ein­bre­cher­ban­de. Aber Hol­mes hegt Zwei­fel.

»Der zwei­te Blut­fle­cken« (»The Se­cond Stain«), 1905

Ein wich­ti­ges Do­ku­ment ver­schwin­det. Und wie­der ein­mal droht Krieg in Eu­ro­pa. Und wie­der ein­mal wird Hol­mes mit der Su­che be­auf­tragt. Der Mord an ei­nem aus­län­di­schen Agen­ten führt Hol­mes schließ­lich auf die rich­ti­ge Fähr­te.

Quar­tier der Lon­do­ner Ge­heim­po­li­zei.  <<<

Die tanzenden Männchen

Sher­lock Hol­mes hat­te stun­den­lang über eine Por­zel­lan­scha­le ge­beugt ge­ses­sen, in der er ein be­son­ders übel­rie­chen­des che­mi­sches Pro­dukt brau­te. Sein Kopf war auf die Brust her­ab­ge­sun­ken, und der lan­ge, schma­le Rücken war so ge­krümmt, dass die Ge­stalt mei­nes Freun­des ei­nem schlan­ken Vo­gel mit grau­em Ge­fie­der und schwar­zer Hau­be glich.

»Du willst also kei­ne süd­afri­ka­ni­schen Pa­pie­re kau­fen, Wat­son?«, sag­te er ur­plötz­lich.

Ich konn­te mein Er­stau­nen über die­se Fra­ge nicht un­ter­drücken. Ob­gleich er mir schon häu­fig Be­wei­se be­wun­derns­wer­ter Fä­hig­kei­ten ge­ge­ben hat­te, war mir doch die­ses Er­ra­ten mei­ner in­ners­ten Ge­dan­ken gänz­lich un­fass­bar.

»Wo­her in al­ler Welt weißt du das?«, frag­te ich ihn.

Hol­mes dreh­te sich auf sei­nem Stuhl um. Er hat­te ein rau­chen­des Rea­gens­röhr­chen in der Hand, und sei­ne tief­lie­gen­den Au­gen zeig­ten eine ver­gnüg­te Stim­mung an.

»Nun, Wat­son, du bist über­rascht?«, sag­te er.

»Das bin ich al­ler­dings.«

»Die­ses Zu­ge­ständ­nis soll­te ich mir ei­gent­lich schrift­lich von dir ge­ben las­sen.«

»Wa­rum?«

»Weil du in fünf Mi­nu­ten sa­gen wirst, auf die­sen Ge­dan­ken zu kom­men, sei un­ge­heu­er ein­fach ge­we­sen.«

»Das wer­de ich si­cher nicht sa­gen.«

»Pass’ mal auf, mein lie­ber Wat­son« – er steck­te das Pro­bier­röhr­chen in das Ge­stell und be­gann mit der Mie­ne ei­nes Leh­rers zu re­den, der zu sei­nen Schü­lern spricht – »es ist tat­säch­lich nicht so schwer, eine Rei­he von Schlüs­sen zu zie­hen, von de­nen je­der aus dem vor­her­ge­hen­den folgt, und von de­nen je­der ein­zel­ne sehr leicht ist. Wenn man das tut, und dann die mitt­le­ren weg­lässt, und sei­nen Zu­hö­rern nur den ers­ten und letz­ten sagt, so kann man eine ver­blüf­fen­de, mit­un­ter eine ge­ra­de­zu wun­der­ba­re Wir­kung er­zie­len. So war es wahr­haf­tig kei­ne Kunst, an dei­nem lin­ken Zei­ge­fin­ger und Dau­men zu er­ken­nen, dass du die Ab­sicht, dein klei­nes Ver­mö­gen in afri­ka­ni­schen Mi­nen­wer­ten an­zu­le­gen, auf­ge­ge­ben hat­test.«

»Hier sehe ich kei­ner­lei Ver­bin­dung.«

»Das ist wohl mög­lich, aber ich kann dir schnell die ein­zel­nen Glie­der der Ket­te der Rei­he nach zei­gen. Ers­tens: Als du ges­tern Abend aus dem Klub kamst, hat­test du Krei­de­spu­ren an Dau­men und Zei­ge­fin­ger der lin­ken Hand. Zwei­tens: Das ist nur der Fall, wenn du Bil­lard ge­spielt und das Queue mit Krei­de be­stri­chen hast. Drit­tens: Du spielst nur mit Thur­ston Bil­lard. Vier­tens: Du er­zähl­test mir vor vier Wo­chen, dass Thur­ston süd­afri­ka­ni­sche Ak­ti­en, die nach ei­nem Mo­nat aus­ge­ge­ben wür­den, zu kau­fen ge­den­ke, und du dich dar­an be­tei­li­gen woll­test. Fünf­tens: Dein Scheck­buch ist in mei­nem Schrank ein­ge­schlos­sen, und du hast bis heu­te noch nicht nach dem Schlüs­sel ge­fragt. Sechs­tens: Du hast also die Ab­sicht auf­ge­ge­ben, dein Geld in die­sen Wer­ten an­zu­le­gen.«

»Wie un­ge­heu­er ein­fach!«, rief ich un­will­kür­lich aus.

»Genau, wie ich ge­sagt hat­te«, fuhr mein Freund et­was är­ger­lich fort. »Je­des Pro­blem er­scheint dir kin­der­leicht, nach­dem man dir’s er­klärt hat. Hier habe ich aber eins, das noch nicht er­klärt ist. Sieh, was du da­mit ma­chen kannst, al­ter Freund.« Er warf mir ein Blatt Pa­pier auf den Tisch und wand­te sich selbst wie­der sei­ner che­mi­schen Ana­ly­se zu.

Ich be­trach­te­te er­staunt die merk­wür­di­gen Hie­ro­gly­phen auf dem Pa­pier.

»Ei nun, Hol­mes«, rief ich, »das hat ein Kind ge­macht!«

»Das ist dei­ne An­sicht!«

»Was soll es denn sonst sein?«

»Ja, das möch­te Herr Hil­ton Cu­bitt aus Ri­ding in Nor­folk auch ger­ne wis­sen. Das klei­ne Rät­sel ist mit der ers­ten Post ein­ge­lau­fen, und der Ab­sen­der selbst will mit dem nächs­ten Zug kom­men… Es klin­gelt, Wat­son, und es soll­te mich gar nicht über­ra­schen, wenn er’s schon wäre.«

Auf der Trep­pe wur­den schwe­re Trit­te hör­bar, und im nächs­ten Mo­ment mach­te ein großer, frisch aus­se­hen­der Herr mit glat­tra­sier­tem Ge­sicht un­se­re Stu­ben­tür auf. Sei­ne kla­ren Au­gen und sei­ne blü­hen­de Ge­sichts­far­be sag­ten uns, dass er ent­schie­den kei­nen Be­ruf hat­te, der ihn an die Ba­ker Street fes­sel­te. Er schi­en bei sei­nem Ein­tritt einen Hauch der kräf­ti­gen, ner­ven­stär­ken­den See­luft sei­ner Hei­mat mit­zu­brin­gen. Als er je­dem von uns die Hand ge­schüt­telt hat­te und Platz neh­men woll­te, fiel sein Blick auf das Pa­pier mit den son­der­ba­ren Zei­chen, das ich eben in der Hand ge­habt und wie­der auf den Tisch ge­legt hat­te.

»Nun, Herr Hol­mes, was mei­nen Sie dazu?«, rief er mit mar­ki­ger Stim­me aus. »Man hat mir er­zählt, dass Ih­nen sol­che rät­sel­haf­ten Sa­chen Spaß ma­chen, und ich glau­be kaum, dass es eine rät­sel­haf­te­re gibt als die­se. Ich habe den Zet­tel vor­aus­ge­schickt, da­mit Sie ihn vor mei­ner An­kunft stu­die­ren kön­nen.«

»Es ist wirk­lich eine selt­sa­me Schrei­be­rei«, er­wi­der­te Hol­mes. »Auf den ers­ten Blick könn­te man es für das Ge­krit­zel ei­nes Kin­des hal­ten. Es be­steht aus ei­ner An­zahl klei­ner Fi­gu­ren, die über das Pa­pier tan­zen. Wa­rum le­gen Sie die­sem dum­men Zeug über­haupt eine be­son­de­re Be­deu­tung und so große Wich­tig­keit bei?«

»Mir wür­de es gar nicht ein­fal­len, aber mei­ne Frau tut’s. Sie ist dar­über zu Tod er­schro­cken. Sie sagt zwar nichts, ich kann ihr aber die Furcht aus den Au­gen ab­le­sen, und dar­um möch­te ich der Sa­che auf den Grund kom­men.«

Hol­mes nahm den Zet­tel und hielt ihn ge­gen das hel­le Ta­ges­licht. Es war ein Blatt aus ei­nem No­tiz­buch. Die Zei­len wa­ren mit Blei­stift ge­macht und sa­hen un­ge­fähr so aus:

Hol­mes prüf­te das Blatt eine Zeit lang, fal­te­te es dann sorg­fäl­tig zu­sam­men und leg­te es in sein No­tiz­buch.

»Es ver­spricht, ein äu­ßerst in­ter­essan­ter und un­ge­wöhn­li­cher Fall zu wer­den«, sag­te er. »Sie ha­ben mir in Ihrem Brie­fe be­reits ei­ni­ge nä­he­re An­ga­ben ge­macht, es wür­de mir aber an­ge­nehm sein, wenn Sie im In­ter­es­se mei­nes Freun­des Dr. Wat­son hier das Gan­ze noch ein­mal im Zu­sam­men­hang er­zäh­len woll­ten.«

»Ich bin nichts we­ni­ger als ein glän­zen­der Er­zäh­ler«, sag­te un­ser Be­su­cher und rieb sich ner­vös die großen, kräf­ti­gen Hän­de; »Sie müs­sen mich fra­gen, wenn ich die Sa­che nicht or­dent­lich klar ma­che. Ich muss mit mei­ner Ver­ehe­li­chung im vo­ri­gen Jahr an­fan­gen. Ich will noch vor­aus­schi­cken, dass, wenn ich auch kein rei­cher Mann bin, mei­ne Vor­fah­ren doch seit fünf­hun­dert Jah­ren in Ri­ding an­säs­sig sind, und mei­ne Fa­mi­lie die be­kann­tes­te in der gan­zen Graf­schaft ist. Ver­gan­ge­nes Jahr kam ich zum Ju­bi­lä­um nach Lon­don ’rauf und lo­gier­te in ei­nem Haus am Rus­sell-Platz, weil der Geist­li­che un­se­rer Ge­mein­de, Pas­tor Par­ker, auch da wohn­te. Dort war auch ’ne jun­ge Ame­ri­ka­ne­rin – na­mens Pa­trick – El­sie Pa­trick. Wir be­freun­de­ten uns, und ehe noch ein Mo­nat um war, war ich so in sie ver­liebt, wie’s ein Mann nur sein kann. Wir lie­ßen uns in al­ler Stil­le trau­en und kehr­ten als jun­ges Ehe­paar nach Nor­folk zu­rück. Es wird Ih­nen als recht leicht­sin­nig er­schei­nen, Herr Hol­mes, dass ein Mann aus ei­ner gu­ten al­ten Fa­mi­lie sich in die­ser Wei­se eine Frau nimmt, das heißt, ohne et­was über ihre Her­kunft und ihre Ver­gan­gen­heit zu wis­sen; wenn Sie sie aber sä­hen und nä­her känn­ten, wür­den Sie’s be­greif­lich fin­den.

Sie war sehr of­fen in die­ser Be­zie­hung, die El­sie. Sie hielt wahr­haf­tig nicht da­mit hin­ter’m Ber­ge, als ich sie frag­te. ›Ich habe sehr un­an­ge­neh­me Ver­hält­nis­se in mei­nem Le­ben durch­ge­macht‹, ant­wor­te­te sie, ›ich su­che sie zu ver­ges­sen. Ich spre­che nicht ger­ne da­von, denn es ruft stets pein­li­che Erin­ne­run­gen in mir wach. Wenn du mich zur Frau nimmst, be­kommst du eine, die nichts auf dem Ge­wis­sen hat, des­sen sie sich per­sön­lich zu schä­men braucht; aber du musst dich mit mei­nem Wort zu­frie­den ge­ben und mir ver­si­chern, dass du mich über das, was bis zu mei­ner Ver­hei­ra­tung vor­ge­fal­len ist, nicht fra­gen willst. Wenn du die­se Be­din­gung nicht ein­hal­ten zu kön­nen glaubst, so gehst du lie­ber al­lein nach Nor­folk und lässt mich das ein­sa­me Le­ben wei­ter füh­ren, das ich bis­her ge­führt habe.‹ Erst am Tage vor der Hoch­zeit sprach sie in die­ser Wei­se zu mir. Ich ant­wor­te­te dar­auf, dass ich sie un­ter der von ihr selbst ge­stell­ten Be­din­gung neh­men woll­te, und habe mein Wort seit­her ge­hal­ten.

Wir sind nun ein Jahr ver­hei­ra­tet und ha­ben sehr glück­lich mit­ein­an­der ge­lebt. Doch vor etwa ei­nem Mo­nat, Ende Juni, be­merk­te ich die ers­ten An­zei­chen ei­ner Ver­än­de­rung in un­se­rem Ver­hält­nis. Ei­nes Ta­ges be­kam mei­ne Frau aus Ame­ri­ka einen Brief. Ich er­kann­te die ame­ri­ka­ni­sche Mar­ke. Sie wur­de lei­chen­blass, las das Schrei­ben und warf es ins Feu­er. Sie er­wähn­te die Sa­che spä­ter mit kei­nem Wort, und ich fing auch nicht da­von an, denn ver­spro­chen bleibt ver­spro­chen; aber sie hat seit je­ner Zeit kei­ne ver­gnüg­te Stun­de mehr ge­habt. Ihr Ge­sicht ver­rät stets eine ge­wis­se Angst: Sie sieht aus, als ob sie et­was Schlim­mes be­fürch­te. Es wür­de bes­ser sein, wenn sie sich mir an­ver­trau­te. Sie wür­de in mir ih­ren bes­ten Freund fin­den. Aber wenn sie sich nicht selbst zu re­den ent­schließt – ich darf den An­fang nicht ma­chen. Wohl­ver­stan­den, sie ist ein treu­es Weib, Herr Hol­mes, und was auch frü­her vor­ge­fal­len sein mag, sie trägt si­cher nicht die Schuld dar­an. Ich bin ein ein­fa­cher Guts­be­sit­zer in Nor­folk, aber in ganz Eng­land hält nie­mand sei­ne Fa­mi­lie hö­her als ich. Das weiß sie sehr ge­nau, und sie wuss­te es auch be­reits vor un­se­rer Ver­hei­ra­tung. Sie wür­de nie einen Ma­kel dar­auf ge­la­den ha­ben – dess’ bin ich si­cher.

Ich kom­me nun erst auf den Kern der gan­zen be­un­ru­hi­gen­den An­ge­le­gen­heit, auf den Teil, zu des­sen Lö­sung ich Ihre Hil­fe in An­spruch neh­men möch­te: Vor un­ge­fähr acht Ta­gen – es war am Diens­tag vo­ri­ger Wo­che – ent­deck­te ich auf ei­ner Fens­ter­schwel­le eine An­zahl klei­ner tan­zen­der Fi­gu­ren, wie die hier auf dem Pa­pier. Sie wa­ren mit Krei­de d’rauf ge­krit­zelt. Ich dach­te, der Stall­jun­ge wäre es ge­we­sen, er schwor je­doch, nichts da­von zu wis­sen. Wie dem auch sein moch­te, sie wa­ren wäh­rend der Nacht da­hin ge­kom­men. Ich wisch­te sie aus und er­wähn­te es mei­ner Frau ge­gen­über erst spä­ter. Zu mei­ner Über­ra­schung nahm sie die Sa­che sehr ernst und bat mich, wenn ich wie­der wel­che fän­de, sie ihr gleich zu zei­gen. Eine Wo­che lang er­schie­nen kei­ne neu­en Männ­chen, aber ges­tern Mor­gen lag die­ses Pa­pier hier auf der Son­nen­uhr im Gar­ten. Ich gab es El­sie, und sie fiel in Ohn­macht. Seit­dem trägt sie ein ganz träu­me­ri­sches We­sen zur Schau, ist voll­kom­men ver­stört, und die Furcht guckt ihr aus bei­den Au­gen. Ich schrieb so­fort an Sie, Herr Hol­mes, und leg­te Ih­nen den Zet­tel bei. Ich konn­te die Sa­che nicht der Po­li­zei über­ge­ben, denn sie wür­de mich aus­ge­lacht ha­ben, aber Sie wer­den mir ra­ten kön­nen, was ich tun soll. Ich bin kein rei­cher Mann; aber wenn mei­ner Frau Un­heil droht, bin ich be­reit, den letz­ten Hel­ler zu op­fern.«

Er war eine sym­pa­thi­sche Er­schei­nung, die­ser Mann von al­tem Schrot und Korn, ein­fach, ge­ra­de und edel, mit treu­en blau­en Au­gen und ei­nem of­fe­nen hüb­schen Ge­sicht. Die Lie­be und das Ver­trau­en zu sei­ner Frau spra­chen aus sei­nen Zü­gen und aus sei­nen Äu­ße­run­gen. Hol­mes hat­te der Er­zäh­lung auf­merk­sam zu­ge­hört und saß, in Nach­den­ken ver­sun­ken, schwei­gend auf sei­nem Stuhl.

»Mei­nen Sie nicht, Herr Cu­bitt«, sag­te er nach ei­ni­ger Zeit, »dass es die bes­te Lö­sung wäre, wenn Sie sich di­rekt mit Ih­rer Frau ver­stän­dig­ten und sie bä­ten, Ih­nen ihr Ge­heim­nis an­zu­ver­trau­en?«

Hil­ton Cu­bitt schüt­tel­te sein Haupt.

»Ver­spre­chen bleibt Ver­spre­chen, Herr Hol­mes. Wenn mir’s El­sie mit­tei­len woll­te, wür­de sie’s frei­wil­lig tun. Wenn sie’s nicht will, kann ich sie nicht zwin­gen. Aber das recht habe ich, an­der­wei­tig die nö­ti­gen Schrit­te zur Auf­klä­rung der Sa­che zu tun – und das will ich.«

»Dann will ich Ih­nen mit al­len Kräf­ten bei­ste­hen. Also, vor al­len Din­gen, ha­ben Sie et­was von Frem­den in Ih­rer Nach­bar­schaft ge­se­hen oder ge­hört?«

»Nein.«

»In Ih­rer Hei­mat ist doch wohl we­nig Ver­kehr, so­dass je­des frem­de Ge­sicht auf­fal­len wür­de?«

»In der un­mit­tel­ba­ren Um­ge­bung, ja. Aber et­was wei­ter ab lie­gen ei­ni­ge klei­ne Ba­de­or­te, de­ren Be­woh­ner im Som­mer Gäs­te auf­neh­men.«

»Die­se Hie­ro­gly­phen sind si­cher nicht ohne Be­deu­tung. Wenn sie rein will­kür­lich ge­wählt sind, wird es uns kaum mög­lich sein, sie zu ent­zif­fern. Liegt da­ge­gen ein Sys­tem dar­in, so zweifle ich nicht, dass wir eine Lö­sung fin­den wer­den. Das vor­lie­gen­de Mus­ter ist je­doch zu klein, um et­was da­mit an­fan­gen zu kön­nen, und die Tat­sa­chen, die Sie uns er­zählt ha­ben, sind zu un­be­stimmt, um eine si­che­re Un­ter­la­ge für die wei­te­re Un­ter­su­chung ab­ge­ben zu kön­nen. Ich möch­te Ih­nen da­her den Vor­schlag ma­chen, jetzt wie­der nach Nor­folk zu­rück­zu­keh­ren, ge­nau auf al­les auf­zu­pas­sen und ir­gend­wel­che neu­en tan­zen­den Männ­chen ge­treu zu ko­pie­ren. Es ist au­ßer­or­dent­lich scha­de, dass wir kei­ne Ab­schrift der ers­ten Zei­chen ha­ben, die mit Krei­de auf das Fens­ter­brett ge­schrie­ben wa­ren. Er­kun­di­gen Sie sich auch vor­sich­tig nach et­wai­gen Frem­den in der Um­ge­gend. So­bald Sie et­was Neu­es in Er­fah­rung ge­bracht ha­ben, kom­men Sie gleich wie­der zu mir. Ei­nen an­de­ren Rat kann ich Ih­nen vor­läu­fig nicht ge­ben, Herr Cu­bitt. In drin­gen­den Fäl­len bin ich stets be­reit, hin­un­ter zu fah­ren und Sie per­sön­lich auf­zu­su­chen.«

Nach die­sem In­ter­view war mein Freund sehr nach­denk­lich, und im Lauf der nächs­ten Tage sah ich ihn wie­der­holt das Blätt­chen Pa­pier aus dem No­tiz­buch neh­men und lan­ge und ernst die merk­wür­di­gen Zei­chen be­trach­ten. Er sprach je­doch nie wie­der von die­ser An­ge­le­gen­heit, bis ich, nach vier­zehn Ta­gen oder noch spä­ter, aus­ge­hen woll­te und er mir plötz­lich zu­rief:

»Du wür­dest bes­ser hier blei­ben, Wat­son.«

»Wa­rum?«

»Weil ich heu­te Mor­gen von Cu­bitt – du er­in­nerst dich doch noch des Man­nes mit den tan­zen­den Fi­gu­ren? – ein Te­le­gramm er­hal­ten habe. Er will ein Uhr zwan­zig auf der Sta­ti­on Li­ver­pool Street an­kom­men, und muss also je­den Au­gen­blick hier sein. Ich schlie­ße aus der De­pe­sche, dass er wich­ti­ge Nach­rich­ten mit­brin­gen wird.«

Es dau­er­te gar nicht lan­ge, als un­ser Nor­fol­ker Kli­ent auch schon in schnells­tem Tem­po in ei­ner Drosch­ke vor­ge­fah­ren kam. Er sah sehr nie­der­ge­schla­gen und ab­ge­spannt aus, die kla­ren Au­gen wa­ren trü­be, und die hei­te­re Stir­ne war in Fal­ten ge­zo­gen.

»Die Ge­schich­te fällt mir all­mäh­lich auf die Ner­ven, Herr Hol­mes«, be­gann er, und ließ sich er­mat­tet in einen Lehn­stuhl sin­ken. »Es ist schon ein ziem­lich un­be­hag­li­ches Ge­fühl, sich heim­lich von un­be­kann­ten Men­schen um­ge­ben zu wis­sen, die et­was ge­gen einen im Schild füh­ren; wenn man aber zu­dem mit­an­se­hen muss, wie die ei­ge­ne Frau da­bei zu­grun­de geht, wird die Sa­che nach­ge­ra­de un­er­träg­lich. Sie wird im­mer sie­cher, zu­se­hends sie­cher.«

»Hat sie noch nichts ge­äu­ßert?«

»Nein, Herr Hol­mes; kein Wort. Und doch hat das arme Weib manch­mal das Be­dürf­nis ge­habt, zu spre­chen – ich hab’s ihr an­ge­se­hen – aber sie hat’s nicht über sich ge­bracht. Ich hab’s ihr er­leich­tern wol­len, aber ich muss sa­gen, ich hab’s so un­ge­schickt an­ge­fan­gen, dass ich’s ihr viel­mehr er­schwert und sie da­von ab­ge­bracht habe. Sie re­de­te von mei­ner al­ten Fa­mi­lie, von un­se­rem gu­ten Ruf in der Graf­schaft und von un­se­rem Stolz auf un­se­re un­be­fleck­te Ehre. Ich merk­te, dass sie et­was auf dem Her­zen hat­te, aber auf ein­mal sprang sie von die­sem The­ma ab, ohne zu Ende ge­kom­men zu sein.«

»Aber Sie ha­ben für sich neue Ent­de­ckun­gen ge­macht?«

»Man­cher­lei, Herr Hol­mes. Ich brin­ge Ih­nen hier ver­schie­de­ne fri­sche tan­zen­de Männ­chen zur Prü­fung mit, und, was das Wich­tigs­te ist, ich habe den Kerl ge­se­hen.«

»Was, den Schrei­ber der Fi­gu­ren?«

»Ja­wohl, ich habe ihn bei der Ar­beit be­ob­ach­tet. Aber ich will Ih­nen al­les in der rich­ti­gen Rei­hen­fol­ge be­rich­ten. Als ich nach dem Be­su­che bei Ih­nen nach Hau­se zu­rück­ge­kehrt war, fand ich gleich am nächs­ten Mor­gen wie­der neue tan­zen­de Männ­chen. Sie wa­ren mit Krei­de an das schwar­ze höl­zer­ne Tor der Wa­gen­re­mi­se ge­zeich­net, die man von den vor­de­ren Fens­tern un­se­res Wohn­hau­ses di­rekt vor Au­gen hat. Ich habe sie ge­nau nach­ge­macht, hier ist die Ko­pie.« Er fal­te­te einen Zet­tel aus­ein­an­der und leg­te ihn auf den Tisch. Die Zei­chen sa­hen fol­gen­der­ma­ßen aus:

»Aus­ge­zeich­net!«, sag­te Hol­mes. »Aus­ge­zeich­net! Bit­te, fah­ren Sie fort.«

»Nach­dem ich die Ab­schrift ge­nom­men hat­te, lösch­te ich die Din­ger aus; am über­nächs­ten Mor­gen war je­doch wie­der eine neue Se­rie dort, de­ren Ko­pie ich hier habe.«

Hol­mes rieb sich die Hän­de und lach­te vor Ver­gnü­gen über die güns­ti­ge Wei­ter­ent­wick­lung.

»Un­ser Ma­te­ri­al mehrt sich er­freu­lich schnell«, sag­te er.

»Drei Tage dar­auf fand ich wie­der ein Blatt Pa­pier mit den rät­sel­haf­ten Fi­gu­ren an der Son­nen­uhr. Ich habe es hier. Es sind, wie Sie se­hen, ge­nau die­sel­ben Zei­chen dar­auf, wie auf dem letz­ten. Nun ent­schloss ich mich end­lich, dem Schrei­ber auf­zu­lau­ern. Ich nahm mei­nen Re­vol­ver und setz­te mich in mein Zim­mer, von dem aus ich den Hof und den Gar­ten über­bli­cken konn­te. Im Zim­mer hat­te ich kein Licht, drau­ßen war es mond­hell. Als ich so ge­gen zwei Uhr nachts am Fens­ter saß, hör­te ich Schrit­te; es war mei­ne Frau im Schlaf­ge­wand. Sie bat mich in­stän­dig, zu Bett zu ge­hen. Ich er­klär­te ihr frei her­aus, dass ich den Men­schen se­hen woll­te, der ein so ei­gen­tüm­li­ches Spiel mit uns trieb. Sie ant­wor­te­te, es hand­le sich nur um einen schlech­ten Scherz, und ich sol­le gar kei­ne No­tiz da­von neh­men.

›Wenn es dich wirk­lich be­un­ru­higt, Hil­ton, kön­nen wir ja zu­sam­men ver­rei­sen und uns so die­ser Stö­rung ent­zie­hen.‹

›Was, uns von ei­nem üb­len Witz­bold aus un­se­rem ei­ge­nen Haus trei­ben las­sen?‹, er­wi­der­te ich. ›Die gan­ze Nach­bar­schaft wür­de uns ja aus­la­chen.‹

›Wir kön­nen mor­gen früh wei­ter dar­über re­den, kom­m’ jetzt, bit­te, zu Bet­t‹, ver­setz­te sie zärt­lich.

Wäh­rend sie noch sprach, sah ich in dem Mond­schein ihr blei­ches Ge­sicht plötz­lich noch blei­cher wer­den. Im Schat­ten der Re­mi­se be­weg­te sich et­was. Eine dunkle Ge­stalt kroch um die Ecke und kau­er­te vor dem Tor nie­der. Ich er­griff mei­ne Waf­fe und woll­te hin­aus­stür­zen. Aber mei­ne Frau schlang die Arme um mei­ne Brust und hielt mich krampf­haft fest. Ich ver­such­te, sie ab­zu­schüt­teln, sie ließ aber nicht los. End­lich mach­te ich mich frei, aber ehe ich zur Tür hin­aus­kam und das Ge­bäu­de er­reich­te, war der Kerl ver­schwun­den. Er hat­te je­doch eine Spur hin­ter­las­sen; an dem Tor be­fand sich wie­der die­sel­be Rei­he tan­zen­der Fi­gu­ren wie die bei­den vor­her­ge­hen­den Male, und wie ich sie auf je­nem Blatt nach­ge­zeich­net habe. Sonst war nichts von ihm zu se­hen, ob­wohl ich das gan­ze Ter­rain ab­such­te. Das ist umso auf­fal­len­der, als er sich auch spä­ter noch in der Nähe auf­ge­hal­ten ha­ben muss, denn, als ich am Mor­gen das Tor wie­der un­ter­such­te, hat­te er un­ter die Zei­le, die ich be­reits ge­se­hen hat­te, neue Zei­chen ge­setzt.«

»Ha­ben Sie die­se fri­schen Fi­gu­ren auch ko­piert?«

»Ja, es sind nur we­ni­ge; hier sind sie.«

Er zog aber­mals ein Pa­pier aus der Ta­sche, das fol­gen­de Zei­chen ent­hielt:

»Sa­gen Sie ’mal«, frag­te Hol­mes, dem ich die star­ke Er­re­gung an den Au­gen an­se­hen konn­te, »war dies ein blo­ßer Zu­satz zu der ers­ten Rei­he, oder mach­te es den Ein­druck, als ob es gar nicht dazu ge­hör­te?«

»Es stand auf ei­nem ganz an­de­ren Teil des To­res.«

»Groß­ar­tig! Das ist von der größ­ten Be­deu­tung zur Er­rei­chung un­se­res Zwecks. Es er­füllt mich mit neu­en Hoff­nun­gen. Nun, er­zäh­len Sie wei­ter, Herr Cu­bitt.«

»Ich kann nur noch hin­zu­fü­gen, Herr Hol­mes, dass ich auf mei­ne Frau sehr böse war, weil sie mich in je­ner Nacht dar­an ver­hin­dert hat­te, den heim­tücki­schen Bur­schen wo­mög­lich in mei­ne Ge­walt zu be­kom­men. Sie sag­te zwar, sie hät­te sich ge­fürch­tet, es möch­te mir ein Leid ge­sche­hen, aber einen Au­gen­blick kam mir der Ge­dan­ke, dass sie in Wirk­lich­keit ge­fürch­tet ha­ben möch­te, dass er Scha­den neh­me, denn ich konn­te nicht dar­an zwei­feln, dass sie den Mann und auch die Be­deu­tung die­ser Zei­chen kann­te. Doch in der Stim­me mei­ner Frau liegt ein Klang und in ih­ren Au­gen ein Aus­druck, der alle Zwei­fel ver­scheucht, und ich bin jetzt wie­der der fes­ten Über­zeu­gung, Herr Hol­mes, dass sie tat­säch­lich um mein ei­ge­nes Wohl be­sorgt war. – Ich habe Ih­nen hier­mit den gan­zen Fall ge­nau dar­ge­stellt und bit­te Sie nun um Ihren Rat, was zu tun ist. Ich selbst möch­te am liebs­ten ein hal­b­es Dut­zend mei­ner Leu­te auf­stel­len und dem Kerl, wenn er wie­der kommt, eine so der­be Lek­ti­on er­tei­len las­sen, dass er uns in Zu­kunft in Frie­den lässt.«

»Ich fürch­te, die­ser Fall ist schon zu weit vor­ge­schrit­ten und nicht mehr durch eine so ein­fa­che Kur zu hei­len«, sag­te Hol­mes. »Wie lan­ge kön­nen Sie in Lon­don blei­ben?«

»Ich muss heu­te wie­der zu­rück, un­be­dingt. Ich möch­te mei­ne Frau um al­les in der Welt nicht al­lein las­sen wäh­rend der Nacht. Sie ist sehr ner­vös und bat mich drin­gend, zu­rück­zu­keh­ren.«

»Wenn’s so steht, kann ich Ih­nen nur recht ge­ben. Aber wenn Sie einen oder zwei Tage Zeit ge­habt hät­ten, wür­de ich dann viel­leicht mit Ih­nen nach Hau­se ge­fah­ren sein. Las­sen Sie mir alle die­se Zet­tel un­ter­des­sen hier. Ich den­ke, ich wer­de Ih­nen höchst­wahr­schein­lich in kur­z­em einen Be­such ma­chen und ei­ni­ges Licht in die­se dunkle Sa­che brin­gen kön­nen.«

Hol­mes be­wahr­te wäh­rend der An­we­sen­heit un­se­res Be­su­chers sei­ne ge­schäfts­mä­ßi­ge Ruhe, ob­gleich er stark er­regt war, wie ich wohl merk­te. So­bald aber Hil­ton Cu­bitts brei­ter Rücken in der Tür ver­schwun­den war, schritt er schnell zum Schreib­tisch, brei­te­te die sämt­li­chen Pa­pier­zet­tel dar­auf vor sich aus und be­gann eine schwie­ri­ge und müh­sa­me Be­rech­nung. Zwei Stun­den lang be­ob­ach­te­te ich ihn, wie er ein Blatt nach dem an­de­ren mit Fi­gu­ren und Zei­chen be­schrieb und so sehr in die Ar­beit ver­tieft war, dass er mei­ne Ge­gen­wart au­gen­schein­lich ganz ver­ges­sen hat­te. Manch­mal, wenn es mit sei­ner Lö­sung vor­wärts ging, fing er an zu pfei­fen und zu sin­gen, manch­mal, wenn er in Ver­le­gen­heit kam, sah er län­ge­re Zeit mit ge­run­zel­ter Stirn starr vor sich hin. End­lich sprang er mit ei­nem Aus­ruf der Be­frie­di­gung vom Stuhl auf und ging, sich die Hän­de rei­bend, im Zim­mer auf und ab. Dann nahm er ein De­pe­schen­for­mu­lar und setz­te ein lan­ges Te­le­gramm auf. »Wenn ich dar­auf die ge­wünsch­te Ant­wort er­hal­te, wirst du einen sehr hüb­schen Fall für dei­ne Samm­lung be­kom­men, Wat­son«, sag­te er dann zu mir. »Ich hof­fe, dass wir mor­gen nach Nor­folk hin­un­ter fah­ren kön­nen, um un­se­rem Freund de­fi­ni­ti­ven Be­scheid be­züg­lich sei­ner Küm­mer­nis zu brin­gen.«

Ich muss ge­ste­hen, dass ich neu­gie­rig war. Da ich aber wuss­te, dass Hol­mes sei­ne Ent­hül­lun­gen zu sei­ner Zeit und auf sei­ne ei­ge­ne Wei­se be­kannt zu ge­ben pfleg­te, so war­te­te ich ge­dul­dig, bis es ihm pas­sen wür­de, mich ins Ver­trau­en zu zie­hen.

In der Beant­wor­tung des Te­le­gramms trat je­doch eine Ver­zö­ge­rung ein. Es folg­ten zwei Tage, wäh­rend de­ren Hol­mes sehr un­ge­dul­dig war und bei je­dem Klin­geln em­por­fuhr. Am Abend des zwei­ten Ta­ges traf da­ge­gen wie­der eine Nach­richt von Cu­bitt ein. Es sei al­les ru­hig ge­wor­den, nur heu­te Mor­gen habe er an der Son­nen­uhr eine lan­ge Rei­he tan­zen­der Männ­chen ge­fun­den. Er lege eine Ab­schrift der­sel­ben bei. Sie sah fol­gen­der­ma­ßen aus:

Hol­mes beug­te sich ei­ni­ge Mi­nu­ten über die­se selt­sa­men Zei­chen, dann stieß er plötz­lich einen Schrei der Über­ra­schung und des Ent­set­zens aus. Sein Ge­sicht war ganz ent­stellt von Schre­cken.

»Wir ha­ben der Sa­che nun lan­ge ge­nug ih­ren Lauf ge­las­sen«, sag­te er, »es ist die höchs­te Zeit, dass wir ein­schrei­ten. Geht heu­te Nacht noch ein Zug nach North Wals­ham?«

Ich sah so­fort auf dem Fahr­plan nach. Der letz­te war ge­ra­de ab­ge­gan­gen.

»Dann müs­sen wir mor­gen bald früh­stücken und gleich den ers­ten Zug be­nut­zen«, war sei­ne Ant­wort. »Un­se­re An­we­sen­heit ist drin­gend nö­tig. Aha, hier kommt auch die er­war­te­te De­pe­sche. Ei­nen Au­gen­blick, Frau Hud­son, viel­leicht muss ich dar­auf ant­wor­ten. Nein, es ist gut so. Die­se Nach­richt zeigt noch deut­li­cher, dass wir kei­ne Mi­nu­te Zeit ver­lie­ren dür­fen, um Cu­bitt vom Stand der Din­ge in Kennt­nis zu set­zen. Der gute Mann ist in ein ge­fähr­li­ches Netz ge­ra­ten.«

Tat­säch­lich er­wies es sich so. Und auch jetzt, wo ich nun das Ende die­ser tra­gi­schen Ge­schich­te er­zäh­len muss, die mir an­fangs kin­disch und tö­richt er­schie­nen war, emp­fin­de ich wie­der von neu­em je­nen Schau­der und Schre­cken, der mir da­mals durch die Glie­der ging. Ich wünsch­te, mei­nen Le­sern einen glück­li­che­ren Aus­gang be­rich­ten zu kön­nen. Ich muss je­doch den Vor­gang so schil­dern, wie er sich wirk­lich zu­ge­tra­gen hat, und darf auch das schreck­li­che Ende nicht ver­schwei­gen, das Ri­ding eine Zeit lang zu ei­ner trau­ri­gen Berühmt­heit ver­hol­fen hat.

Wir wa­ren kaum in North Wals­ham aus­ge­stie­gen und hat­ten einen Wa­gen zu un­se­rer Wei­ter­rei­se be­stellt, als der Sta­ti­ons­vor­stand auf uns zu­eil­te und uns an­re­de­te:

»Ich ver­mu­te, dass Sie die Lon­do­ner Ge­heim­po­li­zis­ten sind?«

Hol­mes war durch die­se Fra­ge un­an­ge­nehm be­rührt.

»Woraus schlie­ßen Sie das?«

»Weil In­spek­tor Mar­tin aus Nor­wich auch eben durch­ge­kom­men ist. Vi­el­leicht sind Sie auch die Ärz­te. Sie ist nicht tot – we­nigs­tens nach den letz­ten Nach­rich­ten noch nicht. Mög­li­cher­wei­se tref­fen Sie noch recht­zei­tig ein, um sie vom Tode zu ret­ten – wenn’s auch nur für den Gal­gen ist.«

Hol­mes’ Ant­litz ver­fins­ter­te sich.

»Wir wol­len al­ler­dings nach Ri­ding«, sag­te er, »aber von dem, was sich nach Ihren Re­den dort zu­ge­tra­gen hat, ha­ben wir noch nichts ge­hört.«

»Ein furcht­ba­res Blut­bad«, fuhr der Bahn­hofs­vor­ste­her fort, »sie sind bei­de er­schos­sen, Herr Cu­bitt und sei­ne Frau. Sie hat ihn er­schos­sen und dann sich selbst – we­nigs­tens sagt das Per­so­nal so aus. Er ist be­reits ge­stor­ben, und sie schwebt in Le­bens­ge­fahr. Hei­li­ger Herr, eine der äl­tes­ten und ge­ach­tets­ten Fa­mi­li­en in der gan­zen Graf­schaft!«

Ohne ein Wort zu ver­lie­ren, sprang Hol­mes in den Wa­gen. Er sprach wäh­rend der gan­zen Fahrt kein Wort. Ich habe ihn sel­ten in ei­ner so ver­zwei­fel­ten Stim­mung ge­se­hen. Er war schon von An­fang an un­ru­hig ge­we­sen, und hat­te, wie mir nicht ent­gan­gen war, die Mor­gen­zei­tun­gen ängst­lich durch­ge­blät­tert; aber die­se plötz­li­che Ver­wirk­li­chung sei­ner schlimms­ten Be­fürch­tun­gen hat­te ihn vollends nie­der­ge­drückt. Er saß zu­rück­ge­lehnt in sei­ner Ecke und war in düs­te­res Nach­den­ken ver­sun­ken, trotz­dem es vie­ler­lei In­ter­essan­tes zu se­hen gab, denn wir fuh­ren durch eine der schöns­ten und ei­gen­ar­tigs­ten Ge­gen­den in ganz Eng­land. Klei­ne, zer­streut lie­gen­de Häu­schen re­prä­sen­tier­ten die heu­ti­ge Zeit, wäh­rend die ge­wal­ti­gen Kir­chen mit den vier­e­cki­gen Tür­men, wel­che sich zu bei­den Sei­ten des We­ges aus der fla­chen, grü­nen Land­schaft her­vor­ho­ben, von dem Reich­tum und der Macht Alt-Eng­lands Zeug­nis ab­leg­ten. End­lich sah man hin­ter der grü­nen Küs­te von Nor­folk die blau­en Flu­ten der Nord­see auf­tau­chen, und der Kut­scher zeig­te mit der Peit­sche auf zwei alte Gie­bel aus Stein- und Holz­fach­werk, die hin­ter ei­nem Hai­ne her­vor­lug­ten. »Das ist Ri­ding«, sag­te er.

Als wir durch das Parktor die Al­lee ent­lang fuh­ren, er­blick­te ich ge­ra­de vor uns die alte Re­mi­se und die Son­nen­uhr, an die sich so merk­wür­di­ge Be­zie­hun­gen knüpf­ten. Aus ei­nem Jagd­wa­gen war eben ein flin­ker, klei­ner Mann mit ei­nem großen, ge­wichs­ten Schnurr­bart aus­ge­stie­gen. Er stell­te sich uns selbst als In­spek­tor Mar­tin von der Nor­fol­ker Kri­mi­nal­po­li­zei vor, und zeig­te sich nicht we­nig er­staunt, als er den Na­men mei­nes Ge­fähr­ten hör­te.

»Ei, Herr Hol­mes, das Ver­bre­chen ist erst heu­te Nacht um drei Uhr ver­übt wor­den, wie konn­ten Sie das schon in Lon­don wis­sen und so früh am Tat­ort ein­tref­fen wie ich?«

»Ich ahn­te es. Ich kam in der Ab­sicht, es zu ver­hü­ten.«

»Dann müs­sen Sie Ma­te­ri­al ha­ben, das wir nicht ken­nen; denn so­viel uns ge­sagt wor­den ist, hat das Ehe­paar sehr ei­nig ge­lebt.«

»Ich ken­ne nur die Ge­schich­te von den tan­zen­den Männ­chen«, er­wi­der­te Hol­mes. »Ich wer­de Ih­nen das spä­ter aus­ein­an­der­set­zen. Zu­nächst will ich, da ich das Un­glück nicht habe ver­hü­ten kön­nen, die­se mei­ne Kennt­nis be­nut­zen, um den Tä­ter zu er­mit­teln. Wol­len Sie mich bei die­sen Nach­for­schun­gen un­ter­stüt­zen, oder wol­len Sie lie­ber un­ab­hän­gig von mir vor­ge­hen?«

»Es wür­de mich au­ßer­or­dent­lich freu­en, wenn ich mit Ih­nen zu­sam­men ar­bei­ten dürf­te, Herr Hol­mes«, ant­wor­te­te der In­spek­tor ernst.

»Dann wol­len wir un­ver­züg­lich den Tat­be­stand auf­neh­men und da­nach gleich mit den Vor­ar­bei­ten an­fan­gen.«

In­spek­tor Mar­tin war so ver­nünf­tig, mei­nen Freund al­lein ge­wäh­ren zu las­sen und sich da­mit zu be­gnü­gen, die Re­sul­ta­te sorg­fäl­tig zu no­tie­ren. Der Arzt des Or­tes, ein äl­te­rer Herr mit weißem Haar und Bart, kam ge­ra­de aus dem Zim­mer der Frau Cu­bitt. Er teil­te uns mit, dass ihre Ver­let­zun­gen zwar schwer, aber nicht un­be­dingt töd­lich sei­en. Die Ku­gel sei durch das Stirn­bein ins Ge­hirn ge­drun­gen, und es wür­de vor­aus­sicht­lich län­ge­re Zeit dau­ern, ehe sie das Be­wusst­sein wie­der er­lan­gen wür­de. Auf die Fra­ge, ob sie er­schos­sen wor­den sei, oder sich selbst er­schos­sen habe, wag­te er kei­ne bin­den­de Ant­wort zu ge­ben. Es sei nur so­viel si­cher, dass die Ku­gel aus un­mit­tel­ba­rer Nähe ge­kom­men sei. Im Zim­mer sei nur ein Re­vol­ver ge­fun­den wor­den, aus dem zwei Pa­tro­nen ab­ge­feu­ert wor­den sei­en. Herr Cu­bitt sei mit­ten ins Herz ge­trof­fen. Es wäre eben­so gut denk­bar, dass er sie zu­erst und dann sich selbst ge­tö­tet habe, denn die Schuss­waf­fe läge auf dem Bo­den in der Mit­te zwi­schen bei­den.

»Ist die Lei­che schon von der Stel­le ge­schafft wor­den?«, frag­te Hol­mes.

»Es wur­de nur die schwer­ver­wun­de­te Frau weg­ge­tra­gen, denn man konn­te sie un­mög­lich auf dem Bo­den lie­gen las­sen.«

»Wie lan­ge sind Sie schon hier, Herr Dok­tor?«

»Seit vier Uhr.«

»Ist sonst noch je­mand hier?«

»Ja, der Po­li­zei­die­ner hier.«

»Und Sie ha­ben nichts an­ge­fasst?«

»Gar nichts.«

»Dann sind Sie sehr ver­nünf­tig ge­we­sen. Wer hat Sie ho­len las­sen?«

»Das Haus­mäd­chen Saun­ders.«

»Hat sie Lärm ge­schla­gen?«

»Sie und die Kö­chin, Fräu­lein King.«

»Wo sind die Mäd­chen jetzt?«

»Ich glau­be, in der Kü­che.«

»Dann wol­len wir sie so­fort ver­hö­ren.«

Die alte Vor­hal­le mit Ei­chen­holz­tä­fe­lung und den ho­hen Fens­tern wur­de in einen Ge­richts­saal ver­wan­delt. Hol­mes nahm auf ei­nem großen alt­mo­di­schen Lehn­stuhl Platz. Er war ernst und nie­der­ge­schla­gen, aber in sei­nem Blick lag Trotz und Uner­bitt­lich­keit. Ich konn­te in sei­nen Au­gen den fes­ten Vor­satz le­sen, dass er sei­nen Kli­en­ten, den er lei­der nicht ge­ret­tet hat­te, we­nigs­tens un­ter al­len Um­stän­den rä­chen woll­te. Der In­spek­tor, der alte grau­haa­ri­ge Land­dok­tor, ein Orts­po­li­zist und ich bil­de­ten die Bei­sit­zer die­ses ei­gen­ar­ti­gen Ge­richts­ho­fes.

Die bei­den Mäd­chen ga­ben eine ziem­lich kla­re Dar­stel­lung des Vor­falls. Sie wa­ren bei ei­nem lau­ten Knall aus dem Schlaf auf­ge­wacht; kurz dar­auf hat­ten sie einen zwei­ten ge­hört. Sie schlie­fen in zwei an­ein­an­der­sto­ßen­den Kam­mern. Fräu­lein King war zur Saun­ders ge­stürzt, und sie wa­ren zu­sam­men die Trep­pe hin­un­ter­ge­lau­fen. Die Tür des Ar­beits­zim­mers stand of­fen, und auf dem Tisch brann­te eine Ker­ze. Ihr Herr lag mit­ten im Zim­mer auf dem Fuß­bo­den, das Ge­sicht nach un­ten ge­kehrt. Er war voll­stän­dig tot. In der Nähe des Fens­ters lag sei­ne Frau, mit dem Kopf an die Wand ge­lehnt. Sie hat­te eine furcht­ba­re Ver­wun­dung, und die eine Sei­te war ganz von Blut über­strömt. Sie gab noch Le­bens­zei­chen von sich, konn­te aber nicht spre­chen. Gang und Zim­mer wa­ren voll von Pul­ver­dampf. Das Fens­ter war zu und von in­nen ge­schlos­sen. In die­sem Punkt stimm­ten die Aus­sa­gen bei­der Mäd­chen voll­stän­dig über­ein. Sie hat­ten so­fort zum Arzt und zur Po­li­zei ge­schickt. Dann hat­ten sie mit Hil­fe des Die­ners und des Stall­bur­schen ihre ver­wun­de­te Her­rin in ihr Zim­mer ge­bracht. Bei­de Ehe­gat­ten hat­ten vor­her das Bett be­nutzt. Die Frau war an­ge­klei­det, der Mann hat­te über den Un­ter­klei­dern sei­nen Schlaf­rock an. Im Ar­beits­zim­mer war nichts an­ge­rührt, es stand noch je­des Ding an sei­nem Platz. So­weit die Mäd­chen wuss­ten, hat­ten die Ehe­leu­te im bes­ten Ein­ver­neh­men ge­lebt und all­ge­mein als ein sehr glück­li­ches Paar ge­gol­ten.

Das wa­ren die haupt­säch­lichs­ten An­ga­ben. Auf eine Fra­ge des In­spek­tors Mar­tin konn­ten sie be­stimmt be­haup­ten, dass alle Hau­stü­ren von in­nen ge­schlos­sen ge­we­sen wa­ren, und nie­mand aus dem Haus ent­wischt sein konn­te. Hol­mes ant­wor­te­ten sie, dass ih­nen, so­bald sie aus ih­ren Zim­mern auf den Flur ge­stürzt sei­en, au­gen­blick­lich ein star­ker Pul­ver­ge­ruch auf­ge­fal­len sei. »Auf die­sen Punkt ma­che ich Sie ganz be­son­ders auf­merk­sam«, sag­te Hol­mes zu sei­nem Be­rufs­ge­nos­sen Mar­tin. »Und nun kön­nen wir uns, glau­be ich, an die Un­ter­su­chung des Zim­mers be­ge­ben.«

Das Ar­beits­zim­mer des Herrn Cu­bitt war nicht all­zu groß; an drei Wän­den stan­den Bü­cher­re­ga­le, an ei­nem ge­wöhn­li­chen Fens­ter stand ein Schreib­tisch. Von hier aus konn­te man den Hof und den Gar­ten über­schau­en. Un­se­re ers­te Auf­merk­sam­keit galt der Lei­che des un­glück­li­chen Be­sit­zers, des­sen ko­los­sa­ler Kör­per aus­ge­streckt am Bo­den lag. Daraus, dass sei­ne Klei­dung nicht ganz ge­ord­net war, konn­te man ent­neh­men, dass er Eile ge­habt hat­te. Die Ku­gel war von vor­ne ge­kom­men, und, nach­dem sie das Herz durch­bohrt hat­te, im Kör­per ste­cken ge­blie­ben. Der Tod muss­te au­gen­blick­lich und schmerz­los ein­ge­tre­ten sein. We­der sein Schlaf­rock, noch sei­ne Hän­de zeig­ten ir­gend­wel­che Pul­ver­spu­ren. Nach Aus­sa­ge des Arz­tes wa­ren da­ge­gen im Ge­sicht der Frau sol­che Fle­cken wahr­nehm­bar, aber an ih­ren Hän­den auch nicht.