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Was ist nur in Svenja gefahren? Ihre Mutter Helga und ihre Schwester Imke machen sich ernsthafte Sorgen. Das Schicksal hat es nicht gut mit Svenja gemeint in der letzten Zeit, schließlich ist sie von ihrem Mann verlassen worden, gerade als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hat.
Dennoch können die beiden überzeugten Städterinnen im nördlichen Hamburg sich nicht erklären, wieso es Svenja ausgerechnet in den tiefsten Bayerischen Wald und dann noch auf den Hof von Tante Gabi verschlagen hat. Das ist doch am Ende der Welt! Aber irgendetwas muss Svenja dort mit Gewalt festhalten. Imke, ihre Zwillingsschwester, wird ausgesandt, die Abtrünnige heimzuholen. Doch dann bleibt auch sie verschollen. Entschlossen macht sich die couragierte Helga selbst auf den Weg in die Einöde und nimmt die Spur ihrer verlorenen Töchter auf ...
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Seitenzahl: 110
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Mit Liebe infiziert!
Vorschau
Impressum
Mit Liebe infiziert!
Eine überstürzte Flucht mit romantischen Folgen
Von Michaela Andrée
Wie viel muss man sich hinterlassen und wie weit muss man gehen, um endlich das Glück zu finden?
Für Svenja ist die Antwort klar: Man muss alles hinterlassen und sehr weit gehen.
Dass sie ihre Reise nicht ganz freiwillig beginnt, sondern an dem Tag, als sie vom Doppelleben ihres Mannes erfährt, spielt keine Rolle. Kurzerhand schmeißt sie ein paar Klamotten in den Koffer und fährt los. Immer Richtung Süden und fest entschlossen, erst anzuhalten, wenn die Tränen versiegen ...
Fröhliches Pfeifen und Trällern klangen aus der Küche. Der Geruch nach Sauerbraten war überwältigend, und der Tisch im Esszimmer war schlicht und geschmackvoll, aber eindeutig festlich gedeckt. Alles war gerichtet. Torben Aarhaus musste nur noch kommen.
Svenja, seine Frau, hantierte glücklich in der Küche. Sie hätte die ganze Welt umarmen können. Torben würde Augen machen! Er würde sich genauso freuen wie sie. Endlich ging ihr größter Wunsch in Erfüllung. Endlich! Endlich würden sie eine richtige kleine Familie werden. Denn: Svenja war schwanger.
Achtzehn Uhr, wo er nur blieb? Am Telefon hatte er versprochen, dass er spätestens um siebzehn Uhr zu Hause sein würde.
Svenja fühlte Ärger in sich hochsteigen. Es war doch immer dasselbe! Normalerweise störte es sie nicht, dass ihr Mann als Monteur arbeitete. Zu Beginn ihrer Ehe war er meist nur drei, vier Tage, selten eine Woche, weg gewesen. Seit zwei Jahren allerdings hatte sich das geändert. Oft war er inzwischen drei oder vier Wochen auf Tour, und ihr Eheleben spielte sich weitgehend am Telefon ab.
Svenja vermisste ihn kaum. Irgendwie hatte es sich ebenso eingespielt, dass sie sich nur selten zu Gesicht bekamen. Wenn Torben sich für einige Tage zu Hause aufhielt, gingen sie sehr freundlich miteinander um. Es herrschte eine ungetrübte, monotone Harmonie.
Anfangs hatte Svenja noch versucht, mit ihrem Mann zu streiten, Probleme auf den Tisch zu bringen und sie auszudiskutieren. Es hatte keinen Sinn gehabt. Er hatte jedes Mal starr vor sich hin gelächelt, bis Svenja ein schlechtes Gewissen bekam und verstummte. Es war ihr kein einziges Mal gelungen, ihn so weit zu bringen, dass er auch nur Stellung bezogen hätte. Er schwieg stoisch. Seine Meinung und seine Handlungsweise standen ganz einfach nicht zur Debatte.
Für die streitbare Svenja war das eine ganz neue Erfahrung gewesen. Mit einer temperamentvollen Zwillingsschwester und einer komplizierten, selbstbewussten Mutter gesegnet, war sie gewohnt, dass häufig die Fetzen flogen. Stillschweigende Übereinkommen hatte es bei ihnen nie gegeben. Alles, was für eine von ihnen wichtig und bedeutsam war, wurde besprochen. Das war immer so gewesen, und nach endlosen Diskussionen und Streitereien fanden sie gemeinsam eine Lösung.
Svenja grinste. Sie musste dringend Imke anrufen. Ihre Zwillingsschwester würde ganz aus dem Häuschen sein, wenn sie von der Schwangerschaft erfuhr. Tante Imke – doch, das hört sich nicht übel an.
Beunruhigt hob die junge Frau den Topfdeckel. Die Soße kochte allmählich ein, aber Svenja wollte nicht noch mehr Wasser zugeben, damit der Geschmack nicht verwässert wurde. Wo blieb er nur?
Versonnen sah sie aus dem Küchenfenster. War ihre Ehe eigentlich glücklich? Was für eine dumme Frage! Wie kam sie nur gerade jetzt auf solche Gedanken. Natürlich waren Torben und sie glücklich. Jede große Liebe wurde vom Alltag auf ein vernünftiges, geregeltes Maß abgeschliffen – das war eben so. Mit Torben konnte man nicht streiten, und so machte einfach jeder von ihnen, was er wollte. War das denn nicht gut so? Er hatte Erfolg als Monteur, sie als Grafikerin. Jeder von ihnen konnte zufrieden sein, oder?
Wenn sie sich liebten, begann die Erde nicht zu beben, das war schon wahr. Aber was sollte es, darauf kam es schließlich nicht an. Außerdem liebten sie sich nach sieben Jahren Ehe noch immer jedes Mal, wenn Torben eben da war – das war doch auch etwas!
Verärgert kippte sie Wasser nach. Die Knödel waren längst fertig und warteten auf der Warmhalteplatte. Jetzt wurde es aber wirklich Zeit – er wusste doch, dass sie zu seiner Begrüßung etwas Gutes kochen wollte.
Um neunzehn Uhr machte sie die Herdplatte aus und räumte den Tisch ab. Enttäuscht schenkte sie sich ein Glas Orangensaft ein und setzte sich vor den Fernseher.
Svenja kam nicht auf die Idee, dass ihrem Mann etwas passiert sein könnte. Er hatte sicher nur wieder einmal vergessen anzurufen, um ihr zu sagen, dass etwas dazwischengekommen war – typisch.
Doch als ihr Handy jetzt kurz aufleuchtete, weil eine Nachricht gekommen war, war da plötzlich eine ungute Ahnung. Mit zitternden Fingern gab sie ihren Code ein und öffnete WhatsApp. Fassungslos las sie die wenigen Worte, die da so unschuldig neben Torbens Profilbild standen und ihre ganze Welt pulverisierten. Sie machten sieben Jahre ihres Lebens zu einer einzigen Lüge und ließen nichts übrig, außer unscheinbaren grauen Staubkörnchen, die haltlos verwehten.
»Sorry. Kann nicht kommen. Habe seit zwei Jahren andere Frau. Sie ist schwanger. Ich kann das Kind nicht im Stich lassen! Über die Scheidung reden dir persönlich. Verzeih mir! Torben.«
Kurz und bündig, das musste man ihm lassen. Svenja lachte hysterisch, dann sank sie schluchzend in sich zusammen. Kurz und bündig! Was mochten ihm die vergangenen Jahre bedeutet haben? War es nur die Bequemlichkeit gewesen, in Hamburg, nahe bei der Firma, einen Wohnsitz zu haben? Hatte er deshalb seit Jahren ein Doppelleben geführt?
Ihre Finger krallten sich in den Teppich. Er wollte die Scheidung! Und das teilte er ihr nach sieben Jahren Ehe aus heiterem Himmel per WhatsApp mit. Ging es noch geschmackloser?
Svenja weinte die ganze Nacht. Am Samstagmorgen rief sie ihre Schwester an.
»Imke, ich brauche dich! Kommst du?«, schluchzte sie in den Hörer.
Zehn Minuten später stand ihre Zwillingsschwester vor der Tür und zog sie in die Arme.
»Was ist denn, Kleines? Du bist ja ganz außer dir! Hatte Torben einen Unfall?«
Svenja lachte bitter auf. »So kann man es auch sehen. Allerdings dauerte der Unfall sieben Jahre und war mein Leben.« Ohne Erklärung reichte sie ihrer Schwester das Smartphone.
»Dieses Schwein!«, fauchte Imke empört. »Vergiss ihn einfach! Er ist keine einzige Träne wert!« Liebevoll drückte sie ihre Schwester an sich.
»Ich bin schwanger«, flüsterte Svenja mit tonloser Stimme. »Imke, so etwas darf doch einfach nicht wahr sein! Ich bin schwanger. Seit mindestens drei Jahren nehme ich jetzt schon keine Pille mehr und träume von einem Baby. Sag noch einmal einer, das Leben kennt keinen Humor! Ich bekomme ein Kind. Gestern wollte ich es ihm sagen.«
Imke zögerte. Sie wusste nicht so recht, wie sie reagieren sollte. Ein Baby in der Familie – das wäre so ziemlich das Größte. Ihre Mutter würde ausflippen vor Freude. Unter den gegebenen Umständen allerdings lag die Sache wohl nicht ganz so klar.
»In welchem Monat bist du denn?«, fragte sie vorsichtig.
»In der siebten Woche, aber du, du meinst doch nicht etwa, dass ...«
»Natürlich nicht!«, unterbrach Imke sie sofort. »Ein Baby! Mensch, Süße, ist das toll! Als überzeugter Single können Männer mir gestohlen bleiben!«, verkündete sie im Brustton der Überzeugung.
Svenja verdrehte die Augen, denn Männer waren Imkes Lieblingsthema. Ihr Singledasein währte selten länger als ein paar Wochen. Allerdings hielten ihre Beziehungen auch nicht länger.
»Der Typ war vielleicht mega-langweilig!« – »Nur vor der Glotze hängen ist spannender!« – »Nein danke, ohne mich!« So in etwa lauteten Imkes übliche Abschlusskommentare, nachdem sie den Ex kurz zuvor noch als »Mann für den ihres Lebens« vorgestellt hatte.
Als sie den Gesichtsausdruck ihrer Schwester bemerkte, zog sie eine jämmerliche Grimasse.
»Zumindest meistens, na ja, wenigstens manchmal, das musst du mir schon lassen.«
Svenja musste lachen, und Imke grinste zufrieden.
»Wir bekommen ein Baby, Svenja! Irre!«, fuhr sie fort und strahlte ihre Schwester an.
Svenja war schon wieder ernst geworden. Sie seufzte schwermütig.
»Ach Imke, ich hab alles vermasselt. Ich muss doch absolut blind gewesen sein. Ehrlich, ich dachte, wir wären ein normales Paar. «
»Wart ihr wahrscheinlich auch!«, erwiderte Imke ironisch.
Svenja sah sie stirnrunzelnd an.
»So einfach ist das nicht. Wenn man ein Kind bekommt, sieht die Geschichte anders aus. Da ist es nicht damit getan, ordentlich abzulästern und dann weiterzumachen, als ob nichts gewesen wäre. Ein Kind braucht einen Vater, oder? Ich ... ich wollte doch eine Familie. Torben wäre bestimmt kein schlechter Vater geworden, aber ...«
»Aber was?«, rief Imke entrüstet. »Der Typ hat dich belogen und betrogen. Er hat dich, und das gibt der Trottel auch noch zu, jahrelang hinters Licht geführt! Und du trauerst ihm auch noch nach? Ich glaub das einfach nicht!«
»Jetzt lass mich gefälligst ausreden, bevor du mir eine Standpauke hältst«, fauchte Svenja aufgebracht. »Ich wollte sagen: Aber es geht auch ohne Mann!«
»Das ist meine Schwester! Blut von meinem Blut, schlag ein!«, verkündete Imke pathetisch und hielt Svenja ihre Hand hin. »Wir Frauen lassen uns nicht so leicht unterkriegen!«
Svenja konnte nicht anders, sie musste erneut lachen. Als Imke wieder gehen musste, fühlte sie sich schon wesentlich besser. Irgendwie würde sie schon klarkommen. Sie übte ihren Beruf sowieso zu Hause aus. Baby und Beruf zu kombinieren stellte kein Problem dar.
Ganz langsam kehrte ihre Freude auf das Kind zurück. Torben war sowieso fast nie dagewesen. Sie brauchte ihn nicht, und wenn sein Herz einer anderen gehörte, brauchte sie ihn schon dreimal nicht!
Svenja traf ihre Entscheidung. Sie würde ihr Baby alleine großziehen und ihrem Mann nichts von der Schwangerschaft sagen. Nein, sie wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Keine Unterhaltszahlungen und keine Alimente – Torben Aarhaus sollte simpel und einfach aus ihrem Leben verschwinden. Kurz und bündig.
Svenja weigerte sich, ihren Mann auch nur noch einmal zu sehen. Sie regelte die Angelegenheit über ihren Anwalt. Dieser würde nach Ablauf des Trennungsjahres einen Scheidungstermin festsetzen. Den Tag, an dem Torben Aarhaus seine Sachen aus der Wohnung holte, verbrachte Svenja bei ihrer Schwester.
♥♥♥
Zwei Monate Trauer für einen untreuen Ehemann, das war entschieden lange genug. Zumindest fand das Helga Jahnke, Svenjas Mutter.
»So geht das nicht weiter!«, erklärte sie ihrer Tochter Imke herrisch. »Wir müssen etwas tun! Svenja wird noch zu einer vertrockneten alten Jungfer. Sie faucht jeden Mann an, der auch nur in ihre Nähe kommt. Es wundert mich, dass sie bei der Post noch keinen Antrag auf eine Postbotin gestellt hat. Zumindest den Postboten scheint sie zu dulden, obwohl es ein männliches Wesen ist. Hast du gerade einen brauchbaren Kandidaten an der Hand? Wir gehen jetzt in die Offensive!«
Imke überlegte angestrengt. »Vielleicht Markus, du weißt schon, der Barkeeper, mit dem ich letztes Jahr zusammen war. Er ist zwar nicht der Hellste, und von dem Wort Phantasie hat er noch nicht einmal im Wörterbuch gelesen, aber im Bett ist er echt eine Wucht!«
»Imke!«, donnerte ihre Mutter. »Wir suchen hier nach einem ernsthaften Verehrer für deine Schwester, nicht nach einem Playboy!«, schimpfte sie erzürnt. »Außerdem, ein Barkeeper in Svenjas Zustand, nein, das geht nicht. Sonst verleiten wir sie noch zum Alkoholismus. Sie ist schwanger! Nein! Fällt dir denn nichts Passendes ein?«
»Dir vielleicht?«, warf Imke den Ball empört zu ihrer Mutter zurück.
Helga Jahnke zog die Stirn in Falten, aber dann klärte sich ihre zu allem entschlossene grimmige Miene auf.
»Was hältst du von dem Bühnenbildner am Stadttheater. Ein verantwortungsbewusster Mann, und er ist seit über zwei Jahren Witwer. «
»Mutti! Der Knacker setzt schon Rost an – den kannst du höchstens noch mit einem Erzengel verkuppeln, mehr läuft da definitiv nicht mehr.«
»Danke! Der Knacker, wie du ihn zu nennen beliebst, ist fünf Jahre jünger als ich. So denkst du also von mir!« Beleidigt stand Helga auf und marschierte in die Küche.
Imke hielt sich die Hand vor den Mund, aber es half alles nichts, ihr Kichern und Lachen drangen durch die ganze Wohnung.
»Muttichen, Herzensmutti, so habe ich das doch nicht gemeint!«, stieß sie unter Lachen hervor. »Ich dachte, der Mann ist mindestens zwanzig Jahre älter! Heiliges Ehrenwort!«
»Tja, ich habe mich eben gut gehalten!«, kam es spitz aus der Küche, aber dann setzte sich Helga Jahnkes Humor durch, und sie stimmte in das Gelächter ein. Sie setzte sich wieder auf ihren Sessel. »Imke, du bist manchmal ein richtiges kleines Trampeltier. Wo es ein Fettnäpfchen gibt, tappst du mit hundertprozentiger Sicherheit hinein. Trotzdem, du hast recht. Er ist zu alt für Svenja.«
Sie grübelten noch eine Weile, bis ihnen die Erleuchtung kam. Oberstudienrat Erhardtsen, natürlich, der oder keiner. Er war kultiviert, eine gepflegte Erscheinung und hatte als Beamter einen gesicherten Pensionsanspruch.
»Der ist die Langeweile pur«, wandte Imke skeptisch ein.
»Stimmt! Aber deine Schwester steht auf so was. Guck dir Torben an. Der war in der Hinsicht doch wirklich dritte Wahl, aber sie fand ihn unwiderstehlich. Lass mich nur machen! Eine Mutter kennt ihr Kind. Svenja wird begeistert sein.«
♥♥♥
Svenja war alles andere als begeistert, aber sie wurde vor vollendete Tatsachen gestellt.
»Freitagabend gegen zwanzig Uhr holt er dich ab. Und zieh dir was Hübsches an, das kann nie schaden! So ein netter Mann – du wirst ihn lieben!«
Oberstudienrat Erhardtsen kam auf die Minute mit dem Glockenschlag. Souverän lächelte er sie an und betrachtete sie offensichtlich bereits als seine Zukünftige.
»Pünktlichkeit ist eine Tugend!«, mokierte er sich indirekt, weil Svenja noch nicht ganz fertig war. »Gerade in einer Ehe ist es wichtig, dass man sich aufeinander verlassen kann. Finden Sie nicht auch?«