Snöfrid aus dem Wiesental (4). Die ganz und gar heldenhafte Suche nach den drei Siegeln - Andreas H. Schmachtl - E-Book

Snöfrid aus dem Wiesental (4). Die ganz und gar heldenhafte Suche nach den drei Siegeln E-Book

Andreas H. Schmachtl

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Eigentlich liebt Snöfrid die Ruhe. Doch ein echter Held braucht eben auch ein bisschen Aufregung, und so zögert Snöfrid keine Minute, als er vom Ältestenrat losgeschickt wird. Das ganze Nordland ist in größter Gefahr! Überall tauchen plötzlich fiese Trolle auf. Wollen sie den König der Feenmännlein vertreiben? Und was hat es mit dem Verschwinden der Jahreszeiten auf sich? "Hm", überlegt Snöfrid und stürzt sich gemeinsam mit seinen Gefährten ganz und gar heldenhaft und ebenso furchtlos in sein bisher spannendstes Abenteuer.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 215

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Andreas H. Schmachtl wurde 1971 geborenund studierte Kunst, Germanistik und Anglistik.Seit 2007 erzählt und illustriert er mit viel Liebe zumDetail und zu seinen Figuren zauberhafte undabenteuerliche Geschichten von Mäusen, Kaninchen,Igeln und anderen kleinen Wesen, deren Schutzund Erhalt ihm besonders am Herzen liegen.Seine Bücher erscheinen exklusiv im Arena Verlag.

Mehr über Snöfrid und weitere lieferbare Titelvon Andreas H. Schmachtl unter www.tilda-apfelkern.de.

1. Auflage 2019

© Arena Verlag GmbH, Würzburg 2019

Alle Rechte vorbehalten

Text und Illustrationen: Andreas H. Schmachtl

Gesamtherstellung: Westermann Druck Zwickau GmbH

E-Book ISBN 978-3-401-80809-3

www.arena-verlag.de

E-Book-Herstellung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Andreas H. Schmachtl

Die ganz und gar heldenhafte Suchenach den drei Siegeln

Inhalt

Vorwort des Verfassers

Teil eins: Die Rückkehr

1. Kapitel, in dem wir Snöfrid in luftiger Höhe wiedertreffen

2. Kapitel, in dem Snöfrid auf den Boden der Tatsachen zurückgelangt

3. Kapitel, in dem Snöfrid Altvertrautes vollkommen neu erscheint

4. Kapitel, in dem Snöfrid sich jenseits ausgetretener Pfade bewegt

5. Kapitel, in dem Snöfrid das Verwirrspiel ungemein verwirrend spielt

6. Kapitel, in dem Snöfrid herausfindet, dass boshafte Leute nicht groß sein müssen

7. Kapitel, in dem Snöfrid ein bisschen farblos wirkt

8. Kapitel, in dem Snöfrid wirklich alles gibt

9. Kapitel, in dem Snöfrid unerwartet eine helfende Pfote gereicht wird

10. Kapitel, in dem Snöfrid zuerst zur Ruhe und dann zu Brei und Kräften kommt

Teil zwei: Die Legende

11. Kapitel, in dem Snöfrid ein Licht aufgeht

12. Kapitel, in dem Snöfrid sich fühlt wie in einem sommernächtlichen, weltberühmten Theaterstück

13. Kapitel, in dem Snöfrid wieder sieht, was er wiedersieht

14. Kapitel, in dem es verdächtig duftet

15. Kapitel, in dem dieses Abenteuer kurzfristig zum Spaziergang wird

16. Kapitel, in dem Snöfrid sehr kleine Zettel mit enorm großer Wirkung zugesteckt werden

17. Kapitel, in dem Snöfrid und Björn mitten im tiefsten Dunkel enorm erhellende Erkenntnisse gewinnen

18. Kapitel, in dem Snöfrid einen lohnenswerten Aufstieg wagt

19. Kapitel, in dem es königlich und heldenhaft zugeht

20. Kapitel, in dem Snöfrid Millionen Lichter zugleich aufgehen

Teil drei: Die Ent-Täuschung

21. Kapitel, in dem es endlich ein bisschen behaglich zugehen könnte, es aber leider nicht tut

22. Kapitel, in dem oben und unten wichtige Rollen spielen

23. Kapitel, in dem es merkwürdigerweise grünt, wo alles weiß sein sollte

24. Kapitel, in dem Snöfrid sozusagen einen Drachen besteigt

25. Kapitel, in dem ein Riese große Neuigkeiten bringt

26. Kapitel, in dem praktisch nichts mehr seine Ordnung hat

27. Kapitel, in dem Snöfrid eisige Füße bekommt

28. Kapitel, in dem Snöfrid wenigstens ein Problem lösen kann

29. Kapitel, in dem Snöfrid endlich deutlich klarer sieht

30. Kapitel, in dem Snöfrid vom Ent-Täuschen kein bisschen enttäuscht ist

Hochverehrte Leser,

seit Snöfrids erstem großen – und ja vollkommen unfreiwilligen – Abenteuer ist nun schon eine ziemlich lange Zeit verstrichen. Eine ganze Reihe ungemein kenntnisreicher Fachleute hat sich seither mit den Geschehnissen im Nordland beschäftigt. Man darf also inzwischen von einem gänzlich neuen Feld der Wissenschaft sprechen, nämlich einer regelrechten Snöfrid-Forschung. So wurden neben den drei bislang bekannten, ganz und gar großen Abenteuern Anzeichen für eine Reihe kleinerer Ereignisse rund um den helden- und sagenhaften Snöfrid entdeckt. Gegenwärtig werden sie auf ihre Richtigkeit geprüft und zeitlich geordnet, bevor sie dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. So geht es in der ernsthaften Forschung eben zu.

Aber nun wollen wir uns einem unfassbar viel wichtigeren Ereignis zuwenden, das buchstäblich alles und jeden im Nordland betraf. Ja, und das sehr wohl das Ende dieser abgelegenen Region hätte bedeuten können!

Natürlich waren mir aufgrund meiner intensiven Snöfrid-Spurensuche fast alle Sagen und Legenden bekannt, die das Nordland betrafen. Einige davon ließen mir allein beim Lesen der alten Dokumente eisige Schauer über den Rücken laufen. Und ich verrate wohl nicht zu viel, wenn ich erwähne, dass die Erzählung vom Eispalast auf jeden Fall dazugehörte.

Doch ich hätte nicht einmal in meinen kühnsten Träumen daran gedacht, dass diese so unheilvolle Legende etwas mit einem weiteren Snöfrid-Abenteuer zu tun haben könnte. Immerhin war unser Held nach seiner Vertreibung aus dem Wiesental im Paradies gelandet. Ich hatte, offen gestanden, nicht erwartet, überhaupt je wieder von ihm zu hören. Und doch brachte mich wieder einmal der Zufall auf die richtige Spur.

Ich war im Norden unterwegs und schlenderte durch ein verträumtes Städtchen, als ich im Schaufenster eines Trödlers einen kleinen, recht unscheinbaren Metallanhänger entdeckte, ein Siegel. Es sollte nicht viel kosten; also kaufte ich es und trug es seither an einer Schnur um den Hals. Ihr könnt euch also meine Überraschung vorstellen, als mich – zurück im Wiesental – eine alte Frau beiseitenahm, auf das Siegel deutete und zischte: „Das sollte nur in die richtigen Hände geraten. Und zwar in die des Nordlandretters!“ Mehr konnte ich allerdings nicht von ihr erfahren, denn die Leute dort oben reden nur dann, wenn sie wollen. Daran hatte ich mich in all der Zeit gewöhnt. Doch ich wäre ein schlechter Snöfrid-Kenner, hätte ich nicht sofort meine eigenen Nachforschungen angestellt. Immer wieder begegneten mir Hinweise auf weitere Siegel. Immer wieder war auch die Rede von besagtem Eispalast. Als ich schließlich entdeckte, dass auch hier nicht nur von einer Sage, sondern von einer wahren Heldentat die Rede war, begriff ich: Ich war auf Snöfrids größtes Abenteuer gestoßen. Und gleichzeitig auf den Grund dafür, dass das Nordland überhaupt noch existierte. Liebe Leser, an dieser Stelle warne ich euch für gewöhnlich davor, dass es abenteuerlich zugehen wird. Doch bei diesem Bericht wird das nicht reichen. Ihr müsst einfach auf alles gefasst sein. Vor allem auf das, was ihr gar nicht erwartet. Seid also immer wachsam, und passt besonders gut auf euch auf!

Hochachtungsvoll

A.H.S.

In dem wir Snöfrid in luftiger Höhe wiedertreffen.

Womöglich seid ihr nicht wenig verwundert, noch einmal von Snöfrid zu hören. Immerhin war er nach seinem letzten Abenteuer im Paradies gelandet. Ich erwähnte es bereits. Ihr erinnert euch sicher daran, dass besagtes Snöfrid-Paradies weit über den Wolken in den Wipfeln des Riesenbaumes zu finden war. Das heißt, einfach so finden konnte man es eigentlich nicht, denn ein Paradies musste man sich schon immer durch gute Taten erarbeiten.

In Snöfrids Fall handelte es sich um das heldenhafte Vereiteln der habgierigen Pläne einiger Bienen und Bergtrolle. Es hatte damals einen furchtbaren Kampf gegeben, an den alle noch immer nur mit großem Schrecken zurückdachten.

Das Ende war jedenfalls gewesen, dass Snöfrid und all seine Artgenossen das Nordland verlassen hatten, um sich in ihrem ganz eigenen Snöfrid-Paradies zu versammeln. Abseits der Streitigkeiten und der Habgier der Nordlandbewohner verlief ihr Leben nun ruhig, friedlich und ganz ohne Aufregung, eben im schönsten Wortsinne wirklich snöfridsch.

Was gäbe es von dort also mehr zu berichten als Folgendes: Snöfrid war zufrieden.

Nun, für eine Weile hatte das sogar gestimmt.

Denn zu Snöfrids großem Glück war auch sein Freund und Kumpel in dem paradiesischen Baumwipfel gelandet. Ohne den wunderkleinen Kauz Björn konnte sich Snöfrid das Leben praktisch nicht mehr vorstellen.

Darüber hinaus hatte Snöfrid seinerzeit Rosalie kennengelernt, ein wirklich bezauberndes Snöfrid-Mädchen. Die beiden konnten einander gut leiden. Besonders gut, wenn ihr versteht. Um ehrlich zu sein, hatten sie sich ein bisschen ineinander verknallt. Das fühlte sich aufregend ungewohnt und wunderbar vertraut zugleich an. Eben so, als sollte es einfach so sein. Darum gab es keinen Grund, großes Aufhebens davon zu machen, was sie darum auch nicht taten.

Und da waren sie nun. Zusammen und zufrieden. Jeder hatte sein kleines Heim unter einem großen Stein. Vor jedem Heim floss ein kristallklares Bächlein. Feuerholz lag einfach herum und musste nur aufgehoben werden. Haferflocken und Brei gab es, so viel und wann immer man wollte. Blaubeeren wuchsen rund ums Jahr an den Sträuchern. Das nahm Snöfrid jedenfalls an. Da es hier oben statt der Jahreszeiten stets ideales Snöfrid-Wetter gab, konnte er nur schätzen, wie lange er bereits im Paradies war.

Es musste schon eine geraume Weile sein, das stand fest. Denn mit der Zeit hatten viele von Snöfrids Artgenossen ihre Scheu vor der Gesellschaft der anderen ganz und gar verloren. Wenn sie sich unterhielten, taten sie das sogar immer öfter in ganzen Sätzen.

Ja, und es hatte auch ein paar Hochzeiten gegeben!

Ihr wisst ja, wie es heißt: „Wollt ihr einander lieb und teuer sein, dann antwortet mit ‚Hm‘.“

In den gemütlichen Heimen unter den großen Steinen hmten inzwischen sogar ein paar Snöfrid-Babys in ihren winzigen Weidenkörben vor sich hin.

Snöfrid konnte sich später nicht mehr genau daran erinnern, wie das passiert war, aber er wurde mindestens viermal zum Patenonkel ernannt. Onkel Snöfrid! Daran musste er sich dann doch erst einmal gewöhnen.

Alles in allem klang das nach einem sorglosen Leben, aber wenn man nur einen Hauch von Abenteuergeist in sich verspürte, konnte „sorglos“ auf Dauer natürlich auch „langweilig“ bedeuten. Entsetzlich langweilig, um ehrlich zu sein! Und ganz genau so erging es nicht nur Snöfrid und Björn. Auch Rosalie dachte ähnlich.

Die drei hatten es sich wieder einmal am Ufer ihres Lieblingsbaches bequem gemacht. Neben Snöfrid lag das Buch im Gras, das er seit geraumer Zeit kaum noch aus der Hand legte, denn es berichtete ungemein detailreich von allen Sagen und Legenden des Nordlands. Und es war ja nicht ganz unwahrscheinlich, dass er dieses Wissen einmal brauchen konnte.

Doch an diesem Tag wollten die Gedanken unseres Helden einfach nicht an den Worten haften bleiben. Gedankenversunken tunkte Snöfrid einen Zeh ins Wasser. Sein Blick wanderte weit über das Schluchtental hinweg bis zu der großen Bergkette hinüber. Dahinter erstreckte sich das Wiesental. An klaren Tagen wie diesem konnte man es sogar sehen. Theoretisch jedenfalls. Snöfrid war bekanntlich so kurzsichtig, dass er gerade noch seinen Fuß deutlich erkennen konnte. Dafür konnte er sagenhaft gut hören. Und so vermeinte er gelegentlich, das Läuten der Kirchenglocken in seiner alten Heimat zu erlauschen. Und das versetzte ihm jedes Mal einen kleinen Stich.

„Hm“, sagte er leise. Womit er natürlich ausdrücken wollte: „Ach, das Wiesental! Wie mag es da inzwischen wohl zugehen? Ist mein Heim noch dort? Steht es noch leer? Immerhin könnte ja inzwischen ein anderer eingezogen sein.“ Dieser Gedanke versetzte Snöfrid einen erneuten Stich. Er seufzte ein weiteres „Hm“.

Und Björn antwortete: „Oh Mann, ich weiß genau, wie du dich fühlst. Man hat uns damals von dort vertrieben. Sie wollten uns nicht mehr haben. Das war kein schönes Gefühl. Trotzdem bleibt das Wiesental unser …“

„Zuhause“, stimmte Rosalie zu. Sie stammte zwar nicht aus dem Wiesental, aber auch sie hatte ihre Heimat in Küstennähe verlassen müssen und nun Sehnsucht nach dem Duft des Meeres. „Hm“, seufzte sie.

„Hm“, stimmte Snöfrid zu.

Björn sagte: „Hu.“

Und damit meinten alle drei: „Wir wollen endlich wieder nach Hause!“

Was dann geschah, mochte entweder Glück oder Zufall sein. Wer konnte das schon sagen? Jedenfalls kam es wie gerufen. Asgrimur erschien. Er hatte sein Söhnchen an der Hand. Und während der sehr kleine Asgrimur herumtollte, sagte der große Asgrimur: „Du sollst in den Saal kommen.“

„Warum?“, fragte Snöfrid.

„Hm“, gestand Asgrimur. „Der Rat will dich sehen.“

Dazu muss man wissen, dass Snöfride sehr alt wurden. Und je älter sie wurden, desto weiser wurden sie. Immerhin hatten sie ja Zeit genug, jede Menge Wissen anzuhäufen.

Das war wiederum Grund genug, die Ältesten der Alten in den Rat der Snöfride zu berufen. Sie waren zu fünft und versammelten sich gern im sogenannten Ratssaal. Der war allerdings nichts anderes als der Speisesaal des Gasthauses. Hier war es stets angenehm temperiert und duftete nach Brei. So gesehen war es also nicht unangenehm, in den Saal gerufen zu werden. Snöfrid fragte sich allerdings, was der Rat ausgerechnet von ihm wollte.

Die fünf saßen an einem langen Tisch und boten Snöfrid einen Platz an.

„Du ahnst sicher, warum wir dich gerufen haben“, mutmaßte einer von ihnen.

„Hm“, antwortete Snöfrid. Im Gegensatz zu seinen Artgenossen hatte er sich dieses „Hm“ übrigens weder abgewöhnen können noch wollen. Und mit diesem speziellen „Hm“ wollte er sagen: „Nö, ich habe nicht den leisesten Schimmer.“

„Gut, dann hör zu“, begann das nächste Ratsmitglied. „Wir Snöfride haben bewegte Zeiten hinter uns. Darum sind wir ja hier.“

Alle nickten zustimmend. „Wir mussten Abenteuerliches erleben“, fügte der Nächste hinzu. Wieder wurde genickt.

„Dabei können Snöfride Abenteuer nicht leiden!“, erklärte der Nächste, und das Nicken wurde heftiger. „Ja, wir finden Abenteuer und Heldentum ganz und gar unangenehm. Wir alle. Bis auf dich!“

Zur Abwechslung nickte nun Snöfrid. Er konnte es nicht abstreiten. Im Laufe seiner ganz und gar aufregenden Reisen war er schließlich zum erprobten Abenteurer geworden. Zum Helden auch. Aber das war nicht so wichtig.

„Schön, ich bin ein Abenteurer“, gab Snöfrid zu. „Und was wollt ihr nun von mir?“

Die Mitglieder des Rats neigten sich über den Tisch und senkten die Stimmen, was ja meistens ein Zeichen dafür ist, dass schrecklich geheimnisvolle Ereignisse bevorstehen.

Snöfrid lehnte sich ebenfalls vor und lauschte.

Und dann äußerte der Rat ein gewichtiges „Hm“, welches praktisch nur bedeuten konnte: „Es geht etwas vor im Nordland. Wir wissen nicht, was es ist. Um ehrlich zu sein, ist es nicht mehr als ein Gefühl. So ein Grummeln im Bauch. Aber es könnte ungut sein. Es ist sogar sehr wahrscheinlich ungut. Jemand muss sich um diese schlimme Sache kümmern. Und es muss jemand sein, der sich mit Geheimnissen, Gefahren, Abenteuern und diesen Dingen auskennt. Also DU. Kurzum, du musst das Paradies verlassen und im Nordland nach dem Rechten schauen.“

„Gibt es denn irgendwelche Hinweise? Einen Anhaltspunkt? Wonach soll ich suchen? Oder was soll ich überhaupt tun?“, fragte Snöfrid, woran man übrigens sehen konnte, wie erfahren er inzwischen war.

„Wir können dir leider nichts sagen. Gar nichts! Du musst ganz allein herausfinden, was vor sich geht. Am besten beginnst du deine Suche wohl einfach im Wiesental“, erklärten die Ältesten.

„Darf Björn mich begleiten?“, wollte Snöfrid wissen.

„Aber sicher“, stimmte der Rat zu.

„Rosalie möchte auch wieder nach Hause“, verkündete Snöfrid. „Darf sie auch gehen?“

„Selbstverständlich“, staunten die Ratsmitglieder. „Ihr seid doch hier nicht gefangen. Dies ist kein Kerker. Es ist das Paradies.“

„Hm“, antwortete Snöfrid zum letzten Mal in diesem Kapitel. Und damit wollte er sagen: „Entschuldigung. Ich wollte niemanden beleidigen. Ich packe nur noch schnell meine Tasche und mache mich dann auf den Weg.“

Und der war tatsächlich der Weg ins nächste Abenteuer. Aber das ist uns wohl allen klar, nicht wahr?

In dem Snöfrid auf den Boden der Tatsachen zurückgelangt.

Snöfrid nahm seine blaue Umhängetasche von dem Haken hinter der Haustür. Er musste daran denken, dass alle seine Reisen, und damit auch jedes Abenteuer, mehr oder weniger mit seiner guten, alten Tasche begonnen hatten. Bis jetzt. Denn diese hier war nicht seine alte Tasche. Die hatte das letzte Abenteuer nämlich nicht überstanden.

Snöfrid erinnerte sich nur ungern daran. Nun, es hatte jedenfalls eine neue Tasche hergemusst. Nämlich diese hier. Auch sie war blau, praktisch und alles in allem kaum von ihrer Vorgängerin zu unterscheiden. Ob sie ebenso abenteuertauglich war, musste sich allerdings noch erweisen.

Es wanderten eine Schachtel Streichhölzer, ein Säckchen Haferflocken, eine Flasche Wasser und Snöfrids Schal hinein. Auch das war immer so. Und dann packte Snöfrid noch das Buch über die Nordlandlegenden dazu. Anders als sonst schmerzte Snöfrid der Abschied von seinem Häuschen allerdings nicht so sehr. Denn so behaglich und sicher es auch sein mochte, es war nun einmal nicht SEIN Heim. Das lag nämlich nach wie vor am Nordhang des Wiesentals, und dahin wollte Snöfrid nun zurück. Schleunigst.

Björn erwartete ihn vor der Tür. Der kleine Kauz machte sich nicht viel aus irgendwelchen Besitztümern, also musste er auch nichts einpacken. Snöfrid bewunderte das nicht wenig. Rosalie hingegen trug ihren Rucksack, außerdem einen kleinen Beutel mit Proviant. Vor allem natürlich Blaubeeren.

Endlich konnte es losgehen. Die drei würden das Paradies verlassen.

Die anderen Snöfride hatten sich versammelt, um sie zu verabschieden, wobei dann schließlich doch und ganz traditionell haufenweise „Hms“ ausgetauscht wurden.

In Asgrimurs Blick lag ein bisschen Sorge. Immerhin hatte auch er damals die Vertreibung aus dem Wiesental miterleben müssen. Ehrlich gesagt lockte ihn so schnell nichts wieder dorthin. Er wollte mit seiner kleinen Familie vorerst hier oben bleiben.

Asgrimur reichte Snöfrid die Hand und sagte: „Lass dir nichts von den Leuten im Wiesental gefallen. Und vielleicht gehst du den Bauern sicherheitshalber aus dem Weg.“

„Hm“, antwortete Snöfrid. Womit er sagen wollte: „Ich mache das schon.“ Er strubbelte dem kleinen Asgrimürchen noch einmal über den Kopf, worauf hin der Knirps ihn fröhlich anstrahlte.

Die Ratsmitglieder dagegen blickten Snöfrid, Rosalie und Björn viel ernster an. „Seid auf der Hut! Es ist schon eine Weile her, dass die Nordländer einen von uns gesehen haben. Und wir wissen nicht, was euch dort draußen erwartet. Lasst bitte von euch hören. Und kommt zurück, wenn nötig.“

Zu Snöfrid sagten sie dann deutlich leiser: „Viel Glück bei dieser … Sache.“

„Hm“, entgegnete Snöfrid erneut, was in diesem Fall bedeuten sollte: „Alles klar. Dann macht es mal gut. Und nun los, Freunde. Wir haben einen langen Abstieg vor uns.“

Das war nicht übertrieben. Immerhin war der alte Arbor mit ziemlicher Sicherheit der größte Baum auf Erden. In seiner Krone, weit über den Wolken, befand sich bekanntlich das Snöfrid-Paradies. Seine Äste waren so gewaltig, dass darauf wiederum ganze Wälder, liebliche Landschaften, ja, ganze Städte Platz fanden.

Niemand hatte je herausgefunden, wie viele Snöfride sich an den Händen fassen mussten, um den gigantischen Baumstamm einmal zu umrunden. Es würde wohl ein Geheimnis bleiben, denn vermutlich gab es gar nicht genug Snöfride für diese Aufgabe. Und wenn ihr euch jetzt noch immer nicht vorstellen könnt, wie riesig der Riesenbaum war, dann lasst euch sagen, dass es immerhin ein ganzes Abenteuer gedauert hatte, ihn zu erklimmen.

Verglichen damit war der Abstieg ein Klacks. Jedenfalls für Björn. Der konnte theoretisch ja pfeilgerade hinabflattern. Das tat er natürlich nicht. Er blieb immer an der Seite seiner Begleiter und zeigte ihnen, wo sie ihre Hände und Füße lassen sollten.

Mit dem Klettern hatten Snöfride es nämlich nicht so. Mit dem Wandern eigentlich auch nicht.

Überhaupt waren sie von körperlichen Anstrengungen insgesamt nur wenig begeistert, dennoch setzte Snöfrid noch vor Einbruch der Dunkelheit seinen Fuß auf festen Boden. Er beugte sich hinab und vergrub seine Hände genüsslich im feuchten Moos. „Sollen wir hier übernachten?“, fragte er.

Immerhin stand ihnen ein langer Fußmarsch durch die vielleicht dichtesten Wälder des Nordlands bevor, die schon bei hellem Tageslicht bestens dazu geeignet waren, sich darin zu verirren.

„Ich finde, wir sollten keine Zeit verlieren“, schlug Rosalie vor. „Eine Weile bleibt es ja noch hell. Und je schneller wir vorankommen, desto eher sind wir alle zu Hause.“

Dagegen gab es nichts zu sagen. Zumal die ehemals Lautlosen Wälder des Schluchtentals ihren größten Schrecken verloren hatten, seitdem sie ganz und gar nicht mehr lautlos waren.

Die drei marschierten also weiter, ihrer Heimat entgegen.

Das war einerseits schön, und die Vorfreude stieg unaufhörlich, andererseits bedeutete das aber auch, dass Snöfrid und Rosalie sich schon bald voneinander würden verabschieden müssen, was wiederum jede Vorfreude trübte.

Als es zum Weiterwandern dann doch zu dunkel wurde, schlugen sie ihr Nachtlager zwischen den Wurzeln einer großen Buche auf.

Björn machte es sich im Geäst bequem. Er plusterte sein Gefieder auf und zog den Kopf ein, bis er wie eine kleine Federkugel aussah.

Snöfrid und Rosalie lagen beide im weichen Moos und blickten in die samtblaue Dunkelheit hinauf.

Hier und dort funkelte der Sternenhimmel durch das Laubdach der Bäume. Dieser Moment war besonders schön. Und umso schöner, weil sie ihn gemeinsam erlebten. Leider können Dinge, die besonders froh machen, gleichzeitig besonders traurig stimmen. Nämlich wenn man weiß, dass sie bald enden.

Daran dachten die beiden wohl auch, denn Rosalie fragte leise: „Wir werden uns doch irgendwann wiedersehen, oder?“

„Ja, das werden wir“, versprach Snöfrid. Er bemühte sich um einen möglichst zuversichtlichen Tonfall, was ihm allerdings nicht wirklich gut gelang.

Eine Weile wussten sie beide nicht so genau, was sie sagen sollten. Irgendwann schlug Snöfrid vor: „Bis es so weit ist, könnten wir uns schreiben.“

„Ja, das wäre wunderbar“, stimmte Rosalie zu. Das war zwar nicht das Gleiche, als ob man dem anderen in die Augen schaute, man konnte auch nicht seine Hand halten oder sich mal eben schnell an ihn lehnen. Aber man konnte die Gedanken des anderen lesen. Das war schon eine Menge.

„Ich könnte auch noch ein Weilchen bei dir im Wiesental bleiben“, schlug Rosalie vor. „Aber, ehrlich gesagt, habe ich ziemliches Heimweh. Und ich muss noch wirklich lange wandern, um nach Hause zu gelangen. Du verstehst das doch, oder?“

„Aber ja“, antwortete Snöfrid. Und dabei beließen sie es. Denn Snöfrid wusste, dass Rosalie wusste, dass er eben nicht einfach nur so ins Wiesental zurückkehrte, sondern einen geheimen Auftrag im Gepäck hatte.

Und da Rosalie wusste, dass Snöfrid wusste, dass sie es wusste, aber nicht darüber sprechen durfte, legten sie sich einfach schlafen.

Früh am nächsten Morgen hatte Snöfrid eine Idee. Einen Geistesblitz sozusagen. Es war wirklich vollkommen unsinnig, dass Rosalie ihn zuerst ins Wiesental begleitete. Das lag nämlich in nördlicher Richtung. Zur Küste ging es aber nach Westen, und zwar noch eine ganze Weile, wie Rosalie ganz richtig bemerkt hatte. Snöfrid mochte sich gar nicht vorstellen, wie lange seine arme Freundin unterwegs sein würde. Aber dafür hatte er nun eine prima Lösung.

Wenn ihr schon bei früheren Abenteuern unseres Helden dabei wart, dann erinnert ihr euch womöglich daran, dass Snöfrid mehr als einen Kauz zu seinen Freunden zählte. Neben dem wunderkleinen Björn gab es da noch die Riesenkäuze. Snöfrid brauchte sie nur zu rufen, und schon eilten sie herbei. Sie konnten Rosalie nach Hause bringen! Das dauerte sicher nur ein paar Stunden. Und es war auch viel sicherer, als einfach so allein durchs Nordland zu stapfen und womöglich auf einen Troll zu treffen. Ihr wisst, wie das ausgehen kann.

Snöfrid gefiel es ja schon nicht, wenn er selber das tun musste. Nein, Rosalie sollte bequemer reisen. Er stieß einen sehr speziellen Ruf aus, und schon bemerkenswert kurze Zeit darauf zeigten sich drei Punkte am Himmel, die schnell größer wurden.

Die Käuze landeten vor ihnen ‒ riesig, zuverlässig und hocherfreut, ihren alten Freund nach so langer Zeit wohlbehalten wiederzusehen.

Während Björn ihnen die Sache erklärte, nahmen Snöfrid und Rosalie Abschied voneinander.

„Du wirst mir fehlen“, sagte Rosalie mit trauriger Stimme.

„Hm“, antwortete Snöfrid. Er hätte auch gar nicht mehr sagen können. Aber was er damit meinte, war nur für Rosalie bestimmt.

In dem Snöfrid Altvertrautes vollkommen neu erscheint.

Snöfrid und Björn hatten die ehemals Lautlosen Wälder recht schnell hinter sich gelassen. Anschließend erklommen sie die Bergkette und blickten nun auf ihr geliebtes Wiesental hinab. Links und rechts von ihnen erstreckte es sich bis in die blaue Ferne.

Ganz unten im Tal schlängelte sich der Fluss wie ein glitzerndes Band dahin. An seinen Ufern reihten sich Ortschaften, Dörfer oder einzelne Höfe mit ihren Feldern aneinander.

Weiter oben wechselten sich Schaf- und Ziegenweiden mit bewaldeten Flächen ab. Es war überwältigend schön.

Und direkt gegenüber erhob sich der Nordhang.

Er war zu weit entfernt, um Genaueres zu erkennen, aber dort drüben lag Snöfrids Heim. Das hoffte er jedenfalls.

Den Kiefernwald, also Björns Zuhause, konnte man immerhin als dunklen Streifen erkennen.

Die beiden begannen mit dem Abstieg ins Tal und kamen dabei an Asgrimurs ehemaligem Häuschen vorüber. Es war vollkommen verwüstet.

Snöfrid und Björn wurden nun doch ein bisschen nervös. Denn die bösen Erinnerungen an ihre Flucht kamen mit jedem Schritt zurück.

Um auf andere Gedanken zu kommen, fragte Björn: „Was ist das übrigens für eine Sache, über die du nicht sprechen darfst?“

„Kann ich nicht sagen. Ich darf ja nicht darüber sprechen“, antwortete Snöfrid. Er musste sich doch immer wieder über Björn wundern. Diesem Kerlchen entging praktisch nichts.

Außerdem war er ziemlich stur und bohrte deshalb weiter: „Wusste Rosalie davon?“

„Hm“, brummte Snöfrid. Womit er ungefähr meinte: „Ich denke schon.“

„Und du wusstest, dass sie es wusste?“, wollte Björn wissen.

„Nicht schon wieder“, seufzte Snöfrid. Denn die Frage, wer was wusste, hatte ihn, ehrlich gesagt, schon im letzten Kapitel ein bisschen überfordert.

Sie gelangten ins Dorf. Ganz automatisch begann Snöfrid durchzuschimmern, um sich den Blicken der Menschen zu entziehen. Doch es kam ihm irgendwie nicht richtig vor. Immerhin war dies sein Zuhause! Er hatte jedes Recht, im Wiesental zu sein! Auch wenn er liebend gern seine Ruhe hatte, musste er sich dennoch nicht verstecken.

Also stapfte er mit entschlossenem Blick, ganz und gar sichtbar und mit relativ geradem Rücken über die Brücke, dann die Dorfstraße hinauf und schließlich an dem Hof vorüber, bei dem er sich gelegentlich ein bisschen Ziegenmilch borgte. Ein Tropfen davon im Haferbrei konnte nämlich wahre Wunder bewirken.

Snöfrid hatte bis heute nicht begriffen, warum die Bauern sich mit der Milch so anstellten. Es gab doch genug davon! Und er konnte auch nicht verstehen, warum der Hofhund beinahe durchdrehte, sobald er Snöfrid entdeckte. Obwohl die Kläfferei recht nervig sein konnte, freute Snöfrid sich, sie endlich wieder zu hören. Er freute sich auch darüber, die Kirche wiederzusehen. Ach, wie oft hatte er am Sonntagmorgen vor der dicken Holztür gesessen und der Musik gelauscht!

Dann begann der Aufstieg zum Nordhang, worüber Snöfrid sich deutlich weniger freute. Aber das war jetzt nicht so wichtig, denn mit jedem Schritt kam er nun spürbar seinem Zuhause näher. Das glasklare Bächlein konnte er bereits plätschern hören. Snöfrid konnte auch schon die Gräser und Kräuter am Hang riechen. Und nach einer kurzen Verschnaufpause, denn es war wirklich fürchterlich heiß, erblickte Snöfrid den vielleicht schönsten Flecken des Wiesentals. Ach, was sage ich denn? Des ganzen Nordlands!