Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi - Aino Trosell - E-Book

Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi E-Book

Aino Trosell

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Beschreibung

Mörderische Spannung aus Schweden: Der erste Fall für Siv DahlinMit einem Mal verliert Siv Dahlin alles: ihre Ehe, ihr Zuhause, ihren Arbeitsplatz. Also verlässt sie ihre Heimat Göteborg, um im dünnbesiedelten Norden Schwedens ein neues Leben anzufangen. Doch bald ist sie von beängstigenden Ereignissen umgeben. An ihrem neuen Arbeitsplatz geschieht ein Mord. Durch Zufall macht sie sich auf die Jagd nach dem Mörder und gerät dadurch selbst in Lebensgefahr...Im Jahr 2000 gewann "Solange das Herz noch schlägt" den schwedischen Krimipreis.-

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Aino Trosell

Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi

Aus dem Schwedischen von Gisela Kosubek

Saga

Solange das Herz noch schlägt - Ein Schweden-Krimi ÜbersetztGisela Kosubek OriginalOm hjärtat ännu slårCopyright © 2000, 2019 Aino Trosell und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726344189

1. Ebook-Auflage, 2019

Format: EPUB 2.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

– a part of Egmont www.egmont.com

Als es erst mal so weit war, ging es schnell.

Sie hatten es beide lange gespürt – dass etwas passieren würde. Aber sie hatten aufgehört, darüber zu reden. Es hatte ja doch keinen Zweck, sie wollten die Angst nicht noch schüren. Er versuchte ruhig zu bleiben, ihr gegenüber.

Aber sie kannte ihn viel zu gut, durchschaute ihn.

Doch auch sie zeigte ihm keine Gefühle, nicht, was das hier betraf.

Sie liebten sich heftig, jede Nacht. Sie klammerten sich aneinander fest, als sei diese Nacht die letzte, griffen hungrig und unsanft nach dem anderen, als könnten sie nicht genug bekommen.

Aber sie sagten nichts. Sie hatten aufgehört, darüber zu reden. Ihre Körper verrieten sie dennoch. Sie keuchten vor Anstrengung und Erregung. Und noch aus einem anderen Grund.

Ihre Körper wussten von ihrer Verzweiflung. Ihre Körper weinten vor Ohnmacht und sprachen weiter, jenseits aller Worte.

Sie wussten, dass niemand sie schützen konnte. Und dass auch nicht an Flucht zu denken war, sie mussten ihren Auftrag zu Ende bringen, mussten ihre Arbeit erledigen.

Die Disketten und die kürzlich gebrannten CDs lagen in einem Bankschließfach. Aber für sie beide gab es kein Bankschließfach. Es war, als tasteten sie sich durch einen dunklen, öden Wald. Im kalten Neonlicht der Redaktion und im Licht der Schaufenster auf der Straße trafen sich zuweilen ihre Blicke, und darin lag Liebe.

Und Wehmut.

Dann sahen sie rasch weg.

Als es so weit war, ging es schnell. Als sie dran waren.

Der Himmel war klar an diesem Morgen, es war Winter, an einem kalten sonnigen Tag traten sie aus der Haustür, ihre Schritte wurden leichter, sie lächelten einander zu. Es war noch kein Schnee gefallen, aber von den Büschen und Bäumen der Hauptstadt des Landes glitzerten ihnen Frostkristalle entgegen. Und der Alltag war da, sie mussten zur Arbeit wie tausende andere. Ein Rentner führte seinen langhaarigen Pudel aus. Der Hund hatte unter den Büschen an der Hauswand eine Menge zu tun.

Sie waren spät dran. Nur noch wenige Autos standen auf dem Parkplatz. Sie ging etwas schneller und öffnete ihre Handtasche, in der die Autoschlüssel lagen.

Die Zeit wurde langsamer. Die Zeit verhielt den Schritt. Aber sie merkte es nicht.

Es war wie eine Vorahnung, als striche ihm der Flügel irgendeines Wesens über die Augen, und er wollte sie stoppen. Die Angst schlug wie ein Pfahl in ihn ein, ließ ihn erstarren, und er rief ihren Namen in Richtung des Schmuckbandes auf ihrem Mantelrücken, er wollte sie daran packen und sie zum Stehen bringen.

Sie setzte eilig ihren Weg fort, wollte vor ihm am Wagen sein, damit er nicht warten musste. Doch sie hörte seinen Ruf.

Und drehte sich um, im Mundwinkel noch ein Lächeln. Fischte zugleich den Schlüsselbund aus der Tasche.

Und dann fasste sie nach dem Türgriff.

Und da detonierte die Bombe!

Den drei untersten Etagen des Hauses drückte es die Scheiben ein. Ihr Leib wurde aufgerissen, die Hauptschlagader zerfetzt, und sie starb augenblicklich.

Er lebte noch, als der Rettungswagen kam. Starb erst am Abend.

In der Zeitung konnten alle lesen, wofür die beiden bezahlt hatten. Ja, was es gekostet hatte.

Sie hatten den Preis gekannt. Hatten diese brutale Bezahlung einkalkuliert.

Die Inflation war in vollem Gange.

Nicht mehr viele waren bereit, zu solchen Preisen zu agieren.

ERSTER TEIL

Damals erschienen sie mir einfach nur schön – Braut und Bräutigam, wie sie auf den Bildern der Familienanzeigen prangten. Zu jener Zeit dachte ich nicht weiter darüber nach, gab den glücklichen Menschen ein Lächeln zurück und liebte es, ihre Aufmachung zu bewundern und ein bisschen über sie zu fantasieren, mir auszumalen, wer sie waren und warum gerade die zwei zusammengekommen waren. Und jene zwei. Und diese dort. Im Text darunter konnte man ihre Namen und zuweilen die der Eltern lesen. Ab und zu standen da auch die Namen der Trauzeugen, manchmal auch, wer bei der Trauung gesungen hatte, und in seltenen Fällen war der Name des Toastmasters angegeben, und dann war klar, dass es sich um eine große Hochzeit gehandelt hatte.

Aber eigentlich sind alle Hochzeiten ein Riesenereignis im Leben.

Zu jener Zeit studierte ich auch gern Verlobungsanzeigen, die Bekanntgabe des Hochzeitsaufgebots, Geburtsanzeigen und vor allem Todesanzeigen, wie schrecklich man das auch finden mag. Aber ich dachte nicht weiter darüber nach. Ich las auch nie irgendwelche Bücher. Eine Todesanzeige jedoch konnte für mich dieselbe Funktion haben wie ein ganzer Roman. Man erfuhr, wie alt der Tote geworden war, wer ihm nahe gestanden hatte, manchmal auch, zu welchem Glauben er sich bekannt hatte, und anhand des Textes konnte man sich eine Vorstellung von der Persönlichkeit des Toten machen und davon, auf welcher Gesellschaftsstufe er sich ungefähr befunden hatte zu dem Zeitpunkt, als er geholt worden war – ohne auch nur ein Hemd mitnehmen zu können.

So ist das Finale des Lebens, man kann nichts mitnehmen, und selten wird man im Voraus gewarnt. Eines Tages heißt es einfach aufzubrechen.

Sehr gern sah ich mir die Heiratsannoncen an. Ich reflektierte sie nicht, ich ließ sie nur auf mich wirken. Die Bilder und die Namen, von Nahestehenden und Verbundenen, die erwartungsvollen Blicke, das Lächeln auf diesen Fotos, die vor der ganzen Welt enthüllten, wie groß die Hoffnung auf lebenslange Liebe und unauflösliche Verbindungen zwischen Familien und Generationen war. Auf mich wirkten die Menschen auf den Bildern stark und unüberwindbar, sie befanden sich auf dem Höhepunkt ihrer Jugend, waren glücklich und optimistisch. Nichts konnte ihre Freude trüben.

Damals wusste ich noch nichts über die existentielle Gefährdung des Menschen, nichts darüber, wie ausgeliefert er ist. Wie er sich preisgibt und glaubt und hofft, dass alle und alles auf die beste Weise zusammenwirken.

Dann waren da die Geburtsanzeigen! Wo außer den Namen der Eltern zuweilen auch die der Geschwister und die der älteren Generation genannt wurden. Alle waren so froh gestimmt. Klein-Karl war zur Welt gekommen, nur einundfünfzig Zentimeter lang, allem Anschein nach kerngesund, und er hatte bereits eine große Schwester, die Emma hieß. Welche Wonne!

Ich war so unwissend zu jener Zeit. Blätterte zerstreut in der Morgenzeitung, während ich darauf wartete, dass der Kaffee fertig wurde.

Jan gefiel diese Sache nicht, er fand, ich sollte die wichtigen Dinge verfolgen, meinte sogar, es sei meine Pflicht. Aber zu dieser frühen Morgenstunde schlief er meist noch, ins Büro ging man ja erst später, und deshalb war ich allein mit den Brautpaaren und konnte mich ungestört meinen Fantasien hingeben.

Manchmal dachte ich an unsere eigene Hochzeit vor vierundzwanzig Jahren. Wie jung und dumm man damals gewesen war. Heute war man nur noch dumm. Hässlicher, aber genauso dumm. Die Fantasie allerdings trieb immer üppigere Blüten.

Dort in der Frühe am Küchentisch schrieb ich meine eigenen Romane, genauso wie ich sie mir wünschte, mit viel Liebe, Sehnsucht und Hindernissen, einer Prise Erotik und einem zehn Kilo leichteren Ich. In den Vorstellungen dieser zeitigen Stunden gab es keine Speckwülste, keine Reiterhosen, keine schlaffe oder gar Orangenhaut, keine Krähenfüße oder blaue Schenkelmarmorierung. In der morgendlichen Geborgenheit der Familienanzeigen hat die Hauptperson, also ich, im Lotto gewonnen und für das Geld eine zweimonatige Schönheitskur in irgendeinem Spa absolviert, und im Gedränge eines Busses oder einer Straßenbahn sieht sie zum ersten Mal den Mann, den sie liebt, – er ist Jan erstaunlich ähnlich, obwohl, was die Figur angeht, deutlich dünner, mit mehr Haaren auf dem Kopf und kleineren Tränensäcken unter den Augen.

Wie unschuldig all das war. Ich verglich mich nicht mit diesen Leuten, ich bin ohnehin nie sonderlich neidisch gewesen. Jan und ich hatten standesamtlich und unter größter Geheimhaltung geheiratet, denn ich war damals schon ziemlich weit mit Åsa, und Jans Familie war wohl nicht sehr erfreut. Meine eigene Familie lag bereits im Pflegeheim, und ein paar Jahre später starb meine Mutter, ohne mir gesagt zu haben, wer mein Vater war. Oder ist. Sie wurde senil, und dann starb sie. Man kann sich für diese Senilität auch entscheiden, jedenfalls glaube ich das. Sie hat mich um meinen Papa geprellt.

Trotzdem ist schließlich was aus mir geworden. Und Åsa war neunundvierzig Zentimeter lang, als sie geboren wurde. Wog drei Komma zwei Kilo. Willkommen liebste Åsa! Siv und Jan Dahlin. Wir hatten in der Zwischenzeit ja geheiratet. Ich erwog, geb. Johansson zu schreiben, ließ es dann aber. Ich hatte keine Vorfahren in Göteborg, und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte es deren Nachkommen wohl kaum interessiert.

Unser Leben war gut verlaufen. Mühen und Plagen gab es natürlich, aber am Ende wurde alles gut. Åsa war jetzt bereits aus dem Haus und mit Lars verlobt, einem soliden Techniker beim Lokalradio in Jönköping. Sie würde nur ein paar Jahre in der Pflege arbeiten, um die finanzielle Lage zu stabilisieren, und dann mit dem Studium beginnen.

Ich war zufrieden. Wir waren zufrieden. Jan schnarchte im Bett vor sich hin, draußen klatschte der kohlschwarze, nasse und windige Göteborg-Winter gegen die Scheiben, und drinnen, hinter dem Küchenfenster eines Mietshauses, brannte zu dieser frühen Morgenstunde Licht, und dort saß ich und nippte vorsichtig am heißen Kaffee, träumte vor mich hin und las Begräbnispoesie und alles Gute meinem geliebten Mann zum Vierzigsten!, ja auch Geburtstagsgratulationen lieferten Stoff für Fantasien. Es war nicht mehr lange bis zu Jans Ehrentag, und ich hatte einen Plan. Er schlief dort drinnen den Schlaf des Gerechten. Ich lächelte still vor mich hin, wenn er nur wüsste.

Zu dieser frühen Stunde war in dem ganzen großen Mietshaus vielleicht nur mein Fenster erleuchtet, kein Rauschen war in den Wasserleitungen zu hören. Heutzutage war es morgens immer völlig still, und das lag nicht etwa daran, dass die Leute aufgrund verschiedener Beförderungen später zur Arbeit gingen.

Die Geburtsanzeigen streckten einem die zarten Babys entgegen und forderten dazu auf, sich mitzufreuen, die Hochzeitsfotos mit all ihrem Lachen, dem Strahlen und den Küssen luden die Leser zu diesem Riesenglück ein, und in den Todesanzeigen schließlich erklang ein gedämpfter trauriger Orgelton, nachdem Alvar Nilsson, geb. 1924, von uns gegangen war, Ehefrau Hedvig zurücklassend sowie Tochter Solveig nebst Gatten Knut, Tochter Sylva nebst Gatten Esbjörn, Tochter Susanne nebst Gatten Bengt und Tochter Siv (guck an, sie heißt genau wie ich!), Letztere anscheinend unverheiratet. Also Enkelin. Aber keine Urenkel, noch nicht. Vier Töchter. Das war bestimmt lustig. Vielleicht war es aber auch die reinste Hölle. Aber bei vier Mädchen musste doch eine dabei gewesen sein, mit der man sich gut verstanden hat, und es war doch bestimmt das reinste Vergnügen, sich später, im Erwachsenenalter wieder zu treffen, oder? Außer direkt nach dem Tod des Vaters, natürlich.

Ich war neidisch auf Leute mit Geschwistern, obwohl ich kein neidischer Typ bin. Dafür hast du meine ungeteilte Aufmerksamkeit, hatte Mama gesagt. Ja, denkste! Ungeteilte Aufmerksamkeit, klar, aber nicht von der wärmeren Sorte. Später allerdings fiel es mir leichter, über ihre Kälte hinwegzusehen. Sie hatte schließlich eine Menge um die Ohren. Allein erziehende Mutter, gerade aus der Provinz im Norden in die große Stadt gezogen. Arbeit, Arbeit und ein ständig schlechtes Gewissen meinetwegen. Das Einfachste war es natürlich, sich zu verhärten. Sonst hätte sie sich bestimmt totgeheult, wo ich doch zwischen den verschiedensten Tagesmüttern herumgereicht wurde, bei denen eins auf alle Fälle klar war: Sie betreuten mich nicht um meinetwillen, nicht weil sie mich gern hatten. Sondern um es sich leisten zu können, bei den eigenen Kindern zu Hause zu bleiben. Ich spürte das. Mama spürte es auch. Kannst du nicht auch Tagesmutter werden, bat ich, aber sie sagte, dazu müsse man verheiratet sein. Es sei so schlecht bezahlt, dass sie uns nicht versorgen könnte, und man dürfe ja auch nicht beliebig viele Kinder nehmen. Außerdem wäre das barbarisch.

Das war damals, bevor man die kommunale Kinderbetreuung ausgebaut hat. Ich war eine Art Pionierin des Weggegebenwerdens. Heute ist das sicher anders. Anders und besser, dachte ich.

Ich hatte keine Ahnung. Saß da und dachte private Gedanken und las Familienanzeigen. Mein Mann lag noch im Bett und schlief, und ich konnte schon das Tempo des bevorstehenden Tages im Rückenmark spüren. In zwölf Minuten musste ich unten an der Straße stehen, um auf den Bus zu warten, dann würde ich am Bahnhof in die Straßenbahn umsteigen und acht Minuten vor sieben wie gewöhnlich in den Wohnbereich stiefeln. Bereits das erste sekundenrasche Geruchserlebnis würde mich umfassend darüber informieren, wie es um unsere fünfunddreißig Alten stand, an diesem leicht nasskalten, unauffälligen Morgen, von denen es so viele gab.

Ich bin die Fliege an der Wand, das Muster der Tapete, bin jemand, den man kaum bemerkt, und obwohl ich mich selber für viel zu voluminös halte, kann ich mitten im Geschehen stehen, ohne dass man sonderlich Notiz von mir nimmt.

Als sich die damalige Leiterin nach einem halben Jahr noch immer nicht an meinen Namen erinnerte, begriff ich – die Fliege an der Wand, das bin ich. Vorsicht vor der Tapete, denn dort sitze ich.

Meine Gedanken sind oft so skandalös, dass ich das Gefühl habe, sie füllen das ganze Zimmer aus und rauben den anderen jede Energie, doch dem ist nicht so. Ich rede nicht sehr viel. Auch mein Aussehen ist nicht besonders. Ich nehme bloß einen bescheidenen Platz ein und existiere eigentlich nur dem Prinzip nach. Aber ich habe in dieser Eigenschaft nie etwas Positives gesehen, wirklich nicht. Ich will präsent sein, will gesehen werden, will Aufmerksamkeit und Bestätigung, ich habe dieselben Bedürfnisse wie alle anderen, genau wie die Promis im Fernsehen. Hingegen hatte ich nie den Wunsch, mich selbst hervorzuheben. Vielleicht hält man mich für dumm. Wenn dem so ist, dann ist es von mir so gewollt. Schon in der Schule habe ich mir alle Mühe gegeben, nicht allzu gescheit zu wirken, ich war verliebt in einen hübschen, aber nicht sonderlich begabten Jungen, und es kam darauf an, ihm den Vortritt zu lassen, nur dann gab es überhaupt eine Chance für mich. Dennoch schien er der Sache nicht richtig zu trauen, argwöhnisch registrierte er meine bescheidenen Fortschritte, und meine Liebe wurde nie erwidert. Erst als ich als Erwachsene Jan begegnet war, hatte ich es gewagt, mich zu der Person zu bekennen, die ich bin.

Aber ich blieb unsichtbar. Auch meine Tätigkeiten blieben unsichtbar. Sie wurden nur im negativen Fall bemerkt. Wenn nicht geputzt worden war. Wenn das Essen nicht auf dem Tisch stand. Wenn der Bus nicht rechtzeitig gekommen war. Ich bin eine solche Frau. Wie auch immer sie heißen mag.

An diesem letzten Morgen, bevor alles anders wurde, ging es in dem Laden hoch her. Helga stand völlig neben sich. In einem Horrorfilm hätte sie eine ausgezeichnete Statistin abgegeben, ihr Aussehen konnte einen das Gruseln lehren. Es lag an dem Gebiss. Sie hatte es nicht eingesetzt, daher ihre bizarre Physiognomie, und sie schien sogar selbst verwirrt, fast so, als wäre sie klar im Kopf.

Helga schlief immer mit dem Gebiss im Mund. Aber jetzt war es weg. Sie hatte sich selbst angezogen, ein bisschen aufs Geratewohl – die Bluse verkehrt herum –, aber das Butterbrot lag unangetastet neben der Kaffeetasse, und sie selbst lief auf dem Flur hin und her und machte ein unglückliches Gesicht.

Sie selbst zu fragen wäre natürlich vergebliche Liebesmüh, der Fahrstuhl kam bei ihr nicht mehr oben an, wie man mit einem modernen Ausdruck sagen könnte. Maj-Lis und Elisabeth, meine treuen Mitstreiterinnen, und ich selbst läuteten die Operation »Große Fahndung« ein. Diejenigen der Alten, die noch über ihre kleinen grauen Zellen verfügten, mussten beim Suchen helfen, denn morgens war immer eine Menge zu tun. Alle hatten aus ihren Betten zu kommen, mussten gewaschen, angezogen und die meisten auch noch in Rollstühle oder Sessel verfrachtet werden. Frühstück musste serviert, Betten gemacht und gegebenenfalls frisch bezogen werden, und wenn das schlimmste Morgenchaos überstanden war, warteten volle Wäschesäcke, volle Katheterbehälter, Plastikurinflaschen und in manchen Fällen auch Eimer, die der Betreffende neben dem Bett stehen hatte, sie mussten geleert, gespült und mit Desinfektionsmitteln gereinigt werden.

Schweden wäre ohne uns zum Erliegen gekommen, das wussten wir, das merkten wir, jeden Tag. Svea und Sven waren alt geworden, aber sie hatten ihr Leben lang Steuern gezahlt, und sie waren es wirklich wert, auch auf ihre alten Tage wenigstens ihre Grundbedürfnisse befriedigt zu bekommen.

Also – wo war jetzt Helgas Gebiss?

Wir suchten überall. Helga war körperlich gesund und bewegte sich durch alle Räume, aber die Zähne nahm sie nicht freiwillig aus dem Mund, was also war passiert?

Stig-Erik Rikardssons Zustand war nicht gut. Mit ihm ging es bergab. Während der letzten vierundzwanzig Stunden hatte er nichts zu sich nehmen wollen, und er war auch zu schwach, um aufzustehen. Monica, die Leiterin, hatte die Ärztin gerufen. Ich tätschelte dem alten Kämpfer die Hand, strich ihm über die Wange, fragte, ob ich ihm ein bisschen Saft geben dürfe, und hielt ihm die Schnabeltasse hin. Er schüttelte den Kopf. Er wollte nichts haben. Dein Mund ist bestimmt trocken, versuchte ich es. Nimm nur ein Schlückchen, du wirst sehen, dann fühlst du dich besser.

Hauptsächlich um mir einen Gefallen zu tun, nahm er ein bisschen Saft, aber ich sah, dass es ihm nicht schmeckte. Seine Tage waren wohl gezählt, schade. Ein netter alter Mann.

Als Stig-Erik noch auf den Beinen gewesen war, hatte er Geschichten aus der Eriksberg-Werft zum Besten gegeben, eine komischer als die andere – da war keine Langeweile aufgekommen. Jetzt waren seine Augenlider schwer, aber der Blick war klar, geduldig lag er da und ruhte sich aus, es konnte wohl kaum noch die Rede von irgendwelchen großartigen Zukunftsplänen sein. Ich empfand Bewunderung angesichts dieser stillen Gelassenheit, ich hörte nie auf, mich über die Kraft zu wundern, die unsere Alten im Finale des Lebens zeigten.

In Stig-Eriks Zimmer gab es kein anderes Gebiss als sein eigenes. Das Suchen ging weiter, und ich legte sogar Helga leicht den Arm um die Schultern – was hast du mit deinen Zähnen gemacht, Helga?

Habt ihr die Hühner rausgelassen?, bekam ich zur Antwort. Etwas anderes war nicht zu erwarten gewesen.

Am Ende löste sich das Problem. Einem Boten von einem anderen Erdteil gleich betrat der Hausmeister die Räume und verkündete, dass draußen im Beet unter unseren Fenstern ein Grinsen läge und feixe. Also das bloße Grinsen – pur und aufs Wesentliche reduziert. Er konnte es wirklich auf den Punkt bringen, unser guter Hausmeister.

Ich trug das Gebiss in den Wohnbereich hoch, was konnte daran bloß so eklig sein? Jede Tollwutbakterie oder was es auch sein mochte, wovor der Hausmeister so viel Angst gehabt hatte, war in der Nacht bestimmt erfroren, aber als ich mir die Zähne näher ansah, bemerkte ich, dass daran etwas klebte. Sahnebonbon?

Ja, so war es. Helga hatte sich in ein Sahnebonbon verbissen, war nicht losgekommen und hatte vermutlich aus reiner Verzweiflung den ganzen Kladderadatsch aus dem Fenster geworfen. Ein spontaner Impuls. Zwei Sekunden später war die Sache aus ihrem Bewusstsein verschwunden.

Das war Unterhaltung auf höchster Ebene, und es war Glück, aber das wusste ich damals noch nicht.

Wir verzogen die Gesichter und verdrehten wegen dieser Zähne die Augen, lachten und alberten, niemand wollte ins braune Gras beißen.

Nachmittags lief im Tagesraum meistens der Fernseher. Nur manchmal schaute sich jemand das Programm an. Doch an diesem Tag hatte ich Helga vor den Bildschirm gesetzt, damit sie stillsaß und ich ihr die Haare entwirren und zum Zopf flechten konnte. Am Morgen war dazu wegen der Zahnprothesendramatik keine Zeit geblieben. Helgas dünnes, staubgraues Haar war so fein, dass es eine komplizierte Angelegenheit war, es ihr auszukämmen, ohne dass sie plötzlich aufstand und weglief. Ich ging mit äußerster Behutsamkeit vor, und Helga starrte auf die flimmernden Männer im Fernseher.

Plötzlich tauchte Jan auf dem Bildschirm auf! Er war einfach da.

Er gab ein Interview. In dem Augenblick begann Helga ziemlich laut zu brabbeln, und der Fernseher lief so leise, dass ich nicht hören konnte, was Jan sagte. Bevor ich die Fernbedienung gefunden und den Ton lauter gestellt hatte, war er verschwunden, und die Nachrichten gingen weiter, ohne dass ich Klarheit erhalten hätte.

Nicht dass ich völlig überrascht gewesen wäre. Jan war in seiner Eigenschaft als Gewerkschaftsfunktionär schon früher im Fernsehen aufgetreten, er galt als streitbar, und man hatte ihm anfangs eine Karriere in der Politik prophezeit. Daraus war allerdings nichts geworden, und ich wusste auch, warum: Er war zu weich. Daran war nichts Schlechtes, aber für diese Dinge war er einfach zu weich, hatte kein ausreichend dickes Fell. Er zog sich lieber zurück, als dass er Krach schlug. Er verabscheute alles, was mit Stunk und Konflikten zusammenhing. Eigentlich war er also auf dem völlig falschen Platz. Aber der war ihm wichtig gewesen, und ich hatte nichts dagegen gehabt, dass er Nagelpistole und Zollstock gegen Computer und Handy eintauschte. Ich dachte, dass es gut für ihn sei, dass er sich nicht abzuschuften brauche, und persönlich sah er in dem Funktionärsjob die Chance, mehr für seine Kollegen tun zu können. Er war ein leidenschaftlicher Betriebsratsvorsitzender gewesen, und niemand hatte seine Ehrenhaftigkeit je angezweifelt. Als Gewerkschaftsfunktionär würde es für sein Engagement mehr Spielraum geben.

Bestimmt hatte man ihn etwas Politisches gefragt, bezüglich eines neuen Rententarifs, einer Privatisierungsmaßnahme oder einer weiteren Konkurrenzgeschichte, was weiß denn ich? Das politische Zählwerk lief jetzt so schnell, dass es für einen gewöhnlichen Sterblichen unmöglich war, der Sache zu folgen, und selbst Jan, der aus der Politik eine Tugend gemacht hatte, gab zu, die scharfen Kursänderungen nur schwer verstehen zu können. Man konnte nur zu Gott beten und hoffen, dass irgendwo eine gottgleiche Person saß, die einen allumfassenden Überblick hatte über die Volkswirtschaft mit ihren Exportquoten, die Kinder in den Schulen, die Bedrohung unserer Sicherheit und mit genügend Zeit fürs Pflegepersonal, verloren gegangenen Gebissen hinterherzujagen. Ja, man konnte nur hoffen, denn ich persönlich war nicht besonders daran interessiert, und Zeit hätte ich auch nicht gehabt, selbst wenn ich gewollt hätte. Sollte man denn nie leben? Sondern nur nützlich für die Allgemeinheit sein?

Ich kämmte Helga zu Ende. Sie wurde richtig schmuck. Sie befühlte vorsichtig ihr Haar, als würde sie verstehen. Sie sah aus wie eine zerknautschte kleine Puppe. Früher hatte ihr bestimmt jemand zugeflüstert, du bist so schmuck, Helga, richtig schmuck! Irgendwann mal hatte jemand diese dürren Brüste gedrückt, hatte geflüstert, gestöhnt und gedrängt, wollte ihr richtig nahe kommen, ihr, der Helga.

Das Leben war wirklich fantastischer, als man einzusehen wagte. Unsere Pflegebedürftigen hatten all das, in dem wir gerade steckten, oder was soeben begann, schon hinter sich. Sie hatten bereits alles erfahren, das ganze Leben. Sie wussten Bescheid, aber sie hatten sich wie Muscheln um ihr Wissen geschlossen. Hier stand ein Stück Gegenwartsgeschichte direkt vor mir, aber die Hirnsynapsen waren außer Funktion, und die Frau befand sich im Zustand totaler geistiger Verwirrung – was hast du eigentlich alles erlebt, Helga?

Ein wirklich sündiger Gedanke: Manchmal glaubte ich – genau wie bei meiner Mutter –, dass man die Senilität herbeiwünschen konnte, ja, ganz bestimmt war es so. Das war wohl erblich. Aber war die Sünde als solche nicht auch erblich? Erbsünde. Zu der die Kirche sich nicht länger bekannte. Zweifellos gab es sie, dachte ich. Bis ins dritte und vierte Glied. Wenn man nicht reinen Tisch machte.

So viel war mir zumindest klar – damals schon.

Damals, als ich noch nicht wusste, wie glücklich ich war.

Dann ging ich, um Jan anzurufen und zu fragen, was er im Fernsehen gesagt hatte. Die Ärztin war schon in ihrem Dienstzimmer, aber Monica sagte, es gehe in Ordnung, dass ich das Telefon benutze.

Jan war in der Stadt unterwegs und nicht zu erreichen. Das Mädel aus der Zentrale hatte selbst versucht, ihn auf dem Handy anzurufen, aber es war abgeschaltet. Sie hieß Eva-Marie und wusste, wer ich war. Ach, im Fernsehen war er gewesen, ja, das war nicht sehr verwunderlich, ich hatte ja wohl die Nachrichten gehört?

Das hatte ich nicht. Als das Tagesecho über die ganze Nation hinausposaunt worden war, war ich in die Illustrierte »Gutes Wohnen« vertieft gewesen, während ich mein aufgewärmtes Wurststroganoff verschlang.

Sie erzählte, dass wieder zwei Morde an Gewerkschaftern verübt worden seien! Richtig schrecklich. Diesmal hatte es zwei Journalisten getroffen, aber Jan hatte sich das letzte Mal ja so nachdrücklich geäußert, dass es nur natürlich war, wenn das Fernsehen ihn jetzt, wo es wieder passiert war, um einen Kommentar gebeten hatte.

Wie furchtbar, sagte ich, aber es war, als hörte ich ihre Worte wie durch einen Filter. Ach so, wieder ein Mord, ja, zwei sogar. Ich bedankte mich, legte auf und ging an meine Arbeit zurück – jemandem war Schnupftabak in den Hörapparat geraten, und ein Nachlasspfleger war erschienen und musste dringend mit der Leiterin über einen unserer Bewohner sprechen.

Das Leben ging weiter.

Auf dem Heimweg kaufte ich eine Abendzeitung, die mit Riesenlettern die Morde herausposaunte, zu denen man Jans Kommentar im Fernsehen erbeten hatte, und im Bus las ich die kurze Notiz.

Der Filter verschwand vörubergehend, als ich las, dass der Ermordete früher Betriebsratsvorsitzender gewesen war – genau wie Jan! Er und seine Frau waren längere Zeit belästigt worden, weil sie in ihrer Gewerkschaftszeitung aktive Neonazis beim Namen genannt und sogar ihre Passbilder veröffentlicht hatten. Auf ihre Initiative hin war auch ein Neonazi aus der Gewerkschaft ausgeschlossen worden. Dann hatte man dem Mann gekündigt – der Grund war unklar –, und von dem Moment an hatten die Drohungen und Belästigungen nicht mehr aufgehört.

Das Ehepaar hatte sowohl schriftliche als auch telefonische Drohungen erhalten, alle anonym. Einmal hatte man eine eigenhändig gebastelte Brandbombe durch ihren Briefschlitz geworfen, aber sie waren glücklicherweise zu Hause gewesen und hatten den Brand löschen können.

Alle Drohungen waren der Polizei vorschriftsmäßig gemeldet worden, wo man einen verstärkten Schutz des Ehepaars erwogen, aber noch nicht umgesetzt hatte.

Dem Artikel zufolge waren beide unerschrockene, bohrende Journalisten gewesen, die bestimmt gewusst hatten, worauf sie sich einließen. Wie die Polizei mitteilte, hatten sie auch nicht auf verstärkten Schutz gedrungen, sondern sich mit der Gefahreneinschätzung durch die Polizei zufrieden gegeben.

Dass die Morde ein weiterer Ausdruck neofaschistischer Gewalt waren, stand außer Zweifel. Dann ging die Zeitung dazu über, alle früheren Terroranschläge aufzuzählen. Denn hier handelte es sich um Terroristen, die die Demokratie bedrohten, Jan war es darauf angekommen, das deutlich hervorzuheben. Terror rechnete mit dem Schrecken – man wollte den Leuten Angst einjagen. Jetzt trug die Zeitung selbst dazu bei, diese Angst zu verstärken, denn als ich die ganze Liste der Gewalttaten gelesen hatte, begriff ich, wie gefährlich die Sache war. Jan musste vorsichtig sein! Wer würde es ihm danken und ihn wieder aufrütteln, falls er den Ärger dieser Kerle auf sich zog? Was, wenn er nun ermordet–hingerichtet würde?!

Wir würden reden müssen, gründlich reden. Zwar stimmte ich mit seinen Ansichten voll und ganz überein, aber irgendwo gab es eine Grenze. Diesen Kerlen musste man mit anderen Mitteln begegnen. Ich musste mir überlegen, welche genau das sein könnten, damit ich Jan etwas zu sagen hatte, wenn wir uns trafen, ich musste ihn dazu bringen, von jetzt an vorsichtig zu sein. Er war schließlich mein Ein und Alles, ich liebte ihn aus ganzem Herzen all den Jahren zum Trotz; dass ihm etwas zustoßen könnte – uns zustoßen könnte –, wollte ich mir gar nicht erst vorstellen. Ich hatte schon mit der Planung seines Geburtstages angefangen, der würde ein Volltreffer werden, solcher Mist hier würde uns das Schöne nicht verderben.

Als ich in den Abendnachrichten von den Morden hörte, hatten sie sich bereits in eine private Irritation verwandelt, eine Bedrohung unseres Glücks. Verdammte Nazis, diese Idioten. Ihr seid doch nichts als Loser, dachte ich. Könnt ihr nicht in euren dunklen Löchern hocken bleiben und eure aggressive, stumpfsinnige Musik hören, statt unentwegt Leute zu bedrohen und zu erschrecken, ja, sie sogar umzubringen!

Gratulation, dachte ich dann. Ihr habt Erfolg. Schließlich habe ich jetzt Angst. Ich bin zwar wütend, aber noch viel mehr fürchte ich mich. Ich bin nicht bereit, das Leben meines Mannes aufs Spiel zu setzen, damit man mit euch fertig wird. Der Preis ist zu hoch, das seid ihr absolut nicht wert.

Sie waren zu einer privaten Irritation geworden, äußerst beunruhigend. Aber höchst privat.

Ich hatte eine so wunderbare Idee. Jan wurde fünfundvierzig. Normalerweise gratulierte ich mit Kaffee am Bett und ein paar Extraküsschen, doch diesmal sollte es anders werden. Den Kaffee am Morgen konnte er bekommen, aber am Abend gedachte ich ihn richtig zu überraschen. Die Sache verlangte nur eine doppelte Absicherung, damit ihm keine Konferenz oder Sitzung dazwischenkam. Ich musste mir etwas einfallen lassen, damit er an dem Abend ganz bestimmt zu Hause war.

Während des Kartoffelschälens dachte ich eine Weile über das Problem nach. Jan kam oft erst spät nach Hause, aber ich kochte trotzdem ein ordentliches Essen, denn ich wollte am nächsten Mittag was zum Aufwärmen haben, und falls was übrig blieb, ließ sich das in der Regel einfrieren. Aufgetaute Kartoffeln waren nicht gerade ein Highlight, aber jetzt hoffte ich, dass er nach Hause kam, zumal er im Fernsehen gewesen war. Deshalb hatte ich mich ans Kartoffelschälen gemacht. Er war immer etwas eitel, wenn es um öffentliche Auftritte ging, und brauchte mich als Spiegel und Bewunderin. Er würde bestimmt sehr bald auftauchen.

Ich versuchte, nicht an diese Morde zu denken, das deprimierte mich nur. Dass sie Jan in Rage gebracht hatten, war leicht zu begreifen. Er mochte keinen Krawall, aber sein Rechtsempfinden war gut ausgeprägt, und nun würde er sicher eine Unterschriftensammlung ankurbeln oder vielleicht einen Artikel schreiben und mit seinem Namen unterzeichnen. Ich musste mit ihm reden.

Ich war eine geduldige Ehefrau, deshalb waren wir wohl noch immer verheiratet. Auch wenn ich mich nicht direkt engagierte, so unterstützte ich ihn doch, hatte das auch damals schon getan, als Åsa noch klein war und ich Abend für Abend allein zu Hause gesessen hatte. Geh ruhig, hatte ich gesagt, wir kommen schon klar.

Zu jener Zeit hatte er gegen die Listen aufbegehrt, die geheimen schwarzen Listen über gewerkschaftlich aktive Personen, die keine Sozialdemokraten waren. Jan war selbst Sozialdemokrat, aber diese Form der Meinungsregistrierung tolerierte er nicht. Er kannte die Jungs schließlich und wusste, dass sie in Ordnung waren, sie wollten einfach nur mehr erreichen und verstanden den Gedanken des gegenseitigen Einvernehmens nicht. Manchmal zweifelte er, wenn der Arbeitgeber allzu offensichtlich Nutzen daraus zog, dass die Arbeiter sich einschränken mussten, obwohl die Gewinne riesig ausfielen. Andererseits wollte er nicht in einem Streiksumpf versacken, der nichts brachte, so wie es den Arbeitern in England ergangen war. Das schwedische Modell war gut, es war demokratisch und basierte auf Offenheit und freier Meinungsäußerung. Da konnte man die Leute nicht einfach registrieren. Dazu gab es eine spezielle Polizei, und die sollte nur solche Personen registrieren, die eine Gefahr für Demokratie und Sicherheit darstellten, nichts sonst. Die Sozialdemokratie hatte gefälligst diejenigen, die eine Bedrohung für sie darstellten, selbst zu bekämpfen, und zwar mit der effektivsten Waffe, die es gab – dem freien Wort.

Diese Frage des freien Worts und der schwarzen Listen war es gewesen, weshalb er Betriebsratsvorsitzender geworden war, und dann war es immer so weitergegangen. Aber angefangen hatte es mit den Listen, diesen schändlichen Listen, wie er sagte. Unerfreulich für die ganze Partei.

Er war ständig viel unterwegs. Aber wenn wir uns dann endlich wieder trafen, war mir, als würde sein Erscheinen von einem ganzen Symphonieorchester begleitet. Er war der wunderbarste Mann, den ich kannte, das galt für damals, als wir jung waren, und ist auch heute noch nicht anders.

Er war im Fernsehen gewesen. Bestimmt würde er nach Hause kommen. Ich goss die Kartoffeln ab und legte ein zusammengefaltetes Küchenhandtuch über den Topf, bevor ich den Deckel wieder drauftat. Die Kartoffeln würden warm bleiben, ich hatte meine Erfahrungen. Mit dem Braten des Fischs wartete ich noch, der würde im Nu fertig sein. Jan kam sicher bald.

Hungrig stellte ich mich ans Fenster und schaute in die Dukelheit hinaus. Von Westen näherte sich ein Hochdruckgebiet, darüber hatte ich mich informiert, aber jetzt pladderte es. Die Straßenlaternen warfen ein pathetisches Licht auf die Leute, die sich auf dem Heimweg befanden. Es wehte ein heftiger Wind, und die Menschen hielten ihre Mützen und Schirme fest. Die Kinderwagen und die Buggys mit den etwas größeren Kindern waren ordentlich mit Regenverdecken ausgestattet.

Der Anblick stimmte mich ein bisschen bedrückt, aber ich wurde gleich wieder froh, als ich an Jans Geburtstag dachte. Und nicht nur daran. Über Ostern würden wir nach Griechenland fahren, auch dann, wenn ich Jan als besonders sperriges Gut hinschicken musste! Ich sehnte mich danach, wieder Arm in Arm mit ihm spazieren zu gehen, es war ja so unglaublich spannend, mit ihm zusammen zu sein, wenn ich ihn ganz für mich hatte. Jeder unserer Auslandsurlaube war ein Bombenerfolg gewesen und hatte unserer Ehe neuen Antrieb gegeben, und ich fühlte, dass es jetzt wieder notwendig war. Das war es wirklich, wir hatten seit Wochen keine Muße zum Reden gefunden, also um richtig zu reden, und mit dem Liebesleben konnte man auch keinen Staat machen, Jan dürfte genauso ausgehungert sein wie ich!

Aber da die List der Frau den Verstand des Mannes übertrifft, musste ich ihn erst mit der Überraschung erobern, an seinem Geburtstag, übermorgen. Ich hatte an der Fischhalle angehalten, wo ich außer der Scholle für heute Abend auch ein paar hundert Gramm erstklassige geräucherte Lachsscheiben erstanden hatte, um Luxusbrote anrichten zu können, und dann hatte ich noch – oh Hilfe – Austern bestellt!

Ich musste kichern. Er würde tot umfallen! Ich vermutlich auch. Keiner von uns hatte je Austern gegessen. Ich hatte gelesen, dass sie Rotzsträngen ähnlich waren – das würde bestimmt ein unvergesslicher Abend für uns beide werden! Zu dem Ganzen hatte ich eine Flasche sauteuren Champagner gekauft – richtiges Superzeug.

Ich hatte mir überlegt, dass wir uns irgendwo in der Stadt treffen würden, er durfte den Ort bestimmen. Ich konnte behaupten, ein paar große Topfpflanzen kaufen zu wollen und beim Transport nach Hause seine Hilfe zu brauchen. Darauf fiel er sicher herein, und bei dem ständig schlechten Gewissen, das er hatte, war er dazu garantiert bereit.

Aber statt ihn zur Baumschule mitzuschleppen, würde ich mit einer Tasche voller geheimnisvoller Dinge dastehen und ihn zum Slottsskogen locken. Dort würden wir ganz nach oben auf den Aussichtsplatz gehen, wo an diesem stockfinsteren Winterabend bestimmt keine Menschenseele anzutreffen war. Wir würden an den Ort zurückkehren, wo wir uns einst verlobt hatten. Damals bei Sommerwärme und strahlender Abendsonne – jetzt waren wir cooler. Jetzt würden wir in der Dunkelheit und unterm Sternenhimmel feiern – in dieser Sache vertraute ich dem Wetterfritzen. In meiner gut gefüllten Tasche würde alles sein – Thermokissen, Tischdecke, Teelichter, hohe Plastikgläser, Servietten – auch Erfrischungstücher – Austern und Champagner und, um nicht zu verhungern, leckere Lachshäppchen.

Ja, ich fühlte echte Freude und war voll kribbelnder Erwartung. Ich malte mir ein Liebesessen mit viel Lachen und erstklassiger Romantik aus. Ich hatte gelesen, dass man Zitrone auf die Auster träufelte. Falls man sie aufbekam. Die lebte ja noch, uuh! Und dann sollte man das Zeug einfach hinunterschlucken – offenbar lebendig, die Austern also –, und das, ohne sich zu übergeben. So wäre es der höchste Genuss, hatte ich gelesen, und weiter, dass der Rotzbatzen sich am besten mit einem Glas Moët & Chandon hinunterspülen ließe. Diese Erfahrung mit Jan und mit der vornehmen Welt zu teilen war ja wohl einen halben Tageslohn wert!

Die Austern waren bestellt, und der Champagner war bereits gekauft, es würde richtig toll werden. Vom Champagner und all dem Lachen kämen wir in eine ausgelassene Stimmung; ich malte mir aus, wie wir lachend den Berg hinuntergehen und uns immer wieder küssen würden, im Gepäck vielleicht noch einen Satz ungeöffneter Austern, denn es war fraglich, ob einer von uns den Geschmack mochte. Um nicht von der Konsistenz zu reden! Mach dich auf was gefasst, Jan, du ahnst nicht, was deine Frau im Schilde führt! Und dann, wenn wir uns ein bisschen gezügelt hätten, würde ich, zum Beispiel auf dem Heimweg in der Straßenbahn, die Griechenlandreise vorschlagen, das Blatt aus dem Katalog hätte ich bei mir. Alles wäre fertig geplant, und er würde mich umarmen und Ja sagen. Ja, das will ich!

Ja – das will ich wirklich!

Im selben Augenblick klingelte das Telefon. Ich riss mich ungern von meinen Fantasien los. Es war bestimmt Ingeborg, ja, sie musste es sein. Jan stand bestimmt schon im Fahrstuhl.

Aber es war nicht Ingeborg. Es war Jan, und er konnte leider nicht zum Abendessen nach Hause kommen, er bedauerte es. Ich hätte ja wohl die Zeitungen gelesen, man hatte ihn auch im Fernsehen interviewt.

Ja, ich hatte es gelesen, und ich hatte ihn auch im Fernsehen gesehen.

Gut. War das okay gewesen, was er da geleistet hatte?

Ja, nach dem bisschen, was ich gesehen hatte, auf jeden Fall. Es war ja wirklich schrecklich, was da passiert sei.

Ja, wirklich. Und deshalb würde ich bestimmt verstehen. Der Vorstand würde heute Abend zusammentreffen, jetzt sei das Maß voll, man musste schließlich etwas tun. Und morgen sei dann ja die Konferenz in Dänemark.

Die hatte ich vergessen.

Die hatte ich total verdrängt. Die Konferenz in Dänemark, die er gestern, zu später Stunde, beiläufig erwähnt hatte. Kommst du zu deinem Geburtstag nicht nach Hause?, fragte ich.

Ja, richtig. Ich hörte, dass er ihn vergessen hatte. Doch, da bin ich zu Hause. Wir fahren morgen Vormittag, wir sind ja ein ganzer Haufen, weißt du. Und kommen am Tag darauf gegen Mittag zurück, das geht doch wohl in Ordnung? Vielleicht wird man ja gefeiert?

Ja sicher, antwortete ich. Aber erst musst du mir helfen, ein paar Pflanzen, die ich bestellt habe, nach Hause zu schaffen, wir können uns ja in der Stadt treffen?

Klar, antwortete er. So machen wir’s. Bleib heute Abend nicht so lange wach, sondern leg dich zeitig schlafen, das kannst du bei deiner rechtschaffenen Arbeit gebrauchen.

Ich will nicht, dass du auch noch in die Luft gesprengt wirst, sagte ich. Er schnaubte verächtlich. Das sollen die sich nur mal trauen, erwiderte er.

Was ist das für eine Konferenz?, fragte ich, vor allem um dem Gespräch den Ernst zu nehmen und es zugleich zu verlängern. Ich wusste, dass ihm meine Besorgnis unangenehm war, er mochte es nicht, wenn ich mich so zimperlich verhielt, wie er es nannte.

Es ist erwartungsgemäß eine Konferenz über den Neonazismus hier im Norden, antwortete er, sie ist wichtig, wie du verstehst.

Ja, das verstehe ich. Sonst würdest du ja wohl nicht wegfahren? Nein, würde ich nicht, lautete seine Antwort.

Dann legten wir auf.

Ich briet den Fisch. Das Essen war lecker. Ich war nicht traurig. Alles Schöne stand schließlich noch bevor. Alles würde gut werden, es gab keinen Grund, Trübsal zu blasen, jetzt konnte ich die Gelegenheit nutzen und früh ins Bett gehen, denn am morgigen Tag mussten fünfunddreißig alte Leute geduscht oder gebadet werden, man musste Zehennägel schneiden, ihnen Wangen und Kinn rasieren, und ein freundliches und vor allem ausgeruhtes Lächeln würde jeden Zorn oder was es sonst war verfliegen lassen. Ein paar der Alten fanden, es reiche mit dieser Reinlichkeitsmanie, und machten nicht immer mit, obwohl sie nach allem Möglichen rochen.

Ja, es war nur gut, wenn ich nicht bis spät in die Nacht aufblieb und mit Jan redete, ein harter Arbeitstag wartete auf mich, und wir konnten uns ja später unterhalten. Wir würden außerdem nach Griechenland fahren, wir zwei würden wieder ein Ganzes werden. In letzter Zeit hatte ziemlich viel Not geherrscht, »Hungersnot«, aber spätestens dann, wenn nicht schon früher, würde alles wieder voller Lust sein.

Außerdem würde ich Ingeborg anrufen, oder sie mich, das hatten wir ja bereits verabredet.

Meine Mutter hatte ihre Heimat verlassen und war hierher nach Göteborg gezogen, als sie einsah, dass sie mit mir schwanger war. In meiner Kindheit fuhren wir jeden Sommer in den Norden, aber als dann beide Großeltern gestorben waren, wurden die Besuche immer sporadischer. In meiner Erinnerung gab es zwischen Mama und Großmutter nur Kälte, und es herrschten unausgesprochene Spannungen. Mama war zu Hause rausgeworfen worden, als sie ein Kind erwartete, und die Verbitterung darüber legte sich nie. Großmutter und Großvater behandelten mich gut, vielleicht bereuten sie es. Sie waren allerdings alt und müde und ziemlich kraftlos. Die Person, die unseren Aufenthalten dort oben das meiste Leben einhauchte, war Mutters Schwester Ingeborg. Sie war verheiratet und hatte einen Sohn, Karl-Erik, meinen Cousin. Ihr Mann arbeitete in der Gerberei.

Ich erinnere mich an stimmungsvolle Stunden auf den Bergwiesen, wo Tante Ingeborg in den letzten wackeligen Minuten der Sennwirtschaft ihre Kühe und Ziegen weiden ließ. Als Teenager bin ich mal mehr oder weniger dahin durchgebrannt, und ich durfte bleiben, den ganzen Sommer. Dort erlebte ich meine erste heiße romantische Liebe mit einem Jungen aus der Gegend, aber als die Abende dunkler wurden, sehnte ich mich zurück in die Großstadt, und der Glanz um das Objekt meiner Leidenschaft verblasste genauso schnell, wie er entstanden war. Auf seinem Moped musste er den ganzen langen Weg ins Dorf zurückknattern, ich hatte nicht mehr gewollt. Die Sache deprimierte ihn tief, aber ich war grausam und egoistisch. Tante Ingeborg rief mich in Göteborg an und erzählte, dass er von der Brücke gesprungen und beinahe in den Strudeln ertrunken wäre und dass man den Grund dafür vielleicht in meinem raschen Abgang suchen müsste. Aber nicht einmal da hatte mich die Sache interessiert.

All das war jetzt viele Jahre her, diese verhärtete Teenagerin, die war ich nicht mehr. Heute versuchte ich jeden Sommer ein paar Tage bei Tante Ingeborg zu verbringen, und unser telefonischer Kontakt war in letzter Zeit richtig intensiv geworden.

Ich legte Wert auf den Kontakt zu meiner Tante, sie war das letzte zerbrechliche Bindeglied zu meiner Vergangenheit. An dem Tag, an dem sie sterben würde, und sie war bereits vierundsiebzig, wenn zum Glück auch ungewöhnlich gesund und rüstig – sogar einen Job hatte sie acht Stunden die Woche –, also an dem Tag, an dem sie sterben würde, wäre alles verschwunden. Ich hatte keinen Vater, meine Mutter war eine hartherzige Frau gewesen und hatte alle Hände voll zu tun gehabt, uns beide zu versorgen. Ingeborg gab mir das, was meine Mutter nicht hatte geben können. Ingeborg erzählte gern, sowohl Wichtiges als auch Unwichtiges. Eindringlich hatte ich sie gebeten nachzudenken, vielleicht würde sie ja darauf kommen, wer mein Vater war, aber dabei hatte sie mir nicht helfen können. Stattdessen erzählte sie von alten Verwandten, sodass man das Gefühl bekam, sich mitten in einer breiten, schäumenden russischen Seifenoper zu befinden, und sie malte die Gegend mit den verschiedensten Menschenschicksalen aus, ich fühlte eine Art Boden unter den Füßen. Ich kam von einem bestimmten Ort, und ich gehörte dahin. Auch ich. Mein Mann, mein Ein und Alles, befand sich ja in Göteborg und meine Tochter in Jönköping, aber ein Stück von mir würde für immer in den Wäldern dort oben bleiben. Dort oben lagen die Höfe weit auseinander, aber die Menschen hielten fest zusammen, manchmal jedenfalls. Wo die Mücken surrten oder das Nordlicht knisterte – so erlebte ich diese Gegend aus fünfhundert Kilometern Entfernung.

An diesem Abend rief ich also Ingeborg an.

Wie gut. Andernfalls hatte sie vorgehabt, sich bei mir zu melden, es war ja ein paar Tage her seit dem letzten Mal.

Ich erzählte von meiner Angst.

Sie hatte die Nachrichten ebenfalls gesehen. War das Schweden von heute so? Sie wollte es nicht glauben. Jemand musste dagegen angehen, musste vor dieser wiederauflebenden alten Ideologic warnen, ich sollte stolz darauf sein, einen so engagierten Gatten zu haben. Und Jan war doch ein besonnener Mann, er würde sich keiner unnötigen Gefahr aussetzen, ganz bestimmt nicht.

Ingeborg konnte so gut trösten. Auf dem Lande war es sicherer, dort wusste man, wo man seine Nazis hatte, aber die blieben ja auch friedlich, sie hatten sich schließlich einmal blamiert, und das war genug. Ingeborg sprach natürlich von der alten Garde. Irgendeine neue gab es nicht, soviel sie wusste, nicht dort in der Gegend. Aber in Ludvika und Borlänge, in Långshyttan und in Nås, dort gab es sie, das hatte sie in der örtlichen Presse gelesen. Nein, sie wollte nicht erzählen, wer die alten waren, es genügte, dass sie selbst es wusste. Sie waren genug gestraft, denk doch, was für eine Schande! Sie hatte nicht vor, diese Leute wieder an den Pranger zu stellen, und die selber bereuten es bestimmt. Dass ich sagte, mein Wissen würde ihnen nicht schaden, zeigte keine Wirkung, der Deckel blieb zu.

Dann sprachen wir von anderen Dingen. Es gab viel zu bereden. Unsere Gespräche ergaben ein Bild der Umwelt, sie ließ sich besser handhaben, wenn man den Blick mit einem anderen teilte.

Es lag viel Schnee dort oben, aber jetzt war die Sache mit dem Wegräumen des Schnees bis an ihre Tür geregelt, denn nach Esters Tod hatte sie endlich einen neuen Nachbarn bekommen. Einen Mann um die fünfzig, er hieß Niels, hatte Esters Haus gekauft, und er besaß sowohl einen Traktor als auch einen Schneeskooter. Niels räumte die Straße für sie und auch für Marianne, und er nahm nicht viel Geld dafür. Also endlich war ein richtiger Mann in diesen Teil des Dorfs gekommen, und zu den anderen Höfen war es schließlich ziemlich weit, Marianne und sie waren sehr zufrieden. Ja, sie war es jedenfalls, für Marianne konnte sie ja nicht sprechen.

Wir redeten ziemlich eingehend über diesen Niels, wir tratschten sogar. Er war geschieden und hatte eine eigene Firma, er verkaufte übers Internet Ersatzteile. Er war aus der Gegend. Wie gewöhnlich wusste Ingeborg das meiste über seine Verwandtschaftsverhältnisse und auch über alle anderen Verhältnisse. Niels kam aus der Familie Walles, und bei denen hatte es sogar einen Oberstudienrat gegeben. Niels hatte, genau wie ich, nur ein erwachsenes Kind, und das war schließlich ein Glück, wo seine Frau ihn satt hatte und sogar weggezogen war. Sie hatten eine Wohnung im Ort gehabt, aber jetzt gehörte ihm also Esters Hof, wo er sich wohl zu fühlen schien, vermutlich weil er dort an den verschiedensten Geräten herumbasteln konnte, er lebte teilweise von diesen Reparaturen. Und man konnte obendrein mit ihm reden. Über alles. Auch über schwierige und komplizierte Dinge, er war ein guter Ratgeber auch in heiklen Fragen. Und er besaß einen Hund und eine Katze, und die Katze würde bald Junge bekommen. Ingeborg war bestens informiert und klang ein wenig aufgedreht.

Ich scherzte und fragte, ob sie sich vielleicht verguckt habe. Sie schnaufte verächtlich und kicherte. So ein junger Kerl, aber er habe was Besonderes, das habe er wirklich. Er sei auch als UNO-Soldat in Afrika gewesen, und überhaupt sei der neue Nachbar eine angenehme Bekanntschaft, aber das Beste von allem sei natürlich die Sache mit dem Schnee, ich wisse ja, welchen Ärger sie all die Jahre damit gehabt habe. Übrigens, wo wir von Wohnungen sprachen, jetzt müsse ich mir das mal anhören. Die Wohnung, in der Vater und Mutter, also meine Großmutter und mein Großvater zuletzt gewohnt hatten, sollte, abgerissen werden! Obwohl sie völlig modern war! Das ganze Gebäude wollte man abreißen und mehrere andere Mietshäuser ebenfalls, sie sollten dem Erdboden gleichgemacht werden, obwohl sie erst kürzlich gebaut worden waren, irgendwann in den Sechzigern, und über alle Modermitäten verfügten, auch über Waschhäuser und Balkone! Ob ich mir das vorstellen konnte, begriffe ich das? Die Gemeinde verdiente mehrere Millionen Kronen an diesem Abriss. Sonst würden die Häuser weiter leer stehen, und das würde noch viel teurer werden. Sie persönlich verstehe nicht das Geringste, würde ich das begreifen? Klagte man im Fernsehen nicht ständig über Wohnungsnot und Wuchermieten, über den Schwarzmarkt und wer weiß nicht was alles? War es denn dann nicht geradezu kriminell, einwandfreie Wohnungen auf diese Weise zu zerstören?

Wir machten unserer gemeinsamen Empörung Luft, denn sie hatte schließlich Recht. Die Gemeindebosse lagen mit ihrer Berechnung bestimmt nicht falsch, aber Ingeborg hatte trotzdem Recht. Wir lebten in einer verrückten Welt, darin waren wir uns einig.

Ich erzählte, dass ich Scholle gebraten hatte, und wir sprachen eine Weile über die Zubereitung von Fisch. Ich verriet indes nichts über meine Austernpläne, die hätten sie bestimmt schockiert, und sie hätte das Lustige daran auch nicht begriffen – später würde ich es ihr erzählen, hinterher. Dann würden wir uns beide mächtig darüber amüsieren, das wollte ich ihr nicht nehmen.

Karl-Erik war im Augenblick in Belgien. Er fuhr immer auf Montage und kam in der Tat nicht viel öfter nach Hause, als ich Ingeborg besuchte. Aber sie klagte nicht, sie hatte die Einstellung, jeder müsse sein eigenes Leben führen dürfen. Petter, ihr Mann, war früh gestorben, aber sie selbst hatte noch lange nicht die Absicht, alle viere von sich zu strecken, wie sie die Sache beschrieb. Sie hatte ja sogar einen Job. Sie putzte für den alten Direktor. Das war ein ehrenvoller Auftrag, der sie mit Stolz erfüllte, und außerdem verdiente sie fünfhundert Kronen die Woche dazu. Schwarz.

Sie beklagte sich eine Weile über die Sälen-Touristen. Es sei ja fast unmöglich, über die Fernstraße zu kommen, wenn sie zu ihrer Arbeit oder zum Einkaufen in den Ort runter wollte. Vor allem freitags, samstags und sonntags, wenn die Ferienhäuser die so genannten Wechseltage hatten, das hatte sie lernen müssen. Sie fuhr noch immer selbst, und die Autofahrten munterten sie in der Regel auf, denn oft besuchte sie zugleich irgendwelche alten Bekannten in der Krankenstation oder im Altenheim, und die freuten sich immer riesig. Aber jetzt graute ihr richtig davor. Fast eine halbe Stunde stand sie manchmal an der Kreuzung, ja, das war tatsächlich schon passiert. Man musste eine Lücke in beiden Richtungen finden, und dann schleunigst über die Straße preschen, denn die Touristen waren schwer bepackt, müde und höchst unwillig, jemanden durchzulassen, egal, in welche Richtung sie auch fuhren. Und apropos Touristen – jetzt war da oben in den Bergen erneut ein Mensch erfroren. Das kam jede Saison vor: Betrunkene Stockholmer in Hemdsärmeln, die meinten, sie bräuchten ein bisschen frische Luft, und das bei zwanzig Grad Kälte, und hinterher fanden sie nicht wieder zurück zur eigenen Hütte zwischen den fünfzig anderen, die genauso aussahen. Mit ihrem eingeschränkten Urteilsvermögen waren sie nicht schlau genug, sich ins erstbeste Haus zu begeben. Am Tag darauf fand man sie dann zusammengekauert unter einer Tanne, tiefgefroren!

Hin und wieder las man, dass die Polizei zu Ferienhäusern gerufen worden war, in die ungebetene Saufbolde eingedrungen waren, dabei handelte es sich wohl um diejenigen, die ihre Sinne noch beisammen hatten, um mitten im Rausch nach Wärme zu suchen, koste es, was es wolle. Die Ungezogenen überlebten, aber Winter für Winter starb ein einzelner sternhagelvoller Gentleman dort oben, erfror in Sichtweite der Zivilisation und warmer Hütten.

Mit Ingeborg zu reden war manchmal, als fahre man mit dem Boot den Wasserfall hinunter, und die Zeit verging rasch.

Und wie steht’s mit dem Job, fragte ich. Da wurde sie plötzlich still. Doch, ja, antwortete sie, aber ich konnte richtig hören, wie es sich hinter ihrer Stirn bewegte, irgendwas war mit ihrer Arbeit, betraf es den Direktor, oder war nur irgendein Reinigungsmittel alle?

Äh, sagte sie. Aber weißt du, wenn man putzt, ja, da kommt man den Leuten so nahe. Es ist ein Vertrauensverhältnis. Und ich bin unerschütterlich loyal, ja, das bin ich. Du würdest mich nie dazu kriegen, auch nur ein Wort zu sagen, stimmt’s?

Dem musste ich tatsächlich beipflichten. Sie war die Diskretion selbst, was den Direktor betraf. Sie hatte in seiner großen Villa geputzt, seit ihr Mann in dessen Gerberei gearbeitet hatte. Dann ging die Firma Konkurs, und die Gerberei wurde von einem anderen Norweger aufgekauft, oder besser gesagt einer Norwegerin, und sie hatte den Betrieb wieder angekurbelt, sodass er erneut Gewinn abwarf. Dann, vor ein paar Jahren, hatte Mickelsens Sohn den Laden zurückgekauft, und die Norwegerin war nach Oslo verzogen.

Die ganze Zeit über hatte Ingeborg für Mickelsen, den Direktor, geputzt. Nie hatte sie anders als in allgemein positiven Worten von ihm geredet. Als seine Frau noch lebte, hatte Ingeborg ab und zu einen gewissen Leistungsdruck verspürt, aber heute schien der Job ihr Dasein regelrecht zu vergolden. Im Moment aber bedrückte sie etwas.

Was ist los, Ingeborg?, fragte ich ohne Umschweife.

Ach nichts, antwortete sie, vielleicht mache ich doch, was ich gedacht habe. Wir werden sehen. Vielleicht erzähle ich es dir später mal. Es hat keine Eile.

Und da hörte ich, dass das Thema erschöpfend behandelt war. Sie wollte nicht mehr sagen. Ich unternahm einen neuen Anlauf. Doch, ja, dem Direktor ging es gut, obwohl er schon achtundachtzig war, und jetzt brauchte sie ja auch nur einmal die Woche zu putzen, und er benutzte nur drei Zimmer, das war kein Problem. Einmal im Jahr kam eine Reinigungsfirma. Die war zwar unglaublich teuer, aber andererseits waren die Leute versichert, denn er hatte ja so viele edle Dinge in seiner Villa. Die hatte er wirklich. Auch ungewöhnliche Dinge, apropos.

Hatte sie irgendein ungesetzlich eingeschmuggeltes ägyptisches Grabkleinod zu Gesicht bekommen? Man hatte schließlich davon gelesen, wie verrückt manch einer nach Antiquitäten war. Aber Ingeborg schwieg. So einer ist er wohl nicht, antwortete sie nur.

Danach zogen wir ein bisschen über Marianne her, Ingeborgs andere Nachbarin. Das war eigentlich nicht ganz in Ordnung. Ich kannte sie nicht so gut, aber durch Ingeborgs kategorische Urteile kam ich ihr doch ziemlich nah. Als hätte ich ihr Leben als Film gesehen oder durch einen Roman kennen gelernt – aber das hier war bequemer als selber zu lesen. Es war, als sei die Person, über die wir redeten, kein lebendiger Mensch. Wir wälzten die verschiedensten Fragen hin und her, und Marianne war so eine arme Wurst, die sich leicht benutzen ließ. Sie war nie verheiratet gewesen. War eine so genannte zu Hause wohnende Tochter, und als die Eltern endlich das Zeitliche gesegnet hatten, war sie schon zu alt gewesen, um eine eigene Familie zu gründen. Aber Männer hatte sie doch gehabt, heimlich. Und Ingeborg wusste zu berichten, dass sie auch ein Kind zur Welt gebracht hatte, vor ungefähr fünfzig Jahren oder mehr, aber es wurde sofort weggegeben, und keiner durfte es je erwähnen. Die Familie lebte weiter, als hätte es dieses Kind nie gegeben. Es war ein Mädchen gewesen, glaubte Ingeborg, das soll Mariannes Mutter zu einer Bekannten gesagt haben, aber damals wurde so viel getuschelt, dass man eigentlich nicht wissen konnte, wie es sich wirklich verhielt. Vielleicht war das Kind gestorben. Vielleicht war es auch ein Junge. Oder ein Idiot. Was wusste man denn schon.

Geheimnisse zu haben ist tatsächlich so, als stellte man sich mitten auf den Markt, dachte ich, nachdem wir aufgelegt hatten. Besser, man sagte, wie sich die Sache verhielt, und nahm den Schlag hin. Ich schämte mich ein bisschen, dass ich so neugierig in Mariannes Leben herumgestochert hatte, ohne dass sie etwas davon wusste. Aber vielleicht stocherte sie genauso lüstern in meinem herum. Schließlich war ich ein uneheliches Kind, ein Bastard. Auch ich verlockte bestimmt dazu, der Fantasie freien Lauf zu lassen. Die Herkunft der Leute hat zu jeder Zeit für Dramatik gesorgt. Ich selbst bin nicht der Meinung, dass Blut dicker ist als irgendeine andere Flüssigkeit, aber bei den Bewohnern dort oben galt eine solche Ansicht als Lästerung, das wusste ich.

Deshalb war es gut, in Göteborg zu wohnen, da brauchte man sich um diesen Mist nicht zu kümmern. Selbst wenn ich meinen Arbeitskolleginnen erzählen würde, dass ich unehelich geboren bin, würde das niemanden kümmern. Sie würden lachen und sagen, denkst du denn, du bist die Einzige, das kannst du vergessen. Und sie würden Geschichten erzählen, eine schlimmer als die andere. Nach dem Galgenhumor meiner Kolleginnen zu urteilen, konnte ich noch von Glück sagen, dass ich trotzdem eine Mutter gehabt hatte, die sich um mich kümmerte und mich tatsächlich nie im Stich ließ. Dennoch war sie gefühlskalt gewesen. Ich glaube nicht, dass sie mich je wirklich gern gehabt hat.

Das Gespräch zwischen Ingeborg und mir endete wie immer mit gegenseitigen, im Telegrammstil gehaltenen Gesundheitsberichten. Ich fühlte mich ja ständig zu dick, obwohl Ingeborg mir da nicht zustimmen wollte. Sie selbst bestand nur aus Haut und Knochen, und ich glaubte, dass mein schlimmer Rücken damit zu tun hatte, dass ich zu viel mit mir herumschleppte – sozusagen zu viel Gepäck. Ingeborg tat meine Probleme als Stuss ab und berichtete, dass sie ihrerseits Schmerzen im Daumen verspüre. Das sei bestimmt rheumatisch. Sie klagte gewaltig über ihren Daumen, und das freute mich, denn dann war alles Übrige offenbar völlig in Ordnung. Bestimmt kommt es davon, dass du zu viel Geld zählst, schlug ich vor. Da verstummte das Gejammer mit einem Schnauben. Wir wünschten uns gegenseitig einen guten Schlaf und kamen überein, in ein paar Tagen wieder miteinander zu sprechen.

Irgendwann spät in der Nacht kam Jan nach Hause. Er bewegte sich leise und schaltete das Licht nicht an, ich hörte ihn am Schrank. Ich wollte aufwachen, schaffte es aber nicht und dachte, wir würden uns wohl am Morgen treffen, er musste bestimmt zeitig raus, wenn er nach Dänemark wollte.

Das Herz ist nur ein Muskel, dachte ich. Jans Puls schlug sichtbar, die Halsschlagader bewegte sich. Er schlief lautlos, vollständig entspannt. Ich stand im Lichtstreifen, der aus der Küche fiel, und sah ihn an. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel mit der Bitte, ihn schlafen zu lassen, er sei spät nach Hause gekommen, und sie würden nicht vor halb zehn losfahren.

Ich rechnete aus, dass sie frühestens nach dem Mittagessen auf der Konferenz ankommen würden, aber es gab vermutlich ein konzentriertes Nachmittagsprogramm. Der Vormittag war wohl internen dänischen Fragen vorbehalten.

Ich hätte ihn gern geweckt. Eine Menge Tage waren jetzt vergangen, ja, Wochen. Die Liebe ist ein Muskel, dachte ich, der arbeitet und pumpt, sich quält und schindet. Ja, Liebe ist Arbeit, sie ist kein Geschenk, kein Gefühl an sich, kein Zustand und kein wohlig warmes Meer, in dem man einfach umhertreibt. Liebe kommt und geht nicht wie Regengüsse und Wolken und wie Blitze am Himmel. Doch, das tut sie, wie Wolken und Wolkenschleier täuscht und entflieht sie zuweilen, und manchmal wird der Sinn vom Blitz verdüstert. Aber vor allem ist die Liebe ein Muskel. Sie ist Arbeit und Wille. Zu wollen, dass einem anderen Menschen nur Gutes geschieht.

Manche halten sich einen Mann ungefähr so, wie man sich einen Hund hält, dachte ich. Wo sind heutzutage die Gefühle, ist alles, einschließlich des Menschen, nur noch reiner Konsum? Die Lebensdauer eines Hundes ist überschaubar, man kann während eines Lebens mehrere Tiere haben. Ich könnte nie so leben. Bei uns geht es um Jan und mich. Wir haben Åsa, aber ich bin froh, dass unsere Beziehung jetzt die zwischen erwachsenen Menschen ist, sie hat ihr Leben, und sie soll unseretwegen nie ein schlechtes Gewissen haben. Um Jan und mich geht es, wir werden das Alter miteinander teilen. Was immer auch passiert, außer dem Tod natürlich. Der Tod ist das Einzige, gegen das man nichts ausrichten kann, da hilft selbst die Sache mit dem Muskel nicht.

Bei der morgendlichen Arbeitsbesprechung erfuhren wir, dass wir es an diesem Tag nicht schaffen würden, all die alten Leutchen zu baden, denn eine von uns musste bei Stig-Erik sitzen, ihm ging es inzwischen sehr schlecht. Eine Tochter war unterrichtet worden und saß schon im Zug von Stockholm.

Maj-Lis und Elisabeth schauten mich an. Ich konnte solche Dinge am besten. Der Tod erschreckte mich nicht, ich hatte schon bei vielen bis zum Ende gewacht. Auch meine beiden Kolleginnen hatten keine Angst davor, aber meine Haltung war vielleicht eine andere, war besinnlicher, ich sah einen Wert darin, einen sterbenden Menschen bei seinen letzten schwankenden Schritten zu begleiten. Ich empfand es immer als feierlich, ja, fühlte mich sogar auserwählt.

Ich wollte niemanden sterben sehen. Das Leben war es, was ich sehen wollte, das Leben bewunderte ich, das Leben dieser Menschen bis zum letzten Augenblick; und dass die Menschenwürde dort vielleicht wiederhergestellt wurde, in den allerletzten Minuten, wenn der Boden endlich trug und der Gedanke einschlug: Jetzt sterbe ich, und dass man das mit Fassung hinnahm, es akzeptierte. Ja, ich sterbe, lebt wohl. Und dann starben sie.

Und die Stille hinterher, die Milde darin. Der Schlusston pflegte in den allermeisten Fällen ein guter zu sein, wenn ein Mensch, der zu Ende gelebt hatte, das Leben verließ.

Man konnte es anderen nicht erklären. Warum ich nichts dagegen hatte, die Sonderwache bei einem Sterbenden zu übernehmen.

Die Ärztin war gerade da gewesen. Stig-Erik lag am Tropf, vor allem um die Unannehmlichkeiten aufgrund der Austrocknung auszuschalten. Und er hatte auch einen Katheter, aber ich sah, dass darin nicht viel Urin war. Die Organe in seinem Körper schienen jetzt ungefähr gleichzeitig ihre Werkzeuge niederzulegen, er hatte ganz einfach zu Ende gelebt.