Sommer im kleinen Cottage auf dem Hügel - Emma Davies - E-Book
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Sommer im kleinen Cottage auf dem Hügel E-Book

Emma Davies

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Beschreibung

Niedliche kleine Häuschen, wilde Wiesen und überall der süße Duft von Blumen in voller Blüte. Es ist Sommer im kleinen Cottage auf dem Hügel, und der erste Gast zieht ein. Isobel ist auf der Suche nach einem Zufluchtsort, aber ihre Vergangenheit scheint sie einzuholen ...


Als Tom auf den Dächern der Cottages arbeitet und den traurigen Klang von Isobels Geige im Wind hört, ist er tief berührt. Wer ist diese mysteriöse neue Untermieterin, und warum kommt sie ihm so bekannt vor?

Isobel scheint etwas zu bedrücken, und Tom möchte ihr helfen. Aber sie kann sich weder auf ihn, noch auf die Ruhe und die Natur einlassen, die das Anwesen zu bieten hat.

Doch Tom gibt nicht auf, und gerade als es so aussieht, als könnte Isobel sich öffnen, holt ihre Vergangenheit sie ein und droht alles wieder zu zerstören.

Wird Isobel es schaffen, endlich die Schatten ihrer Vergangenheit zu besiegen und für sich einzustehen? Und wird Tom einen Weg finden, sie aus ihrem emotionalen Käfig zu befreien?


Wenn Ihnen die herzerwärmenden Liebesromane von Jenny Colgan, Lucy Diamond und Debbie Johnson gefallen haben, werden Sie von diese wunderbare, wohltuende Geschichte über das Zulassen von Gefühlen lieben.


eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 379

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Ein paar Zeilen von Emma

Danksagung

Weitere Titel der Autorin

Das kleine Cottage auf dem Hügel

Über dieses Buch

Als Tom auf den Dächern der Cottages arbeitet und den traurigen Klang von Isobels Geige im Wind hört, ist er tief berührt. Wer ist diese mysteriöse neue Untermieterin, und warum kommt sie ihm so bekannt vor?

Isobel scheint etwas zu bedrücken, und Tom möchte ihr helfen. Aber sie kann sich weder auf ihn, noch auf die Ruhe und die Natur einlassen, die das Anwesen zu bieten hat.

Doch Tom gibt nicht auf, und gerade als es so aussieht, als könnte Isobel sich öffnen, holt ihre Vergangenheit sie ein und droht alles wieder zu zerstören.

Wird Isobel es schaffen, endlich die Schatten ihrer Vergangenheit zu besiegen und für sich einzustehen? Und wird Tom einen Weg finden, sie aus ihrem emotionalen Käfig zu befreien?

Über die Autorin

Emma Davies arbeitete einmal für ein Designstudio, wo sie gebeten wurde, eine lustige und humorvolle (und nicht unbedingt wahre) Geschichte für deren Website zu schreiben. Sie schrieb folgendes: »Ich bin ein Bestseller-Autor, der sich derzeit als dreifache Mutter in den Dreißigern ausgibt.« Im Designstudio arbeitet sie nicht mehr, aber sie ist jetzt dreifache Mutter in den Vierzigern und freut sich, berichten zu können, dass ihr Traums wahr geworden ist.

Nach vielen Jahren als Finanzmanagerin schreibt sie heute Vollzeit und ist sehr glücklich, jetzt mit Worten statt mit Zahlen spielen zu können. Sie lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und zwei Meerschweinchen im ländlichen Shropshire, wo sie in jeder freien Minute schreibt. Shropshire, seine wunderbaren Menschen und zauberhaften Landschaften bieten ihr eine endlose Inspiration für ihre Bücher.

Besuchen Sie ihre Website www.emmadaviesauthor.com, wo Sie unter anderem über ihre Leidenschaft für Pringles und lautes Singen im Auto lesen können. Sie können ihr auch auf Twitter unter @EmDaviesAuthor folgen oder sie auf Facebook finden (ein wenig zu oft, als es gut für sie ist).

EMMA DAVIES

Ein bezaubernder Feel-Good-Roman

Aus dem Englischen von Michael Krug

beHEARTBEAT

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2018 by Emma Davies

Titel der britischen Originalausgabe: »Summer at the Little Cottage on the Hill«

First published in Great Britain in 2018 by Storyfire Ltd trading as Bookouture.

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Ulrike Brandt-Schwarze

Covergestaltung: Guter Punkt, München

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-9835-9

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Isobel nahm den Bogen, legte ihn an die Saiten der Geige und begann zu spielen. Die bewusst lang gezogenen Noten reisten durch die Luft, erfüllten jeden Winkel des Zimmers und trafen sanft auf die geweißten Wände, bevor sie zu ihr zurückkehrten. Die Klänge hörten sich klar und perfekt an. Isobel musste weder auf das Notenblatt schauen noch über die technischen Herausforderungen nachdenken, die das Stück bot – sie wusste, dass sie die Musik fehlerfrei spielte. An diesem Tag achtete sie vor allem auf die Qualität der von ihr erzeugten Töne.

Sie hielt mit dem Bogen inne und lauschte aufmerksam, als der letzte Ton verhallte, dann senkte sie die Geige mit einem zufriedenen Nicken. Sie ließ den Blick durch den Raum wandern, der ihr die nächsten sechs Wochen lang als Zuhause dienen würde, und beglückwünschte sich zu ihrer Wahl. Dieses kleine, auf einem Hügel gelegene Cottage eignete sich wirklich hervorragend.

Sie klemmte sich eine lange, dunkle Strähne hinters Ohr, legte das Instrument auf den Couchtisch vor ihr und nahm den Rest ihrer Umgebung in Augenschein. Das Wohnzimmer bildete ein perfektes Rechteck. Eine Wand bedeckte etwas, das nach Seiten aus alten Zeitschriften aussah und Isobel an die lebhaften Blumenmotive auf der Website der Farm erinnerte. Altmodisch zwar, aber noch immer ausgesprochen schön. Das alles verlieh dem Zimmer eine wunderbar historische Atmosphäre, ohne dass man das Gefühl hatte, sich in einem Museum aufzuhalten. Es gab nur wenige Möbel: den Schreibtisch, um den sie gebeten hatte, ein niedriges Bücherregal, ein Ohrensessel neben dem Kamin und ein gemütlich aussehendes Sofa gegenüber.

Nichts davon passte zusammen, aber es trug zu dem behaglichen Charme des Raums bei, und Isobel war damit mehr als zufrieden. Luxus brauchte sie nicht – sie war zum Arbeiten hier.

Sie hatte schon befürchtet, sie würde so kurzfristig nichts mehr finden – immerhin hatte bereits die Urlaubszeit begonnen, und nahezu alle Ferienhäuser, die sie sich angesehen hatte, waren ausgebucht gewesen. Dann war sie durch puren Zufall auf die Website von Joy’s Acre gestoßen, und irgendetwas daran hatte ihre Aufmerksamkeit erregt.

Die Anlage war offensichtlich neu – derzeit gab es nur ein einziges fertiggestelltes Cottage. Das zeigte sich auch an dem Empfang, den man ihr bereitet hatte – überschwänglich und zugleich mit einem Hauch von Nervosität. Doch das war ihr ziemlich egal. Für sie zählte nur, dass sie ein Cottage zur Verfügung hatte und dass es kein Problem war, wenn sie Tag und Nacht übte. Da sich keine anderen Gäste in der Anlage befanden und auf dem Gelände noch gearbeitet wurde, sollte sie mit ihrem Üben niemanden stören. Sofern die Leute hier verstanden, dass sie nicht hier war, um für sie zu spielen, war alles gut. Sie brauchte bei der Arbeit absolute Ruhe und wollte keinerlei Unterbrechungen.

Als sie vor einer Stunde ins Haus getreten war, hatte sie die Geige ausgepackt, um die Akustik zu überprüfen. Ansonsten hatte sie nur ihren Laptop auf dem Schreibtisch aufgestellt – zusammen mit dem kleinen Keyboard und zwei Lautsprechern, ohne die sie aufgeschmissen gewesen wäre. Ihre Handtasche lag einsam und verlassen auf dem Küchentisch, das restliche Gepäck wartete noch unberührt in dem schmalen Flur, wo sie es abgestellt hatte. Im Augenblick brauchte sie nichts davon, um all das konnte sie sich später kümmern.

Sie schlenderte in die Küche, betrachtete die neu installierten Armaturen, nahm den Kessel und füllte ihn am Wasserhahn über der Spüle. In welche Tasche hatte sie wohl ihre Teebeutel gepackt? Isobel sah auf die Uhr, während sie wartete, bis das Wasser kochte. Sie ging zurück zum Schreibtisch im Wohnzimmer, setzte sich vor den Computer und klickte auf das entsprechende Symbol, um das Programm zu laden, mit dem sie ihre Musik komponierte. Zehn Minuten später hatte sie völlig vergessen, dass sie sich eigentlich Tee kochen wollte.

Bei der Arbeit kam Isobel oft das Zeitgefühl abhanden. Als sie wieder aufschaute, hätten ebenso gut dreißig Minuten wie vier Stunden vergangen sein können. Stirnrunzelnd legte sie den Kopf schief und lauschte auf etwas, das ihre Gedanken unterbrochen haben könnte. Da sie nichts hörte, lenkte sie ihren Blick zurück auf den Bildschirm. Nein, da war es wieder. Diesmal nahm sie die Kopfhörer ab, sah sich um und erschrak heftig, als sie einen Mann erblickte, der sein strahlendes Gesicht an das Fenster zu ihrer Linken drückte und an die Scheibe klopfte. Als sie sich wieder gefasst hatte, hob sie die Hand, um zu zeigen, dass sie ihn gesehen hatte, stand auf und ging seufzend in den Flur. Sie stieg über ihr Gepäck hinweg und öffnete die Tür.

»Hi«, sagte der Mann, dessen Lächeln noch breiter wurde. Es war derselbe Bursche, der ihr beim Tragen ihres Gepäcks geholfen hatte. Isobel lächelte ihn kurz an, sagte jedoch nichts.

»Ich störe … ’tschuldigung. Wollte mich nur erkundigen, ob alles in Ordnung ist. Mit dem Cottage …«, fügte er hinzu, als er ihren verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte.

Isobel starrte ihn an und kramte in ihrem Gedächtnis nach einer bestimmten Information. Vorhin hatte sie es so eilig gehabt, ihn loszuwerden, dass sie ihm nicht wirklich zugehört hatte.

»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich hab Ihren Namen vergessen. Sie haben ihn mir doch gesagt, oder?« Als sie die rechte Hand an den Mund hob, leuchtete der große schwarze Jettstein an ihrem Ring auf.

Der Mann nickte. »Tom«, antwortete er. »Ich bin der Dachdecker.«

»Natürlich. Und die anderen …« Sie sah Tom an. »sind … Trixie?« Als Tom nickte, fuhr sie fort: »Sie ist die Köchin, richtig? Die mit den rosa Haaren. Und die andere Frau heißt Clara, glaub ich.«

Tom nickte wieder. »Die Gärtnerin«, sagte er. »Und dann sind da noch Seth, der Besitzer der Farm, und Maddie, die ihm hilft, den Betrieb zu führen. Mit Maddie werden Sie hauptsächlich zu tun haben. Ich nehme an, Sie werden sie später noch kennenlernen.«

Allmählich fühlte sich Isobel etwas unbehaglich. »Entschuldigung, was wollten Sie noch mal?«

Mit einer Geste deutete er auf den Gang hinter ihr. »Wollte nur sehen, ob alles in Ordnung ist – haben Sie sich eingerichtet und alles ans Laufen gebracht?« Er versuchte, an ihr vorbei zu spähen.

»Ja, alles gut. Ich hab nicht lange zum Aufbauen gebraucht, und die Akustik ist tatsächlich besser, als ich gedacht hätte.« Sie bemerkte sein leichtes Stirnrunzeln. »Oh. Das haben Sie nicht gemeint.«

Tom lächelte nervös. »Doch, schon, aber eigentlich wollte ich fragen, ob Ihnen das Cottage gefällt. Und ob Sie genug Handtücher und Kissen haben, so was alles.«

Isobel sah sich um. Oben war sie noch nicht gewesen, was also sollte sie dazu sagen? Wieder breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus.

»Ich bin auch Musiker«, sagte Tom zögernd.

Isobels Stimmung sank. Sie hatte das in der Vergangenheit so oft von Menschen gehört, die dachten, sie könnten dadurch sofort Kontakt zu ihr bekommen. Und sie wollten immer, immer darüber reden, wollten von Isobel wissen, welche Musik sie spielte oder, schlimmer noch, ihr erzählen, welche Musik sie komponierten oder spielten. Und hatte sie darauf erst einmal geantwortet, wollten die Leute auch alles über sie wissen. Manchmal konnten sich solche Unterhaltungen eine ganze Weile hinziehen.

Sie lächelte verkniffen. »Hatten Sie nicht gesagt, Sie wären Dachdecker?«

Tom kratzte sich am Kopf. »Na ja, das auch. Aber das ist bloß der Brotjob. Nach der Arbeit spiel ich in ’ner Band …«

Isobel begann in der Tür zu schwitzen, und sie bog den Kopf in den Schatten. »Wie schön«, entgegnete sie. Das klang vermutlich abgedroschen, aber das war ihr egal. Sie trat einen Schritt zurück und setzte ein Lächeln auf. »Bitte richten Sie den Besitzern aus, dass ich das Cottage wunderbar finde. Ich bin sicher, es ist alles hier, was ich brauche, Sie müssen sich also keine Sorgen um mich machen. Wie Sie vermutlich wissen, bin ich zum Arbeiten hier, also …«

»Richtig. Stimmt absolut«, erwiderte Tom, der den Wink mit dem Zaunpfahl offenbar endlich verstanden hatte. »Und danke … Schätze, wir sind alle ein bisschen nervös. Ist ja ein neues Projekt für uns, deshalb können wir nur hoffen, dass wir an alles gedacht haben.« Er versuchte noch einmal, an ihr vorbei den Flur entlang zu spähen. »Wissen Sie schon, was Sie zum Abendessen möchten? Ich hab die Liste auf den Küchentisch gelegt. Sind natürlich nur Vorschläge. Trixie kocht gern auch was anderes, wenn Sie was Bestimmtes lieber hätten.«

Mit einem weiteren Seufzer winkte sie Tom herein, und schnitt eine Grimasse, während sie erneut über ihr missachtetes Gepäck hinwegstieg.

»Eigentlich bin ich gerade beschäftigt …«, murmelte sie. Die Liste auf dem Küchentisch lag zwar direkt neben ihrer Handtasche, trotzdem hatte Isobel sie nicht gesehen. Sie nahm den Zettel und überflog das Angebot. »Oh ja, das Huhn klingt wunderbar.« Sie gab Tom die Liste. »Und irgendwas Einfaches zum Nachtisch. Mir ist alles recht.« Wahrscheinlich würde sie ohnehin nichts essen.

»Und wann möchten Sie es?«

Isobel ließ den Blick durch die Küche wandern, hielt Ausschau nach einer Uhr. »Wie spät ist es?«, fragte sie.

»Kurz nach vier.«

»Dann würde mir sieben gut passen. Wäre das der Köchin recht?«

»Ich sag Trixie Bescheid, ich bin sicher, das haut hin.«

Die Unterhaltung wurde von Minute zu Minute steifer.

»Tut mir leid«, sagte Isobel wieder und schaute zu ihrem Laptop. »Ich muss einen Termin einhalten …«

»Oh. Richtig. Ja, natürlich … Ich finde schon selbst raus. Aber Sie geben uns Bescheid, falls Sie noch irgendwas brauchen, ja? Oder wenn Ihnen irgendwas nicht zusagt …« Er bewegte sich bereits rückwärts durch den Flur.

Isobel nickte und rang sich ein Lächeln ab. Sie wartete, bis Tom die Eingangstür hinter sich geschlossen hatte, dann wandte sie sich um und ging zurück ins Wohnzimmer. Dort nahm sie wieder am Schreibtisch Platz, setzte mit einem erleichterten Seufzer die Kopfhörer auf und fuhr fort, als hätte es die Unterbrechung nie gegeben.

***

»Es war schrecklich«, beklagte sich Tom. »Ich bin mir vorgekommen wie ein Kind, das auf dem Spielplatz krampfhaft Freunde zu finden versucht. Oh, könntet ihr mich bitte liebhaben?«

Clara warf ihm ein mitfühlendes Lächeln zu. »Ich bin sicher, es war nicht so schlimm, wie du denkst.«

»Oh doch, war es. Aus der Nähe ist sie noch hinreißender. Sie hat die größten braunen Augen, die man sich vorstellen kann. Aber sie hat mich die ganze Zeit angesehen, als wäre ich ein lästiges Insekt, das ihr um die Ohren schwirrt.« Er legte die Hände an den Kopf und stöhnte. »Und als ich erwähnt habe, dass ich auch Musiker bin, hat sie mir praktisch die Tür vor der Nase zugeknallt. Das war das Letzte, worüber sie reden wollte, das hat man ihr angesehen.«

Clara ließ sich auf die Fersen zurücksinken und strich sich eine lange blonde Strähne aus dem Gesicht. Sie jätete gerade Unkraut. Ihre schmutzigen Hände hinterließen eine Schliere auf ihrer Wange, über die Tom höflich hinwegsah.

»Sie ist zum Arbeiten hier, Tom, vergiss das nicht. Für uns ist wichtig, dass sie überhaupt hier ist und für sechs volle Wochen bezahlt hat.«

»Ich weiß.« Er wandte den Kopf zu dem Cottage zurück, dessen Dach er erst vor wenigen Wochen neu gedeckt hatte. »Ich glaube, ich hab gedacht …« Er brach ab. »Egal.«

Aber Clara war viel zu einfühlsam, um nicht darauf einzugehen. »Du hast gedacht, du hättest ’ne verwandte Seele gefunden?«

Tom verdrehte die Augen. »Nennt man das heutzutage so?«

»Ich wollt es bloß höflich ausdrücken.« Clara grinste. »Sie ist sehr attraktiv.«

»Also man kann ’nem Mann doch nicht vorwerfen, dass er’s versucht hat. Aber weißt du, eines Tages wird sich das Blatt für mich wenden, und ich finde meine wahre Liebe. Bis dahin hab ich dank Tinder eine heiße Verabredung mit Fortuna.«

»Ist das ihr richtiger Name?«

»Sehr witzig.« Tom verzog das Gesicht. »Nein, sie heißt Angie.«

»Verstehe. Tja, bei Isobel hast du dich ja jetzt erkundigt, ob alles in Ordnung ist. Sie ist eine erwachsene Frau, und ich bin sicher, sie kommt und wendet sich an uns, falls sie was braucht. Ich bin sowieso noch ein Weilchen hier draußen – hab mir fest vorgenommen, heute mit dem Beet fertig zu werden. Dabei werd ich ein Auge auf sie haben. Und jetzt los, mach dich vom Acker, du hast noch ein Dach zu decken.« Ihr Blick schwenkte an Tom vorbei zum zweiten Cottage der Anlage. »Ist sehr still heute. Vielleicht hör ich ja bei der Arbeit ihre Musik.«

»Kopfhörer«, erklärte Tom. »Was immer sie spielt, ich glaube nicht, dass irgendjemand von uns was davon zu hören kriegen wird.« Er schenkte Clara ein schiefes Lächeln. »Bis später«, sagte er und ging davon. »Ach ja, sag Trixie, dass Madam zum Abendessen gern Hühnchen hätte«, rief er ihr über die Schulter zu.

***

Zuerst nahm Tom den Klang der Musik gar nicht wahr. Die zarten Töne schienen sich perfekt in die Abendluft zu fügen. Die Melodie stieg sanft zu ihm auf das Dach empor, vermischte sich mit dem Gesang der Vögel und dem Rascheln der Blätter der Weide hinter dem Haus. Erst, als sich seine Ohren auf das Klangmuster einstellten, wurde ihm klar, dass jemand spielte. Isobel. Er hörte auf zu arbeiten und hielt den Atem an, um besser lauschen zu können.

Tom spielte selbst Geige – zwar nicht sonderlich gut, aber es genügte, um sich bei Bedarf durchzuschlagen. So jedoch hatte er noch nie gespielt und würde er wohl nie spielen können. Er setzte sich aufrechter hin und reckte den Hals, um mehr von Isobels Cottage zu sehen. Dann schwang er die Beine erst einmal, dann noch einmal über den First, bis er in die andere Richtung blickte. Das Stück kannte er nicht, aber es war auch lange her, seit er zuletzt klassische Musik gespielt hatte. Es war eine langsame, gemessene Weise. Die Klänge der die Tonleiter hinauf und hinunter wandernden Töne schwollen an und ab, als folgten sie den Strömungen in der warmen Luft. Dann verstummte die Musik abrupt.

Sekunden später begann sie wieder, diesmal etwas schneller und mit mehr Nachdruck gespielt, die letzten Töne jedes Abschnitts mit Vibrato angehalten. Ab und zu verlor Tom die Melodie aus den Ohren, wenn der Wind die Töne davontrug. Ein Teil von ihm wäre zu gern hinuntergeklettert, um richtig zuzuhören. Ein anderer Teil jedoch spürte, dass der Zauber dadurch verfliegen würde. Also verharrte er und lauschte wie gebannt, während Isobel Geige spielte, immer wieder das gleiche Stück, allerdings jedes Mal mit leichten Abweichungen in der Geschwindigkeit, im Ton oder in der Technik.

Die Sonne, die den ganzen Tag lang geschienen hatte, tauchte die Felder, die Tom von seinem Aussichtspunkt auf dem Dach sehen konnte, in goldenes Licht. Joy’s Acre lag hoch auf der Kuppe eines großen Hügels. Der Hang und die Aussicht auf das Dorf, das sich dahinter erstreckte, veränderten sich ständig, je nach Witterung und Tageszeit. Tom war so auf den Lauf der Sonne eingestimmt, dass er selten eine Uhr brauchte. Während des Tages wurden die Farben satter und kräftiger. Kurz nach der Zeit fürs Abendbrot leuchteten sie am intensivsten. Danach wurde das Licht trüber, und wenn der Sonnenuntergang einsetzte, verblassten die Farben.

Ein Piepton riss Tom aus seiner Träumerei. Er fluchte leise und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zu. Er zog sein Handy aus der Tasche und schnitt eine Grimasse, als ihm klar wurde, wie spät es war. Angie wartete im Pub auf ihn – es war zwanzig Minuten her, dass sie die SMS abgeschickt hatte.

Tom steckte das Telefon wieder in die Jeanstasche, schloss die Augen und spürte, dass die Hitze des Tages langsam nachließ. Natürlich hätte er schleunigst vom Dach klettern sollen. Die Kneipe lag mitten im Dorf, also nicht weit entfernt. In zehn Minuten könnte er dort sein. Aber noch während er das dachte, wurde ihm bewusst, dass er nicht hingehen würde. Er hätte sich gar nicht erst auf die Verabredung einlassen sollen. Er hatte es mehr aus Gewohnheit getan, weil er wie immer geglaubt hatte, er würde sich dann besser fühlen. Was selten so war. Es war Zeit, dass er aufhörte, seine Dates und sich selbst diesem sinnlosen Affentheater auszusetzen.

Tom schickte eine kurze SMS, in der er behauptete, sein Auto hätte eine Panne und der Akku seines Handys wäre gleich leer. Damit hatte er sich etwas Zeit verschafft, mehr nicht. Später würde er Angie trotzdem alles erklären müssen. Doch daran wollte er im Augenblick nicht denken. Er wollte nur der Musik lauschen und sich davon in die Stimmung zurückversetzen lassen, in der er noch vor wenigen Momenten gewesen war.

Als Isobel irgendwann zu spielen aufhörte und Tom erschöpft vom Dach kletterte, stellte er verblüfft fest, dass anderthalb Stunden vergangen waren.

Kapitel 2

Obwohl das Schlafzimmerfenster die ganze Nacht sperrangelweit offen gestanden hatte, lag Isobel schweißgebadet im Bett. Jäh riss sie die Lider auf und befreite sich so aus dem Würgegriff der Bilder in ihrem Kopf. Es waren immer dieselben: pechschwarze Finsternis, in der langsam und unheimlich winzige Lichter erschienen, glühend wie die Augen mordlüsterner Bestien, die nach ihrem Blut lechzten. In dem Traum versuchte sie wegzurennen, aber ihre Beine waren wie gelähmt. Ebenso versuchte sie erfolglos, sich die Ohren zuzuhalten, um das hämische Gelächter und das kalte, so kalte Flüstern auszusperren, dass ihr hässliche Worte zuraunte. Das Laken hatte sich um ihre Beine gewickelt und sie praktisch aneinandergefesselt. Die Bettdecke war so weit nach oben gerutscht, dass Isobel darunter förmlich erstickte. Sie schob sie von ihrem Gesicht.

Sie hatte gehofft, dass der Tapetenwechsel etwas bewirken würde und ihre Albträume sie hier nicht finden könnten. Aber anscheinend spielte es keine Rolle, wo sie war. Dass die Träume sie verfolgten, lag daran, wer sie war.

Sie befreite sich aus den Laken und der Decke, setzte sich auf, zog an den Haaren, die an ihrem nackten Rücken klebten, und fächelte sich Luft auf den Hals, während sie wartete, dass ihr Herz zu rasen aufhörte. Als sie sich schließlich ruhiger fühlte, stand sie auf und ging zum Fenster. Ihr Blick wanderte durch den Garten, während das sanfte Mondlicht die Rundungen ihres nackten Körpers umfloss. Natürlich war von dem Dachdecker nichts mehr zu sehen. Als sie zu spielen aufgehört hatte, war er vom Dach geklettert. Isobel hatte ihn dabei beobachtet, wie er im schwindenden Licht den Garten durchquert hatte.

Es überraschte sie, dass sie ihn überhaupt bemerkt hatte. Er hatte völlig still dagesessen, als sie am Vorabend aus dem Fenster im Wohnzimmerfenster geschaut hatte. Während sie spielte, schlenderte sie oft umher. Das half ihr, locker zu lassen. Anfangs hatte sie gedacht, der Mann wäre in seine eigene Arbeit vertieft. Als er sich eine halbe Stunde später immer noch nicht gerührt hatte, war ihr klargeworden, dass er ihr tatsächlich beim Spielen zuhörte.

Was sich außergewöhnlich angefühlt hatte. Sie war überzeugt gewesen, dass er sie nicht sehen konnte – dafür sorgte das vom Fenster reflektierte Licht der Abendsonne. Deshalb hatte er wahrscheinlich auch nicht mitbekommen, dass sie ihn sehr wohl sehen konnte. Aber seine Gegenwart hatte sie fasziniert. Die Situation hatte etwas sehr Intimes, und Isobel hatte sich dabei ertappt, dass sie für ihn spielte, Kraft aus ihrer Unsichtbarkeit schöpfte, tiefer und tiefer in ihre Musik eintauchte, bis sie die perfekte Stille in ihrem Innersten fand. Von da an hatte sie das Gefühl gehabt, sie könnte ewig weiterspielen. Es lag Jahre zurück, dass sie zuletzt einen Funken davon verspürt hatte, und bei den letzten Takten waren ihr Tränen übers Gesicht gelaufen. Plötzlich schauderte sie bei der Erinnerung an diese kurze Befreiung. Am Ende hatte es doch nichts geändert. Der Albtraum war zurückgekehrt – wie in so vielen Nächten davor.

Ihre Füße tappten über den dicken Läufer neben dem Bett, dann suchte sie sich vorsichtig den Weg aus dem Schlafzimmer. Sie stieg die Treppe hinunter und tastete sich durch den Flur. In der Küche holte sie sich ein Glas Wasser und nahm es mit ins Wohnzimmer. Es war verlockend, wieder zu spielen, um den Kopf frei zu bekommen. Um ein Haar hätte sie tatsächlich zur Geige gegriffen. Erst im letzten Moment bremste sie sich und trank stattdessen einen großen Schluck Wasser. Sie hielt sich das kalte Glas an die Wange und atmete tief durch. Morgen und übermorgen würde sie genug Zeit zum Arbeiten haben, hielt sie sich vor Augen. Und hier, ohne all die Unterbrechungen von zu Hause, könnte sie sich konzentrieren und heilen.

Das Bett fühlte sich kühl und einladend an, als sie wieder hineinschlüpfte und die Decke über sich zog. Diesmal schlief sie ruhig.

***

Tom schaltete sein Handy aus und stöhnte, als er sich herumrollte. Es war erst acht, und gerade war die dritte SMS von Angie eingegangen. Er war selbst schuld – er hätte ihr am vergangenen Abend einfach sagen sollen, dass er es sich wegen ihrer Verabredung anders überlegt hätte. Stattdessen hatte er, nachdem er Isobels Stück gelauscht hatte, seine frühere SMS über die Autopanne ausgeschmückt. Er hatte behauptet, der Akku hätte schlappgemacht, als er in der örtlichen Garage anrief, und er hätte warten müssen, bis er nach Hause abgeschleppt wurde. Er hatte sogar vorschlagen, sie solle sich bei ihm melden, damit sie eine neue Verabredung arrangieren könnten. Allerdings hatte er nicht wirklich damit gerechnet, sondern erwartet, dass er nie wieder von ihr hören würde. Er verfasste eine weitere entschuldigende Antwort, aber diesmal machte er klar, dass es sich zwischen ihnen erledigt hätte. Hat nichts mit dir zu tun, liegt allein an mir. Rasch schickte er die Nachricht ab, bevor er es sich anders überlegen konnte. Schließlich starrte er auf sein Handy und biss sich auf die Unterlippe, während sein Finger über der Schaltfläche der Tinder-App schwebte. Er tippte auf Löschen. Das konnte er einfach nicht mehr tun.

Seinen Weckruf hatte er vor einigen Wochen erhalten. Ein Auftritt mit der Band hatte mit einem nächtlichen Trinkgelage geendet. Am nächsten Morgen war er neben einer jungen Frau aufgewacht, an deren Namen er sich nicht erinnern konnte – falls er ihn überhaupt erfahren hatte. Tom wäre der Erste gewesen, der bereitwillig zugegeben hätte, dass seine moralische Einstellung von außen betrachtet fragwürdig war, aber das war sogar für ihn ein Tiefpunkt gewesen. Das Dumme war nur: Es war verlockend einfach. Tom sah gut aus, und dass er in einer Band spielte, schien ihn irgendwie noch begehrenswerter zu machen. Eine Reihe oberflächlicher Beziehungen und One-Night-Stands waren das perfekte Pflaster für seine innere Verletzung. Deshalb hatte er die Rolle des attraktiven Schürzenjägers gespielt, solange er konnte. Sogar auf Joy’s Acre, unter Freunden, machte er mit diesem Versteckspiel weiter.

Dabei hatte er bereits beschlossen, sich am Riemen zu reißen. Und am vergangenen Abend hatte etwas an der Musik, die er gehört hatte, diese Empfindung verstärkt. Der Moment war zu schön gewesen, um ihn von etwas beeinträchtigen zu lassen, das höchstwahrscheinlich bloß ein weiterer One-Night-Stand geworden wäre. Isobel hatte nicht einmal gewusst, dass er ihr zuhörte, und dadurch war ihre Musik noch ergreifender geworden. Sie hatte nur deshalb gespielt, weil sie es konnte – aus schierer Freude an der Musik, an dem Gefühl, eins mit dem Instrument zu sein, und dem Wissen, dass sie pure Magie aus vier über einen Holzkorpus gespannten Saiten erschaffen konnte. Tom wusste, was es hieß, zu spielen. Allerdings war er selbst nie in der Lage gewesen, richtig zu spielen – nicht so wie Isobel. Und aus irgendeinem Grund hatte ihn das zutiefst berührt.

Mit einem zusammengekniffenen Auge linste er auf die Uhr und stöhnte erneut. Zeit zum Aufstehen. Er würde wieder zu spät kommen, wenn er nicht einen Zahn zulegte. Ein missbilligender Laut rutschte ihm heraus, als sein Blick auf einen Zettel fiel, der neben dem Bett lag. Es handelte sich um eine Angebotsanfrage für ein neues Dach. Eigentlich hatte er sich schon am Vortag bei dem potenziellen Kunden melden wollen, hatte es aber, als er nach Hause gekommen war, völlig vergessen. Tom nahm den Zettel mit nach unten und legte ihn neben den Kessel, während er nach einem sauberen Becher suchte. Er fand einen, der nicht allzu schlimm aussah, spülte ihn sicherheitshalber heiß ab, schaufelte zwei Löffel Kaffee hinein und wartete, bis das Wasser kochte.

In der Zwischenzeit griff er sich ein sauberes T-Shirt von einem Haufen auf dem Küchentisch und ging zum Duschen zurück nach oben. Aber als er sich gewaschen und die Stoppeln an seinem Kinn auf die gewünschte Länge gestutzt hatte, war er so spät dran, dass er aus dem Haus rennen musste. Sowohl den Kaffee als auch den Zettel seines potenziellen Kunden hatte er vergessen.

Das Tagwerk war bereits in vollem Gang, als er auf Joy’s Acre eintraf. Vom Küchenfenster aus winkte ihm Trixie vergnügt zu. Wenn er Glück hatte, würde sie gleich mit Specksandwiches herauskommen. Und wenn es ein richtiger Jubeltag wäre, hätte sie auch ihre leckeren Käse-Zwiebel-Muffins gebacken.

Er schaute zum Himmel, der sich in wolkenlosem Blau präsentierte. Vor ihm lagen etliche Stunden Arbeit. Dass die ehemalige Barkeeperin mit den rosa Haaren sie alle bekochte, konnte man wahrlich als Geschenk des Himmels bezeichnen. Tatsächlich war Trixie noch nicht lange bei ihnen. Sie hatte sich ihnen erst kurz nach Maddie angeschlossen, die engagiert worden war, um Joy’s Acre auf Vordermann zu bringen, bevor sie alle pleitegehen würden. Maddie hatte Trixie in einer Kneipe im Dorf entdeckt. Mehr als eine Kostprobe von Trixies exquisiter Kochkunst hatte sie nicht gebraucht, um ihr einen Job anzubieten. Trixie hatte sich auf die Gelegenheit gestürzt, auf Joy’s Acre zu arbeiten und zu leben, und hatte sich auf Anhieb ins Team integriert.

Als Tom um die Ecke des Haupthauses bog, kam die große Scheune am anderen Ende des Geländes in Sicht. Das breite Doppeltor stand weit offen. Die Gestalten von Seth und Maddie zeichneten sich im Sonnenschein als Umrisse am Eingang ab. Tom ging durch den Garten auf sie zu.

Neben der Scheune standen drei weitere kleine Häuser, fast identisch mit dem Cottage, das Isobel bewohnte. Toms aktuelle Aufgabe bestand darin, das Dach des ersten dieser Häuschen neu zu decken. Nummer zwei und drei sollten so bald wie möglich folgen. Aber auch die Scheune war ein großes Projekt. Wenn sie fertig wäre, sollten Clara und Trixie darin wohnen, und sie sollte als Gemeinschaftsraum für die Feriengäste dienen. Allerdings war es schwierig, all das mit einem schmalen Budget zu verwirklichen. Die meiste Zeit war Seth mit dem Versuch beschäftigt, die Kosten auf ein Minimum zu drücken.

Tom lächelte zur Begrüßung. »Wieder mal ein herrlicher Tag.«

Maddie sah auf ihre Armbanduhr. »Und du bist auch noch pünktlich.« Sie grinste dabei, zog ihn auf. »Also hat sich Angie nicht als Frau deiner Träume entpuppt? Oder ist sie bloß sehr sanft mit dir umgegangen? Normalerweise hast du am Morgen nach einem heißen Date einen etwas trüben Blick.«

Tom erwiderte das Grinsen. Er war längst daran gewöhnt, dass Witze über sein Liebesleben gerissen wurden, und der Ehrlichkeit halber musste er zugeben, dass er es geradezu herausforderte. Das gehörte zu seiner Persönlichkeit auf Joy’s Acre, und solange er ihnen keinen Grund lieferte, anders über ihn zu denken, konnte er sich nicht wirklich darüber beschweren. Außerdem genoss er die freundschaftlichen Seitenhiebe – bis zu einem gewissen Grad.

»Stellt euch vor, ich hab letzte Nacht allein geschlafen«, erwiderte er.

Maddie zog die Augenbrauen hoch. »Hat sie dich sitzenlassen?«

Tom lachte nur. Es brachte nichts, großes Tamtam darum zu machen. »So ähnlich. Oder vielleicht ist’s an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Also ja, ich bin heute frisch wie der Morgentau und bereit, mich ins Zeug zu legen …« Er verzog das Gesicht. »Aber ich könnte mehr Bandstöcke brauchen, falls du heute ein Stündchen übrig hast, um welche zu machen.«

Seth verdrehte die Augen. »Gefällt mir, dass er jetzt dich statt mich fragt. Daran bin ich wohl selbst schuld.«

Bandstöcke waren eine Art große »Heftklammern«, die das Stroh am Dach fixierten, während es gedeckt wurde. Jedes bestand aus einem Stück Birkenzweig, das man entsprechend biegen und verdrehen musste. Sie herzustellen, war eine eigene Kunst. Seth hatte es Maddie beigebracht, und mittlerweile war sie sogar besser und schneller als er.

Maddie grinste und nickte. »Kein Problem, Tom. Wir versuchen nur gerade zu entscheiden, wie’s mit der Scheune weitergehen soll.«

Tom sah sich in dem riesigen leeren Raum um, in dem es noch schrecklich viel zu tun gab. Er verzog das Gesicht. »Besser ihr als ich.«

»Ja, aber wir brauchen zumindest einen mächtig großen Zauberstab.«

Tom streckte die Hände aus und zeigte, dass sie leer waren. »Tut mir leid, damit kann ich nicht dienen. Aber ich mach mit dem Dach, so schnell ich kann. Dann können wir zumindest das Cottage fertigstellen und bezugsfertig machen. Das würde ein bisschen mehr Geld in die Kasse spülen, was sicher helfen würde, oder?«

Seth nickte. »Wie kommst du voran? Liegen wir noch im Zeitplan?«

»Solange das Wetter hält, schon. Ich versuche, so viele Stunden wie möglich zu arbeiten. Die Tage sind derzeit ja recht lang, das ist günstig.« Er verstummte kurz und überlegte, wie er seine nächste Äußerung am besten formulieren sollte. »Ich leg in einer Minute los, aber ich dachte, ich sollte euch noch an die Hochzeit am Ende des Monats erinnern. Das ist nicht mehr lang hin, und ich brauch ein bisschen Zeit mit der Band, zum Proben und so. Wollte nur nachfragen, ob das immer noch in Ordnung für euch ist. Schon klar, der Zeitpunkt ist blöd, aber …«

Seth seufzte. »Alles gut, Tom. Dein Auftritt ist seit einer Ewigkeit gebucht, und du kannst die Leute nicht im Stich lassen. Außerdem will ich nicht, dass sich Joy’s Acre je wie ein Arbeitsplatz anfühlt, an dem man pünktlich ein- und ausstempeln muss. Jeder hier leistet mehr als seinen Mindestbeitrag, wir haben also reichlich Spielraum. Es ist alles ein Geben und Nehmen.«

Tom lächelte. Das war genau das, was er von Seth erwartet hatte. Allerdings wusste er durchaus, dass er in der Vergangenheit nicht immer seinen Beitrag geleistet hatte. Als sehr alter Freund von Seth ließ man ihm zu viel durchgehen. Seth schloss sich den harmlosen Sticheleien über Toms Zeitmanagement, sein Liebesleben, seine häufigen Kneipenbesuche und die daraus resultierenden Kater an – das gehörte alles mit zu ihrer Freundschaft. Aber in Wirklichkeit kannte nur Seth den wahren Grund für Toms eigenwilliges Verhalten und behandelte ihn entsprechend nachsichtig, obwohl ihm das nicht half, das eigentliche Problem anzugehen. Vermutlich verstand nicht einmal Seth, was Tom brauchte.

»Alles klar, dann leg ich jetzt mal los«, sagte er. »Die Bandstöcke haben keine Eile, Maddie, vorerst hab ich noch genug, um damit zu arbeiten. Mach einfach welche, wenn du’s irgendwie dazwischenschieben kannst.«

Damit trat er wieder hinaus in den Sonnenschein und lächelte bei dem Gedanken daran, einen weiteren Tag lang zu tun, was er am meisten liebte.

***

Höhe hatte Tom nie etwas ausgemacht. Als Kind war er auf jeden Baum in seinem Dorf geklettert. Die Aussicht und das Gefühl von Freiheit hatten ihn begeistert, weil er sie als so völlig anders als das Leben auf dem Boden empfand, wo er sich erstickt und eingeengt fühlte. Oben in der Luft sah er, was andere nicht sehen konnten, und hörte, was andere nicht hören konnten. Und das Beste: Da er allein in seinem kleinen Adlerhorst war, konnte ihm niemand vorschreiben, was er zu tun hatte, vor allem nicht seine Eltern.

Sie waren tief enttäuscht über seine Entscheidung gewesen, Strohdachdecker statt Arzt, Anwalt oder Banker zu werden. Aber für Tom, der es liebte, sich im Freien aufzuhalten und mit den Händen zu arbeiten, hatte es sich als die perfekte Berufswahl erwiesen.

Rasch erklomm er die Leiter und ließ den Blick über sein Königreich wandern, bevor er seine Arbeit vom Vortag überprüfte. Automatisch schaute er zum Cottage nebenan. Keine Lebenszeichen von drinnen. Trotzdem hoffte Tom, dass sich zumindest die Gelegenheit für ein kurzes Hallo ergeben würde. Allerdings dürfte er dabei unter keinen Umständen Isobels Musik erwähnen. Sie hatte nur für sich selbst gespielt, und wenn sie erfahren würde, dass er ihr gelauscht hatte, würde er sie bestimmt nie wieder spielen hören.

Kapitel 3

Der Tag war bisher nicht gut verlaufen. Isobel war ein Gewohnheitsmensch. Als sie sich in den frühen Morgenstunden wieder ins Bett gelegt hatte, war sie davon ausgegangen, dass sie um ihre übliche Zeit aufwachen würde. Stattdessen war sie in einen tiefen Schlaf gesunken, und als sie aufgewacht war, hatte sie sich zerschlagen gefühlt und festgestellt, dass sie mindestens anderthalb Stunden hinter ihrem Zeitplan zurücklag.

Ihre Tage liefen immer gleich ab. Sie arbeitete zwischen neun und zwölf, bevor sie eine halbstündige Pause einlegte. Nach weiteren drei Stunden war es halb vier, und sie gönnte sich erneut eine Auszeit von dreißig Minuten. Wenn sie dann um vier Uhr nachmittags wieder loslegte, konnte sie bis zum Abendessen um sieben Uhr noch einmal drei Stunden unterbringen. Das entsprach insgesamt neun Stunden Arbeit am Tag. Nicht so viel wie das Pensum, das sie in der Vergangenheit gewohnt war – aber damals war alles völlig anders und sie wesentlich jünger gewesen. Jetzt war es jedoch bereits Viertel nach zehn, als sie den Computer einschaltete. Und das, obwohl sie die Haare nach dem Duschen nur zu einem Zopf geflochten hatte, statt sie zu föhnen. Zu allem Überfluss klopfte es gegen Mittag, als sie allmählich in Schwung kam, unverhofft an der Tür.

Eine große, dunkelhaarige Frau in einfacher, schlichter Kleidung streckte ihr erwartungsvoll die Hand entgegen.

»Willkommen auf Joy’s Acre«, sagte sie. »Ich bin Maddie.«

Isobel schüttelte ihr die Hand und drückte sie kurz. »Danke«, erwiderte sie, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. »Ich bin Isobel«, fügte sie etwas verspätet hinzu. »Isobel Hardcastle.«

»Und unser erster Gast.« Maddie errötete. »Tut mir leid, wahrscheinlich machen wir alle zu viel Wirbel um Sie.«

»Ganz und gar nicht«, log Isobel. »Obwohl Sie sich über mich wirklich keine Gedanken machen müssen. Ich bin durchaus in der Lage, mich zu melden, falls ich was brauche, und ich brauche wirklich nicht viel. Wie Sie sicher wissen, bin ich zum Arbeiten hier, also …« Allmählich hörte sie sich an wie eine kaputte Schallplatte.

Sie lächelte Maddie an und hoffte, die Frau würde den Wink verstehen. Da sie zu arbeiten aufgehört hatte, spürte sie, wie sich Kopfschmerzen anbahnten. Und wenn sie nicht bald an den Schreibtisch zurückkehrte, würde sie das Pochen gar nicht mehr loswerden.

»Richtig«, sagte Maddie. »Super. Tja, dann werd ich einfach …« Sie verstummte kurz. »Die Sache ist die: Wir essen gleich zu Mittag. Draußen auf der Wiese. Es ist so ein schöner Tag, und da wollten wir die Gelegenheit nutzen …« Als sie einen kleinen Schritt zurücktrat, sah Isobel, dass im Garten ein langer Tisch mit einem knallgelben Tischtuch aufgestellt worden war. »Sie können Ihr Mittagessen natürlich gern im Cottage einnehmen, aber wir haben uns gefragt, ob Sie sich uns vielleicht anschließen möchten.«

Isobel entging nicht, dass der Tisch draußen schon gedeckt wurde. Ihr Mut sank. Wahrscheinlich glaubten die Leute, das wäre eine nette Überraschung für sie – einerseits, um das Eis zu brechen, andererseits, um ihr als erstem Gast eine kleine Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Allerdings war das so ziemlich das Letzte, worauf sie Lust hatte. Isobel war immer noch nicht sonderlich gut im Umgang mit Menschen. Abgesehen davon hatte sie die Abfolge der Noten, an der sie gearbeitet hatte, noch im Kopf. Sie stand knapp vor der Lösung des Problems, das an ihr genagt hatte. Wenn sie nur ein paar Minuten weitermachen könnte … Aber noch während ihr der Gedanke durch den Kopf huschte, merkte sie, dass sich die Noten bereits verflüchtigten.

»Mir war gar nicht bewusst, wie spät es schon ist, aber das ist eine wunderbare Idee«, sagte sie. »Obwohl Sie sich wirklich nicht so viele Umstände hätten machen sollen. Ich hoffe doch, das ist nicht nur für mich gedacht, oder?«

Maddie schaute leicht unbehaglich drein. »Schuldig im Sinne der Anklage«, gestand sie schließlich mit einem Grinsen. »Aber um ehrlich zu sein, haben wir uns in letzter Zeit wenig Pausen gegönnt. Und kaum hatten wir beschlossen, ein Picknick zu veranstalten, waren alle geradezu lächerlich aufgeregt deswegen. Trixie hat genug für eine ganze Armee zubereitet.« Sie bedachte Isobel mit einem verhaltenen Blick. »Aber wenn Sie zu beschäftigt sind, dann sagen Sie’s ruhig. Wir wollen uns wirklich nicht aufdrängen …«

Isobel schüttelte den Kopf. »Nein, ist schon gut. Wie könnte ich so eine nette Einladung ausschlagen?« So ist es wohl am einfachsten, dachte sie. Wenn sie zusagte, würden sie sie danach vielleicht in Ruhe lassen. Wenn sie hingegen heute ablehnte, würde sich dieses Umwerben womöglich noch über Tage fortsetzen. Es erschien ihr besser, jetzt Geselligkeit zu heucheln und sich zu den Leuten zu setzen. Sobald sie sahen, dass Isobel rundum zufrieden war und sich eingelebt hatte, würde man sie hoffentlich ihrer Arbeit überlassen. »Wann soll ich kommen?«, fragte sie. »Ich würde mich vorher gern noch ein wenig frischmachen«, fügte sie hinzu.

»Vielleicht so in einer Viertelstunde? Wäre das okay für Sie?« Maddie wandte sich zum Gehen. »Ich helf Trixie jetzt mal, die letzten Sachen rauszutragen. Kommen Sie einfach, wenn Sie so weit sind.«

Isobel nickte, bevor sie die Tür schloss und seufzend den Weg nach oben antrat. Sie würde ja nicht lange bleiben müssen. Eine halbe Stunde oder so, damit man sie nicht für unhöflich hielt.

Im Schlafzimmer betrachtete sie sich im Spiegel. Vermutlich wären ihre Haare noch nass, wenn sie es aus dem Zopf lösen würde, deshalb beschloss sie, ihn zu belassen. Sie strich sich nur ein paar Strähnen aus dem Gesicht und überprüfte noch einmal ihr Spiegelbild. Sie trug kein Make-up, hatte aber klare, cremefarbene Haut. Ihre Wangen und Lippen waren von einem natürlichen Rosa. Unter den Bögen ihrer perfekt gezupften Brauen blickten große braune Augen hervor. Ein etwas spitzer Haaransatz leicht links von der Mitte ihrer Stirn störte als einziger Makel die Symmetrie. Die meisten Menschen, denen sie begegnete, würden sie wohl als wunderschön bezeichnen – wenn sie nicht ständig diese leicht verkniffene Miene zur Schau getragen hätte.

Aber Isobel hatte keine Zeit für Eitelkeit. Sie griff sich eine Flasche Sonnenmilch von der Frisierkommode und begann, sich das Genick einzucremen. Als sie die Anspannung in den Muskeln spürte, verstärkte sie den Druck ihrer Finger.

***

Kurz nachdem Tom zur Arbeit erschienen war, hatte es prompt ein Specksandwich gegeben. Dennoch hatte er um die Mittagszeit schon wieder einen Bärenhunger. Außerdem lechzte er nach etwas zu trinken. Von der Arbeit auf dem heißen Dach wurde man durstig. Deshalb war es ein willkommener Anblick, als ihm Maddie von unten zuwinkte.

»Essen ist fertig!«, rief sie zu ihm herauf. »Komm, Trixie hat ein Festmahl aufgetischt.«

Tom verzog das Gesicht zu einem breiten Grinsen. Er winkte und hob den Daumen, bevor er sich mit der Hand über die Stirn fuhr und sich den Schweiß abwischte. Er wandte das sonnengebräunte Gesicht der Sonne zu, überprüfte ihren Stand am Himmel und stellte fest, dass ihm bis zur Abenddämmerung noch lange Zeit blieb. Gut so – auf ihn wartete noch eine gewaltige Dachfläche. Er würde sich einen weiteren Tag lang ins Zeug legen müssen, um richtig voranzukommen. Er rieb sich die Augen und fing an, sein Material so zu verstauen, dass es nicht herunterfallen würde. Dann stieg er die Leiter hinunter.

Alle anderen saßen bereits um den Tisch, als Tom eintraf. Nur zwei Plätze waren noch frei. Aber statt sich an den Kopf des Tischs zu setzen, wo er sich zu sehr im Mittelpunkt fühlen würde, ließ er sich unmittelbar rechts davon nieder.

Seit Trixies Ankunft auf Joy’s Acre aßen sie immer gemeinsam zu Mittag. Auch wenn es oft nur Brötchen gab, backte Trixie sie immer frisch und ließ sich tolle Kombinationen als Belag einfallen. Die perfekte Pause für sie alle, zumal sie meist an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Dingen beschäftigt waren. Die Gelegenheit, sich zusammenzusetzen und sich über ihre Arbeit auszutauschen, wurde von allen geschätzt und hatte sich schnell zur Gewohnheit entwickelt.

Er sah, dass Trixie und Clara die Köpfe zusammengesteckt hatten. Zweifellos besprachen sie die Speisepläne für die kommenden Tage, die davon abhingen, was im Garten geerntet werden konnte. Die beiden schauten auf und begrüßten Tom mit einem Lächeln, was ihm ein Gefühl der Zugehörigkeit gab.

Und Maddie hatte recht gehabt: Trixie hatte in der Tat einen Festschmaus zubereitet. Der Tisch ächzte unter der Last sowohl pikanter als auch süßer Speisen. Große Schüsseln mit bunten Salaten kämpften um Platz gegen zwei Arten von Quiches, Brötchen, Stücke hausgemachter Pizza und einen riesigen Krug Limonade. Wenn es nach Tom gegangen wäre, hätte er sich direkt auf den Victoria Sponge gestürzt – den besten Biskuitkuchen, den er je gegessen hatte und den Trixie oft backte. Allerdings geboten die Manieren, die ihm als Kind eingebläut worden waren, dass man sich den Nachtisch – oder das Dessert, wie seine Mutter es nannte – für den letzten Gang aufhob. Vor lauter Konzentration darauf, seinen Teller zu füllen, bekam er kaum mit, dass sich jemand auf dem Platz neben ihm niederließ, bis die Unterhaltung verstummte.

Als er aufschaute, verschluckte er sich beinahe an der Kirschtomate, die er sich gerade in den Mund gesteckt hatte. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass ihnen Isobel beim Mittagessen Gesellschaft leisten würde. Tom stellte seinen Teller ab und kaute schnell.

»Isobel!«, sagte Maddie. »Willkommen noch mal auf Joy’s Acre!«

»Ja, willkommen«, echote Seth und prostete ihr mit einem imaginären Glas zu.

Um den Tisch wurde gelacht. Isobel nickte lächelnd.

»Danke«, sagte sie und ließ den Blick scheu über die vielen ihr zugewandten Gesichter wandern. »Es ist wunderschön hier. Ich bin so froh, dass Sie Platz für mich hatten.«

Als sie sich auf dem Tisch umsah, wirkte sie überfordert von der Menge an Essen vor ihr.

»Ich weiß«, sagte Trixie grinsend. »Wenn ich erst mal in Fahrt bin, kann mich kaum noch was aufhalten. Aber so, wie ich den Haufen hier kenne, wird alles aufgegessen – und zwar schneller, als Sie für möglich halten würden.«

Tom blickte auf seinen hoch beladenen Teller. Auf einmal kam er ihm übertrieben vor.

»Ich muss bei Kräften bleiben«, rechtfertigte er sich in der Hoffnung, Isobel würde ihn nicht für einen hoffnungslosen Vielfraß halten.

Zu seiner Verlegenheit stöhnte Clara. »Oh, Tom, bitte nicht. Erspar uns die Einzelheiten deines Liebeslebens wenigstens beim Essen.« Sie verdrehte die Augen, was mit glockenhellem Gelächter von Maddie quittiert wurde.

Tom konnte Isobel nicht einmal ansehen. Und zu seiner noch größeren Verlegenheit spürte er, dass seine Wangen lichterloh brannten. Unter gewöhnlichen Umständen hätte er sich mit einem rotzfrechen Kommentar revanchiert, aber nicht an diesem Tag. Nicht, wenn die unbestreitbar schönste Frau der Welt neben ihm saß. Also schwieg er und wollte die Zähne gerade in ein Brötchen schlagen, als ihm auffiel, dass sich Isobel immer noch nicht bewegte. Er räusperte sich.

»Kann ich Ihnen irgendwas anreichen?«, fragte er und hoffte, dass er keinen Tomatensaft auf sein Hemd gekleckert hatte.

Ihr Blick wanderte über den Tisch und betrachtete abwägend das vielfältige Angebot. »Vielleicht etwas Salat«, antwortete sie. »Danke … Und ein Stück von der Quiche.«

Er wartete, während sie sich von den Schüsseln und Tellern bediente, die er ihr anbot, wenngleich sie das meiste ablehnte. Tom beobachtete ihre kleinen, feinen Finger. Sogar ihre Hände waren wunderschön – zierlich, langgliedrig. Und wie diese Frau sie hielt …