Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Denker und Tüftler haben in den rattenzerfressenen Hinterhöfen von Warlsen noch nie lange überlebt. Den unmöglichen Traum vom Fliegen träumt Ykar darum nur leise – er gilt schließlich ohnehin als Schwächling. Doch dann beobachtet er das Unmögliche: Eine bemannte Flugmaschine fällt vom Himmel und beweist damit, dass die Dampfmaschine viel mehr kann, als nur die Fabriken zu betreiben. Doch wie soll er mehr darüber herausfinden, wenn seine Schwester Thena gefährliche Freundschaften schließt, ein charismatischer Prediger zweifelhafte Ziele verfolgt und die politischen Intrigen sich zu einem Krieg zusammenbrauen? Als dann auch noch eine laufende Festung die Stadt zu vernichten droht, schweben die Geschwister in ungeahnter Gefahr. Ihre einzige Hoffnung hängt an der Frage, ob Geschwisterbande stärker sind als Selbstsucht. »Sonnenflügel und Geschwisterbande« ist der erste Teil einer Fantasy-Dilogie. Ein Industrialisierungssetting mit Steampunk Ästhetik trifft auf Figuren in Anlehnung an die griechische Mythologie. Die Geschichte thematisiert verschiedene Geschwisterbeziehungen, den Umgang mit körperlichen Einschränkungen und psychischen Erkrankungen und erkundet Licht- und Schattenseiten voranschreitender Technik. Der erste Band zeichnet sich besonders durch dynamische Dialoge, starke Charaktere und ein besonderes Setting aus.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 608
Veröffentlichungsjahr: 2024
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Elin Bedelis
High Fantasy Roman
Für Lennart,
der die Bärenkinder liebte, bevor ich es tat.
Ich liebe Dich!
1
Mit einem lauten Scheppern fiel das Gestell um und verteilte die Hüte über das Kopfsteinpflaster. Eilig sprangen die Einkaufenden auseinander, als die Rothaarige begleitet von einem metallischen Quietschen gegen den Stand stolperte und die verstreute Ladenauslage ignorierte. Sie presste einen Fluch durch die Zähne, entschuldigte sich nicht bei der Verkäuferin und bahnte sich eilig humpelnd einen Weg. Ja, sie hatte gar die Frechheit eine Stange mit Gürteln und Waffenholstern, eine Auswahl modischer Gehstöcke und sogar eine dekorative Brille vom Verkaufstand hinter sich auf die Straße zu reißen. Dann verschwand sie, mehr auf dem linken Bein hüpfend als laufend, aber dafür beeindruckend schnell und behände auf dem unebenen Pflaster – um die nächste Ecke.
Die Umstehenden hatten kaum Luft geholt, da folgte ein langgliedriger Kerl dem Mädchen, die Mütze tief ins Gesicht gezogen und einen ausladenden Beutel in der Hand. Leichtfüßig sprang er auf den Verkaufstisch eines Stoffhändlers und sprintete über Seide, Samt und dicken Brokat. Die Hindernisse aus Waren, bestürzten Verkäuferinnen und perplexen Einkäufern, die seine Vorhut auf der Straße erschaffen hatte, überwand er an einer Hausfassade. Mühelos fanden seine Füße Halt an Fachwerkbalken und Putz. Dann landete er federleicht wieder auf der Straße und rannte unbeirrt weiter, als hätte er nicht soeben einer Spinne Konkurrenz gemacht.
Er war kaum um eine andere Ecke verschwunden, da wurde deutlich, wovor sie flohen. Das Chaos machte es einem Mann in der schwarzen Uniform eines Hermaden unmöglich, den Flüchtigen zu folgen. Die Passanten machten in ihrer Verwirrung nicht schnell genug den Weg frei, ganz gleich, wie laut er in seine goldene Pfeife blies. Unwirsch trat er den Hutständer beiseite, tauchte mit einiger Umständlichkeit unter einem Kleiderständer hinweg und stolperte über die Gehstöcke.
Ärgerlich spuckte er die Pfeife aus, sodass sie gehalten von der Kette um seinen Hals auf seiner Brust hüpfte. Sie wirbelte umher, als er sich in alle Richtungen drehte. »Wo sind sie hin?«, rief er den verdutzten Passanten zu, doch der wilde Rotschopf und die Schirmmütze waren längst fort.
Als sie sicher war, dass ihr niemand mehr folgte, warf Thena sich mit dem Rücken gegen eine Wand. Keuchend hatte sie sich durch das Labyrinth der Hinterhöfe geschlagen, durch die nicht mal mannshohen Durchgänge gepresst und sich humpelnd einen Weg vorbei am Leben gekämpft, das in den zu kleinen Häusern kaum Platz fand.
Mit einem Stöhnen fasste sie nach ihrem rechten Oberschenkel und zerrte das Hosenbein hoch. Fluchend begutachtete sie das klemmende Gelenk und die verbogene Anschlussstelle. »Verflucht, Ykar, wir hatten uns auf renntauglich geeinigt«, zischte sie, während sie mühsam die Prothese gerade bog. »Kein Problem, was soll ich auch mit einem Bein, mit dem ich tatsächlich laufen kann?«, murmelte sie zu sich selbst. Ihr Bruder hatte nach dem letzten Unfall ein neues Gelenk gebaut, aber nun war das Verbindungsstück am Ersatzoberschenkel verbogen und saß lose in seiner Halterung. Probehalber rüttelte sie daran und verursachte ein Knirschen, das nicht gesund klag. Vielleicht half es, wenn sie an diesem Teil drehte? Die Prothese wurde noch wackeliger. Wie machte Ykar das immer? Er würde garantiert nur ein paar Handgriffe brauchen, um das Bein zu stabilisieren. Thena versuchte das Teil wieder festzudrehen, das sie gerade unabsichtlich gelöst hatte, doch dann hatte sie einen kleinen Metallring in der Hand und sie gab es lieber auf.
»Du hättest einen der Gehstöcke klauen sollen, anstatt sie in meinen Weg zu werfen«, bemerkte Pukk von oben und sprang leichtfüßig zu ihr in die Gasse. Die Häuser waren zu beiden Seiten so nah, dass sie Thena schon allein fast zerdrückten und er machte es nicht besser. Pukk roch nach dem Dreck der Hinterhöfe und nach Schweiß. Sie rümpfte die Nase und schubste ihn von sich, weiter in die Gasse.
»Stimmt, dann könnte ich dir damit jetzt eins überbraten. Warum hast du mich nicht gewarnt, bevor du was einsteckst? Dann hätte ich dir nämlich gesagt, dass die Made geschaut hat.« Ärgerlich klapste sie ihm gegen die Stirn.
Pukk zog sich die Mütze vom Kopf und fuhr sich über die kurzgeschorenen, gilbgelben Haare. »Es war eine perfekte Gelegenheit, wie sollte ich da widerstehen?«
»Eine perfekte Gelegenheit, die damit endet, dass wir durch die halbe Stadt rennen müssen?« Thena schnalzte mit der Zunge. »Ich hoffe, du hast unterwegs wenigstens nicht alles verloren!«
Grinsend tätschelte er seinen abgenutzten Beutel. Es war ein Wunder, dass der Fetzen noch immer hielt. »Komm mit in die Bärengrube und ich zeige dir, was drin ist.«
»Oder du gibst mir meinen Anteil, bevor ich durch die halbe Welt humpeln muss. Dann vergesse ich vielleicht, dass du schuld daran bist«, schlug sie vor und deutete anklagend auf die verbogene Prothese.
»Du bist ganz allein gegen diesen Stand gelaufen«, erinnerte er sich - leider korrekt.
»Ohne deine Dummheit hätte ich gar nicht erst rennen müssen!« Sie funkelte ihn vernichtend an, aber Pukk war ganz sein dümmliches Selbst und grinste nur zurück. Thena stieß ihm einen Finger vor die Brust. »Glaub nicht, dass ich nicht merke, dass du mich einfach in die Grube zurückzwingen willst, du Amsel.« Wem machte sie etwas vor? Sie brauchte die verdammte Beute und zuzugeben, dass ihr Herz lächerlich zu rasen begann, wenn sie an die Bärengrube dachte, kam nicht infrage. Umständlich setzte sich Thena in Bewegung Richtung Grube und verdrehte die Augen, als Pukk mit zwei Schritten Anlauf, einem beherzten Satz und etwas Schwung wieder auf den Dächern über ihr war.
Er bewegte sich mit beneidenswerter Leichtigkeit beinahe lautlos über die maroden Dächer und tänzelte immer wieder durch ihr Blickfeld. Manchmal machte er einen leichtfüßigen Satz über die Gasse hinweg oder hängte sich an einen der Balken, die den Weg überspannten, damit die Hütten nicht gegeneinander sackten. Immer wieder musste er auf sie warten und grinste herausfordernd zu ihr hinab.
Niemals hätte Thena zugegeben, dass ihr Stumpf nach dieser waghalsigen Aktion abartig schmerzte und jeder Schritt ein neues Brennen durch ihre ganze Seite schickte, oder dass sie nicht wusste, wie sie den Weg bis in das Nest der Diebe schaffen sollte. Schwäche wurde bestraft, die Straßen von Warlsen sorgten dafür, und Ykar war wahrlich schwach genug für sie beide. Also quälte sie sich mit ihrem verbogenen Bein voran und drückte den Schmerz fort.
Wann immer Pukk sich über ihre Geschwindigkeit beschwerte, wurde sie etwas schneller und verkündete laut, dass sie ihm gönnte, durch eines der morschen Dächer zu brechen. Tief gehängte Wäsche erschwerte den Weg zusätzlich, als wollte sie den Dreck und das Elend verdecken, das sich hier zwischen den Wänden sammelte. Auf den geschmückten Straßen der Stadt konnte man schnell vergessen, wie es jenseits der kunstvollen Fassaden aussah. Hinter den unscheinbaren Durchbrüchen in und zwischen den Herrenhäusern verbarg sich die Realität dieser Stadt, die ganz aus winzigen Schuppen, windschiefen Häusern und zwielichtigen Gässchen bestand. Das Zeitalter der Maschine nannten die Fürsten es großspurig, präsentierten dem Königspaar ihre bahnbrechenden Entdeckungen und verschwiegen dabei den Preis dieser Neuerungen. Wie viele Kinder wurden täglich auf den Grabungsstätten zerfetzt, wenn die großen Schürfgeräte sie verschluckten, wie viele Rücken brachen unter der Last der schweren Arbeit? Niemand verlor ein Wort darüber, dass die jungen Menschen aus den Hinterhöfen in den Fabriken frühzeitig zu Greisen wurden. Stattdessen schmückten sie sich die breiten Hintern mit feinem Zwirn, genossen den Luxus der Moderne und flanierten mit kunstvollen Gehstöcken durch die Straßen, während auf der anderen Seite der prächtigen Häuser die Krücken fehlten.
Es half gegen den Schmerz, sich zu ärgern. Es gab Thena neue Kraft, wenn sie sich sagte, dass sie sich weigerte von dieser Stadt verschluckt zu werden.
Warlsen hüllte sich langsam in seinen dunklen Mantel und schickte seine Bewohner damit eilig nach Hause. Der Nebel, der zu jeder Zeit in den schmalen Gassen der Hinterhöfe stand, verdichtete sich bei Nacht, machte sie selbst für Ortskundige zu einem tückischen Labyrinth. Thena konnte kaum mehr bis zur nächsten Ecke sehen.
Pukks Schritte auf den Dächern wurden immer schneller und es raschelte immer häufiger direkt über ihr. Er tänzelte wie ein nervöses Pferd. Auch Thena malmte mit den Zähnen. Sie wollte den toten Raum zwischen der Rückseite der Spinnerei und der Weberfabrik erreichen und auch wieder verlassen, bevor die Dunkelheit sie vollständig einfing.
Im Herbst kam die Nacht viel zu plötzlich. Dann halfen auch die hellsten Öllampen nicht, die Tage zu verlängern.
»Mensch, The! Du bist heute noch langsamer als meine blinde Ma!« Ungeduldig sprang Pukk wieder in die Gasse vor ihr und musterte sie skeptisch.
»Lauf du mal mit nur einem Bein«, zischte sie zurück. Thena war sich sicher, dass Pukk schon lange Waise war, allerdings nicht taktlos genug, es ihm unter die Nase zu reiben. Wäre sein Hirn nur halb so groß wie seine Klappe, hätte er ihr geholfen, ohne darüber zu lamentieren, oder doch wenigstens seinerseits das Taktgefühl gehabt, nicht darauf rumzureiten. »Geh doch allein, wenn du es so furchtbar eilig hast.«
»So war das nicht …«
»Nein, weißt du was? Verschwinde einfach! Ich hab‘ dein leichtfüßiges Getänzel und deine blöden Sprüche ohnehin gehörig satt!«, fauchte sie.
»The, nun sei doch nicht gleich …«
»Verpiss dich, Pukk!« Sie musste sich zügeln, nicht einen der Dreckklumpen vom Boden aufzulesen und ihn kräftig nach Pukk zu werfen.
»Schön, mit Vergnügen! Aber du bekommst noch …«
Sie hatte nicht vor ihn auch nur einen einzigen Satz zu Ende bringen zu lassen. »Nein, behalt deinen Scheiß. Schieb ihn meinetwegen Zim in den Arsch. Wette, du suchst ohnehin schon wieder nach einer Gelegenheit, um ihm die Eier zu lutschen!« Die weißen Nebelschwaden griffen mit bleichen Fingern nach ihr und die plötzliche Enge in ihrer Brust löste ihre Zunge.
»He!« Nun war auch Pukk beleidigt. Thena funkelte ihn an und machte eine rüde Geste. »Meinetwegen, dann stapf doch allein durch die Pissbrühe!«, knurrte er und verschwand geschmeidig im farblosen Dunst. Idiot. Warum tat es ihr nun schon wieder leid?
In den Gassen waren keine Laternen entzündet. Die Hinterhöfler sparten sich das Öl und das Brandrisiko, doch die chronisch dicke Wolkendecke ließ kaum Mondlicht zu und so humpelte Thena beinahe blind durch die hereingebrochene Nacht. Die unbestimmte Angst, beobachtet zu werden, kroch ihr in den Nacken und sie zog die dünne Kapuze über die wilden Locken. Sie hätte darauf bestehen sollen, ohne Umweg nach Hause zu gehen. Ärgerlich schnalzte sie mit der Zunge und das Geräusch verklang gespenstisch im Nebel. Sie musste nach Hause, bevor Ykar sich so sehr sorgte, dass er sich auf die Suche machte. Wenn jemand bei hereinbrechender Dunkelheit ganz sicher nicht durch die Hinterhöfe irren sollte, dann war das ihr kleiner Bruder. Das Hosenbein dämpfte das metallische Quietschen kaum und mit jedem Schritt sehnte Thena sich mehr nach einer Pause. Still lehnte sie sich an einer Ecke an die Wand. Sie schloss sogar die Augen, redete sich ein, dass sie sich nicht fürchtete, und gab sich Mühe, nicht auf das Rascheln der Ratten zu lauschen.
Im nächsten Moment lag sie auf dem matschigen Boden. Etwas hatte sie hart in die Seite getroffen und sie hörte jemanden überrascht keuchen.
»Was soll das denn?«, schimpfte sie und die milchigen Spuren des Mondlichts machten es gerade so möglich, die Silhouette einer großen, schlanken Person auszumachen. Für einen Moment dachte sie erleichtert, dass Pukk zurückgekommen war, aber als die Gestalt sprach, war ihr die Stimme fremd.
»Es ist nicht davon auszugehen, dass jemand stillschweigend mitten auf dem Weg steht.« Er klang jung und war so zügig wieder auf den Beinen, dass er bestenfalls Mitte zwanzig sein konnte. Damit konnte er höchstens zwei bis drei Jahre älter sein als sie.
»Ich stand nicht auf dem Weg«, knurrte Thena und tastete nach der Prothese. Die Halterung an ihrem Bein war nicht länger mit dem Rest des Ersatzbeins verbunden. Hektisch tastete sie im Dreck. Sie fand einen Fuß. »Rattenmist«, fluchte sie, als sie das abgebrochene Ende in der Hand hielt.
Jemand fasste fand ihre Schulter. »Kann ich dir aufhelfen?«, fragte der Fremde freundlich, aber Thena stieß seine Hand zur Seite.
»Ein neues Bein wäre nützlich!«
»Bitte?«
»Du hast mein Bein kaputt gemacht!« Anklagend hielt sie das Ende der Prothese in seine Richtung.
Sie konnte ihn schmunzeln hören und hätte das Prothesenbruchstück gerne nach ihm geworfen. »Das hört man auch nicht jeden Tag.« Wieder tastete er nach ihrem Arm. »Kannst du aufstehen?«
»Ja, ganz allein!« Zum zweiten Mal stieß sie seine Hände fort, zog sich zur Wand und daran hoch, in einer Hand noch immer das nutzlose Restbein.
»Entschuldige.« Für einen Wimpernschlag standen sie schweigend im Dunkeln und Thena vermutete bereits, er könnte sich lautlos wegbewegt haben, als er sagte: »Aber du kommst nicht ganz allein nach Hause, oder?«
Thena knirschte mit den Zähnen. Wenn sie nicht bald heimkehrte, würde Ykar sicher in Panik verfallen. »Nein«, knurrte sie.
»Willst du mich dann jetzt bei jedem Schritt schlagen?«
»Wenn du so dumm fragst, ist es auf jeden Fall verlockend.« Trotzdem streckte sie im Dunkeln die Hand nach ihm aus. Ihre Fingerspitzen trafen weichen Stoff und dann war er ihr auf einmal so nah, dass sie unwillkürlich den Atem anhielt. Es war ihr unangenehm, wie der Unbekannte einen Arm um ihre Hüfte legte und sich mit dem anderen ihre Hand auf die Schulter zog. Er roch gut. Keine Spur vom üblichen Schweiß und Dreck, den Arbeit und Leben an den Menschen in diesen Straßen zu hinterlassen pflegte. Das Leinen seines Hemdes fühlte sich sauber an, als sie die Finger hineingrub, um sich festzuhalten. »Welche Richtung?«, fragte er und klang unverändert amüsiert, was die gezwungene Nähe zumindest erträglicher machte. Sie hüpfte einen ersten Schritt in Richtung zu Hause.
Er hielt sie sicher fest und so quetschten sie sich nebeneinander durch die zu engen Straßen. Jeder Schritt war anstrengend und schon an der ersten Ecke schnaufte sie würdelos. Das Gemisch aus ihrem Keuchen und dem leisen Schmatzen ihrer Schritte war das einzige Geräusch in der Stille und machte es noch etwas seltsamer, einem Mann so nah zu sein, dessen Gesicht sie nicht kannte.
»Was ist mit deinem Bein passiert?«, fragte er in die verlegene Stille hinein. Vielleicht hatte er sich ebenso seltsam gefühlt.
»Geht dich nichts an.« Thena spürte seinen Arm an ihrer Hüfte. Es fühlte sich beinahe an wie eine Umarmung.
»So schlimm?«
»Geht dich auch nichts an.«
Wieder verfielen sie in Schweigen, bis sie vor einer Wand standen. »Links oder rechts?«
»Rechts.« Der Dreck schmatzte im Takt ihrer Sprünge.
»Wie heißt du denn? Oder geht mich das auch nichts an?« Sie konnte ihn grinsen hören.
»Tut es nicht, aber angesichts der Umstände«, sie wagte einen weiteren Sprung, »mache ich vielleicht eine Ausnahme.« Für einen Augenblick überlegte sie ihm einen falschen Namen zu nennen, doch dann spürte sie seinen Atem auf der Haut und erschauderte vor Verlegenheit. Das Gefühl der Nähe raubte ihr die Kreativität für eine Lüge. »Thena.«
»Priam. Freut mich.«
»Hör ich.«
»Wie bitte?«
Sie wartete mit dem nächsten Sprung. »Du bist erstaunlich gut gelaunt dafür, dass du nachts durch den Nebel stapfst. Ich hoffe für dich, dass das nichts damit zu tun hat, dass du dich an mich drücken kannst.« Thena spürte seine Körperwärme in der feuchten Kälte des Nebels und bei jedem Schritt seine angespannten Muskeln. Ein unvermeidbares Gefühl der Intimität war daraus entstanden und es war schwierig zu ignorieren, wie nah er ihr kam.
»Du bist erstaunlich schlecht gelaunt dafür, dass du ebenso gut allein im Dreck sitzen könntest.« Touché.
»Du meinst den Dreck, in den du mich geschubst hast?«
Er lachte. Es hallte laut zwischen den Häusern wider und Thena erschauderte.
Ihre Finger fanden den Rand einer Weste, als sie an seiner Schulter nach mehr Halt suchte. Priam besaß also mehr Kleidungsstücke als absolut notwendig. Das kam hier nicht häufig vor. Zwar trug auch Thena ein aufgetragenes Jackett aus festem Stoff, aber das war erstens gestohlen, zweitens hauptsächlich dafür da, dass sie in den Straßen weniger auffiel und drittens war dieser Frack mit Hose vermutlich kostengünstiger als ein ansehnliches Kleid.
Endlich erreichten sie eine der zentralsten Kreuzungen der Hinterhöfe. In den vier weiteren Gassen waberte der weiße Nebel, der das Mondlicht reflektierte und sie wie Portale in eine andere Welt aussehen ließ. »Links, rechts oder … eins von den zwei Geradeaus?«
Thena runzelte die Stirn. »Schräg links.« Etwas stimmte nicht mit diesem Kerl. »Wo kommst du her?« Sie warf einen forschenden Blick in seine Richtung, aber sie konnte nur eine dunkle Silhouette erkennen und schaute genervt wieder nach vorn.
»Warum klingt das so vorwurfsvoll?« Warum war er die ganze Zeit so nervtötend amüsiert?
Thena prustete, als ihr ein Hemdärmel ins Gesicht schlug, weil jemand seine Wäsche nicht abgenommen hatte, und wischte das Kleidungsstück unwirsch aus ihrem Weg. »Weil es verdächtig ist, wenn sich jemand, der hier nicht wohnt, in den Hinterhöfen rumdrückt.«
»Wieso sollte ich nicht hier wohnen?«
»Weil du nicht wusstest, dass zwei der Gassen Sackgassen sind.«
»Es ist ziemlich dunkel und wirr.«
»Also bist du nicht hier aufgewachsen!«
»Nein.« Er machte eine Pause, um sie eine kleine Stufe hinaufzuheben, die den abfallenden Untergrund ausgleichen sollte und regelmäßig zur Stolperfalle wurde. Seine Hilfe machte das Vorankommen immerhin möglich, aber Thena spürte dennoch das Brennen in den Schultern, im Rücken und im überlasteten linken Bein. »Die Mühle vor der Stadt ist der Dampfmaschine zum Opfer gefallen und alle, die dort gearbeitet haben, müssen in der Stadt eine neue Bleibe suchen.«
»Kann dir ja nicht allzu schlecht gehen«, murmelte sie in Gedanken an die überflüssige Weste und den offensichtlichen Zugang zu sauberem Wasser.
Priam schwieg einen Augenblick. »Kannst du eigentlich arbeiten … mit der Prothese?«
»Das Bein ist kein Problem«, log Thena. Sie zog es in der Regel vor, einen potenziellen Arbeitgeber nicht darauf zu stoßen, dass sie nicht so lang stehen, nicht so schnell laufen und nicht so schwer heben konnte wie eine gesunde Person. »Aber nur weil ich arbeiten kann, lasse ich mich ganz sicher nicht wie ein Nutztier ausbeuten.«
»Schwer vorstellbar.« Eine Pause. »Also arbeitest du nicht?«
»Das hab ich nicht gesagt.« Sie pustete sich die Locken aus dem Gesicht. »Ich arbeite in einer Textilfabrik.« Thena hasste Nähen, aber leider war sie gut darin. Ihre Fingerkuppen hatten jegliches Gefühl verloren, weil sie jeden Tag hunderte Male mit einer Nadel hineinstach. Immerhin war es ein Handwerk, das ohne Gestank, widerlichen Abfall oder erniedrigende Fertigungsprozesse auskam, und damit angesehen genug, um nicht peinlich zu sein.
Endlich konnte sie Priam um die letzte vertraute Ecke lotsen, bevor sie neben dem Häuschen ihrer Tante und ihres Onkels anhielten. »Hinters Haus komme ich allein«, beschloss sie. Der winzige Weg zwischen dem Lehmbau ihrer Verwandtschaft und dem Holzhüttchen daneben war so schmal, dass sie nicht nebeneinander hindurchpassen würden.
»Wenn du hier wohnst … warum gehst du nicht durch die Tür?«
»Weil meine Hütte hinter dem Haus steht, du Brot.« Sie hüpfte einen Schritt von ihm weg und fing sich mit der Schulter und der freien Hand an den Wänden ab.
Ykar war sicher schon wieder hektisch, weil sie noch nicht zurückgekehrt war. Sie glaubte seine aufgebrachten Schritte bis hierher hören zu können. Zwei bis zur Tür, zwei bis zum Bett, zwei bis zur Tür, zwei bis zum Bett.
»Wohnst du allein?«
»Nein, du kannst nicht mit reinkommen.« Sie spürte ihn noch immer hinter sich und hörte, dass er einen Schritt auf sie zu tat.
»Aber ich weiß nicht mal, wie du aussiehst, und ich habe keine Ahnung, wo wir jetzt sind.« Er klang nicht so alarmiert darüber, wie angebracht gewesen wäre. Er war ein findiger Kerl, er würde schon klarkommen.
Thena hüpfte weiter und ignorierte den Druck in der Brust, als sie ihn stehen ließ. Der Rest der Prothese schlug klappernd gegen den Lehm. Sie durfte sich nur nicht umdrehen und zurückblicken. »Nicht mein Problem.«
»Das hätte ich auch sagen können, als du ohne Gehhilfe im Dreck saßt«, erinnerte er und Thena schnalzte ärgerlich mit der Zunge.
Sie hielt inne und warf einen Blick über die Schulter, bevor sie es verhindern konnte. Hastig sah sie zu Boden, als sie Priams Silhouette einsam auf der Gasse ausmachen konnte. In dem engen Zwischenraum war es inzwischen so dunkel, dass sie nicht einmal ihre eigene Schuhspitze sah. Thena seufzte. »Meinetwegen, wenn du unbedingt eine Amme brauchst.« Es war schließlich tatsächlich gefährlich hier und er hatte ihr immerhin geholfen. »Aber ich werde nicht mit dir schlafen und wenn du meinen Bruder schikanierst, fliegst du schneller wieder raus, als du Schwächling sagen kannst.« Stille. »Verstanden?«
»War das schon alles?«
Sie konnte nicht sagen, ob er ironisch oder ernst sein wollte.
»Ich kenne dich keine Stunde und habe dich buchstäblich noch nie gesehen. Deinen Bruder kenne ich noch weniger. Ich denke nicht, dass eines von beidem ein Problem darstellen könnte.«
»Du bist so sympathisch, ich könnte dich glatt hier draußen stehen lassen.«
Die kleine Hütte, die sie sich mit ihrem Bruder teilte, war in einen so unförmigen Zwischenraum gepresst, dass niemand sonst versucht hatte, in der kleinen Senke zu bauen. Doch eines Tages war der Platz im Haus der Familie auch beim besten Willen zu knapp geworden und dann waren die Kinder ohne Eltern in den nächstgelegenen freien Winkel ausgewichen. Es hatte eine Übergangslösung sein sollen. »Nur bis Mama zurückkommt«, hatte sie Ykar damals gesagt, wenn er sich vor der Dunkelheit fürchtete und sie vor Kälte schlotterten, weil der Wind durch die Ritzen zog. Doch die Armee kehrte nicht heim, in die dunklen Hinterhöfe kamen nicht einmal Briefe und aus Wochen waren Jahre geworden. So hatten die Geschwister sich an ihre kleine Hütte gewöhnt.
Kein Licht fiel unter der Tür oder dem Stoff vor dem Fensterloch hindurch und keine Schritte klangen auf dem Boden. Vielleicht war ihnen endgültig das Lampenöl ausgegangen?
Thena stieß die Tür auf und trat in die Stille. »Ykar?« Sie lauschte auf Geräusche im Raum, auf ein Atmen oder ein Rascheln, aber es war geradezu ohrenbetäubend still. Sie schnalzte mit der Zunge. »Ykar! Nicht lustig!« Lächerliche Angst zersetzte ihre Stimme und sie biss sich auf die Zunge. Ärgerlich kramte sie im Dunkeln nach der Lampe, hüpfte unbeholfen auf der Stelle, als sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte.
Priam trat leise hinter ihr in die Tür. Behutsam sprach er sie an, als wäre sie plötzlich ein kleines Kind. »Bestimmt ist er gleich wieder da.« Seine Stimme war warm in der Dunkelheit und half Thena dabei, einmal tief durchzuatmen. Ihr Herz raste viel zu schnell, aber sie konzentrierte sich auf Priams Anwesenheit und riss sich zusammen. Endlich fanden Thenas Finger die Lampe und wenig später erfüllte ein warmer, gelber Schein die leere Hütte. Das Lampenlicht fiel auf ihr ungemachtes Bett und Ykars gefaltete Decke, auf die Zettelsammlung, in die er sich für Stunden vertiefen konnte, und den winzigen Kamin, in dem kein Feuer brannte.
»Vielleicht hat ihn einfach jemand aufgehalten«, vermutete der Fremde in ihrem Rücken.
»Wenn jemand Ykar aufhält, endet das meistens damit, dass er irgendwo zusammengeschlagen im Dreck liegt.« Weil er weder den Mut noch die Kraft hatte, sich zu wehren. Vielleicht hatte eine der Maschinen ihn gefressen, wenn sie ihn gezwungen hatten bei den schweren Grabungsarbeiten zu helfen. Vielleicht hatte eine verzweifelte Seele in den dunklen Gassen ihm angesehen, dass er mit seinen schmalen Schultern und ohne jeden Stolz im Schritt ein viel zu leichtes Opfer war. Vielleicht war er auch einfach verunglückt, hatte sich verirrt oder war dem falschen Hermaden über den Weg gelaufen.
Thena drehte sich um. Priam war so groß, dass er im niedrigen Eingang den Kopf einziehen musste. Gebeugt stand er vor ihr und schenkte ihr ein beruhigendes Lächeln. Glatte dunkle Strähnen standen unordentlich in alle Richtungen und fielen ihm in die Stirn, aber insgesamt bestätigte sich das Bild, das sie sich in der Dunkelheit gemacht hatte: Er sah aus, als wäre es ihm bei seinem Müller erstaunlich gut gegangen. Keine bleibenden Verletzungen hatten ihre Spuren hinterlassen und kein Hunger hatte die weichen Gesichtszüge gezeichnet. Er sah nicht aus, als wäre es ein Problem gewesen, ihr durch die Gassen zu helfen, aber wer Mehlsäcke gewöhnt war … Thenas Blick glitt über die Andeutung seiner Muskulatur unter dem Hemd, die simple Weste und das von Bartstoppeln bedeckte Kinn. Schließlich blieb sie an tiefblauen Augen hängen und erschauderte ein wenig. Hätte die Sorge nicht ihr Herz schwer gemacht, hätte es möglicherweise um einiges wärmer geschlagen.
Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen, als er merkte, dass sie ihn … interessiert musterte. Auch er betrachtete ihre wirren Locken, die ungewöhnlich breiten Schultern und nicht sonderlich femininen Muskeln, die ihr das Leben mit nur einem Bein beschert hatte. Gesunde Menschen dachten nicht darüber nach, wie anstrengend vieles wurde, wenn man nur auf einem Bein im Leben stand.
»Man muss ja nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen.« Er schob sich an ihr vorbei in den Raum, um endlich wieder aufrecht zu stehen. Viel weiter konnte er auch nicht gehen, ohne auf dem Strohsack zu landen.
»Ich muss ihn suchen.« Thena fummelte suchend unter dem Fenster nach einer Krücke. Es war ein marodes Ding, das sie immer dann verwendete, wenn ihre Prothese den Geist aufgab und Ykar Zeit brauchte, um sie zu richten.
»Auf einem Bein? Im Dunkeln?« Priam runzelte die Stirn. »So spät ist es doch noch gar nicht. Warte wenigstens noch ein bisschen, ob er nach Hause kommt, sonst brichst du dir mit dem Ding im Nebel alle Knochen.«
»Was kümmert es dich?«
»Ich bin die Person, die dich dann wieder nach Hause tragen muss.« Er griff an ihr vorbei und schob die Tür zu. Dabei kam er ihr schon wieder so nah, dass sie seine Körperwärme spüren konnte und seinen Atem hörte. Nach dem Weg hierher war das ein beinahe vertrautes Gefühl.
Sie wollte ihm einen triftigen Widerspruch an den Kopf werfen, aber ihr fiel nichts ein. Er hatte recht. Es gab dutzende Wege, die Ykar von dem Grabungsfeld aus hatte nehmen können, hunderte Möglichkeiten, was ihn aufgehalten haben mochte. Vielleicht jagte er nur einer neuen Maschine nach, die ihm auf dem Heimweg begegnet war, oder verdiente sich mit seinen klugen Händen ein paar Extrapinnz . Doch all das tat er normalerweise nicht abends.
Geschlagen ließ sie sich auf ihren Strohsack fallen und musterte den leeren Platz neben sich. Wenn er sich nicht bald wieder blicken ließ und eine wirklich gute Erklärung mitbrachte, würde er erleben, dass seine Schwester sehr unangenehm werden konnte!
Dass Ykar das längst wusste, änderte nichts an der Angst. Auch der viel zu attraktive Kerl, der sich nach einigem Zögern neben sie sinken ließ, konnte das schaurige Gefühl von Furcht nicht vertreiben.
»Wie alt ist dein Bruder?«, fragte Priam sanft.
Thena vergrub das Gesicht in den Händen. »Siebzehn, aber das würdest du nicht glauben, wenn du ihn siehst.«
»Verstehe.«
Aber er verstand es nicht. Nicht wirklich. Thena konnte nicht atmen, wenn Ykar nicht sicher war. Ihr wurde übel und das Blut rauschte in ihren Ohren. Nicht einmal die unnützen Reste der Prothese wollte sie abnehmen. Die Minuten verrannen, wurden zu Stunden und Thenas Finger wurden immer kälter, zitterten. Stumm saß sie neben Priam auf dem Bett und starrte die Tür an. Wo war Ykar?
2
Wäre Ykar kein Träumer gewesen, hätte er nicht im rechten Moment in den Himmel gesehen. Wäre er kein »jämmerlicher Schwächling« gewesen, hätte er nicht bei den Greisen gesessen, um die Fundstücke zu ordnen. Und wäre er nicht so schüchtern und leise gewesen, hätte er sicher jemanden auf seine ungewöhnliche Beobachtung aufmerksam gemacht.
Doch so war Ykar der Einzige auf der zugigen Ausgrabungsstätte, der dem seltsamen Objekt beim Fallen zusah. In einem weiten Bogen sauste es aus der grauen Wolkendecke und fiel dann mit der schmalen Seite voran auf den kreischenden Wald zu. Das war kein Trugbild, kein übergroßer Vogel und ganz sicher kein anderes Lebewesen. Was dort in erreichbarer Entfernung auf den Erdboden zuraste, golden im spärlichen Tageslicht glänzte und sich mit derart unnatürlicher Geschwindigkeit bewegte, musste eine Maschine sein.
Ykar blinzelte und warf einen eiligen Blick über die Ausgrabungsstätte, ob noch jemand zum Wald starrte. Doch die Ausgrabung, Bergung und Reinigung der uralten Maschinenteile verlief in üblicher Monotonie, beaufsichtigt von gnadenlosen Vorarbeitern und ausgeführt von missmutigen Hinterhöflern.
Als die Erkenntnis zu ihm durchsickerte, dass er allein etwas Einzigartiges beobachtet hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit hastig wieder auf den dreckigen Kolben und die abgenutzte Bürste in seinen Händen. Die Langeweile war verflogen und während er die Erde aus den Windungen einer besonders großen Schraube kratzte, ließ er sich das fremde Flugobjekt durch den Kopf gehen.
Es war gleichmäßig geformt gewesen, lang und schlank mit einer abgerundeten Spitze und braun wie das Holz der Bäume, zwischen denen es verschwunden war. Doch das Glänzen war eindeutig metallisch gewesen und die Flugbahn ein so sauberer Bogen, dass es – abgesehen von der Sturzlandung – beinahe nach einem kontrollierten Flug ausgesehen hatte. Es hätte ein Forschungsprojekt der besten Werkstätten des Landes sein können, eine neuartige Waffe vielleicht, doch Ykar konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendjemandem gelungen war, für ein mehr als menschengroßes Objekt die Grenzen der Schwerkraft zu überwinden. Der Traum vom Fliegen verfolgte ihn insgeheim schon lange. Er hatte viel Zeit mit der Möglichkeit, nein, der Unmöglichkeit dieses Traums zugebracht und war sich sicher, dass die Maschinenentwicklung Jahre, vielleicht Jahrzehnte von einer flugtüchtigen Maschine entfernt war. Was auch immer da aus den Wolken gefallen war, es konnte nicht aus ihren Werkstätten stammen – und für einen Siebzehnjährigen mit seinem Wissensdurst war das Warten kaum auszuhalten. Er musste noch heute in den Wald und hoffen, dass niemand außer ihm dieses kleine Wunder beobachtet hatte.
Die Arbeitstage auf der größten Grabungsstätte von Warlsen waren elendig, selbst für Ykar, den man nach einigen gescheiterten Versuchen bei den Grabungsarbeiten immer wieder zu den Alten zurückgeschickt hatte, um beim Sortieren und Reinigen der Fundstücke zu helfen. Er hätte gern behauptet, dass er sich stets aus Kalkül so ungeschickt anstellte, aber er war tatsächlich nicht gemacht für schwere körperliche Arbeit.
Wie gern hätte er sich in Büchern, Bauplänen und Konstruktionsskizzen vergraben und den Sinn der sonderbaren Kleinteile erforscht, die sie täglich aus dem Dreck kratzten. Doch einen Jungen von den Grabungsstätten würde man nicht mal in die Nähe der Werkstätte lassen. Also ließ er sich weiter als nutzlosen Weichling beschimpfen und tröstete sich damit, dass er sich zwar an den scharfkantigen Metallteilen die Finger aufschnitt und Schwielen von den Bürsten davontrug, aber zumindest nicht Gefahr lief, von einer Grabungsmaschine zerfetzt zu werden. Es grenzte an ein Wunder, dass er seine Kindheit überstanden hatte, als er noch klein genug gewesen war, um in die schmalsten Gänge und unter die Maschinen zu kriechen.
Ykar bürstete die Erde von einem Stück Metallverkleidung, während seine Konzentration weit abschweifte. Er hatte helle Flügel gesehen, aber waren die nicht erstaunlich klein im Verhältnis zum Korpus gewesen?
Als sie endlich die Grabungsarbeiten einstellten, sprang er auf die Füße und bahnte sich einen Weg zwischen den anderen Grabungsarbeitern hindurch. Sie schleppten sich zurück in die nebelverhangenen Straßen, würden in ihre winzigen Hütten kriechen und erfolglos versuchen, die schmerzenden Glieder zu schonen, bis sie am nächsten Tag zurückkehrten. Doch Ykar hielt sich heute nicht mit einem Umweg nach Hause auf. Die Öllampe hätte vielleicht gute Dienste leisten können, aber sie hatten ohnehin kaum noch Lampenöl und er wollte Thena nicht erklären, wo er nach Einbruch der Dunkelheit noch hinging.
Warlsen fiel hinter ihm zurück, gehüllt in einen Mantel aus feuchtem Dunst. Wenn er über die Schulter zurückblickte, über die dunklen Silhouetten der waghalsig hoch gebauten Gebäude und dem gelblich bleichen Glanz der Laternen, erschien ihm sein Zuhause unheimlicher als der dunkle Wald. Die Wiesen zwischen den beiden dunklen Riesen waren morastig und der Schlamm quoll durch die Löcher in seine Schuhe.
Schon bei Tag pfiff der Wind eisig durch das Land, in dem die Sonne nie schien, doch bei Dunkelheit war das Hemd aus dünnem Leinen kaum ein Schutz gegen die feuchte Kälte. Wäre er nicht so neugierig, so aufgeregt gewesen, wäre Ykar vielleicht umgedreht und hätte sein Vorhaben auf den nächsten Tag verschoben. Doch es würde nicht lange dauern, bis jemand anderes das Flugobjekt fand, wenn es nicht schon zu spät war.
Ykar trat auf ein schleimiges Holzstück und rutschte in eine trübe Pfütze. Er fing sich unter heftigem Armerudern ab, bevor er den Fuß unter lautem Schmatzen aus dem Schlammloch zog. In der kalten Dunkelheit, die nur ab und an vom Ruf eines Kauzes oder dem Schrei eines Siebenschläfers durchrissen wurde, sträubten sich ihm bei jedem Geräusch die Nackenhaare. Ein eisiger Schauer schüttelte ihn und er sah sich eilig in alle Richtungen um. Es war vollkommen unsinnig, sich beobachtet zu fühlen. Niemand außer dir stapft im Dunkeln ohne Lampe auf den kreischenden Wald zu, erinnerte er sich selbst. Aber hatte er nicht noch vor wenigen Tagen einen der Laterien von Monstern predigen hören, die aus dem Erdboden erwuchsen?
Seit wann glaubst du an Schauergeschichten und religiösen Humbug?, mahnte er sich selbst. Sollen wir zu schwach, feige und verträumt nun auch noch abergläubisch auf die Liste setzen?
Der Weg über die Moorwiesen war anstrengend und endlos. Ykar keuchte und die kalte Luft stach ihm in die Lunge, als er endlich die ersten Ausläufer des Waldes erreichte. Kaum ein Schimmer Mondlicht brach durch die dicke Wolkendecke und unter dem dichten Geäst der Bäume war es so finster, dass er die Hände vor sich ausstreckte, um nicht gegen einen der Stämme zu laufen. Immerhin war der Boden hier durch die Wurzeln fester und der Herbst hatte das Gestrüpp deutlich reduziert.
Ykar irrte durch die Dunkelheit. Er fuhr zusammen und stieß mit der Schulter gegen einen Baum, als ein Schrei ertönte. Den Siebenschläfern hatten der kreischende Wald seinen Namen zu verdanken, aber Ykar wäre den Nagern sehr dankbar gewesen, wenn sie dem heute nicht gerecht geworden wären. Wenn er doch wenigstens sehen könnte, wohin er lief! Aber nein, er hatte sich ja überstürzt auf den Weg machen müssen, anstatt eine Lampe zu besorgen. Vielleicht sollte er … Er konnte seine Finger sehen! Ein zartblaues Glimmen fiel zwischen den Bäumen her, flackerte wie das Licht eines Feuers, jedoch ohne den leisesten Laut zu verursachen. Nicht einmal der unverkennbare Geruch nach Rauch oder Öl lag in der Luft.
Vorsichtig suchte sich Ykar einen Weg über den Waldboden und näherte sich möglichst geräuschlos der Lichtung, auf der er die Ursache für das Licht vermutete. Die Neugierde prickelte ihm im Bauch und sein Herz klopfte schneller als auf dem anstrengenden Weg über die Wiesen. Das musste es doch sein! Was sonst konnte einen so unnatürlichen blauen Schein verursachen? Er mahnte sich zur Vorsicht. Was auch immer dort leuchtete, konnte gefährlich sein, das durfte er vor lauter Aufregung nicht vergessen. Ihm wurde ganz mulmig von dem Gedanken, was alles schiefgehen konnte, wenn er sich allein im Wald einem unbekannten Objekt näherte.
Als er der Quelle des Lichts so nah war, dass seine Haut und sogar seine braunen Locken bläulich glänzten, war er mutiger, als ihm irgendjemand zugetraut hätte.
Beim Absturz hatte das Objekt die Kronen zweier Bäume zerrissen und einen kleinen Krater in den Waldboden geschlagen. Zweige, Splitter und dicke Äste lagen überall verstreut. Zögerlich betrachtete Ykar aus einigem Sicherheitsabstand die Kurven und runden Enden des schlanken Zylinders, der kegelförmig nach vorn zulief und mit der Nase voran im Boden steckte. Die Konstruktion hatte eine windschnittige Form, einem Vogel nicht unähnlich. Der Korpus war rostbraun und, wenn er das im blauen Glanz des befremdlichen Lichtes richtig deutete, bestand er tatsächlich aus sorgsam verarbeitetem Metall.
Ganz langsam trat er ein bisschen näher, sorgsam darauf bedacht, nicht auf die Trümmerteile zu treten. Ein paar goldglänzende Verzierungen rankten sich über den Rumpf und verdeutlichten die Handwerkskunst, mit der dieses Objekt gefertigt worden war. Viel eindrucksvoller waren jedoch die feinen goldenen Bruchstücke der Flügel, die vor der Bruchlandung links und rechts aus der Kapsel geragt haben mussten. Jetzt war nur noch ein Stummel an der rechten Seite übrig und Reste feiner mechanischer Bauteile und Scherben federförmiger Spitzen aus einem durchsichtigen Material, das Ykar nicht benennen konnte, lagen zwischen den Baumwurzeln. Wenn er das in diesem Licht recht erkannte, hingen sogar Bruchstücke in den zerlegten Baumkronen.
Ykars Herz flatterte aufgeregt. Es bestand kein Zweifel: Er hatte ein Fluggerät vor sich. Behutsam strich er über den dunklen Rumpf, spürte die frischen Dellen im so fein gearbeiteten Metall und umrundete dieses Wunderwerk langsam. Das Licht kam aus dem Inneren. Es musste eine Öffnung auf der Seite haben, die nun dem Boden zugewandt war und den Schein auf die Lichtung entließ.
Hatte er bisher gedacht ein solides Wissen über die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit zu haben, so bewies diese faszinierende Apparatur, dass er sich geirrt hatte. Mit angehaltenem Atem hob er eine der schmalen Federn vom Boden auf und betrachtete die filigranen Speichen, die nur wenig fester waren als die Fasern echter Federn und ein goldenes Gerüst einfassten. Selbst unter der sanften Berührung seiner Fingerspitzen splitterte das strapazierte Material in feine Stückchen und gab das Gestell frei. Er presste die Lippen aufeinander und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Es war ein Rätsel, das fast zu süß war, um gelöst zu werden. Fast.
Er musste wissen, wie es im Innern aussah. Neugierig bückte er sich, um endlich durch den gebrochenen Korpus ins Innere zu blicken. Vielleicht konnte er durch die Öffnung einen Blick auf die Mechanismen erhaschen? Da war eine gewölbte Scheibe, halb im Boden versunken. Er musste nur den Richtigen Winkel finden, um hindurchzusehen und dann … Ykar unterdrückte einen Aufschrei und sprang zurück, stieß äußerst unsanft gegen einen Baumstamm und ließ das Flügelbruchstück fallen. Das konnte doch nicht … Fassungslos starrte er auf das technische Meisterstück vor sich und rang nach Atmen.
Unter der gläsernen Kuppel, durch die sich ein dicker Riss zog … nein. Nein, er hatte sich geirrt.
Ganz vorsichtig schlich er sich noch mal an das Gefährt heran, so langsam dieses Mal, dass er ja kein Geräusch verursachte. Du hast dich getäuscht, versuchte er sich selbst zu überzeugen. Eine Flugmaschine … das konnte er noch glauben, aber das … Er musste sich geirrt haben. Atemlos lugte er durch das Glas.
Das Gesicht des Mädchens lag blass im blauen Licht. Sie war jung, höchstens in seinem Alter. Eine gefährlich aussehende Platzwunde hatte ein schauriges, blutiges Muster auf ihre braune Haut gemalt und einen roten Fleck an der Scheibe hinterlassen. Ykar kämpfte gegen das Gefühl der Übelkeit und fragte sich, ob er die Leiche bergen sollte. Sanft fuhr er mit den Fingern über die Kuppel, um nach einer Möglichkeit zu suchen, sie zu öffnen, doch er schrak erneut zurück, denn nach dem leisen Geräusch seiner Berührung verzog sich ihr Gesicht zu einer eindeutig schmerzhaften Grimasse.
Für einen Augenblick war er wie gefroren und starrte auf das Wrack. Wenn sie noch lebte … etwas entschlossener untersuchte er den Rand der Kuppel, die das Mädchen einschloss. Thena hätte das Glas eingeschlagen, ohne lange nachzudenken, aber er blieb lieber vorsichtig. Irgendwie musste die Person schließlich auch hineingelangt sein – sicher gab es eine weniger brachiale Lösung, um die Kuppel zu öffnen und die junge Frau zu bergen. Fast zärtlich strich er über den Rand der Klappe, fand die weiche Dichtung, deren Material er nicht benennen konnte, und legte sich schließlich auf den Rücken, um die Kuppel besser sehen zu können. Er zog probehalber an der Abdeckung und entlockte der ganzen Maschine ein Ächzen. Langsam, Ykar, oder willst du, dass dich das Ding unter sich begräbt? Er schluckte und verlangsamte seine Bewegungen. Jeder Griff musste vorsichtig sein, jeder Versuch minimal. Zwischen den hervorstehenden Verzierungen und auf dem Boden liegend war es nicht leicht auszumachen, wie groß die Klappe insgesamt war. Ein Teil davon war sogar im Erdboden versunken. Vermutlich gab es aber von innen einen Mechanismus, um den Verschluss zu öffnen.
Schließlich fand Ykar an der Seite eine kleine lösbare Abdeckung und zog sich unter dem Wrack hervor, bevor er sie bedachtsam öffnete. Zahnräder lagen darunter, ein Ausschnitt eines komplexen Apparats, der geisterhaft im blauen Licht glänzte. Vorsichtig schob er die Hand hinein, ertastete, was er nicht mehr sehen konnte, und schloss die Augen, um es sich besser vorstellen zu können. Immer tiefer verschwand sein Arm in den Wirrungen des Gefährtes, tastete sich weiter in Richtung der Frau, als seine Finger einen Hebel berührten. Das Ende war in weiches Leder gewickelt, eindeutig abgegriffen und sicherlich bereits in Griffweite der Frau. Die Zahnräder, die damit verbunden waren, mündeten jedoch außerhalb seiner Reichweite und mussten nicht unbedingt die Kuppel öffnen. Ykar zögerte. Sein Arm saß eng zwischen den kleinen und großen Teilwerken dieser Maschine. Die falschen Räder in Bewegung zu setzen konnte ihn seinen Arm kosten.
Ein leises Wimmern brachte das Metall zum Klingen und Ykar presste die Lippen aufeinander. Sie hatte Schmerzen. Er konnte sie doch nicht einfach in dem Wrack ihrer Flugmaschine lassen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Hebel etwas bewirkte, das ihm helfen würde sie zu retten? Erneut hörte er sie wimmern. Hoch genug. Er gab sich einen Ruck. Mit gestrecktem Arm war es ein echter Kraftakt, den kleinen Hebel zu bewegen, und er konnte ihn nur mit den Fingerkuppen über den letzten Widerstand drücken. Das befreiende Klicken wurde von einem neuen Schreckmoment begleitet. Es klapperte und surrte und eilig zog er seinen Arm ins Freie.
Keine Sekunde zu früh, denn Ykar sprang gerade rechtzeitig auf, um sich in Sicherheit zu bringen, als das gesamte Gefährt unter ohrenbetäubendem Brummen und Quietschen verzogener Teile zur Seite kippte. Ächzend drehte sich die Maschine ein Stück und der Deckel klappte auf, begleitet von gleißend hellem Licht. Ykar schirmte sich die Augen mit dem Arm ab und strauchelte zurück zwischen die Bäume. Er erwartete eine Hitzewelle, aber das Licht erzeugte keine Wärme. Es krachte und knallte und der Boden erbebte. Dann wurde es nach einem letzten Zischen wieder still.
Als Ykar stockend die Hände sinken ließ, war das Licht beinahe erloschen. Nur ein seichtes Glimmen war zurückgeblieben, das von tausend kleinen kristallenen Bruchstücken ausging, die nun zwischen den Blättern und Zweigen und Trümmerteilen lagen. Anstatt kopfüber im Boden zu stecken, lag das Flugzeug jetzt auf der Seite und hatte einen wahren Erdwall hinterlassen. Offensichtlich hatte Ykar jedoch richtig geraten und mit dem Hebel erfolgreich die Abdeckung gehoben. Die junge Frau hing stöhnend in der Öffnung. Hastig sprang Ykar wieder auf das Gefährt zu und griff nach ihrer Schulter, damit sie nicht in die scharfkantigen Trümmer auf dem Waldboden kippte. Er versuchte zu erkennen, ob er sie gefahrlos aus ihrem Sitz hieven konnte.
»Hallo?«, fragte er leise. Keine Reaktion. Leider schwand das blaue Licht mit jedem Augenblick etwas mehr und er konnte sie nicht gut genug halten, um sie genauer zu untersuchen. Sie war schmal unter dem dicken Stoff ihrer Kleider, der sich viel kostbarer anfühlte als alles, was er in seinem Leben in die Finger bekommen hatte. Als er zu ertasten versuchte, ob sie in ihrem Sitz eingeklemmt war, stöhnte sie leise auf. Etwas überfordert stand Ykar neben der geöffneten Klappe und hielt sie mühsam davon ab, aus dem Sitz zu kippen. Wie sollte er sie aus der Kapsel durch den kreischenden Wald irgendwohin in Sicherheit bringen?
Ykars Herz vergaß zu schlagen, als er Knacken und Rascheln schwerer Schritte auf dem Waldboden hörte. Er hörte Stimmen, die keine Angst davor hatten, entdeckt zu werden. Natürlich kam jemand, um dem Lichtschein auf den Grund zu gehen. Die Hermaden im Auftrag der Krone würden tun, was sie für nötig hielten, um alles darüber in Erfahrung zu bringen und keine Rücksicht auf das wimmernde Mädchen nehmen.
»Es kam aus dieser Richtung!«, rief jemand. Die Stimme war tief und rau. Sie waren viel zu nah.
Also tat er das Einzige, was er tun konnte. Mühsam stemmte er die junge Frau hoch, sodass er beide Arme unter ihre Schultern schieben konnte. Dann zog er. Es half, dass ihm die nahenden Schritte mehr Angst machten als die Sorge, sie zu verletzen. Ykar keuchte, als er ihre Hüfte aus dem Einstieg zog, und mit einem Ruck fielen ihre Füße auf den Waldboden. Sie stießen laut gegen das abgebrochene Metall.
»Dort drüben!« Eine Lampe wurde zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Lichtung sichtbar. Ykar bückte sich eilig und hielt den Atem an, um nicht laut zu keuchen, während er die benommene Frau über den Boden schleifte. Das Flügelteil, das er so achtlos auf den Boden geworfen hatte, verfing sich in ihrer Tunika und klapperte verräterisch. Hastig langte er danach und stopfte es in seine Hosentasche, anstatt es geräuschvoll zum Rest zu werfen. Wie konnte eine so schmale Frau so schwer sein? Die Anstrengung trieb ihm das Blut in den Kopf und er hielt unwillkürlich den Atem an, als er einen weiteren Ruck wagte. Es zog in den Schultern und in den Oberarmen und er musste sich mit seinem ganzen Körpergewicht ins Zeug legen, um sie hinter das nächstgelegene Gestrüpp zu zerren. Mit einem letzten festen Ruck zog Ykar die Fremde zwischen die Sträucher und verließ damit immerhin die Lichtung.
Eine Gestalt trat in den Kreis der Bäume und hielt eine Laterne hoch, um die Unfallstelle zu inspizieren. Ykar sah das Lampenlicht in den goldenen Applikationen reflektiert. In fassungsloser Bewunderung blieb der Kundschafter stehen.
Mehr bewaffnete Hermaden traten zwischen den Bäumen hervor und starrten auf das fremde Objekt. »Was bei allen Heiligen ist das?«, fragte eine helle Männerstimme atemlos. Ykar wagte nicht sich zu regen, solange die Suchenden in andächtiges Schweigen verfallen waren. Es knirschte, als jemand einen Schritt über die zerbrochenen Kristalle tat. Stille.
»Sucht alles zusammen, jeden noch so kleinen Splitter. Und Jost. Hör auf zu glotzen und berichte Fürst Lechten, dass ich seinen Stern gefunden habe. Sofort!«
Bewegung kam in die Gruppe und Ykar nutzte das laute Bellen von Befehlen, um die bewegungsunfähige Frau weiter zu zerren. Er schwitzte und verfluchte, dass er die ewigen Hänseleien nicht zum Anlass genommen hatte, mehr Muskeln aufzubauen. Es raschelte laut, wann immer ihre Füße über den Boden schleiften. Sein Keuchen klang laut durch den finsteren Wald.
»Doi, ich glaube das hier ist ein Sitz!«
Ykar kniff die Augen zusammen und dachte an die Schleifspur, die er sicherlich zwischen den Bäumen hinterließ. Vorsichtig lehnte er die reglose Frau gegen einen Stamm. So kam er nicht weiter. Hierbleiben konnte sie jedoch auch nicht, dann würde es höchstens bis zum Morgengrauen dauern, bis die Hermaden den Spuren folgten. Sie musste verschwinden, aber er konnte im Dunkeln nicht einmal den nächsten Baum deutlich erkennen. Mit einem erschöpften Seufzen ließ er sich neben der Frau auf den kalten Waldboden sinken. Was würde aus ihr werden, wenn die Hermaden sie in die Finger bekamen? Was würde aus ihnen beiden werden?
Ykar sehnte sich nach einer Lampe, damit er in der Dunkelheit wenigstens orientieren konnte. Hilflos sah er in die Richtung der Verletzten. Er konnte gerade so die Umrisse ihres Körpers erkennen und … Vielleicht spielten seine Augen ihm einen Streich, aber er glaubte ein feines Glimmen auf ihrer Brust zu erkennen. Kaum sichtbar glänzte es durch den schweren Stoff ihres Gewandes.
Er lehnte sich näher zu ihr, hörte ihren flachen Atem und konnte aus nächster Nähe die Umrisse eines Kettenanhängers ausmachen. Es kam ihm schrecklich übergriffig vor, dennoch zog er den Stein vorsichtig an seiner Kette aus ihrem Ausschnitt.
Die vielen gleichmäßigen Flächen des Kristalls waren perfekt geschliffen. Der bekannte blaue Schein fiel auf Ykars Haut und reichte gerade aus, um den direkten Umkreis zu beleuchten.
Das Blut ihrer Kopfwunde hatte die ungewöhnlich weißen Haare gefärbt und glänzte unheilvoll im seichten Licht. Auch ihr linker Unterarm war geschwollen und bläulich verfärbt. Vielleicht war er gebrochen.
Tatsächlich hatte er eine mehr als eindeutige Schleifspur ihrer beiden Füße verursacht, die nur ab und an von den aufragenden Baumwurzeln unterbrochen wurde. Er runzelte die Stirn. Es war vermutlich zu spät, um die Hermaden davon abzuhalten, dieser Spur zu folgen. Vermutlich wussten sie bereits, dass jemand geholfen hatte – oder sie hielten die entstiegene Gestalt für eine besonders eigenartige Kreatur –, aber vielleicht konnte er noch beeinflussen, welcher Spur sie folgen würden. Vorsichtig hob er ihren Kopf an, zog ihr kurzerhand die Kette übers Haar, und bettete ihn zurück.
Ykar sprang auf die Beine, die nach der Anstrengung unangenehm weich waren. Im Laub war es keine Unmöglichkeit, die letzten Meter seiner Spur zu verwischen, gerade so weit, dass niemand das reglose Mädchen sehen würde, wenn er der Schleifspur folgte. Außerdem fand er zwei breite Äste, mit denen er die Spur ihrer Füße nachahmen konnte.
Es war wesentlich anstrengender als erwartet, mit dem Holz die Schleifrillen nachzubilden. Bei jedem Geräusch fuhr er zusammen und deckte die Hand über den spärlich leuchtenden Kristall.
Er brauchte quälend lange, bis er einen winzigen Bachlauf erreichte, an dem er die Spur guten Gewissens enden lassen konnte. Es würde lange genug dauern, bis die Verfolger bemerkten, dass keine Spur vom Wasser fortführte, und bis dahin würde er längst eine Lösung gefunden haben. Hoffentlich.
Er streckte die Hände ins eiskalte Wasser, schlug sich seufzend einen Schwall davon ins Gesicht und atmete tief durch. Eine Flugmaschine – eine echte Flugmaschine – war hier in den kreischenden Wäldern gelandet. Anstatt die beste Entdeckung seines Lebens zu machen, zerrte er nun eine Frau allein durch den Wald, die er nur aus einem Bauchgefühl heraus gerettet hatte. Vielleicht sollte er sich einfach davonstehlen und den Dingen ihren Lauf zu lassen.
Er blickte auf die Äste in seinen Händen. Niemand würde sie finden, wenn sein Plan aufging. Sie könnte hier im Wald sterben.
Mit einem Seufzen drückte Ykar sich hoch, schleuderte einen Ast auf die andere Seite des Baches in den Wald und trug den anderen einige Schritte mit, bevor er ihn in die entgegengesetzte Richtung warf.
3
Die Erleichterung brachte sie auf das belastbare Bein.Sie wollte ihn umarmen, ihn festhalten und ganz sicher gehen, dass er nicht verletzt war. Stattdessen platzte die Wut hervor. »Wo bist du gewesen?«, fuhr Thena ihren Bruder an, als er sich mit müden Augen durch die Tür schob.
Auf den zweiten Blick sah Ykar schrecklich mitgenommen aus. Seine Haare waren verklebt und Dreck malte Spuren auf das blasse Gesicht. Sein Hemd hatte ein paar neue Risse und selbst im schwachen Schein der gedimmten Lampe erkannte sie Blut an seinem Ärmel.
»Was zum Henker ist mit dir passiert?«
»Nichts«, murmelte er und sah an ihr vorbei zu dem Fremden auf dem Bett. Skeptisch musterte er den größeren Mann. »Wer ist dein Freund?«
»Er ist nicht mein Freund.«
»Ich bin nicht ihr Freund«, bestätigte Priam vom Bett aus und unerwartete Ernüchterung regte sich in ihrer Brust.
»Weich mir nicht aus. Ich wette, die Sonne geht schon auf. Was hast du getrieben?«
»Wer ist er dann?«, fragte Ykar leise und wich Priams Blick aus, als könnte der ihn anfallen, wenn er zu laut oder zu hektisch wurde.
»Priam«, stellte er sich selbst vor. »Sie brauchte Hilfe.«
Thena fuhr herum, um Priam anklagend anzustarren. Sie hatte keine Hilfe gebraucht. Und selbst wenn, dann musste er es ihr nicht auch noch unter die Nase reiben. Ykar hielt sie sanft an der Schulter fest, als sie das Gleichgewicht zu verlieren drohte. »Wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich wunderbar allein zurechtgekommen.« Auch wenn sie dann humpelnd allein im Nebel unterwegs gewesen wäre.
Mit gerunzelter Stirn betrachtete Ykar den Fremden, der auf ihrem Bett saß. Dann blickte er wieder zu ihr und sah auf das leere Hosenbein, das etwas verloren in der Luft hing, seit sie zur Tür gehüpft war. Vorsichtig griff er nach der zerstörten Prothese, die sie vorhin achtlos neben die Tür geworfen hatte. »Was ist mit deinem Bein passiert?«
Anklagend zeigte sie auf Priam. »Er hat mich in den Dreck geschubst!« Dass das Bein schon vorher verbogen gewesen war, verschwieg sie bewusst. Am Blick ihres Bruders sah sie, dass das malträtierte Metall sie ohnehin verriet.
Priam stand vom Bett auf. »Geschubst ist etwas übertrieben, oder?« Schmunzelnd tat er einen Schritt auf sie zu und Ykar gleichzeitig einen zurück. Mit eingezogenem Kopf behielt er den Fremden im Auge und Thena hätte ihn schütteln können. Der Junge brauchte dringend etwas mehr Selbstbewusstsein.
Offenbar war das Beste, was Ykar in dieser Situation einfiel, sich auf den Boden sinken zu lassen und eine verbeulte Kiste mit provisorischem Werkzeug aus der Ecke zu ziehen. Mit routinierten Handgriffen öffnete er das Kippgelenk und nahm die Einzelteile auseinander. Er sah immer so friedlich aus, wenn er sich in seine Basteleien vertiefte, aber heute würde sie es ihm nicht so leicht machen.
»Glaub nicht, ich merke nicht, dass du mir ausweichst«, mahnte sie und hüpfte näher. »Du sagst mir jetzt, wo du gewesen bist!« Er hantierte nur weiter schweigend mit der Prothese. »Ykar!«, fuhr sie schärfer an als beabsichtigt. Es tat ihr augenblicklich leid, als er den Kopf etwas weiter einzog und innehielt.
»Nun lass gut sein«, mischte Priam sich ein und fasste beruhigend nach ihrer Schulter. »Er ist wieder hier und er sieht aus, als wäre alles recht glimpflich für ihn ausgegangen.«
Thena schnaubte und stieß seine Hand fort. Der brauchte gar nicht mit so einem besänftigenden Tonfall anzukommen! »Was geht dich das überhaupt an? Ich habe gesagt, dass du ihn in Ruhe lassen sollst, nicht, dass ihr euch gegen mich verbrüdern sollt!« Anklagend stieß sie ihm einen Finger vor die Brust. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn er wütend geworden wäre. »Wie lange brauchst du, bis das repariert ist?«, wandte sie sich in gezwungenermaßen ruhigerem Ton an Ykar. Sie konnte darauf verzichten, mit der Krücke in die Fabrik zu gehen. Es würde schon reichen, dass sie schrecklich übermüdet sein würde.
»Reparieren kann ich das nicht mehr«, murmelte Ykar und hob das verbogene Verbindungsstück auf. »Vorübergehend stabilisieren vielleicht. Wir brauchen ein Ersatzteil.« Probehalber versuchte er das Rohr wieder in Form zu biegen.
Dann deutete er wortlos auf ihr leeres Hosenbein und mit einem tiefen Seufzer ließ Thena sich auf die Kiste fallen, die ihnen meistens als Tisch diente. Während Ykar das geschwächte Stück mit kleineren, geraden Teilen verstärkte, raffte sie das Hosenbein. Sie bemerkte Priams Blick, als sie an ihre Hüfte griff, um die Schließe zu öffnen, die den abgenutzten Lederriemen löste. Er befestigte die Prothese zusätzlich, eine Vorsichtsmaßnahme, denn als ihr Ersatzbein noch in der Testphase gewesen war, hatte es sich auf einer gnadenlosen Flucht gelöst. Thena hatte derart schmerzhaft das Pflaster geküsst, dass man sich noch Wochen später über ihre aufgeplatzte Lippe und ihr geschwollenes Kinn lustig gemacht hatte.
Es war ein Wunder, dass sie trotzdem glimpflich davongekommen war. Dabei saß die Prothese eigentlich sehr fest an dem leidigen Stumpf. So fest, dass sie normalerweise als Erstes ihr Bein befreite, wenn sie nach Hause kam. Nur heute war sie zu besorgt und aufgewühlt gewesen und hatte sich vor einem fast Unbekannten auch gescheut, ihr wahres Bein offenzulegen.
Jetzt warf sie ihm nur einen bösen Blick zu, als er zusah, wie sie die Riemen um den Prothesenschaft am Rest des Oberschenkels löste und von der drückenden Halterung befreite. Obwohl sie überteuerten Stoff aus der Fabrik genutzt hatte, um die Vorrichtung zu polstern, hörte es niemals auf zu drücken und zu scheuern. Sie kniff kurz die Augen zusammen, als der Druck sich löste und sie an die Schmerzen erinnerte.
Entsetzt bis mitleidig sah Priam auf die vielen roten Narben, die das Ende des Stumpfes verunstalteten, und sie ließ eilig das Hosenbein darüber fallen.
»Was glotzt du so?«, fauchte sie und er wandte gehorsam den Blick ab. Stattdessen ließ er sich zu Ykar auf den Boden sinken und beobachtete interessiert die Bewegungen der klugen Finger. Schon wieder wollte sie sich schuldig fühlen und ließ schnaubend das Hosenbein wieder fallen, aber sie wollte kein Mitleid. Zu Anfang hatte sie sich daran gelabt, hatte die Aufmerksamkeit sogar genossen, die ihre neue Schwäche ihr eingebracht hatte, und sich die Vorzüge von Rücksicht gefallen lassen. Doch dann hatte sie gemerkt, dass es sie nicht nur in den Augen anderer schwach und hilflos machte.
Priam beobachtete, wie Ykar das Bein wieder zusammensetzte, nachdem Thena ihm den Rest reichte, und nickte anerkennend. »Wo hast du das gelernt?«, fragte er und klang ehrlich beeindruckt.
»Hier und da«, murmelte Ykar, ohne den Blick von den Metallteilen in seinen Händen zu nehmen.
Thena seufzte. »Er beobachtet.« Sie beschloss ihn vor weiteren Fragen zu bewahren. »Er schaut stundenlang auf jeder Baustelle und in jeder Fabrik zu, bis er verstanden hat, was sie machen, oder kritzelt endlos irgendwelche Notizen.« Einmal hatte er den ganzen Aufbau einer Dampfmaschine mit Kohle an die Wand gemalt. Es war eine schreckliche Sauerei gewesen und an einer Stelle konnte man noch heute die Spuren der seltsamen Zeichen erkennen.
Priam runzelte die Stirn und schob die Unterlippe vor. Sein Blick glitt über die Werkzeuge in der verbeulten Kiste und die ungenutzten Einzelteile, die dabei lagen. Wie alles andere waren auch Ykars Werkzeuge von Schrotthaufen zusammengesucht oder aus anderer Funktion zweckentfremdet worden. Sollte sie irgendwann das Geld haben, würde sie ihm einen echten Werkzeugkasten schenken, das hatte sie sich schon vor langer Zeit vorgenommen.
Kritisch betrachtete Ykar das Bein und dehnte probehalber das Gelenk. Der provisorisch geradegebogene Teil direkt an dem künstlichen Knie sah nicht besonders vertrauenserweckend aus.
»Was für ein Ersatzteil brauchst du da?«, fragte Priam und musterte das Gebilde. »Muss es etwas Bestimmtes sein oder reicht ein Rohr in etwa derselben Dicke und Länge?«
Dieses Mal sah Ykar auf und begegnete Priams Blick. »Solange es stabil genug ist …«
»Ich glaube, dann kann ich so ein Teil besorgen.« Er stand auf und brachte sich gleich zwei misstrauische Blicke ein.
»Legal?«, fragte Ykar vorsichtig und Thena musste schmunzeln, weil er es nicht wagte, den Vorwurf in seiner Stimme mitklingen zu lassen.
»Legal genug«, antwortete Priam schwammig und grinste leicht. »Solange niemand Fragen stellt, wird es kein Problem darstellen.« Er warf einen Blick durch das Fenster und schien es plötzlich sehr eilig zu haben. »Ich werde mal sehen, was sich machen lässt. Danke für die Gastfreundschaft.« Er zwinkerte Thena zu.
Sie streckte ihm die Zunge raus. Als hätte sie keine anderen Sorgen als Gastfreundschaft gehabt. Sobald die Tür hinter einem rasch hinausrauschenden Priam ins Schloss fiel, taxierte sie ihren Bruder erneut. »Also«, begann sie, nun da sie allein waren. »Was ist passiert? Wo warst du?«
Ykar seufzte. »Im Wald«, murmelte er und hielt ihr das gerettete Bein hin.
»Was willst du mitten in der Nacht im Wald?«
Sie sah zu, wie er vom Boden aufstand und in der Medizinkiste kramte. »Ich dachte, es könnte interessant sein.«
»Im Dunkeln im Wald? Und wozu brauchst du Verbände?« Thena verschränkte die Arme und sah zu, wie Ykar auch noch das fast leere Salbentöpfchen auf ihr Bett legte und ein Bündel aus einer der Decken schnürte.
»Hast du schon alles aufgegessen?«, fragte er vorsichtig und sie schnaubte wieder ärgerlich.
»Gab heut nichts.« Sie sah seine gerunzelte Stirn. »War zu teuer.«
»Bin ich stolz oder skeptisch, dass dich das aufgehalten hat?« Er steckte einen abgenutzten Wasserschlauch in den zweckentfremdeten Beutel und blickte einmal suchend durch den Raum.
»Ykar, verkauf mich nicht für dumm«, bat sie. Sie mochte nicht so intelligent sein wie ihr kleiner Bruder, aber auch ihr war klar, dass er nicht in den Wald gegangen war, um dort Bäume zu betrachten. »Warum gehst du ausgerechnet in den verdammten Wald? Und wofür brauchst du das Verbandszeug?«
Einen ganzen Augenblick lang musterte Ykar sie. Dann ließ er sich langsam auf ihre Schlafstelle sinken. Der Strohsack gab unter ihm nach und er legte die Hände zusammen, als müsste er sich selbst festhalten. »Du wirst mir nicht glauben.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich glaube dir jetzt schon nicht, Dummkopf.«
Erneut seufzte er. »Ich habe beobachtet, wie etwas vom Himmel gefallen und im Wald gelandet ist.« Er machte eine kurze Pause, um einmal tief Luft zu holen. »Es war eine Flugmaschine.«
Thena biss sich fest auf die Zunge, um sich einen Kommentar über die Wahrscheinlichkeit echter Flugmaschinen zu verkneifen. Sie waren ehrlich miteinander und sie würde immer die Person sein, die ihn ernstnahm. »Eine Flugmaschine«, echote sie langsam, um Ernsthaftigkeit bemüht, auch wenn sie ein Prusten unterdrücken musste. »So wie die kleinen Segeldinger, die du gebastelt hast?«
»Nun, nicht wirklich. Es ist aus den Wolken gesegelt und verunglückt, aber es muss vorher geflogen sein. Und es hatte eine Pilotin. Es war also mehr als ein Schleudertest.« Flehend sah er sie an. In seinen dunklen Augen lag ein Hauch der Angst, dass sie ihn für verrückt erklären würde.