Sophienlust 114 – Familienroman - Bettina Clausen - E-Book

Sophienlust 114 – Familienroman E-Book

Bettina Clausen

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Beschreibung

Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, das Kinderheim Sophienlust gehören wird. Die beiden sind echte Identifikationsfiguren. Dieses klare Konzept mit seinen beiden Helden hat die zu Tränen rührende Romanserie auf ihren Erfolgsweg gebracht. Denise von Schoenecker nahm den Gang heraus. Langsam rollte der Wagen in den Hof von Gut Schoeneich ein. Sekundenlang blieb die Herrin von Schoeneich und Sophienlust im Wagen sitzen. Ihre Hände ruhten noch auf dem Steuerrad. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Endlich stieg Denise aus. In vollen Zügen atmete sie die frische, klare Luft ein. Erst in diesem Moment sah sie ihren Mann. Alexander von Schoen­ecker stand in der geöffneten Haustür. Aber nicht allein. In seiner Gesellschaft befand sich eine Frau. Eine junge attraktive Frau. Denise kannte sie nicht. Soeben warf die Unbekannte den Kopf in den Nacken. Eine Bemerkung Alexanders musste sie zum Lachen gebracht haben. Ein nachsichtiges ­Lächeln legte sich um Denises Mund.

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Sophienlust –114–

Von allen geliebt

Roman von Bettina Clausen

Denise von Schoenecker nahm den Gang heraus. Langsam rollte der Wagen in den Hof von Gut Schoeneich ein. Sekundenlang blieb die Herrin von Schoeneich und Sophienlust im Wagen sitzen. Ihre Hände ruhten noch auf dem Steuerrad. Es war ein anstrengender Tag gewesen.

Endlich stieg Denise aus. In vollen Zügen atmete sie die frische, klare Luft ein. Erst in diesem Moment sah sie ihren Mann. Alexander von Schoen­ecker stand in der geöffneten Haustür. Aber nicht allein. In seiner Gesellschaft befand sich eine Frau. Eine junge attraktive Frau. Denise kannte sie nicht.

Soeben warf die Unbekannte den Kopf in den Nacken. Eine Bemerkung Alexanders musste sie zum Lachen gebracht haben. Ein nachsichtiges ­Lächeln legte sich um Denises Mund.

Da kam Alexander ihr auch schon entgegen. Er begrüßte sie mit einem Kuss. »Darf ich den Gepäckträger spielen?«

Denise blinzelte schelmisch. »Das wirst du sogar müssen. Der ganze Kofferraum ist voller Tüten und Päckchen. Sind unsere Sprösslinge nicht da, um zu helfen?«

»Wie üblich auf Sophienlust«, antwortete Alexander trocken. Dann standen sie vor der Fremden. Alexander machte die beiden Frauen miteinander bekannt. »Das ist Alexandra Weiss. Frau Weiss, das ist meine Frau.«

Denise schob die Papiertüte in den linken Arm. Dann streckte sie der Besucherin die Hand entgegen. »Bitte, kommen Sie doch ins Haus«, bat sie nach der Vorstellung.

Alexandra betrat das Gutshaus. Ihr flinker Blick huschte über die Einrichtung. Dabei wurden ihre Augen groß vor Staunen.

»Nehmen Sie doch Platz«, bat Denise. »Ich bringe nur meine Päckchen nach oben und wasche mir die Hände. Dann stehe ich Ihnen zur Verfügung. Mein Mann wird Ihnen inzwischen Gesellschaft leisten.« Flüchtig huschte Denises Blick über Alexandras rotes Haar. Gefärbt, stellte sie fest. Doch das war es nicht, was sie an der Besucherin abstieß.

Denise ging ins Bad. Dabei überlegte sie. Es war Alexandras Art, die ihr nicht gefiel. Eine Mischung aus Arroganz und Hochmut. Doch sie wollte keine voreiligen Schlüsse ziehen. Zuerst wollte sie sich mit Alexandra Weiss unterhalten. Danach würde sie sich ein genaues Bild von der Frau machen können.

Denise betrat wieder die Halle. Erleichtert sprang Alexander auf. Denise unterdrückte ein Lächeln. Alexandra entsprach ganz und gar nicht seinem Geschmack. Auch wenn er freundlich zu ihr war. Denise wusste, dass ihr Mann Natürlichkeit über alles schätzte. Und natürlich war diese Frau Weiss überhaupt nicht. Ihr Haar war von einem auffallenden Kirschrot. Die Augen waren dunkel geschminkt. Ein greller Lippenstift lag auf den vollen, aber schön geformten Lippen.

»Sie entschuldigen mich, Frau Weiss. Aber ich habe zu tun. »Alexander verabschiedete sich von Alexandra. »Meine Frau kann Ihnen bestimmt besser helfen als ich.«

Denise setzte sich dem Gast gegenüber.

»Worum geht es, Frau Weiss?«

»Ich suche ein kleines Mädchen. Es ist uns davongelaufen.«

»Handelt es sich um eine Verwandte von Ihnen?«

Alexandra schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Am besten wird es wohl sein, ich schildere Ihnen die Verhältnisse.«

»Darum möchte ich Sie bitten.« Denise dachte an einen Anruf ihrer Heimleiterin. Bereits am frühen Morgen hatte Frau Rennert in Schoeneich angerufen. Ein fremdes kleines Mädchen war in Sophienlust aufgetaucht.

»Ich bin mit Constantin und Nikolaus Lorenz befreundet«, begann Alexandra. »Die beiden Journalisten haben sich hier ganz in der Nähe ein Landhaus gebaut.«

Denise nickte. »Ist das nicht der Bungalow, der direkt an unser Grundstück angrenzt?«

»So ist es. Conny und Niko haben noch eine kleine Schwester«, fuhr sie fort.

Conny und Niko, dachte Denise. Sie nennt sie beim Vornamen. Also muss sie sehr eng mit den beiden befreundet sein. »Und dieses kleine Mädchen ist nun weggelaufen?«

Alexandra nickte.

»Ja. Seit heute Morgen ist Titti weg. Eigentlich heißt sie Brigitte. Sie ist fünf Jahre alt.«

»Wie sieht das Kind denn aus?«, wollte Denise wissen.

Alexandra zuckte nachlässig mit den Schultern. »Wie soll sie schon aussehen? Wie ein Kind eben so aussieht.«

»Ich meine, ist sie blond oder dunkelhaarig?« Denise versuchte geduldig zu bleiben.

»Blond. Lange dunkelblonde Locken. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen. In diesem Alter sehen die Kinder doch alle gleich aus.«

»Das würde ich nicht gerade behaupten.« Denise hatte sich diese Bemerkung nicht verkneifen können. »Aber ich glaube, ich kann Ihnen helfen. In unserem Kinderheim ist heute früh ein fremdes Mädchen aufgetaucht. Ich weiß allerdings nicht, ob es sich um Brigitte Lorenz handelt«, schränkte sie ein. »Aber es ist fast anzunehmen.«

»Bestimmt ist sie es. Sie hat sich einige Male neugierig nach dem Kinderheim erkundigt.«

Denise wollte ein wenig mehr über die Verhältnisse im Hause Lorenz erfahren. »Sie sind mit den Brüdern Lorenz befreundet, Frau Weiss?«, erkundigte sie sich.

»Ich bin mit Constantin Lorenz befreundet. Wir haben uns auf einer Party kennen gelernt.«

Unwillkürlich wanderte Denises Blick zu Alexandras Ehering.

Alexandra hatte diesen Blick verfolgt. »Ganz richtig, Frau von Schoenecker. Ich bin verheiratet.«

»Es geht mich nichts an«, meinte Denise zurückhaltend.

»Nun, eine Frage interessiert Sie bestimmt«, sagte Alexandra spöttisch. »Warum ist eine verheiratete Frau mit einem Junggesellen befreundet? Ich will es Ihnen verraten. Ich lebe von meinem Mann getrennt. Irgendwann werden wir uns vielleicht scheiden lassen.« Dabei dachte sie, vielleicht werde ich dann Conny heiraten. Doch das sprach sie nicht aus.

Denise nickte nur.

»Die Brüder Lorenz sind also Junggesellen?«

»Ja, beide. Titti ist ihre Halbschwester.«

»Hat das Kind keine Eltern mehr?«

»Nein. Die Eltern kamen bei einem Autounfall ums Leben. Der Vater und Tittis richtige Mutter, die Stiefmutter der beiden Brüder.«

»Also leben die beiden Brüder mit ihrer kleinen Schwester allein?«

»Ja.«

»Keine Haushälterin?«, staunte Denise.

»Nein. Ab und zu kommt eine Putzfrau. Und ich koche den beiden manchmal etwas.« Doch das hatte sie bisher nur einmal getan.

Genau so schätzte Denise sie auch ein. Aber sie sagte nichts. »Die Brüder sind doch sicher berufstätig?«

»Ja, natürlich. Als Journalisten sind sie sogar sehr tüchtig und erfolgreich.«

»Und wer kümmert sich um das Kind? Ist die Kleine ganz und gar sich selbst überlassen?«

»Nein. Oft arbeiten Conny und Niko auch zu Hause. Sie verreisen auch nie gemeinsam. Also ist Titti nie ganz allein.«

»Das wäre ja auch fast unverantwortlich«, entfuhr es Denise. »Ein fünfjähriges Kind gehört unter die Aufsicht Erwachsener.«

Überraschenderweise nickte Alexandra. »Das habe ich Conny ja auch schon gesagt. Fast den ganzen Tag ist Titti allein. Sie können sich gar nicht vorstellen, was sie manchmal anstellt.«

»Doch, das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen.« Denise dachte an ihre Rasselbande in Sophienlust. Da war immer irgendetwas los. »Wollen die Brüder denn gar nichts gegen diesen Zustand tun?«

Alexandra schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Sie sind der Meinung, es liefe alles sehr gut.«

»Und warum ist Titti dann davongelaufen?«

»Da fragen Sie mich zu viel, Frau von Schoenecker. Ich habe mir über diese Frage noch keine Gedanken gemacht.« Offensichtlich war es ihr auch ganz egal.

Denise erhob sich spontan. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir fahren jetzt gemeinsam nach Sophienlust.«

»Einverstanden.« Alexandra sprang auf. Sie war schlank, aber sehr gut proportioniert. Denise konnte sich vorstellen, wie diese Frau auf Männer wirkte.

Sie fuhren nach Sophienlust. Die Heimleiterin kam gerade aus dem Haus. Denise stellte ihr Alexandra vor. »Das ist Frau Rennert. Sie leitet Sophienlust.«

Die Heimleiterin reichte Alexandra die Hand. Dann wandte sie sich an Denise. »Die Kinder spielen im Park. Auch das neue Kind.«

»Gut«, nickte Denise. »Ich werde gleich einmal zu der Kleinen gehen. Wollen Sie mich begleiten, Frau Weiss?«

»Ich würde mir lieber das Haus von innen ansehen.«

»Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen das Haus«, schlug Frau Rennert Alexandra vor.

Denise ging in den Park.

»Tante Isi! Tante Isi!« Heidi kam ihr entgegengelaufen. An der Hand hielt sie ein kleines Mädchen. Es war genauso groß wie Heidi. Atemlos blieben die beiden Mädchen vor Denise stehen.

»Das ist Titti, Tante Isi.«

»Guten Tag, Titti.« Denise beugte sich zu dem Mädchen herab. »Ihr habt wohl schon Freundschaft geschlossen?« Sie lächelte.

Automatisch lächelte die kleine Titti zurück. Nur selten hatte sich ein Kind Denises Charme entziehen können. »Deine Brüder sorgen sich um dich«, sagte Denise.

»Oh!« Erschrocken fuhr die kleine Kinderhand zum Mund. An Conny und Niko hatte Titti den ganzen Tag nicht mehr gedacht.

»Sag doch Tante Isi, dass es dir bei uns gefällt«, drängte Heidi.

Schnell nickte Titti. »Es gefällt mir. Kann ich hierbleiben?«

Denise lächelte. Das ging ja besser, als sie erwartet hatte. Schon bei der Unterhaltung mit Alexandra war ein Gedanke in ihr aufgetaucht. Die Idee, Titti vorübergehend in Sophienlust zu behalten. Wenigstens so lange, bis die Brüder eine Haushälterin gefunden hatten.

»Wenn du willst, kannst du hierbleiben«, sagte sie. »Aber ich muss natürlich zuerst deine Brüder fragen.«

Tittis Blick verfinsterte sich. »Ich mag nicht zurück. Ich kann die alte Alexandra nicht leiden. Solange sie da ist, gehe ich nicht zurück.«

Denise begriff. So also sah das ­Verhältnis zwischen Alexandra und dem Kind aus. Doch sie wollte noch etwas mehr erfahren. »Warum kannst du Alexandra denn nicht leiden, Titti?«

»Weil …, weil sie eine Ziege ist. Ich kann sie nicht leiden.«

Damit war nicht viel anzufangen. »Ist sie garstig zu dir?«, fragte Denise weiter.

Titti schüttelte den Kopf. Alexandra kümmerte sich ja überhaupt nicht um sie. »Wenn sie mal mit mir spricht, dann schimpft sie nur.« Aber das schien Titti gar nicht so sehr zu stören. Irgendetwas anderes peinigte das Kind. Denise spürte es.

»Erzähl doch Tante Isi, was du Nick gesagt hast, Titti.« Heidi stupste die fast Gleichaltrige an.

Denise horchte auf. Sie nahm Titti bei der Hand. Langsam ging sie mit ihr zum Haus. Heidi ergriff Denises andere Hand. »Was hast du denn Nick erzählt, Titti?«

Die Kleine druckste herum.

»Soll ich es erzählen?«, mischte Heidi sich ein.

»Ja«, sagte Titti schnell.

»Titti ist traurig, weil Alexandra immer ihrem Bruder nachläuft. Und ihm schöntut.«

»Und dauernd fasst sie ihn an«, ereiferte sich nun auch Titti. Jetzt hatte sie ihre Scheu verloren. »Und dann zieht sie ihn in irgendein Versteck.«

»Und was machen sie da?«, fragte Denise vorsichtig.

»Da will sie dann immer ’nen Kuss von ihm, die alte Ziege!« Zornig stampfte Titti mit dem Fuß auf. Früher war Conny immer lieb zu ihr gewesen. Jetzt hatte er gar keine Zeit mehr für sie.

Denise begriff nun zu gut. Das Kind wurde von Eifersucht geplagt. Sie war nun fest entschlossen, Titti vorübergehend in Sophienlust zu behalten. Natürlich mussten die Brüder einverstanden sein.

»Conny und Niko sind sowieso nicht oft da«, erzählte Titti nun weiter. »Wenn sie aber abends kommen, dann kommt sie auch.« Sie meinte damit Alexandra. »Mit mir redet dann überhaupt keiner mehr. Und immer sagt sie, ich soll still sein. Ich kann doch nicht immer still sein, Tante Isi!«

»Wenn deine Brüder einverstanden sind, werde ich dich hier behalten«, versprach Denise. »Wenigstens vor­übergehend.«

»Fein«, freute sich Titti. »Dann habe ich immer jemanden zum Spielen.« Ihre Augen begannen zu leuchten. »Zu Hause war ich nämlich ­immer allein. Das ist richtig langweilig.«

Inzwischen waren sie beim Haus angelangt. »Wo ist sie?«, wollte Titti wissen.

»Du meinst Alexandra? Sie ist im Haus.«

Titti ließ Denises Hand los. »Muss ich mit reingehen?«

»Du kannst hier draußen bleiben«, gestattete Denise und betrat das Haus.

Alexandra saß in der Halle vor dem Kamin. Denise setzte sich zu ihr. »Ich würde die kleine Titti gern vorübergehend hier auf Sophienlust behalten«, sagte sie zu ihr.

Überrascht blickte Alexandra auf. »Die Idee ist gut«, entgegnete sie ­begeistert. »Dass ich nicht selbst darauf gekommen bin. Warum rufen wir nicht gleich an?«, schlug Alexandra vor.

Denise stand auf. »Ja, das ist wohl am besten. Die beiden Brüder sorgen sich bestimmt schon.«

»Sie sind wahrscheinlich erst nach Hause gekommen«, meinte Alexandra. »Ich bin heute ausnahmsweise schon am Vormittag herausgefahren. Sonst komme ich immer erst abends. Oder am Wochenende. Als Titti meinen Wagen kommen sah, lief sie davon. Ich konnte sie tatsächlich nicht mehr einholen.«

Wahrscheinlich wolltest du nicht, dachte Denise.

Genauso war es auch gewesen. Soll sie doch fortlaufen, hatte Alexandra gedacht. Erst am Nachmittag hatte sie sich dann bequemt, Titti zu suchen. Aber das hatte sie auch nur wegen Conny und Niko getan. Titti war ihr gleichgültig. Doch die Brüder hingen an der kleinen Schwester.

Das erkannte Denise auch sofort an der Reaktion der beiden. Sie hatte am Telefon mit Nikolaus Lorenz gesprochen. Er war der Ältere. Echte Besorgnis klang aus seiner Stimme. Er versprach, augenblicklich nach Sophienlust zu kommen.

Denise setzte sich wieder zu Alexandra. Sie hatte noch einen anderen Vorschlag. »Warum suchen Sie nicht eine Haushälterin für die Brüder, Frau Weiss?«

»Eine Haushälterin?« Alexandra überlegte. Die Idee war gar nicht so schlecht. Dann bräuchte sie selbst nichts mehr zu tun, sagte sie sich. Ich werde die Haushälterin selbst aussuchen, überlegte sie weiter. Dann kann ich sicher sein, dass keine Konkurrenz ins Haus kommt. Sie wandte sich wieder an Denise. »Ich bin Ihnen für diese Anregung sehr dankbar. Gleich heute Abend will ich mit Conny und Niko darüber sprechen.«

»Tun Sie das.« Denise stand auf. Sie hatte einen Wagen gehört.

Das waren die Brüder Lorenz. Constantin und Nikolaus. Eigentlich sehen sie einander gar nicht ähnlich, dachte Denise. Conny war der Jüngere. Achtundzwanzig Jahre alt. Er war blond und hatte blaue Augen.

Nikolaus hatte auch blaue Augen. Aber dunkles Haar. Er wirkte wesentlich älter, obwohl er seinem Bruder nur um vier Jahre voraus war. Aber das lag wohl an seiner ernsten, verantwortungsbewussten Art. Er reichte Denise als Erster die Hand. »Mein Name ist Nikolaus Lorenz. Das ist mein Bruder Constantin.«

Ein Lächeln lag auf Connys sympathischem jungenhaftem Gesicht. Er lachte gern und war immer zu einem Scherz aufgelegt. »Ein ganz schön eigenwilliges Persönchen haben wir zur Schwester«, sagte er jetzt.

Denise musste lachen. »Da muss ich Ihnen beipflichten, Herr Lorenz. Titti weiß genau, was sie will.« Sie führte die Herren ins Haus.

Alexandra saß in der Halle und schaute ihnen entgegen. »Hallo«, sagte sie lässig.

Das quittierte Niko mit einem Stirnrunzeln. Zwar versuchte er es zu verbergen, doch es entging Denise nicht.

»Da bist du ja«, sagte Conny. Dabei tätschelte er Alexandras Wange. »Warum hast du unsre Titti davonlaufen lassen?« Er meinte das nicht als Vorwurf. Er sprach einfach alles aus, was er dachte.

Doch Alexandra nahm den Vorwurf ernst. »Bin ich ihr Kindermädchen?«, fuhr sie auf. »Den ganzen Tag habe ich nach ihr gesucht. Bis ich sie endlich hier fand.«

»Dann hattest du ja einen ausgefüllten Tag«, hänselte Conny. Doch er glaubte ihr.

Nicht so Niko. Er war überzeugt, dass Alexandra den ganzen Tag im Garten gelegen hatte. Wahrscheinlich hatte sie Tittis Verschwinden überhaupt nicht gestört.

»Lassen wir die Kindereien«, tadelte er Alexandra und Conny. Dann wandte er sich an Denise. »Wir sind Ihnen sehr dankbar, gnädige Frau. Hoffentlich hatten Sie nicht zu viel Umstände mit dem Kind. Titti ist ein bisschen lebhaft.«

»Das ist sie«, bestätigte Denise. Dabei bot sie den beiden Herren Platz an. »Doch wir mögen hier lebhafte Kinder. Meist ist es ein Zeichen dafür, dass sie gesund und normal entwickelt sind.« Sie berichtete mit wenigen Worten, dass Titti am Morgen ganz überraschend in Sophienlust aufgetaucht war.

Niko schüttelte überrascht den Kopf. Man sah, dass er sich Gedanken machte. »Ich möchte wissen, was sie dazu veranlasst hat.«

Denise hätte ihm diese Frage beantworten können. Doch Alexandras Gegenwart hinderte sie daran. Sie wusste ja nicht, wie die beiden Brüder zu Alexandra standen. Dass Niko sie nicht besonders gern mochte, war eigentlich offensichtlich. Bei Conny war sie sich nicht ganz im klaren.

Conny beantwortete Nikos Frage jetzt. »Sie spricht doch schon lange von dem Kinderheim. Irgendjemand muss ihr davon erzählt haben.«

Niko erinnerte sich. Titti hatte ihn wiederholt gebeten, sie doch einmal in das schöne Kinderheim zu fahren, wo es Ponys und Hunde und einen großen Park gab. »Das stimmt. Trotzdem ist das noch kein Grund davonzulaufen. Wir hätten sie doch auch hergebracht.«

»Fragen Sie Titti doch selbst«, schlug Denise vor. »Sie spielt draußen im Park. Ich kann Sie zu ihr bringen.« Sie wollte die Brüder vorübergehend von Alexandra trennen. Nur so konnte Titti den beiden ihr Herz ausschütten. In Alexandras Gegenwart würde sie es wahrscheinlich nicht tun.

Niko erriet Denises Plan. Er stand sofort auf. »Gehen wir. Ich wollte mich sowieso schon lange einmal hier umsehen.« Er wandte sich an Alexandra. »Wir sind gleich wieder zurück. Wenn du auf uns warten willst?« Er schaute sie fragend an. Warum gehst du nicht, sagte sein Blick.