Trotzig aus Eifersucht - Aliza Korten - E-Book

Trotzig aus Eifersucht E-Book

Aliza Korten

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Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. »Wenn du es tust, habe ich dich nicht mehr lieb, Mutti!« Robbi lag im Bett und schaute Silke Dinkelbach zornig an. Die junge Frau beugte sich über ihren neunjährigen Sohn und küßte ihn. »Was hast du bloß gegen Gert?« seufzte sie auf. »Papi ist nun schon seit vier Jahren nicht mehr bei uns. Er wäre ganz sicher damit einverstanden.« »Wir brauchen keinen neuen Vater«, trumpfte Robbi auf. »Es geht viel besser ohne Gert. Er stört bloß. Außerdem hast du immer gesagt, daß du deinen Beruf nicht aufgeben willst. Und jetzt hast du einfach gekündigt.« Silke strich ganz sanft über das blonde Haar des Buben. »Wir gehen nach Tokio an die Botschaft, Robbi. Deshalb blieb mir wirklich nichts anderes übrig, als zu kündigen. Sie brauchen im Atelier eine gute Mode-Designerin. Ich darf sie nicht von einem Tag auf den anderen im Stich lassen.« »Wenn du ihn nicht heiratest, bleiben wir sowieso hier. Ich mag nicht nach Japan gehen.

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Sophienlust – 458 –

Trotzig aus Eifersucht

Aliza Korten

»Wenn du es tust, habe ich dich nicht mehr lieb, Mutti!« Robbi lag im Bett und schaute Silke Dinkelbach zornig an.

Die junge Frau beugte sich über ihren neunjährigen Sohn und küßte ihn. »Was hast du bloß gegen Gert?« seufzte sie auf. »Papi ist nun schon seit vier Jahren nicht mehr bei uns. Er wäre ganz sicher damit einverstanden.«

»Wir brauchen keinen neuen Vater«, trumpfte Robbi auf. »Es geht viel besser ohne Gert. Er stört bloß. Außerdem hast du immer gesagt, daß du deinen Beruf nicht aufgeben willst. Und jetzt hast du einfach gekündigt.«

Silke strich ganz sanft über das blonde Haar des Buben. »Wir gehen nach Tokio an die Botschaft, Robbi. Deshalb blieb mir wirklich nichts anderes übrig, als zu kündigen. Sie brauchen im Atelier eine gute Mode-Designerin. Ich darf sie nicht von einem Tag auf den anderen im Stich lassen.«

»Wenn du ihn nicht heiratest, bleiben wir sowieso hier. Ich mag nicht nach Japan gehen. Das ist viel zu weit weg von hier.«

»Gert hat dir Geschenke gemacht und dir in den vergangenen Wochen so manchen Wunsch erfüllt, Robbi. Bist du nicht ziemlich undankbar ihm gegenüber?«

Robbi schob die Unterlippe vor. »Zuerst habe ich natürlich nicht gewußt, was daraus werden soll. Er kam und war unheimlich nett zu uns. Wenn ich das mit der Hochzeit geahnt hätte, wäre ich von Anfang an gegen ihn gewesen. Gert ist gar kein richtiger Vater!«

Silke wich dem anklagenden Blick ihres Sohnes aus. »Wieso nicht?« erkundigte sie sich.

»Weil Papi einen Rollstuhl hatte! Und überhaupt…«

Die Mutter kämpfte mit den Tränen. Ja, Hermann war stets an den Rollstuhl gefesselt gewesen. Robbi kannte seinen geliebten Papi gar nicht anders.

Das heimtückische Leiden hatte die Kräfte von Hermann Dinkelbach allmählich aufgezehrt, bis sein Leben eines Tages verlöscht war, still und sanft. Er hatte gewußt, daß er nicht mehr lange zu leben hatte, hatte Frau und Kind mit inniger Liebe umgeben und ihnen ein beträchtliches Vermögen hinterlassen. Als Kunsthistoriker von hohem Rang hatte er sich weltweiten Ruf erworben und durch die Veröffentlichung mehrerer Fachbücher selbst in Krankheitstagen noch ein bleibendes Einkommen geschaffen.

Robbi war sozusagen auf seinen Knien groß geworden. Geduldig hatte Hermann Dinkelbach dem Bübchen Bilder und Fotografien berühmter Plastiken oder Bauwerke gezeigt und erklärt. Er hatte des Kindes Interesse an diesen herrlichen Kunstwerken wachrufen wollen und gehofft, daß Robbi später ebenfalls Kunstgeschichtler werden würde.

Der kleine Junge war fünf Jahre alt gewesen, als Hermann Dinkelbach gestorben war. Dennoch hatte er sich an seinen Papi eine erstaunlich lebhafte Erinnerung bewahrt. Er sprach häufig über den Verstorbenen und betrachtete andächtig dessen Kunstbücher, die sorgsam im riesigen Bücherschrank aufbewahrt wurden. Manchmal schlich er auf den Speicher unterm Dach des großen Mietshauses und fuhr ein wenig im Rollstuhl umher, wenngleich dessen Gummibereifung längst schadhaft geworden war.

»Warum verstehst du nicht, daß Gert und ich uns gern haben, Robbi?« flüsterte Silke mit schwankender Stimme. »Schau, wir kannten uns schon früher – viel früher. Später haben wir uns nicht mehr gesehen, und ich lernte Papi kennen. Jetzt trafen wir uns wieder, Gert und ich sind glücklich darüber. Du solltest es uns nicht so schwer machen.«

Eigensinnig schüttelte Robbi den Blondschopf. »Du brauchst ihn doch nicht gleich zu heiraten, Mutti!«

»Wenn man sich liebhat, möchte man richtig zusammenleben, Robbi. Du bist eigentlich groß genug, um das zu begreifen.«

»Ich bin doch bei dir, Mutti.«

Ach, es war ein scheinbar unlösbares Problem! Silke Dinkelbach warf einen unruhigen Blick auf ihre Uhr. Es wurde höchste Zeit für sie.

»Du mußt jetzt schlafen, Robbi«, mahnte sie leise. »Es ist bald acht.«

»Ich bin nicht müde. Du willst ja bloß mit Gert weggehen! Sag’ ihm daß wir in Deutschland bleiben wollen. Was sollen wir denn bei den Japanern?« Robbi zog seine Augen mit den Fingern zu schmalen Schlitzen. Wie ein Japaner sah er mit seinem hellen Schopf trotzdem nicht aus.

Silke lächelte. »Es könnte ganz interessant werden, ein fremdes Land kennenzulernen, Robbi. Gert war schon in anderen Staaten – in Frankreich, zum Beispiel.«

»Wenn es ihm Spaß macht – das ist seine Sache. Ich bin lieber hier.«

Die Mutter erhob sich. »Wir reden noch einmal darüber, Robbi. Schlaf gut, mein Kleiner. Überlege dir bitte, ob du nicht sehr viel von mir verlangst.«

»Wieso denn, Mutti? Ich will bloß, daß alles so bleibt wie immer. Ehe Gert hier aufkreuzte, hat es dir auch gefallen. Und jetzt willst du nach Japan. Ich finde das dumm.«

An diesem Abend war keine Einigung zu erzielen. Silke küßte ihren Jungen, betete mit ihm und verließ sein hübsch eingerichtetes Zimmer. Die Tür blieb angelehnt, während sie eilig ihr Haar in Ordnung brachte und den Mantel überzog. Zu ihrer Erleichterung war Robbi bereits eingeschlafen, als sie ein letztesmal zu ihm hineinschaute.

Gert von Blöhmer wartete unten im Wagen auf sie. Er küßte sie zärtlich, ehe er anfuhr.

»Meine Versetzung nach Tokio ist seit heute perfekt, Silke«, sagte er, während er durch den abendlichen Verkehr lenkte. »Jetzt müssen wir schnell heiraten und unsere Übersiedlung vorbereiten. Ich möchte nicht allein vorausfliegen, sondern dich und Robbi sofort mitnehmen. Glücklicherweise kann ich das Haus meines Vorgängers übernehmen, so daß ich nicht erst auf Wohnungssuche gehen muß. Wegen der Schulmöglichkeiten für Robbi habe ich schon angefragt und erwarte in Kürze Antwort.«

Silke schwieg. Dem Freund fiel das zunächst nicht auf, weil er zu stark mit seinen beruflichen Zukunftsplänen beschäftigt war.

»Du wirst deine schönen Möbel behalten wollen«, fuhr Gert fort. »Aber sie reichen für ein ganze Haus nicht aus. Solange ich Junggeselle war, habe ich mich im Ausland mit möblierten Wohnungen begnügt. Jetzt haben wir einen guten Grund, uns allerlei anzuschaffen.«

Sie erreichten ein kleines gepflegtes Lokal außerhalb der Stadt, wo sie oft zusammen aßen. Auch andere Diplomaten verkehrten dort, und Silke freute sich immer wieder, wenn sie von Gerts Kollegen aus dem Amt begrüßt wurde. Man betrachtete sie bereits als zugehörig und kam ihr offen entgegen. Es tat ihr wohl, in Begleitung eines Mannes auftreten zu können, nicht mehr allein zu sein, wie in den langen vier Jahren, seit Hermann Dinkelbachs Tod.

In einer Nische war der gewohnte Tisch für sie reserviert. Gert von Blöhmer bestellte, sobald sie die Karte studiert hatten.

»Besonders mitteilsam bis du nicht, Silke«, stellte er fest, nachdem die Suppe gebracht worden war. »Ich glaube, du hast noch keine drei Worte gesprochen.«

»Entschuldige, Gert. Unterwegs wollte ich nicht davon anfangen. Es ist einmal wieder wegen Robbi. Er hat vorhin von mir klipp und klar gefordert, daß ich dich nicht heiraten soll.«

»Dein Sohn verlangt ein bißchen viel, Silke. Du hast ihm hoffentlich erklärt, daß wir nicht unbedingt auf seine Erlaubnis angewiesen sind.«

»Wenn das so einfach wäre! Ich weiß, daß er dich gern hat. Das Verhältnis zwischen euch war ungetrübt, solange er nicht ahnte, daß wir heiraten wollen. Anfangs waren wir ja selbst nicht so sicher. Immerhin hatten wir uns einmal gründlich zerstritten.«

Gert legte die Hand auf ihren Arm. »Ich habe nie aufgehört, dich zu lieben, Silke. Eigentlich war es nur ein dummes Mißverständnis zwischen uns. Später lernte ich andere Frauen kennen, aber keine war wie du. So bin ich allein geblieben, ohne zu ahnen, daß dein Mann bereits vom Tod gezeichnet war. Heute erscheint mir dies alles wie eine gute Schicksalsfügung.«

»Das glaubte ich bisher auch, Gert. Jetzt kommen mir Zweifel. Robbi soll nicht unglücklich werden.«

»Liebling ich habe deinen kleinen Sohn fest ins Herz geschlossen! Er gehört zu dir und damit selbstverständlich auch zu mir. Im Augenblick ist er ein bißchen eigensinnig und trotzig, möglicherweise sogar eifersüchtig, weil sich außer ihm noch ein anderer in deinem Herzen eingenistet hat. Robbi war gewöhnt, in dem Königreich deines Herzens allein zu regieren. Jetzt kämpft er mit kindlicher Rücksichtslosigkeit um sein vermeintliches Recht. Wir werden ihm etwas Zeit lassen. Man darf das nicht zu wichtig nehmen.«

Silke hatte den Löffel niedergelegt und aß nicht weiter. »Robbi ist äußerst sensibel, Gert. Er hing mit abgöttischer Liebe an seinem Papi, der mit der Zeit eine Art Idol für ihn geworden ist, das er sich nicht rauben lassen will. Für ihn muß ein Vater im Rollstuhl sitzen! Das hat er mir vorhin erst auseinandergesetzt.«

»Aber das ist doch unsinnig, Silke! Hat Robbi nicht viel mehr von einem gesunden Vater, der mit ihm herumtoben und ihn, mit in die weite Welt nehmen kann?«

»So leicht ist Robbi leider nicht zu überzeugen, Gert. In den letzten Tagen frage ich mich manchmal, ob wir verzichten müssen, um den Seelenfrieden des Jungen nicht zu zerstören. Er hat damals über ein Jahr gebraucht, um den furchtbaren Schock nach Hermanns Tod zu überwinden. Der Arzt hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Robbi empfindsamer ist als normale Kinder in diesem Alter.«

Gert erschrak. »Denkst du ernsthaft an einen Verzicht, Silke? Nein, das darfst du nicht! Schließlich betrifft es nicht dich allein, sondern auch mich. Ich liebe dich und will dir endlich meine tiefe Liebe beweisen. Noch heute mache ich mir Vorwürfe, daß ich seinerzeit nicht einlenkte nach unserem Zerwürfnis.«

Silke schluckte ihre Tränen tapfer hinunter. »Es war meine Schuld, Gert, nicht deine.«

»Jedenfalls ist der Streit längst aus der Welt, Liebling. Du und ich – wir waren füreinander bestimmt. Das Schicksal hat uns noch einmal zusammengeführt. Wir haben nicht das Recht, auf das Glück, das uns erneut geboten wird, zu verzichten. Eine dritte Chance erhält niemand im Leben.«

»Ach, Gert, es ist alles so kompliziert…«

»Nun iß erst einmal, Liebling. Später reden wir in deiner Wohnung in Ruhe weiter.«

Silke nickte. Sie ließ Robbi nur ungern für eine Stunde allein, auch dann nicht, wenn er schlief. Deshalb kam Gert meistens mit zu ihr. Sie waren dann völlig ungestört, weil der Junge niemals wach wurde.

Der Kellner wechselte die Teller. Wie immer, war das Essen hervorragend, doch Silke konnte das kleine festliche Mahl nicht so recht genießen. Das Herz war ihr schwer, denn sie kannte ihren Sohn. Er würde seine Einstellung kaum ändern.

Gert von Blöhmer kam zunächst nicht auf das schwierige Thema zurück, sondern berichtete von der Tätigkeit, die im fernen Tokio auf ihn wartete. Er sollte das Kulturreferat an der Botschaft übernehmen, eine Aufgabe, die ihm reizvoll erschien.

Später fuhren sie zurück. Wie gewohnt, holte Gert eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank. Er füllte die Gläser und warf dann einen Blick durch die Tür ins Kinderzimmer. Robbi lag auf der Seite, eine Hand unter die Wange geschmiegt. Das schlafende Kind bot ein hinreißendes Bild.

Unwillkürlich zog Gert Silke fest an sich. »Er sieht dir ähnlich«, flüsterte er. »Ich habe ihn lieb, und ich will ihn adoptieren, wenn du damit einverstanden bist.«

Silke bot ihm die Lippen. Arm in Arm gingen sie hinüber ins Wohnzimmer, wo Gert sein Glas hob. »Auf unsere glückliche Zukunft zu dritt, Silke! Vielleicht werden wir eines Tages auch vier oder fünf sein«, fügte er leise hinzu.

Sie schloß die Lider. Ihr Herz schlug stürmisch.

»Ich habe Angst, Gert«, gestand sie scheu. »Robbi wird uns noch ein paar Nüsse zu knacken geben.«

»Solange du nicht von Verzicht redest, bin ich zufrieden, Silke. Bedenke, Robbi ist schon neun. In weiteren neun Jahren wird er erwachsen sein und auf uns gewiß keine Rücksicht nehmen, wenn er diesen oder jenen Beruf ergreifen, eine Freundin haben oder sonst etwas mit seinem jungen Leben beginnen will.«

»Neun Jahre sind lang, Gert.«

»Gewiß, Liebling, aber ich hoffe zuversichtlich, daß unsere Ehe viel länger dauern wird. Laß uns das Aufgebot bestellen, damit wir endlich getraut werden. Alle Welt soll wissen, daß ich dich liebe!«

»Es wäre mir leichter ums Herz, wenn ich Robbis Haltung ändern könnte, Gert. Ich will noch einmal ausführlich mit ihm über die Sache reden.«

»Das hast du schon oft genug versucht, Alexander. Sollte man ihn nicht einfach vor die vollendete Tatsache stellen? Es kann nicht alles nach Robbis Kopf gehen. Du hast ihn leider ein bißchen verwöhnt.«

»Unser gegenseitiges Verhältnis war stets ungetrübt, Gert. Deshalb tut es mir weh, daß ich ihn jetzt enttäuschen oder gar verletzen soll.«

»Ich bringe ihm meine ganze Zuneigung entgegen, Silke. Auf die Dauer kann das nicht ohne Erwiderung bleiben, meine ich.«

»Sollten wir nicht wenigstens so lange warten, Gert? Es wäre nicht schlimm, wenn wir die Hochzeit aufschieben und vielleicht in Tokio heiraten würden. Ich stelle mir das sogar äußerst romantisch vor…«

Gert von Blöhmer schüttelte energisch den Kopf.

»Davon halte ich nichts, Silke. Ich bestehe darauf, daß wir uns innerhalb der nächsten Wochen trauen lassen, und zwar hier in Deutschland. Robbi darf uns nicht von vornherein tyrannisieren. Das ändert nichts an meiner Liebe zu ihm. Er soll ja mit dazugehören!«

Silke legte ihre Hand in die des Freundes. »Du hast natürlich recht«, räumte sie ein. »Ich will ja im Grunde auch gar nicht verzichten. Warum finde ich Robbi gegenüber nicht die richtigen Worte?«

»Gegen kindlichen Trotz und gegen Eifersucht ist manchmal kein Kraut gewachsen, Silke. Versuchen wir es mit Geduld und Liebe! Später werden wir gewiß darüber lächeln, wie schwer unser Sohn uns diesen Anfang gemacht hat!«

Die junge Frau sah ihn an. »Unser Sohn, hast du gesagt«, wiederholte sie leise. Es klang ein wenig feierlich.

»Nun ja, er wird unser Sohn sein, Silke. Daran finde ich nichts Besonderes. Warum betonst du das auf einmal so?«

Silke stand auf und öffnete behutsam die Tür zu Robbis Zimmer, um sich nochmals davon zu überzeugen, daß der Blondschopf schlief.

»Was hast du, Silke?« fragte Gert verwundert.

»Robbi soll nichts davon erfahren – niemals! Aber dir möchte ich es jetzt anvertrauen, Gert. Es fällt mir allerdings nicht leicht, darüber zu sprechen. Doch einmal mußt du es erfahren, Gert. Ich schulde dir Ehrlichkeit.«

Er trat zu ihr und umschloß ihr Gesicht mit beiden Händen. »Ich liebe dich, Silke. Ein Geständnis erwarte ich nicht vor dir. Die Vergangenheit geht mich nichts an, denn unsere Wege haben sich damals leider getrennt, sosehr ich das auch später bedauerte.«

Sie schöpfte tief, tief Atem. »Doch Gert, die Vergangenheit besitzt für uns beide Bedeutung – und für Robbi natürlich auch. Als wir auseinanderliefen wie zwei dumme Kinder, war der kleine Robbi bereits unterwegs. Ich erfuhr es kurz darauf beim Arzt.«

Gert von Blöhmer starrte sie an. »Das heißt, Robbi ist mein eigener Sohn, Silke?« vergewisserte er sich mit stockender Stimme.

»Ja, Gert. Ich war zunächst tief erschrocken, wie du dir denken kannst.«

»Silke, ich wurde damals nach Paris versetzt. Warum hast du mir nicht sofort geschrieben? Ich wäre gekommen und hätte dich zu meiner Frau gemacht. Alles hätte sich zwischen uns in Ordnung bringen lassen.«

»Aber ich hatte meinen Stolz, Gert. Lieber wäre ich gestorben, als mich an dich zu wenden. So kam es, wie es gekommen ist. Hermann Dinkelbach, den ich von früher her gut kannte, wurde zu meinem besten Freund und Helfer. Er heiratete mich und gab dem Jungen seinen Namen, obgleich er wußte, daß Robbi nicht sein leiblicher Sohn war. Niemand erfuhr es jemals. Das war Hermanns Wille, und ich bin ihm bis auf den heutigen Tag dankbar für diese Großherzigkeit.«

»Wenn ich das geahnt hätte, Silke!«

»Robbi hat seinen Papi leidenschaftlich geliebt, und das war Hermanns beglückender Lohn, denn er hätte nie ein eigenes Kind haben können, weil er zu krank war. Er beschäftigte sich intensiv mit diesem kleinen Jungen und gab sich Mühe, in seine Seele die Liebe zu der Kunst einzupflanzen, die sein Lebenswerk bestimmte. Deshalb kann ich es meinem kleinen Robbi nicht einmal verübeln, daß er glaubt, seinem geliebten Papi weiterhin die Treue halten zu müssen.«

Gert umarmte Silke und legte die Lippen auf ihren Mund.

»Das ist für mich tief erschütternd, Silke«, sagte er endlich. »Ich fühlte mich von Anfang an zu Robbi hingezogen, dachte, es sei seine Ähnlichkeit mit dir. Doch es war wohl eine innere Stimme, die mir zu verstehen gab, daß dieses Kind mein eigenes ist.«

»Müßte Robbi nicht ebenso empfinden, Gert?« wandte Silke mutlos ein.

Er strich über das Haar. »Vergiß nicht, daß es zwischen meinem Sohn und mir nicht die geringsten Probleme gab, ehe von unserer Hochzeit die Rede war. Du darfst seine jetzige Abwehr nicht überbewerten. Er ist eifersüchtig, weiter nichts. Mir geht es ja selbst ein wenig so wie ihm. Irgendwie stört es mich, daß dieser nette kleine Bursche gewissermaßen den ersten Platz in deinem Herzen eingenommen hat und sich nicht verdrängen lassen will.«

»Für Liebe ist immer genug Raum in meinem Herzen, Gert.«

Wieder küßte er sie. »Ja, Silke, das weiß und verstehe ich. Diese winzige Eifersucht auf den Buben hat absolut keine Bedeutung, aber ich bin auf diese Weise in der Lage, Robbis Empfindungen nachzuvollziehen. Nachdem du mir nun gesagt hast, daß er mein eigener Sohn ist, bin ich um so zuversichtlicher. Es ist wie ein Wunder. Ich habe seit neun Jahren einen Sohn und wußte nichts davon!«

»Du bist mir nicht böse, daß ich Hermanns Frau wurde? Es war ja tatsächlich nur Stolz oder Trotz, der mich zu ihm führte. Ich kannte dich genau und zweifelte nicht daran, daß du die Konsequenzen auf dich genommen hättest, hätte ich dir geschrieben. Ich hoffte sogar, daß du… daß du von selbst kämst…«

»Wie töricht waren wir, Silke. Wir haben neun kostbare Jahre versäumt. Ich darf dir aber deswegen keinen Vorwurf machen, denn es wäre meine Pflicht gewesen, mich bei dir zu entschuldigen. Damit hätte ich den Weg freigemacht für… für unser Glück. Diese Erkenntnis ist wirklich hart.«