Zart wie Mutters Hände - Gert Rothberg - E-Book

Zart wie Mutters Hände E-Book

Gert Rothberg

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Beschreibung

In diesen warmherzigen Romanen der beliebten, erfolgreichen Sophienlust-Serie ist Denise überall im Einsatz. Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Doch auf Denise ist Verlass. In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg. Andrea von Lehn sah zu ihrem Mann zurück und lachte. »Jetzt kannst du dich allem Anschein nach nicht von dem Porträt trennen, Hans-Joachim. Aber vorhin hast du dich noch über mich lustig gemacht.« »Mir steht es auch eher zu als dir, ein Frauenbildnis zu bewundern, Andrea.« Dr. von Lehn kam durch den kleinen Raum der Galerie auf seine Frau zu und drückte ihr verstohlen einen Kuss auf die Wange. »Eifersüchtig, mein Schatz? Auf ein Porträt? Du wolltest doch unbedingt nach München fahren und in diese Ausstellung gehen. Jetzt musst du die Folgen tragen. Ich habe mich in eine schöne junge blonde Frau verliebt.« »Du bist ein Schwerenöter, Hans-Joachim. Und ärgern willst du mich obendrein. Doch solange diese Liebe so platonisch bleibt, erlaube ich sie dir.« In Andreas blauen Augen blitzte der Schelm. »Da würde ich an deiner Stelle aber etwas vorsichtiger sein, Andrea. Irgendwo gibt es ja diese Frau. Dieses Porträt dort stammt von einem noch lebenden Künstler. Ich nehme sogar an, dass er noch recht jung ist. Also würde wohl auch sein reizendes Modell irgendwo aufzutreiben sein.«

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Sophienlust Extra – 28 –

Zart wie Mutters Hände

Die kleine Elvi vermisst ihre Mutti so sehr!

Gert Rothberg

Andrea von Lehn sah zu ihrem Mann zurück und lachte. »Jetzt kannst du dich allem Anschein nach nicht von dem Porträt trennen, Hans-Joachim. Aber vorhin hast du dich noch über mich lustig gemacht.«

»Mir steht es auch eher zu als dir, ein Frauenbildnis zu bewundern, Andrea.« Dr. von Lehn kam durch den kleinen Raum der Galerie auf seine Frau zu und drückte ihr verstohlen einen Kuss auf die Wange. »Eifersüchtig, mein Schatz? Auf ein Porträt? Du wolltest doch unbedingt nach München fahren und in diese Ausstellung gehen. Jetzt musst du die Folgen tragen. Ich habe mich in eine schöne junge blonde Frau verliebt.«

»Du bist ein Schwerenöter, Hans-Joachim. Und ärgern willst du mich obendrein. Doch solange diese Liebe so platonisch bleibt, erlaube ich sie dir.«

In Andreas blauen Augen blitzte der Schelm.

»Da würde ich an deiner Stelle aber etwas vorsichtiger sein, Andrea. Irgendwo gibt es ja diese Frau. Dieses Porträt dort stammt von einem noch lebenden Künstler. Ich nehme sogar an, dass er noch recht jung ist. Also würde wohl auch sein reizendes Modell irgendwo aufzutreiben sein.«

Andrea, die sich sonst gern in Streitgespräche mit ihrem Mann einließ, hörte ihm jetzt kaum noch zu. Sie sah schon wieder zu dem Platz vor dem Porträt der schönen jungen Frau zurück, auf dem ihr Mann eben so lange verharrt hatte. Jetzt stand ein kleines Mädchen dort. Ein sehr hübsches Mädchen sogar. Es hatte blondes Haar, das in zwei Zöpfchen geflochten war, und über der Stirn einige Ponyfransen, die sich an den dunklen Augenbrauen stießen. Auffallend große blaue Augen beherrschten das kleine Gesicht.

Das Mädchen konnte etwa fünf Jahre alt sein. Es stand ganz still, mit herunterhängenden Armen da und starrte unentwegt auf das Bild der jungen Frau.

Andrea flüsterte ihrem Mann zu: »Das Kind scheint allein hier zu sein. Sieh doch, niemand kümmert sich um die Kleine. Sie sieht sich auch nicht nach jemandem um, der auf sie wartet. Seit wann geht ein so kleines Kind in eine Gemäldeausstellung und noch da­zu allein?«

Hans-Joachim von Lehn seufzte. »O mein Gott, Andrea, zügle deine Fantasie. Ich bitte dich. Ich sehe dir schon an, dass du wieder einmal auf dem besten Weg bist, dir ein Kinderschicksal auszumalen.« Er beugte sich zu seiner Frau hinab und fügte hinzu: »Nicht jedes Kind, das irgendwo allein herumsteht, ist ein Schützling für Sophienlust.«

»Aber oft genug war es schon so.« Andreas Stimme klang trotzig. »Siehst du denn dem kleinen Mädchen nicht an, dass es traurig ist?«

»Zumindest ist es für sein Alter sehr ernst, Andrea. Aber so etwas kann Veranlagung sein.«

Jetzt war es Andrea, die seufzte. Sogar recht laut, »Hoffentlich begreifst du bei unserem Kind mal schneller, wann es in Not ist, Hans-Joachim.«

Hans-Joachim legte den Arm um die Schultern seiner Frau, in deren Gesicht zarte Röte gestiegen war. »Ich hoffe, dass unser Kind nie in Not geraten wird, Andrea. Aber es könnte leicht eine sehr ernste Veranlagung mitbringen, wenn du so grübelst wie jetzt. Sei fröhlich, Andrea. So liebe ich dich am meisten. Und so soll auch unser Kindchen werden. Gehen wir jetzt weiter?«

»Ja«, sagte Andrea sehr bereitwillig, schlug aber dann doch nicht die Richtung ein, die ihr Mann im Sinn hatte.

Andrea ging zurück. Bis zu dem kleinen Mädchen. »Gefällt dir das Bild?«, fragte sie.

Das Kind zuckte zusammen. Dann sah es Andrea an. Mit leuchtenden Augen. »Ja, es gefällt mir sehr. Das ist doch meine Mutti. Ich besuche sie jeden Tag. Gefällt sie dir auch so gut?«

Andrea schluckte. Mühsam sagte sie: »Ja.« Ihr Blick wanderte danach von dem kleinen Mädchen zu dem Frauenbildnis. Jetzt konnte sie auch eine Ähnlichkeit feststellen. Zumindest was das blonde Haar und die blauen Augen anbetraf. Sie strich dem Kind über den Kopf. »Wie heißt du denn?«

»Elvira. Aber alle rufen mich Elvi. Ich muss jetzt gehen, sonst merkt mein Vati, dass ich fortgegangen bin.« Schon lief das Kind aus dem Raum.

Hans-Joachim von Lehn sah seine Frau an. Er seufzte nicht mehr. Dazu wäre es auch zu spät gewesen. Er sah ein, er musste sich damit abfinden, dass Andrea jetzt an dem Schicksal der kleinen Elvi herumrätselte.

»Augenblick, Hans-Joachim«, sagte sie und ging zu dem Aufseher, der an der Tür stand. »Kennen Sie die kleine Elvi? Ich meine das Kind dort.« Andrea zeigte den Gang entlang, wo Elvi gerade verschwand.

Der Aufseher nickte. »Die kenne ich natürlich. Sie kommt ja jeden Tag hierher.« Der Mann neigte sich etwas näher zu Andrea. »Natürlich lasse ich sie ohne Eintrittskarte herein. Wer kann so einem Kind schon etwas abnehmen? Noch dazu, wo es ja das Töchterchen des Malers Thilo Borchert ist.«

»Thilo Borchert?«, fragte Andrea. »Aber das ist doch der Maler dieses schönen Frauenkopfes dort.«

»Ja, so ist es.«

»Elvi sagte mir eben, das Bild zeige ihre Mutter.«

»Auch das stimmt.«

»Und das Kind kommt wirklich jeden Tag?«, fragte Andrea erregt.

Der Mann lächelte in sich hinein. »Ja, seit vierzehn Tagen. So lange läuft die Ausstellung schon, und so lange hängt das Bild der blonden Frau dort. Es hätte schon viele Liebhaber gefunden, aber der Maler verkauft es nicht. Dabei hätte er das sicher sehr nötig. Es heißt nämlich, dass er sich bis jetzt recht durchgehungert hat. Aber das ist ja bei Künstlern keine Seltenheit.«

Auch jetzt hatte Andrea nur mit wenig Interesse zugehört. Ihr ging nicht aus dem Sinn, wie es möglich war, dass ein so kleines Mädchen mitten in der Großstadt jeden Tag einen sicher nicht ungefährlichen Weg machte. Das sagte sie auch zu dem Aufseher.

»Der Maler Borchert wohnt hier in der Nähe. Das Kind kann also zu Fuß gehen.«

Jetzt kam Hans-Joachim und zog Andrea mit sich. »Komm, du hast genug gefragt. Wir wollen doch noch die Bilder in den anderen Sälen ansehen.«

Andrea fügte sich, aber sie war sehr still geworden. Sosehr sie zuvor gedrängt hatte, nach München zu fahren und diese Ausstellung zu besuchen, jetzt schien ihr Interesse daran erschöpft zu sein.

*

Am nächsten Vormittag war das junge Ehepaar von Lehn wieder in der Ausstellung. Andrea hatte nicht geruht, bis ihr Mann ihr diesen Wunsch erfüllt hatte. Hans-Joachim kannte seine Frau. Hätte er sie gezwungen, mit ihm nach Wildmoos zurückzufahren, ohne dass sie die kleine Elvi noch einmal gesehen hätte, wäre sie ruhelos gewesen. Und gerade das wollte er ihr jetzt ersparen. Sie erwartete ja ein Kindchen, und er, Hans Joachim, hätte seine Frau am liebsten in eine Glasvitrine gepackt, seit er das wusste. Das behauptete Andrea zumindest, wenn sie sich gegen seine übertriebene Fürsorge wehrte.

Jetzt stand sie nervös vor dem Porträt der blonden jungen Frau und lief immer wieder zum Ausgang. Sie fürchtete, dass die kleine Elvi gerade an diesem Tag nicht kommen könnte.

Aber diese Enttäuschung brauchte die junge Frau nicht hinzunehmen. Elvi kam den Gang entlang, grüßte den Aufseher und stand wenig später vor dem Bild. »Bist du auch wieder da?«, fragte sie und sah Andrea an.

»Ja, ich wollte dich wiedersehen, Elvi. Ich würde gern mit dir ein Eis essen gehen.« Diesen Vorschlag machte Andrea mit erregt klopfendem Herzen.

Das Gesicht des Kindes wurde ernst. »Ich darf mit niemandem mitgehen. Das hat mir meine Mutti noch verboten.«

Dieses »noch« setzte sich in Andrea fest. Ihr Verdacht, dass Elvis Mutter gestorben sei, festigte sich.

Elvi sah Andrea noch immer forschend an, als sei sie im Zweifel, ob sie ihr vielleicht doch vertrauen könne.

Aber Andrea sagte jetzt: »Wenn dir das deine Mutti verboten hat, dann darfst du es auch nicht tun. Ich habe im Augenblick nicht daran gedacht, dass ich in der Großstadt bin. Da muss ein kleines Mädchen vorsichtiger sein. Weißt du, ich lebe auf dem Land. Da kennt einer den anderen, und da sind die Gefahren für ein Kind nicht so groß.«

»Ich möchte auch auf dem Land wohnen. Dort gibt es Kühe und Pferde und viel mehr Hunde als in der Stadt. Wenn ich bei meiner Mutti sein dürfte, hätte ich es viel schöner. Sie ist auch auf dem Land.«

»So?«, fragte Andrea. Dabei wusste sie nicht, fiel ihr jetzt ein Stein vom Herzen, weil Elvis Mutter noch lebte, oder kam ihr Elvis Schicksal nun noch trauriger vor. Endlich wagte sie eine Frage: »Warum darfst du denn nicht bei deiner Mutti sein?«

Elvi zuckte die Schultern. »Mein Vati hat meine Mutti fortgeschickt. Ich glaube, sie haben Streit gehabt. Mutti wollte mich ja mitnehmen, aber …«, das Mädchen sah wieder sehr hilflos drein, Vati hat mich nicht hergegeben.«

Andrea konnte nicht mehr in diesen Wunden bohren. Sie fragte: »Wie alt bist du denn, Elvi?«

»Ich war schon fünf Jahre.« Das klang sehr stolz.

»Aber trotzdem musst du sehr vorsichtig sein, wenn du so allein hierhergehst.«

»Ich passe gut auf. Ich brauche auch gar nicht über die Straße zu gehen, ich kann immer auf dem Bürgersteig bleiben.« Jetzt hob sich Elvi auf die Zehenspitzen und fügte leise hinzu: »Nur Vati darf nicht wissen, wo ich bin. Er will nicht, dass ich hierher zu Mutti gehe.«

Hans-Joachim von Lehn sah seiner Frau an, wie sehr sie bereute, das Kind zu diesem quälenden Gespräch verleitet zu haben. Deshalb drängte er, die Ausstellung zu verlassen.

Andrea reichte Elvi die Hand. »Auf Wiedersehen, Elvi.«

»Auf Wiedersehen«, antwortete das Mädchen und machte einen Knicks. »Kommst du morgen auch wieder?«

»Nein, Elvi. Morgen bin ich schon zu Hause.«

»Schade!«, sagte Elvi. Und dieses Wort schien ihr aus tiefstem Herzen zu kommen.

Andrea verließ mit traurigem Gesicht den kleinen Saal. Als sie schon an dem Aufseher vorbeigegangen war, hörte sie Schritte hinter sich. Elvi kam angelaufen. Sie blieb vor Andrea stehen, sah zu ihr auf und fragte: »Tante, findest du meine Mutti auch so lieb?«

Andrea beugte sich zu dem Kind hinab und drückte es an sich. »Ja, Elvi.«

»Sie ist die allerliebste Mutti auf der ganzen Welt.« Das sagte Elvi mit einer solchen Innigkeit, dass Andrea die Tränen in die Augen schossen. Was sollte sie nur mit diesem Kind tun? Allem Anschein nach hatte es sich nach jemandem gesehnt, dem es dieses Geständnis machen konnte.

»Ja, das glaube ich dir, Elvi«, brachte Andrea mühsam hervor.

Auch Hans-Joachim von Lehn stand unbeholfen vor dem Kind.

Aber Elvi erlöste die beiden Erwachsenen aus ihrer Hilflosigkeit, indem sie wieder zurück in den kleinen Saal rannte. Zu dem Bild ihrer Mutter.

Andrea konnte sich lange nicht beruhigen. Auf der Fahrt nach Wildmoos saß sie schweigend neben ihrem Mann. Weil das selten passierte, sorgte Hans-Joachim sich noch mehr um sie. Er wusste, Andrea würde sofort ihre Mutter in Sophienlust besuchen, sobald sie zu Hause sein würden.

Ein wenig fürchtete Hans-Joachim das, was die beiden Frauen dann aushecken würden. Wenn es um ein einsames oder gequältes Kind ging, waren sie sich meistens einig, dass man ihm helfen müsse.

*

Das Atelier des Malers Thilo Borchert lag in der Prinzregentenstraße in einem der ältesten Häuser von München ganz unter dem Dach. Zu dem Atelier gehörte eine sehr kleine Wohnung. Aber diese enge Wohnung hatte fünf Jahre lang ein trotz aller materieller Sorgen sehr glückliches Paar beherbergt – Thilo und Cordula Borchert. Mit der Geburt der kleinen Elvi war zwar die Geldnot noch größer geworden, aber ebenso das Glück der kleinen Familie.

Und dennoch war es vor einigen Wochen zum Bruch zwischen dem jungen Paar gekommen. Thilo Borchert hatte seine Frau aus der Wohnung gewiesen und ihr verweigert, die kleine Elvi mitzunehmen. Seitdem hatte er nicht mehr gearbeitet.

Auch jetzt saß Thilo in seinem Atelier und starrte nur auf die Staffeleien. Er hatte mehrere Bilder angefangen, aber keines vollendet.

Nun stand er auf und ging von Staffelei zu Staffelei. Er fuhr sich mit beiden Händen durch das lange blonde Haar. In seinen dunklen Augen lag dabei Gram. »Es wird immer wieder Cordula«, sagte er vor sich hin. »Immer nur Cordula. Das hat sie nicht verdient.« Als er ein Geräusch hinter sich hörte, drehte er sich nicht um. Er sagte nur: »Bleib jetzt oben, Elvi. Ich fahre nachher mit dir an die Isar zum Baden.«

Als er keine Antwort bekam und sich nichts mehr hinter ihm rührte, drehte er sich um. »Cordula!« Dieser Aufschrei war Freude und Empörung zur gleichen Zeit.

Die schlanke blonde Frau lehnte sich an die Tür. In ihren blauen Augen standen Tränen. »Ich musste zurückkommen, Thilo. Ich habe es nicht mehr ohne dich und Elvi ausgehalten.«

Jetzt kam ein spöttisches Lachen von Thilos Lippen. »Wer dich so sieht und hört, Cordula, der käme in Versuchung, dir zu glauben. Aber mich täuschst du nicht mehr. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du uns beiden diese Aufregung nicht ersparst. Es steht doch bereits fest, dass die Scheidung eingeleitet wird. Wir hätten uns nur noch einmal zu sehen brauchen – vor Gericht.«

Langsam kam Cordula auf ihren Mann zu. »Eben das wollte ich nicht. Thilo, hast du all die Jahre vergessen, in denen wir hier glücklich waren?«

»Ja, ich habe sie vergessen.« Das sagte der Maler mit fester Stimme. »Ich habe sie in dem Augenblick vergessen, als ich hörte, dass du die Geliebte von Werner von Opitz bist.«

»Aber das stimmt doch nicht, das ist nicht wahr, Thilo. Bitte, glaube mir doch jetzt wenigstens. Ich habe Werner von Opitz nur eines deiner Bilder verkauft. Du weißt, wie nötig wir das Geld brauchten.«

»Sprich nicht von Geld. Damit erinnerst du mich nur an meine Unfähigkeit, eine Familie zu ernähren. Ich hätte das schon früher einsehen müssen. Immerhin war ich siebenundzwanzig, als wir heirateten. Wenigstens ich hätte Verstand haben müssen. Du warst ja erst neunzehn. Von dir konnte noch niemand verlangen, dass du wusstest, was dir an der Seite eines Hungerleiders blühen würde. Aber ich war ja verliebt in dich. Nein, ich habe dich geliebt. In einem solchen Zustand ist auch ein erwachsener Mann nur Optimist. Ich dachte, ich würde es schon schaffen, dir wenigstens einen Bruchteil dessen bieten zu können, was du als verwöhnte Tochter des reichen Berkenkamps verlangen konntest.«

»Thilo, du weißt genau, dass es mich nie nach dem Leben verlangt hat, das ich von klein auf gewöhnt war. Was hatte ich denn im Haus meines Vaters schon? Seitdem Mutter tot war, fühlte ich mich verlassen. Mein Vater hatte nie Zeit für mich. Alles drehte sich bei ihm nur um sein Werk, um Geld und um pompöse Neuanschaffungen. Auch wenn es in unserer Ehe finanziell sehr knapp zuging, so habe ich doch nie die Hoffnung aufgegeben, dass du es noch schaffst. Ich war nie so deprimiert wie du.«

Thilo ging in dem kleinen Atelier auf und ab. Sein schmales Gesicht war bleich, seine Augen glühten. Jetzt blieb er abrupt vor seiner Frau stehen. »Nein, du warst nicht deprimiert. Trotzdem hast du ein Bild verkauft und mir beigebracht, es hätte von selbst einen Käufer gefunden. Eben jenen sauberen Werner von Opitz.«

Cordula streckte die Hände aus und legte sie auf die Arme ihres Mannes. »Ich wollte dir doch nur etwas Mut machen, Thilo. Deine Bilder sind so gut, aber du hast nicht die entsprechenden Verbindungen, um sie auch zu verkaufen. Ich dachte, wenn erst einmal eines deiner Bilder unter die Leute kommt, dann wird man auf dich aufmerksam werden. Das war doch ein Schwindel aus Liebe. Ist das nicht verzeihlich?«

»Wenn es so wäre, wie du es jetzt hinstellst – vielleicht. Aber dieser Werner von Opitz hat das Bild ja nur gekauft, um dir einen Gefallen zu erweisen. Du warst doch mit diesem Mann befreundet, als du mich noch gar nicht kanntest. Dein Vater wollte, dass Werner von Opitz dein Mann wird.«

»Ja, ja, Thilo, das stimmt alles. Aber hast du das nicht immer gewusst? Auch, dass ich für Werner von Opitz nicht das geringste übrig hatte? Die ganzen Jahre hast du mir das geglaubt, warum jetzt auf einmal nicht mehr?« Cordula hatte nun ihre Arme um den Nacken ihres Mannes geschlungen. Ihre Augen flehten.

Brüsk befreite sich Thilo von seiner Frau. »Du hast Werner von Opitz gehört, Cordula.«

»Das ist nicht wahr!«, schrie die junge Frau auf.

»Dann musst du es vergessen haben. Er aber erinnert sich noch sehr gut daran.« Thilo konnte vor Erregung kaum sprechen. »Was soll diese Komödie? Warum kommst du noch einmal hierher? Um mich zu quälen? Macht dir das so viel Freude?«

Cordula starrte ihren Mann an, als habe sie den Verstand verloren. »Was hast du gesagt? Werner von Opitz erinnert sich daran, dass ich ihm gehört habe?«, fragte sie mit zitternder Stimme.

»Ja, genau so ist es. Ich habe mit ihm gesprochen. Hat er dir das etwa nicht gesagt? Ist er nur zu mir ehrlich?«

»Aber das ist doch Lüge, Thilo! Eine ganz gemeine Lüge. Was will Werner von Opitz damit bezwecken?«

»Diese Frage brauche ich mir nicht zu stellen, Cordula. Für mich ist nur wichtig, dass mir dieser Mann gestanden hat, was zwischen euch ist.«

»Und du glaubst ihm mehr als deiner Frau, Thilo?«

»Warum sollte er lügen? So rühmenswert ist es für einen Werner von Opitz schließlich nicht, als Zeuge bei einer Scheidungsverhandlung auftreten zu müssen. Er hätte sicher lieber geleugnet. Ein Ehebrecher steht nie gut da. Aber dieser Mann hat mir gegenüber zugegeben, was geschehen ist. Es steht nun in deinem Ermessen, ob du deine Schuld zugibst und wir ohne viel Aufsehen geschieden werden oder ob du den Skandal willst. Für die Presse wird es natürlich ein willkommenes Fressen sein, von der Scheidung zu berichten. Die Tochter des alten Berkenkamp, fünf Jahre mit einem Maler verheiratet, bricht die Ehe. Nun, das ist vielleicht nicht so verwunderlich. Aber wenn Werner von Opitz im Gerichtssaal steht und den Ehebruch zugibt, das dürfte pikant werden.« Thilos Stimme war immer zynischer geworden.

»Du liebst mich nicht mehr, Thilo, sonst könntest du nicht so mit mir sprechen. Ich sehe jetzt ein, dass ich dich nicht umstimmen kann.« Cordula war auf einen Stuhl gesunken. Sie schlug die Hände vor das Gesicht. Ihre Schultern zuckten.

Thilo stand hinter ihr. Er bohrte die Hände tief in seine Hosentaschen. Seine Augen schienen zu sagen: Nein, strecke die Arme nicht nach ihr aus. Sie täuscht dich doch. Es ist alles wahr, was Werner von Opitz sagt!

Cordula ließ die Hände sinken. »Bitte, Thilo, überlass mir unser Kind. War ich Elvi nicht immer eine gute Mutter?«