Spiel, bis du stirbst - Sönke Brandschwert - E-Book

Spiel, bis du stirbst E-Book

Sönke Brandschwert

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Beschreibung

Eine Tote, deren Verletzungen auf sadomasochistische Praktiken schließen lassen. Eine Detektivin, die selbst in diesem Metier zuhause ist. Unerwartete Ereignisse, die Zweifel säen. Spiel, bis du stirbst. Ein echter Brandschwert, der nicht nur unter die Haut geht, sondern tief ins Fleisch.

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Seitenzahl: 527

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Spiel,

bis du

stirbst

Ein Thriller von

Sönke Brandschwert

Erstveröffentlichung (Print-Ausgabe) 2010 im Sigrid Böhme Verlag

Copyright 2013 © by Sigrid Böhme Verlag

Titelbild © Lizard / Pixmac Umschlaggestaltung: SMB

Satz: Böhme

www.sigrid-boehme-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten.

Kopieren, Nachdruck,

schriftliche oder digitale Veröffentlichungen,

auch auszugsweise,

sind genehmigungspflichtig.

Als Ausnahme sind Veröffentlichungen im

Zuge von Rezensionen bis zu zwei

Buchseiten ausdrücklich erlaubt, sowohl in

gedruckter als auch digitaler Form.

Vorwort

Für „Spiel, bis du stirbst“ tauchte ich in eine mir bisher fremde Welt ein. Ohne die Bereitschaft einiger Menschen, mit mir über sehr private und teilweise intime Dinge zu sprechen, hätte ich das dargestellte Umfeld bestenfalls klischeehaft zeichnen können. Deshalb ist es mir ein Herzensbedürfnis, mich bei allen zu bedanken, die mir ein sehr detailreiches Bild von der Welt des BDSM gegeben haben, sowie bei allen anderen, die mich bei meiner Arbeit – wie auch immer – unterstützten.

Mein spezieller Dank geht an:

Gaia, für ihre Geduld beim Beantworten meiner Fragen.

Mia Miau für ihre Hinweise zu meinen Texten.

Mistress Christine, für unsere Telefonate, in denen sie mir viel vermittelte. Ebenso für das Testlesen des Manuskripts und für ihre korrigierenden Anmerkungen.

PreciousAngel, für die Treffen mit ausführlichen Gesprächen und vor allem dafür, dass sie mich ins „Grande Opera“ (Home Of Fetish People) zur „Kunst und Sünde“ mitnahm.

SaM, die ich kennenlernte, als ich bei Seite 198 war. Die zufällige Namensgleichheit mit meiner Protagonistin machte mich auf sie aufmerksam und gab mir Anlass, den Kontakt zu ihr zu suchen. Ihre Offenheit und Gesprächsbereitschaft nahm ich dankend an. Danke auch für die Einführung ins „Black Stage“ in Karlsruhe.

Jean Christophe Uhl, der mir die Erlaubnis erteilte, seinen Insider-Club „Grande Opera“ in Offenbach als Kulisse zu verwenden.

All den Nutzer/innen der Sklavenzentrale.com, die unterstützt, beraten, erklärt, verdeutlicht und beschrieben haben!

Rechtsanwalt Dr. Jens Eckhardt, der mir stets mit Rat zur Seite steht, was rechtliche Dinge und juristische Ausdrucksformen betrifft.

Diplom-Psychologe Frank Ludwig, der psychologisch schwierige Passagen gegenliest und mich hierbei berät.

Vielen Dank. Sönke Brandschwert

Pein

Mit Tränen will ich Dich befreien, rollen sollen sie über Dein Gesicht, Dein sein, schluchzend, jauchzend, wenn Du flehst und zu mir sprichst. Deinen Schmerz werd´ ich jagen, Dir zeigen die Spuren, was in Dir ist. Meine Hand wird nicht versagen, Deine Pein sein, bis der Spiegel bricht. Tief in der Seele grab´ ich alles hervor,

1 | Wie ein Reh aus dem Walde

Äste schlugen ihr ins Gesicht und zeichneten eine Landschaft aus blutigen Kratzern auf ihre Haut. Egal. Gegen das, was sie zuvor hatte über sich ergehen lassen müssen, waren das beinahe Streicheleinheiten. Und sie musste weiter, wenn sie nicht zurück in die Hölle wollte. In keinem Fall durfte sie jetzt ausrutschen, sonst würde er sie haben. Aber es war so verdammt steil, und der feuchte Waldboden bot ihren nackten Füßen wenig Halt. Mehr stolpernd als laufend bewegte sie sich auf schmerzenden Fußsohlen den Abhang hinunter, immer wieder Halt an einem Baum suchend.

Obwohl sie genau wusste, dass sie damit unnötig Zeit verlor, zwang ihre stete Angst sie dazu, sich umzudrehen. Wie weit war er noch entfernt? Hatte sie genügend Vorsprung? Oder musste sie jeden Augenblick damit rechnen, dass er sich auf sie stürzte?

Nein, sie hörte zwar das beunruhigende Knacken von brechendem Holz hinter sich, aber zu sehen war er noch nicht. In diesem dichten Wald hatte das nicht viel zu bedeuten, denn die Sichtweite betrug auch ohne Nebel nur wenige Meter, so eng standen die Bäume zusammen. Zum Glück war es nicht dunkel. Das Licht des späten, trüben Nachmittags ließ sie wenigstens die fremde Umgebung erkennen.

Der Geruch, der in der Luft lag, kam ihr seltsam irreal vor. Die Wälder in ihrer Heimat rochen anders. Vielleicht befand sie sich ja doch in einem abstrusen Traum, und dieser Wald existierte gar nicht? Dann würde sie bald erwachen und alles war gut.

Ein Rufen, laut und aggressiv. Die Worte verstand sie nicht, obwohl sie klar und deutlich an ihre Ohren drangen. Es war nicht ihre Sprache.

Geräusche. Sie hörten sich an wie vorbeifahrende Autos. In der Nähe musste eine Straße sein. Ein Geschenk des Himmels!

Sie stolperte weiter. Als sie sich an einem schlanken Baumstamm festhalten wollte, sah sie nicht den spitzen, abstehenden Holzsplitter. Er drang mit voller Wucht in ihre Handfläche ein. Ein kurzes Aufstöhnen, dann nahm sie mit zusammengebissenen Zähnen die Hand vom Baum.

Sofort fing die Wunde an zu bluten, aber Schmerzen spürte sie kaum. Die Qualen, die noch immer zwischen ihren Beinen tobten, überdeckten alles andere. Tausend glühende Nadeln, die ihren Unterleib malträtierten, hätten nicht schlimmer sein können.

Kurz kam es ihr in den Sinn, wie erstaunlich es war, dass sie überhaupt noch laufen konnte. Doch die Pein, die sie in diesem dornigen Waldstück erlitt, war nichts gegen das, was sie über sich hätte ergehen lassen müssen, wenn sie geblieben wäre. Nur dieses Wissen war es, was sie aufrecht hielt. Dieses Wissen, und das in hohen Dosen ausgeschüttete Adrenalin. Selbst der Schwindel, mit dem ihr Kreislauf darauf aufmerksam machen wollte, dass sie ihre körperlichen Grenzen erreicht hatte, hinderte sie nicht daran, weiter zu laufen.

Das Rauschen des Verkehrs wurde lauter. Sie musste es nur bis zur Straße schaffen, dann hatte sie gewonnen. Ganz egal, wo diese Straße war oder wo sie hinführte: Solange sie stark befahren war, würde er ihr dort nichts mehr anhaben, dessen war sie sich sicher. Zu viele Augen könnten ihn später wiedererkennen.

Noch einmal das grimmige Rufen, diesmal lauter. Erneut vergeudete sie Zeit, indem sie sich gehetzt umblickte. Da war er, vielleicht noch zehn Meter entfernt. Seine Hände waren leer. Gut, er hatte keine Waffe bei sich. Trotzdem ließ sein Anblick ihr ohnehin schon rasendes Herz noch schneller schlagen. Wenn er sie einholte, würde er keine Waffe benötigen. Sie kannte seine enorme Kraft, der sie nichts entgegenzusetzen hatte. Doch die rettende Straße konnte nicht mehr weit sein.

Mit einem Satz überwand sie eine Stelle, an der es einen Meter senkrecht nach unten ging. Dabei prallte sie mit dem rechten Oberschenkel gegen eine Tanne. Als ihre Jeans heftig gegen die Wunde gedrückt wurde, brannte es wie Feuer, ebenso sehr wie die Glut der Zigaretten dort gebrannt hatte. Bilder schossen ihr durch den Kopf. Bilder von dem Mann, der gierig über ihr stand und unaussprechliche Dinge mit ihr tat. Strenge, aber auch erwartungsvolle Blicke.

Mit größter Überwindung zwang sie die Gedanken beiseite. Als wäre die sich überschlagende Stimme hinter ihr ein Startschuss gewesen, lief sie weiter. Plötzlich erblickte sie durch die Stämme hindurch ein vorbeifahrendes Auto. Das gab ihr neue Energie. Jetzt war es wirklich nicht mehr weit, und sie würde es schaffen.

Hinter sich hörte sie bereits die Geräusche des herannahenden Mannes, die sie vor Sekunden noch zu Tode erschreckt hätten. Doch die zum Greifen nahe Straße gab ihr die Kraft und die Überzeugung, nun nicht mehr verlieren zu können. Der weitere Adrenalinschub, ausgelöst durch die näher kommenden Geräusche in ihrem Rücken, tat sein Übriges, um sie voller Kraft voranschreiten zu lassen.

Für diesen Moment spürte sie keine Schmerzen mehr. Alle Gedanken an den Albtraum der letzten Wochen waren verschwunden, verbannt in den hintersten Winkel ihres Gehirns. Leichtfüßig sprang ihr graziler Körper zwei weitere steile Abhänge hinab, rutschte fast drei Meter über den glitschigen Boden, und richtete sich sofort wieder auf. Nach einigen Schritten auf einem annähernd ebenen Stück trennten sie nur noch knapp zwei Höhenmeter von der Straße, die feucht und dunkelgrau unter ihr lag. Als sie sprang, war ihr bewusst, dass sie sich vielleicht ein Bein brechen würde, aber es spielte keine Rolle. Sie würde gerettet sein, und nur das zählte. Noch bevor sie den nass glänzenden Asphalt berührte, hörte sie ein unbeherrschtes Brüllen, welches sie, auch ohne die Sprache zu kennen, eindeutig als Fluchen identifizierte. Für sie war es wie eine Bestätigung dafür, dass sie gewonnen hatte.

Ihre Knie und ihre Fußgelenke schmerzten beim Aufprall. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr Körper durch den Schwung nach vorne geschleudert wurde. Um nicht frontal mit dem Gesicht aufzuschlagen, drehte sie sich zur Seite. Ihre linke Schulter knallte auf den harten Boden, und das knirschende Geräusch sagte ihr, dass etwas gebrochen war.

Den Bus, der sie erfasste, sah sie nicht. Es wurde einfach dunkel, in dem Moment, in dem ihr Genick von der Stoßstange gebrochen wurde. Ein paar Meter wurde sie mitgeschleift, dann verwandelten die Zwillingsreifen den größten Teil ihres filigranen Körpers in eine unidentifizierbare Masse.

Bald würde sie in den Polizeiakten als ein Unfallopfer geführt, dessen Identität nicht festgestellt werden konnte. Eine Tote, die scheinbar nirgendwo herkam und die niemand kannte … aus einem Waldstück gesprungen wie ein Reh und unter die Räder gekommen … bald vergessen, als hätte es sie nie gegeben.

2 | Ungebeten

Als Sam die Tür öffnete, machte sich Enttäuschung breit. Der Kunde machte nicht den Eindruck eines vielversprechenden Geschäftes. Er sah zwar nicht wirklich ungepflegt aus, besaß aber aus einem unerfindlichen Grund trotzdem das Flair eines Penners. Die dunklen, schulterlangen Haare waren sauber, glatt und gekämmt, wirkten aber dennoch irgendwie verwegen. Aus dem Gesicht blickten zwei schwarze, stechende Augen. Mit der Jeans und der eng geschnittenen Lederjacke passte die Garderobe nicht zu Sams üblicher Klientel. Das war aber nicht der vorrangige Störfaktor, vielmehr die zur Faust geballte rechte Hand, die neben seinem Körper hing, und der herausfordernde Blick. Irgendwie umgab den Mann, der einen Kopf größer als Sam war, eine aggressive Aura.

Sam selbst trug noch nicht die Arbeitskleidung, denn zunächst würde es ein Vorgespräch geben, bei der ein grundlegender Rahmen für die gemeinsamen Handlungen festgelegt wurde. Der weiße Trainingsanzug würde dafür ausreichen.

„Du bist Kai?“

„Das bin ich“, erwiderte der Besucher. Sein Alter mochte Anfang 30 sein. „Und ich freue mich überaus, hier zu sein.“ Das Lächeln, das Kai dabei zum Besten gab, sah mehr bedrohlich als freundlich aus.

‚Na, das kann ja was werden.‘ Sam behielt die Gedanken für sich, hätte aber am liebsten die Tür zugeworfen. Die gegenteiligen Worte kamen jedoch mit einer hereinbittenden Geste: „Dann komm.“

„Aber natürlich komme ich“, nahm Kai die Einladung an und bewegte sich flink in die Wohnung. Als Sam die Tür geschlossen hatte und den frech grinsenden Mann ansah, verstärkte sich das ungute Gefühl. Die Stimme blieb dennoch nüchtern und ruhig: „Du bist nicht aus den am Telefon abgesprochenen Gründen hier.“

Kais Grinsen wurde breiter und noch abstoßender. „Und du bist offenbar gar nicht auf den Kopf gefallen. Dann wollen wir auch gleich mal zur Sache kommen: Ich kann mir einfach vorstellen, dass du jemanden brauchst, der dich beschützt, weißt du.“

„Oh nein, nicht so einer“, sprach Sam angewidert die Gedanken aus und rollte dabei genervt die Augen. „Ich beschütze mich selbst. Wenn das alles ist, was du willst, dann verschwinde!“

„Nicht so voreilig“, antwortete Kai, wobei er die Hand ausstreckte. Die näherkommenden Fingerkuppen waren gelblich. Starker Nikotingeruch ging von ihnen aus. Bevor Kai das Kinn, das offenbar sein Ziel war, erreicht hatte, griff Sam nach dem Handgelenk und zog so heftig daran, dass durch Kais Körper ein Ruck ging. Dabei kam ohne Zögern ein kraftvoller Tritt in den Unterleib des Fremden. Der Mann krümmte sich augenblicklich, stöhnte kurz auf, schrie aber nicht, da ihm offenbar die Luft weggeblieben war.

‚Wenn du als erstes zuschlägst, kann dir keiner wehtun‘, dachte Sam. Solchen Typen musste man gleich bei der ersten Begegnung klar machen, dass sie sich besser nie wieder blicken ließen. Andernfalls wurde man sie nicht wieder los. Wie selbstverständlich griff Sam in die Haare des Mannes und schlug den Kopf auf das angehobene Knie. Ein hässliches Geräusch von brechenden Knochen machte klar, dass es ein wenig zu fest gewesen war. Es würde eine Weile dauern, bis der Kiefer wieder in Ordnung sein würde.

Wimmernd sank Kai auf den Boden.

Ohne Anspannung lehnte sich Sam ruhig atmend gegen den Türrahmen und wartete, bis der Fremde sich einigermaßen erholt hatte.

Nachdem der Mann langsam und zitternd aufgestanden war, sagte Sam mit kaltem Tonfall: „Raus!“

Ohne ein weiteres Wort öffnete Kai die Tür und zog sie von außen zu.

Keine Drohung, keine Verwünschung, kein „Das wirst du noch bereuen“. Gut, er schien verstanden zu haben. Aber verdammt, der Boden war blutig. Sam seufzte und wollte gerade den Putzeimer aus dem Badezimmer holen, als das Handy klingelte. Obwohl ihr die Lust auf Kunden für heute vergangen war, blieb die Stimme beim Annehmen des Gespräches sanft und freundlich: „Hallo, hier ist die einzigunartige Lady Samantha, die all deine Träume wahr werden lässt.“

„Ich bin immer wieder begeistert von deiner sexy Stimme“, kam Jans lachende Antwort. „Sag mal, darfst du eigentlich so harmlos klingen? Müsstest du nicht streng und hart klingen? Ich habe mich das schon oft gefragt.“

„Ach, Jan“, entgegnete Sam, jetzt ebenfalls lachend. „Du hast einfach keine Ahnung von meinem Job.“

„Das ist richtig, und ich will auch gar keine Ahnung davon haben.“

„Dann darfst du uns Dominas aber auch nicht in ein bestimmtes Schema pressen. Warum rufst du eigentlich nicht auf der anderen Nummer an?“

„Dann kann ich ja nicht deine sexy Stimme hören“, gab er zurück. „Sag mal, hast du Lust, heute Abend mit Deborah und mir essen zu gehen? Bald muss sie ja zurück nach Brasilien und wird erst wiederkommen, wenn wir geheiratet haben.“

„Sehr gerne. Wo wollt ihr hingehen?“

„Ich wollte mal wieder zum Italiener am Kaisertempel gehen.“

Sam kannte das Restaurant in Eppstein, von dem aus man eine fantastische Sicht über den Ort hatte. „Das ist doch mal ein Wort. Um acht?“, schlug sie vor.

„Ich weiß noch nicht, wann Deborah da ist. Sagen wir lieber um neun.“

„Einverstanden.“

„Gut. Ich freue mich drauf.“

„Ich mich auch. Bis dann.“

Sie legten auf und Sam entfernte, die Hände in schützende Gummihandschuhe gehüllt, die Sauerei im Flur. Hoffentlich war sie den Kerl wirklich los. Bisher waren es immer nur Möchtegerns gewesen, die es versucht hatten. Wenn sich irgendwann ein professioneller Ring an sie wenden würde, dann hatte sie ein ernstes Problem, aber das war bis dato weder ihr noch einer ihrer Kolleginnen passiert. Sam ärgerte sich über sich selbst. Wo war nur ihre Menschenkenntnis geblieben?

Einmal, vor einigen Jahren, hatte sie einem Mann gegenüber gestanden, der sie mit einem Messer bedroht hatte. Kurz davor war eine Kollegin umgebracht worden, und die Situation hatte auf Sam noch bedrohlicher gewirkt als sie tatsächlich gewesen war. Sie hatte dem Mann das Messer mit einem schnellen Kick aus der Hand getreten, aber der kurzfristige Gedanke, dem Killer gegenüber zu stehen, hatte ihr trotzdem eine panische Angst eingejagt. Es war nicht der Mörder gewesen, aber seitdem war sie noch vorsichtiger geworden. Zum Glück hatte sie hauptsächlich Stammkunden und war nicht darauf angewiesen, ständig neue Männer an Land zu ziehen.

In der Küche räumte sie eine benutzte Tasse in die Spülmaschine und bemerkte, dass es Zeit war, das Gerät anzustellen. Sie wählte das Programm und drückte die Starttaste.

Während ein leises Summen und das Rauschen des Wassers erklang, nahm Sam den Stapel Werbung vom Küchentisch und warf ihn ärgerlich in die Kiste mit dem Altpapier. Warum gab es keinen Spamfilter für den häuslichen Briefkasten?

Gerade wollte sie die Küche verlassen, als sie den Umschlag bemerkte, der ihr aus dem Stapel geglitten und zu Boden gefallen war. Mit einer eleganten, fast tänzerisch anmutenden Bewegung hob sie ihn auf. Als Absender war ein gewisser Notar Dr. iur. Wolfgang Reischelt angegeben. Vermutlich eine der zahllosen Gewinnbenachrichtigungen von einem Gewinnspiel, an dem sie nie teilgenommen hatte. Zu was sollte sie diesmal verleitet werden? Zu einer Kaffeefahrt? Wie viele Leute bekamen die Veranstalter auf diese Weise wohl dazu, Geld für Dinge, die sie nicht brauchten, auszugeben?

Kurz bevor sie den Brief in den Karton fallen ließ, hielt sie inne. Der geplante Kunde war ausgefallen, also hatte sie genug Zeit, warum sich also nicht den Spaß machen? Einerseits genervt von den zahllosen Werbesendungen der Nepper, hatte sie andererseits eine beinahe kindliche Freude daran, in den diversen Briefen nach dem Haken zu suchen. Manchmal waren die Versuche billig und leicht durchschaubar, andere wiederum sehr ausgeklügelt, sodass man jede Formulierung auf die Waagschale legen musste. Bisher hatte Sam aber immer den Punkt gefunden, der den Anbieter davor schützte, dass ein Empfänger den sogenannten Gewinn einklagen konnte.

Schnell riss sie den Umschlag auf und entnahm ihm einen nur einseitigen Brief. Achtlos warf sie das Kuvert in den Altpapierkarton, faltete den Brief auseinander und begann zu lesen.

Sehr geehrte Frau Veselkova,

in meiner Funktion als Notar verwahre ich treuhänderisch ein Dokument, welches ich beauftragt bin, Ihnen mit Vollendung Ihres 25. Lebensjahres auszuhändigen.

Die Recherchen, die erforderlich wurden, um Sie zu ausfindig zu machen, nahmen ein Jahr in Anspruch. Mir ist es daher erst nun möglich, Sie zu unterrichten.

Bitte vereinbaren Sie einen Termin mit unserer Kanzlei, zu dem Sie bitte Ausweispapiere und eine beglaubigte Abschrift Ihrer Geburtsurkunde mitbringen.

Hochachtungsvoll

Dr. iur. Wolfgang Reischelt als Notar

Wow, hochachtungsvoll! Welch antiquierte Ausdrucksweise. Also keine Gewinnbenachrichtigung. Jemand schien es mit einer ganz neuen Masche zu versuchen. Aber wo war der Haken? Es stand ja nicht viel in dem Schreiben. Vermutlich würde sie vor Ort etwas unterschreiben sollen, womit sie dann eine Waschmaschine kaufte oder eine Reise buchte.

Oder konnte es sich um ein rechtschaffenes Schreiben handeln? Aber was für ein ach so wichtiges Dokument konnte da für sie hinterlegt sein? Ging es am Ende um eine Hinterlassenschaft? Aber es gab niemanden, der ihr etwas hinterlassen könnte. Sams Mutter war bei ihrer Geburt gestorben. Das Wissen, wer ihr Vater war, hatte die Mutter mit ins Grab genommen. Die Keuschners, ihre Adoptiveltern, waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als Sam zehn Jahre alt gewesen war. Sie hatten ihr damals eine beträchtliche Summe hinterlassen, von der sie große Teile auf die hohe Kante gelegt hatte. Das Erbschaftsverfahren war aber längst abgeschlossen, sodass von der Seite nichts mehr kommen konnte.

War es möglich, dass jemand aus dem Heim, in dem sie später gelebt hatte, etwas damit zu tun haben konnte? Wohl kaum.

Was also wollte dieser Notar von ihr? Er war in Frankfurt ansässig. Sam kannte die Bleichstraße, eine Seitenstraße von Frankfurts Einkaufsmeile Nummer Eins, der Zeil. Nachdenklich ging sie ins Wohnzimmer und nahm das Frankfurter Telefonbuch zur Hand. Schnell hatte sie den Eintrag gefunden.

Die Kanzlei existierte tatsächlich. Vielleicht war es eine Briefkastenfirma? Aber es gab eine Frankfurter Telefonnummer dazu. Kurz entschlossen nahm sie das Telefon und rief an. Ein Anrufbeantworter erklärte ihr, dass die Geschäftszeiten von neun bis zwölf, sowie von fünfzehn bis siebzehn Uhr waren. Zwei Stunden zu spät also.

Hörte sich alles seriös an. Merkwürdig. In jedem Fall war es diesmal eine echte Herausforderung. Morgen würde sie dort noch einmal anrufen und einen Termin vereinbaren.

3 | Zerbrochen

Jans gerötete Augen blickten Sam traurig an. „Warum, Samantha? Warum?“, fragte er und nahm einen Schluck des vorzüglichen sardischen Cannonaus aus seinem Rotweinglas.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Sam leise. „Hast du den Brief dabei?“

„Es war kein Brief. Einfach nur ein Zettel.“ Er griff in die Brusttasche seines cremefarbenen Hemdes und beförderte ein Stück Papier zutage. „Auf so einem Schnipsel hat sie mit mir Schluss gemacht.“ Dabei warf er den Zettel mit zitternder Hand auf den Tisch. Eine einsame Träne rollte über sein gerötetes Gesicht und zog eine feuchte Bahn. Sam nahm den Papierfetzen, der offenbar lieblos von einem Schreibblock heruntergerissen worden war. Bereits nach dem ersten Wort hörte sie auf zu lesen. Natürlich, Deborah konnte nur ein paar Worte Deutsch und hatte es auf Portugiesisch geschrieben. Enttäuscht warf Sam die Nachricht auf die gleiche Art und Weise wie Jan zuvor auf den Tisch. „Du musst es mir übersetzen“, stellte sie fest.

Jan nickte, legte den Zettel so vor sich, dass er ihn lesen konnte, sagte mit brüchiger Stimme: „Ich liebe dich, aber ich kann nicht mit dir leben. Bitte rufe mich nicht an, auch nicht meine Mutter oder meine Freunde. Alles Gute, Deborah.“

Zu der Träne gesellten sich zwei weitere. Nervös spielte er an seinem linken Ohrläppchen. Sam sah, dass Jan noch etwas sagen wollte, aber für den Moment von seinen Gefühlen überwältigt war und keinen Ton herausbrachte. Sie nahm seine Hand und hielt sie ganz fest.

Eine Weile saßen sie schweigend da, bis der Kellner kam, um die Bestellung zu bringen. Jan begnügte sich an diesem Abend mit einem kleinen Salat. Da sie vor dem Treffen eine Stunde trainiert hatte, entwickelte sich bei Sam ein enormer Hunger und sie freute sich auf das Steak nach Art des Hauses.

Als die Bedienung weg war, ergriff sie das Wort: „Als wir letzte Woche telefoniert haben, hatte ich den Eindruck, dass alles zwischen euch in Ordnung war. Auch vorhin am Telefon hast du nicht so geklungen, als würdest du dich mit schwerwiegenden Problemen beschäftigen.“

„Es war ja auch alles in Ordnung“, gab Jan zurück. „Nein, war es wahrscheinlich nicht, aber ich dachte, dass es das war. Das dachte ich auch heute noch. Dann bin ich kurz in die Videothek gefahren, um Filme zurückzubringen, und als ich wiederkam, lag der Zettel da.“

„Ihr habt euch also nicht gestritten?“, wollte Sam wissen.

„Überhaupt nicht. Hin und wieder hatten wir kleine Diskussionen, aber das war alles kein Streit.“

„Worum ging es denn bei den Diskussionen?“, hakte Sam nach.

„Ach, Kleinigkeiten. Ich war der Meinung, dass sie nicht genug dafür tat, um Deutsch zu lernen. Manchmal, wenn ich mit ihr geübt habe, hatte ich den Eindruck, dass sie sich gar nicht bemühte. Das war natürlich Quatsch, aber du kennst ja meine Ungeduld.“

„Hast du sie deswegen unter Druck gesetzt?“

„Nein, keineswegs. Ich habe ihr nur klar gemacht, wie wichtig es ist, dass sie die Sprache kann, wenn sie hier bleiben möchte.“

„Kann sie es anders aufgefasst haben?“

„Nein“, entgegnete Jan vehement mit seiner angenehm sonoren Stimme.

Für ein paar Sekunden sah Sam ihn an und überlegte, ob sie ihm ihre Meinung dazu besser vorenthalten sollte.

Seit sie sich vor knapp sechs Jahren an der Uni kennen gelernt hatten, waren sie zu sehr guten Freunden geworden. Es gab niemanden, den sie so nahe an sich heranließ, niemanden, dem sie so viel von sich preisgegeben hatte wie Jan. Diese Verbundenheit basierte auf gegenseitigem Vertrauen.

Beide hatten ihre Vergangenheit. Zwei Leben, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, und doch verband sie etwas, teilten sie diesen tiefen Schmerz und diese unbändige Wut auf die Welt, die es zugelassen hatte, dass ihnen so schlimme Dinge widerfahren sind. Obwohl es sich dabei um völlig ungleiche Erlebnisse handelte, war das Ergebnis das gleiche. Während Sam gleich zweimal ihre Eltern verloren hatte, war Jan mehrfach sowohl materiell als auch emotional ausgenommen worden.

„Sag, was du denkst“, forderte Jan sie auf.

„Ich denke, dass deine Art und Weise leicht missverstanden werden kann“, antwortete sie ehrlich.

„Wie meinst du das?“, fragte er leise und ließ seinen Blick in ihren Augen ruhen.

„Jan“, begann Sam vorsichtig, „du hast zu vielen Dingen deine feste Meinung und lässt keine andere zu. Ich weiß, du meinst es nicht so, aber manchmal erscheinst du in deiner Meinung regelrecht militant.“

„Das glaub' ich nicht“, kam eine sehr schnelle, hitzige Antwort. Nach kurzem Zögern wurde seine Stimme wieder leiser: „Doch. Doch, du hast Recht. Ich halte oft an meiner Meinung fest und lasse manchmal keine Argumente gelten.“

Sam konnte sehen wie sich seine schmerzerfüllten Augen langsam wieder mit Tränen füllten. Mit zitternder Stimme flüsterte Jan: „Ich hab' sie vergrault, oder? Mit meiner Art habe ich sie vertrieben.“

Sie nahm wieder seine Hand, spürte das Zittern, drückte sie, während sie sagte: „Das weiß ich nicht, Jan. Ich sage nur, dass vieles bei anderen Menschen nicht so ankommt, wie man es meint. Das geht mir auch oft so, nur brauche ich mir keine Gedanken zu machen, ob mir jemand wegläuft.“ Mit einem bitteren Lächeln fügte sie hinzu: „Du bist zum Glück blöd genug, mich so zu ertragen, wie ich bin.“

„Ach, du bist viel zu gut für mich, Samantha. Was würde ich ohne dich nur machen?“

„Denkst du, sie geht zurück nach Brasilien?“, wechselte sie das Thema.

„Natürlich“, war Jan überzeugt. „Was soll sie denn hier, in einem fremden Land, in dem sie niemanden versteht?“

„Meinst du, sie ist bereits im Flieger?“

„Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, ob heute Abend überhaupt ein Flug gegangen ist oder ob noch einer geht. Ich weiß nicht mal, woher sie das Geld für einen Flug hat; wahrscheinlich von Freunden geliehen.“

„Sie hatte hier schon eigene Freunde?“ Bei diesen Worten entließ sie seine Hand wieder in die Freiheit.

„Wir haben ein Pärchen in gleicher Konstellation kennen gelernt. Deborah hat Maria in der Volkshochschule im Deutschkurs getroffen. Maria kommt auch aus Brasilien, ihr Mann ist Deutscher. Nach dem Unterricht ist Deborah oft mit zu Maria gefahren, hat dort übernachtet oder ist später von Marias Mann zu mir gefahren worden.“

„Du kennst die beiden aber auch?“

„Ja, da sie am Anfang die gleichen Probleme hatten wie wir, hat sich eine Freundschaft angebahnt. Aber Deborah kannte sie wesentlich besser als ich. Ich habe sie bisher zweimal gesehen.“

„Hast du dort mal angerufen?“, wollte Sam wissen.

„Ehrlich gesagt traue ich mich nicht. Wer weiß, was sie denen über mich erzählt hat, wenn sie dorthin gegangen ist.“ Sein Gesicht spiegelte Resignation wider. Daumen und Zeigefinger seiner linken Hand massierten sein Ohrläppchen.

„Und was ist mit ihrem Handy? Hast du es da probiert?“

„Sie hat ihre SIM-Karte auf dem Tisch liegen lassen. Natürlich, was soll sie in Brasilien mit der Karte?“

Er kam ihr plötzlich noch viel älter vor. Zwar trennten sie ohnehin fünfzehn Jahre, aber heute schienen es mehr als dreißig zu sein. Von der Sicherheit, die er ausstrahlte, wenn er an der Uni unterrichtete, war jetzt nichts zu spüren. Sein schütteres Haar stand in alle Richtungen ab, als sei er gerade erst aus dem Bett gekommen.

Eine Weile aßen sie schweigend, wobei Jan lustlos in seinem Salat herumstocherte. Sam schmeckte das Fleisch zwar vorzüglich, wirklich genießen konnte sie es jedoch nicht.

Nach einer Weile fragte sie mit vollem Mund: "Willst du heute Nacht bei mir schlafen?“

„Das würde ich sehr gerne, aber ich möchte lieber zu Hause sein, falls Deborah es sich doch anders überlegt und anruft oder sogar nach Hause kommt.“

„Ja, das ist in der Tat besser. Ich glaube, wenn sie kommen sollte, dann wäre es sehr ungeschickt, wenn eine andere Frau bei dir übernachtet. Sonst hätte ich angeboten bei dir zu bleiben.“

„Danke, Sam. Es hilft mir schon, dass wir jetzt reden können.“

Lange diskutierten sie noch über den möglichen Auslöser für Deborahs plötzlichen Abgang, aber sie fanden keine plausible Erklärung. Jans Freundin hatte nie erwähnt, dass sie sich unwohl fühlte. Tags zuvor hatte sie ihm noch gesagt, wie glücklich sie darüber war, in Deutschland zu sein, und dass sie ihn liebte. Kein einziges Mal war es über ihre Lippen gekommen, dass seine Art ihr irgendwie zusetzte. Auch wenn Jan vielleicht Fehler gemacht hatte, so war dies von ihr nie zum Ausdruck gebracht worden.

Am Ende des Abends konnte Sam sich absolut keinen Reim auf das machen, was passiert war.

Gegen ein Uhr fuhr Sam einen stark alkoholisierten Jan nach Hause, der am nächsten Tag sein Auto am Kaisertempel abholen musste.

Als sie endlich in ihr eigenes Bett fiel, konnte sie lange Zeit nicht einschlafen. Ihre Gedanken kreisten immer wieder um Deborah und ihren überstürzten Aufbruch. Jan tat ihr so leid. Wieder einmal schien es eine Frau zu schaffen, ihn in die Nähe eines seelischen Abgrunds zu treiben. Irgendwann würde er hinunterstürzen. Er war sicher kein einfacher Mann, aber im Kern herzensgut, und ein Verhalten wie das von Deborah hatte er einfach nicht verdient. Nicht so. Nicht ohne ein vorausgehendes Gespräch, ohne eine Chance darauf, eventuelle Fehler zu korrigieren. Offenbar hatte Deborah ihm nicht ein einziges Mal zu verstehen gegeben, dass ihr sein Verhalten missfiel.

4 | Mutter

Es lag wie ein Heiligtum vor ihr.

Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheiten hatte sie sich einen Wodka eingeschenkt. Sie trank sehr selten Alkohol, und auch jetzt ließ sie das Glas unangerührt stehen. Ihr Blick fixierte das kleine Büchlein, das vor ihr lag: das Tagebuch ihrer leiblichen Mutter. Am Vormittag hatte sie es von dem Notar überreicht bekommen. Ihre Adoptiveltern hatten es dort hinterlegt, mit der Verfügung, dass es Sam zum fünfundzwanzigsten Geburtstag überreicht werden sollte.

Beim Aufspüren der jungen Frau hatte es in der Kanzlei allerdings einige Konfusion gegeben, denn man ist davon ausgegangen, dass sie den Nachnamen ihrer verstorbenen Adoptiveltern tragen würde. Sam hatte jedoch später den Namen ihrer leiblichen Mutter angenommen. Da dies erst geschehen war, nachdem sie die Volljährigkeit erreicht hatte, war es nicht über das Jugendamt in Erfahrung zu bringen gewesen. So hatte es eine Weile gedauert, bis sie gefunden werden konnte.

Und nun lag es vor ihr. Sam traute sich kaum, es zu öffnen. Enthielt es die letzten Monate im Leben ihrer leiblichen Mutter? Vielleicht würde Sam etwas über ihre Abstammung erfahren, denn außer dem Namen ihrer Mutter wusste sie so gut wie nichts darüber.

Es vergingen viele Minuten, in denen Sam einfach nur da saß und das Büchlein anblickte. Dabei hatte sie ständig den Geruch des Wodkas in der Nase, der ihr irgendwie störend und falsch vorkam. Ohne etwas zu denken wartete sie; nicht auf ein bestimmtes Ereignis, sondern einfach nur darauf, dass sie bereit war. Irgendwann griff sie nach dem billigen, pinkfarbenen Einband, auf dem in babyblauen Buchstaben „My Diary“ stand, hielt inne, und wartete weitere langsam verrinnende Sekunden, bis sie das Büchlein vorsichtig und beinahe andächtig öffnete. Jeden Tag nur einen Eintrag, hatte sie sich vorgenommen. An diesem Tag war der erste dran.

Die Schrift war die ordentliche, leicht schräggestellte Schrift eines Mädchens. Auf den ersten Blick erkannte Sam mit großem Erstaunen, dass ihre Mutter bei jedem ‚U‘ neu ansetzte, als beginne ein anderes Wort. Sam hatte die gleiche Angewohnheit und schrieb ebenfalls mit leicht schräggestellten Buchstaben.

Zwei Flecken, in denen die Tinte leicht verwaschen war, erinnerten Sam an getrocknete Tränen. Es würde traurig werden, was sie nun zu Lesen bekam.

4. Juni 1981

Mein Tagebuch … ich dachte immer, es ist kindisch ein Tagebuch zu führen … doch jetzt hoffe ich, meine Gedanken besser ordnen zu können, wenn ich sie niederschreibe.

Vorgestern hat der Arzt festgestellt, dass ich schwanger bin. Schwanger! Meine Güte, was soll ich nur tun? Wenn ich Frank erzähle, dass er Vater wird… er wird mir nicht glauben, dass ich tatsächlich die Pille genommen habe. Wenn ich er wäre, würdeich mir unterstellen, dass ich ihn absichtlich angelogen habe. Wie viele Frauen tun so etwas, um einen Mann an sich zu binden? Zumindest ist das doch die Meinung der Männer. Nein, er wird mir nicht glauben, er kennt mich ja kaum…

Was soll ich nur tun?

Wird er mir unterstellen, dass ich sein Leben zerstören will? Mit seiner Karriere als Atomphysiker steht ihm doch die ganze Welt offen. Würde er sich alleine durch das Baby an mich gebunden fühlen? Das ist das Allerletzte, was ich will. Vielleicht sollte ich einfach aus seinem Leben verschwinden, ebenso schnell, wie ich aufgetaucht bin. Meinen Nachnamen kennt er sowieso nicht, ebenso wenig die Telefonnummer von der WG. Er verlässt sich darauf, dass ich mich bei ihm melde, sobald er von seinem Projekt in Amerika zurück ist.

Vielleicht denkt er ja schon gar nicht mehr an mich?

Auf der anderen Seite: Hätte er mir dann seine Adresse in Köln mitsamt seiner Telefonnummer und sogar die Durchwahl in seinem Büro gegeben?

Was mache ich nun? Ich bräuchte mich einfach nicht bei ihm zu melden…

Doch was ist mit dem Kind? Soll es ohne Vater aufwachsen? Aber was wäre ein Vater, der die Entscheidung zum Vatersein nicht selbst getroffen hat; dem es einfach aufgedrängt wurde, ohne dass er es wollte?

Was ist richtig, was ist falsch?

Meine Güte … ich bin völlig verwirrt … kann nicht mehr klar denken …

Was soll aus meinem Studium werden? Ich habe so hart dafür gearbeitet, um so schnell wie möglich die Sprache zu lernen … habe mein Abi in Deutschland bestanden … alles habe ich dafür getan, und ich habe es geschafft – und nun das!

Ich dachte immer, so etwas würde nur anderen passieren … die Pille wäre sicher …

Was soll ich nur tun???

Ich werde darüber schlafen. Vielleicht weiß ich morgen, was das Beste ist.

Sam atmete tief ein. Sie hatte sich immer gefragt, warum ihr Vater sie nicht hatte haben wollen, nachdem ihre Mama gestorben war. Wenn er ein kleines Baby einfach im Stich lassen konnte, musste er egoistische, menschenverachtende Charakterzüge sein Eigen nennen. Ständig hatte sie Angst, dass sie diese von ihm geerbt haben könnte.

Doch vielleicht war alles ganz anders gewesen. Eventuell hatte er gar keine Ahnung gehabt, dass er damals Vater geworden war.

Sie schluckte schwer, legte das Buch auf den Tisch und trank den Wodka in einem Zug leer. Langsam brannte er sich hinunter bis in Sams Magen.

Ein Atomphysiker. Er musste erfolgreich sein, wenn er zu Terminen nach Amerika geflogen ist. Von ihm musste sie ihre Zielstrebigkeit und den unbändigen Willen haben. Und Mutter … auch sie musste eine bemerkenswerte Frau gewesen sein. Den Worten nach war sie nicht in Deutschland aufgewachsen. Sie hatte hier ihr Abitur gemacht, offenbar in einer ihr fremden Sprache.

Natürlich hatte Sam sich schlau gemacht, als sie den Namen ihrer Mutter angenommen hatte. Er kam aus dem Slawischen und bedeutete etwas Ähnliches wie ‚die Lustige‘. Deshalb vermutete Sam, dass die ehemalige Tschechoslowakei die eigentliche Heimat ihrer Vorfahren war. Aber damals konnte man von dort nicht einfach ausreisen oder gar auswandern.

‚Meine Güte‘, flüsterte Sam. ‚Mami …‘

Überwältigt saß sie mit feuchten Augen auf der Couch. Doch auch jetzt gestand sie sich ein Weinen nicht zu. Wenn du schwach bist, wirst du verletzt …

Das Klingeln ihres Mobiltelefons zerbrach die Stimmung. Ihr Dual-SIM-Handy, welches es ihr möglich machte, mit nur einem Gerät über zwei verschiedene Nummern erreichbar zu sein, zeigte einen Anruf für ihren zweiten Geschäftszweig an. Deshalb meldete sie sich einfach nur mit ihrem Namen: „Veselkova.“ Ihre Stimme war fest und ruhig. Nichts deutete darauf hin, dass sie noch vor einer Sekunde zutiefst bewegt gewesen war.

„Hier ist Pranger“, ertönte eine weibliche Stimme aus dem Gerät. „Ich hoffe, ich störe nicht, Frau Veselkova, aber ich habe eine Information für Sie.“

„Aber nein, Sie stören überhaupt nicht“, log Sam überzeugend. „Was ist das für eine Information?“

„Er hat kurzfristig für morgen früh einen Flug nach Berlin gebucht. Angeblich muss er zu einer geschäftlichen Besprechung.“

Sam wusste, dass Sabine Pranger damit ihren Mann meinte. „Und Sie vermuten, dass er sich stattdessen mit ihr trifft?“

„Vielleicht nicht stattdessen, womöglich verbindet er auch das Eine mit dem Anderen.“

„Um welche Uhrzeit geht der Flug?“, wollte Sam wissen.

„Er sagte, dass er um neun am Flughafen sein muss.“

„Gut. Ich werde da sein. Vermutlich wird er, wenn es sich um ein Treffen handelt, noch im öffentlich zugänglichen Bereich mit ihr treffen, wo ich keine Bordkarte brauche.“

„Und wenn sie sich erst im Flugzeug treffen?“

„Ich halte eine Ausgabe für den Flug für unangemessen teuer. Sollten wir sie morgen nicht kriegen, dann warten wir auf die nächste Gelegenheit, bei der kein Flug im Spiel ist.“

Sam hätte normalerweise niemals einen solchen Ratschlag gegeben. Sie wusste, dass Frau Pranger kein Problem damit gehabt hätte, mehr Geld auszugeben. Der wirkliche Grund, warum sie davon abriet, dass sie notfalls mit nach Berlin flog, war ihre Sorge um Jan. Im Moment wollte sie nicht so weit weg sein, falls er sie brauchte.

„Vielen Dank.“ Ein kurzes Zögern, dann kam noch eine Frage: „Ich kann mich doch darauf verlassen, dass er nichts bemerken wird?“

„Hundertprozentig. Wenn ich ein Risiko sehe, dass er mich entdecken könnte, breche ich die Aktion ab. Dann müssen wir ebenfalls auf die nächste Gelegenheit warten. In dem Fall wäre der nächste Versuch dann kostenlos für Sie.“

„Das Geld ist im Moment das Letzte, worüber ich mir Gedanken mache, glauben Sie mir. Wenn Sie es für richtig gehalten hätten, dann würde ich Sie auch mitfliegen lassen.“

Da Sam darauf keine Antwort wusste, sagte sie einfach: „Ich rufe Sie dann morgen an, sobald ich etwas habe.“

„Vielen Dank. Bis dann.“

„Bis dann.“ Damit war das Gespräch beendet.

Eigentlich machte sie Jobs nicht gerne, bei denen es um die Beschattung eines fremdgehenden Partners ging, aber einen Auftrag abzulehnen war der Mundpropaganda nicht besonders zuträglich. Es gehörte einfach dazu. Meistens waren das die leichtesten Jobs, die für Sam keine große Herausforderung darstellten. Sie hoffte, dass es bald mal wieder einen größeren Fall geben würde, bei dem sie alle Register ziehen musste, um erfolgreich zu sein. Dann würde sie sich mal wieder einen tollen Urlaub gönnen und dabei nicht auf den Cent sehen.

5 | Deborah

Jan stand völlig aufgelöst vor der Tür. Eine halbe Stunde vorher hatte er Sam angerufen und gefragt, ob er kurzfristig vorbeikommen dürfte. Seine roten Augen und das aschfahle Gesicht zeugten von seinem schlimmen Zustand. Er schien seit einer Ewigkeit nicht geschlafen zu haben. Der Blick kam Sam flackernd und wirr vor.

„Hallo, Jan. Wie es dir geht, brauche ich wohl nicht zu fragen.“ Dabei nahm sie ihn in den Arm und küsste ihn auf die Wange. Er erwiderte den Kuss, schluchzte kurz tränenlos, fing sich aber sofort wieder und befreite sich aus ihren Armen.

Während er die Tür hinter sich schloss, sagte er: „Ich muss dir etwas zeigen. Lass' uns an deinen PC gehen.“ Er redete schnell, fast hektisch. Seine Stimme war lauter als gewöhnlich.

„Okay“, antwortete sie. „Sollen wir erst etwas trinken?“, fragte sie, obwohl sie erkannte, dass er offenbar keine Zeit verlieren wollte.

"Nein", kam rasch die Antwort. "Nein, ich möchte nichts trinken. Ich muss dir etwas zeigen. Du musst das selbst sehen, sonst glaubst du es nicht."

Selten hatte Sam einen Menschen so überdreht und aufgeregt gesehen. Was war nur passiert? Sie traute sich gar nicht zu fragen, ob es etwas Neues von Deborah gab. Die Brasilianerin war seit gut zwei Wochen wie vom Erdboden verschluckt.

Mit großen Schritten stürmte er los und steuerte eine Tür an. Dabei hatte er offenbar vergessen, dass Sam ein wenig umgeräumt hatte. Das Arbeitszimmer für ihre Detektei war in das obere Stockwerk gewandert. Noch bevor Sam etwas sagen konnte, öffnete Jan nun die Tür zu einer anderen Art von Arbeitszimmer. Als wäre er gegen eine Wand gelaufen, blieb er stehen, gab ein knappes „Oh Gott!“ von sich, machte kehrt, schloss die Tür hinter sich, und wandte sich dann der Treppe zu, ohne noch ein weiteres Wort darüber zu verlieren.

Er musste wirklich etwas Außergewöhnliches wollen, wenn er den Anblick ihres Studios einfach so hinnahm, ohne in ein ausschweifendes Gezeter auszubrechen, mit üblen Vorwürfen, dass sie ihn nicht davon abgehalten hatte, in das Zimmer zu schauen. Es war in all den Jahren erst dreimal vorgekommen, dass sich sein Blick zu all den abstrusen Dingen verirrt hatte. Jedes Mal hatte Sam sich vor Lachen ausgeschüttet, weil er so ein Drama daraus gemacht hatte.

Beim nächsten Versuch fand er zielsicher das Büro, zumal es im oberen Stockwerk in den Flur integriert war. Ohne sie zu fragen setzte er sich an den Rechner und öffnete den Internetbrowser.

Seine zitternden Finger flogen über die Tastatur wie flinke Spinnenbeinchen, und kurz darauf öffnete sich eine Web-Seite, die Sam schnell als ein Dating- und Partnersuchportal identifizierte. Noch immer erschloss sich ihr nicht, warum Jan so aus der Fassung war. Erneut tippte er mit traumwandlerischer Sicherheit ein paar Dinge in irgendwelche Felder, klickte noch zweimal auf verschiedene Schaltflächen, dann erschien der Stein des Anstoßes.

„Da, guck dir das an!“, forderte er sie unnötigerweise auf. Dabei drehte er sich zu ihr.

Sam blieb mit offenem Mund hinter ihm stehen. Ungläubigen Blickes starrte sie auf den Bildschirm, von dem sie eine strahlende Deborah anlächelte.

„Das glaube ich nicht“, flüsterte Sam.

„Ja, ich auch nicht“, pflichtete ihr Jan bei. „Ich sehe es, und glaube es trotzdem nicht. Aber es wird ja noch toller!“ Er klickte auf eine Schaltfläche, die mehr Details zu der Person versprach. Es öffnete sich ein weiteres Fenster. „Siehst du, seit wann sie Mitglied ist?“, rief er. „Sag mir bitte, dass ich mir das einbilde!“

Das Datum lag dreieinhalb Monate zurück. Sams Blick wanderte zu einem Textfeld, in dem der Partnersuchende beliebige Worte an einen potentiellen Interessenten richten konnte. Der erste Teil war in Portugiesisch verfasst und Sam verstand kein Wort. Dann kam ein Satz in schlechtem Deutsch: „Brasilien frau suchen deutschland mann, haben sexy körper 34 jahre junger schaut.“

Dann folgte ein weiterer Absatz in der fremden Sprache.

„Verstehst du jetzt, was sie getan hat?“, fragte Jan aufgebracht. „Sie hat mich als Sprungbrett benutzt. Keine zwei Monate, nachdem sie hier war, hat sie eine eindeutige Anzeige aufgegeben, in der sie einen anderen Mann sucht! Das ist doch Wahnsinn, oder?" Sein Blick wanderte zwischen dem Bildschirm und Sam hin und her.

„Kann sie vielleicht einfach ein früheres Datum eingetragen haben?“, startete Sam einen schwachen Versuch.

„In keinem Fall, Samantha, das Datum wird vom System gesetzt, wenn du dich anmeldest. Ich habe das ausprobiert, weil ich es nicht glauben konnte.“

Mit einer hektischen Bewegung stand er auf. „Das wollte ich dir nur zeigen“, sagte er. „Jetzt sag' du mir bitte, was sich eine Frau denkt, die so was macht!“

„Lass' uns runtergehen“, erwiderte sie mit ruhiger Stimme.

„Ja, gehen wir runter. Und dann sagst du mir bitte, was eine Frau denkt, die einen Mann so ausnutzt. Ich habe ihr den Flug bezahlt, sogar eine Krankenversicherung habe ich für sie abgeschlossen. Um die Visumsverlängerung habe ich mich gekümmert, als sie längst auf der Suche nach einem Anderen war. Meinst du, sie hat jetzt schon einen Neuen? Wahrscheinlich einen, der mehr Geld hat als ich, oder? Ist es das, was sich Frauen dabei denken?“

„Es sind nicht alle Frauen so, Jan, und das weißt du auch.“ Noch bevor sie fertig gesprochen hatte, bereute sie das Gesagte.

„Nein, das weiß ich nicht, Samantha. Es gab bisher keine Frau in meinem Leben, die mir gezeigt hat, dass Frauen auch anständig sein können.“ Sie waren im Wohnzimmer angelangt und setzten sich auf die Couch.

Sam versuchte, ihn ein wenig aufzumuntern. „Und was ist mit mir?“, fragte sie, und zwang sich zu einem verschmitzten Lächeln, was ihr sogar gelang.

„Du? Du bist doch keine Frau, Samantha, du bist eine Domina!“

Ihr Lächeln verschwand schlagartig und ihre Gesichtszüge versteinerten.

„Ja“, fuhr er mit hektischer Stimme fort, „du bist ein guter Freund, aber als Frau kann ich dich nicht sehen. Wer weiß, vielleicht sollte ich mir eine Domina suchen. Ihr scheint anders zu sein. Ich bekomme Panik, wenn ich all deine Apparaturen sehe, aber ich würde mich tausendmal lieber an dein verdammtes schwarzes Kreuz nageln lassen, als noch einmal so was wie mit Deborah zu erleben.“

Sam schluckte den Stich ins Herz hinunter. Innerhalb einer Sekunde hatte sie den plötzlich auftretenden Schmerz niedergekämpft und sagte: „Probiere es einfach aus. Ich habe eine nette Kollegin …“ Sie war sicher, dass er nicht bemerkte, wie sehr er sie getroffen hatte. Das war gut so.

„Stell' sie mir mal vor“, antwortete er, noch immer mit seiner lauten, aufgeregten Stimme. Dann, eine Spur leiser: „Ich halte das nicht aus, Samantha. Hast du etwas zu trinken?“ Dabei sah er sie an. Seine Augen flackerten, und Sam meinte eine Spur Wahnsinn darin zu erkennen. Er konnte nicht für alles verantwortlich gemacht werden, was er in diesem Zustand sagte. Dennoch hatte er es geschafft, sie zu verletzen, und sie würde sich ihm gegenüber ein wenig verschließen.

Mit einem Nicken stand sie auf und holte ihm einen Wodka. Kurz überlegte sie, ob sie auch einen trinken sollte, entschied sich aber dagegen. Jan leerte das Glas in einem Zug, und Sam schenkte nach. Dann wurde er langsam ruhiger.

„Wie soll ich jemals wieder einer Frau vertrauen? Das kann doch alles nicht wahr sein, oder?“

„Es ist wirklich unglaublich“, stimmte sie ihm zu. „Ich habe es selbst gesehen, und glaube es trotzdem kaum.“

„Weißt du, was das Schlimmste ist?“, fragte er. Ohne ihre Antwort abzuwarten, sprach er weiter: „Dass ich sie noch immer liebe. Ist das nicht irre? Sie benutzt mich, sucht sich andere Männer, kurz nachdem sie hier ist, verlässt mich wegen eines anderen, und ich liebe diese Frau immer noch. Kann man denn dümmer sein als ich?“

Einem Impuls folgend legte sie ihren Arm um seine Schulter, zog ihn zu sich, drückte ihn und hielt ihn ganz fest. „Du bist nicht dumm, Jan. Im Gegenteil. Du bist einfach ein Mensch, der in der Lage ist, Gefühle zu zeigen.“

„Schlimm genug“, flüsterte er und unternahm keinen Versuch, sich aus ihren Armen zu befreien. „Warum kann ich nicht so sein wie du?“, fragte er dann leise.

Die folgenden zwei Stunden drehten sich ihre Gespräche im Kreis. Beiden war es unerklärlich, wie jemand so etwas tun konnte. Aber Sam hatte schon wesentlich Schlimmeres gesehen, als dass sie davon schockiert sein konnte. Schockiert war sie nur von dem katastrophalen Zustand ihres Freundes, und sie hasste Deborah dafür.

6 | Hass

Er schenkte sich ein weiteres Glas ein. Billiger, klarer Fusel. Heute musste gefeiert werden. Er war schon schier verzweifelt, weil er dachte, dass er es nie schaffen würde. Aber der zurückliegende Tag hatte endlich den ersehnten Erfolg gebracht.

Eine wahre Ewigkeit hatte es gedauert, bis er die kleine Samantha ausfindig gemacht hatte. Sie hatte ihren Namen geändert, und an diese Möglichkeit hatte er gar nicht gedacht. Aber es passte zu ihr. Dieses blöde Balg! Über zwölf Jahre hatte er wegen ihr im Gefängnis verbracht. Ein Viertel seines Lebens, weggeworfen, verschwendet, unwiederbringlich verloren.

Und warum? Wegen nichts! Nur weil er hin und wieder ein wenig Spaß mit Barbara gehabt hatte. Wen kümmerte das schon? Immerhin hatte er seiner Adoptivtochter ein neues Zuhause gegeben, hatte sie ernährt, ihr ein Dach über dem Kopf gegeben. Ohne ihn wäre sie im Heim geblieben, mit all dem anderen Gesocks, wo sie hingehörte. Von seinem Geld hatte sie gelebt. Sie hatte ihm gehört. Er hatte mit ihr machen können, was er wollte. Aber die Richter hatten die Dinge anders gesehen. Vielleicht, weil Julian ein Junge gewesen war. Dabei war Bi- und Homosexualität doch nichts Ungewöhnliches mehr.

Julian sei noch ein Kind gewesen, hatte der Richter gesagt. Herr gott, natürlich war er noch ein Kind gewesen, sonst hätte er arbeiten gehen und sich selbst ernähren können. So aber musste er den Bengel durchfüttern. Was lag also näher, als dass der Junge sich ebenso dafür erkenntlich zeigte wie Barbara?

Es wäre alles gar nicht so schlimm geworden, wenn die Polizei nach dem Vorfall mit Julian und Barbara nicht die Leiche von Kathy gefunden hätte. Vielleicht wäre er nach zwei bis drei Jahren wieder draußen gewesen. Eventuell wäre die gesamte Strafe sogar auf Bewährung ausgesetzt worden. So aber hatte er sich zusätzlich wegen sexuellen Missbrauchs mit Todesfolge zu verantworten gehabt. Hatte die kleine Dirne auch krepieren müssen? Diese Schlampe! War einfach verreckt, noch während er in ihr gewesen war. Was konnte er dafür, wenn sie einfach wegstarb? Verdammt noch mal!

Die Wut kochte in ihm hoch. Sein Leben war so schön gewesen. Er hatte tun und lassen können, was immer er wollte, hatte eine Frau gehabt, die ihn stets gewähren ließ, egal was er tat. Hatte seine kleinen Leibeigenen gehabt, die ihm zu Dank verpflichtet gewesen waren.

In dem Jahr, als es passierte, hatte er sich noch ein Kind holen wollen. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen. Die Kinderheime steckten voll von Kindern, die sich nach einer Familie sehnten, und Geld konnte er damals genügend vorweisen. Er hatte sogar mit dem Gedanken gespielt, Samantha zu sich zu holen. Barbara hatte sie schon öfter mitgebracht. Aber dann hatte die kleine Göre ihm alles kaputt gemacht. Dafür würde sie bezahlen.

Zwölf Jahre hatte er Zeit gehabt, um sich zu überlegen, was er mit ihr anstellen würde. Alles, was Barbara früher mit ihm erlebt hatte, würde dagegen ein Spaziergang gewesen sein. Winseln würde sie, aber es würde ihr nichts nutzen. Sie würde schon vorher zittern vor Angst, denn er würde sie wissen lassen, was er vorhatte. Erst mit kleinen Hinweisen, die sie einschüchtern würden. Dann mit immer deutlicheren Zeichen. Dabei würde er vorsichtig genug sein, damit man ihm nichts anhängen konnte. Niemand würde beweisen können, dass er irgendetwas tat. Zwölf Jahre waren eine lange Zeit, um an einem Plan zu feilen und ihn zu perfektionieren.

Morgen würde er beginnen sie zu beschatten, damit er wusste, wie sie lebte, was sie tat, mit wem sie zusammen war, und was der beste Zeitpunkt sein würde, um sie zu schnappen.

Seine Hand strich durch die wenigen Haare, die seine Halbglatze umrahmten. Wie immer, wenn er das tat, erinnerte ihn die Narbe an seinem Hinterkopf an jenen Tag.

Schnell trank er das Glas in einem Zug leer, in der Hoffnung, die Erinnerung würde sich verflüchtigen. Doch sie blieb, und die unbändige Wut in ihm wurde unerträglich. Er holte aus und warf das Glas gegen die Wand. Mit einem lauten Klirren zersprang es.

7 | VesdE GmbH

Sam legte die fünf Kilo Scheibe, die sie während der Situps hinter dem Kopf gehalten hatte, zur Seite. Genug für heute. Jetzt noch ein paar Dehnübungen, dann sollte sie unter die Dusche gehen. In einer Stunde musste sie los, um sich ihre Brötchen zu verdienen.

Nachdem sie sich ihr zweites Standbein geschaffen hatte, war ihr Leben nicht nur interessanter geworden, sondern auch finanziell unabhängiger. Zwar hatte sie ohnehin noch einiges von dem Geld, das ihre Adoptiveltern ihr vererbt hatten, aber da ihr sehr früh bewusst geworden war, dass dies nicht ewig reichen würde, war es schon lange ihr Ziel gewesen, sich ein Einkommen aufzubauen, welches sie unabhängig davon machte.

"Veselkova deutschlandweite Ermittlungen" hatte sie ihre Detektei genannt, order kurz: "VesdE GmbH". Sie warb mit dem Slogan "Wir haben eine weiße VesdE – und finden jeden, der keine hat". Mittlerweile war es eine im Rhein-Main-Gebiet angesehene Detektei. Sie zählte nicht zu den großen, aber es gab regelmäßig kleinere Aufträge.

Heute war es eine Beschattung. Normalerweise waren solche Dinge eher anspruchslos, wie beispielsweise bei dem Mann von Frau Pranger, den sie vor einigen Tagen am Frankfurter Flughafen mit seiner Geliebten fotografiert hatte. So etwas war eigentlich eine langweilige Sache, doch heute würde es etwas besonderes sein, denn sie hatte einen Motorradfahrer als Zielobjekt. Wenn sie nur Autofahrerin gewesen wäre, hätte sie den Job gar nicht annehmen können, aber da sie selbst zweiradbegeistert war, konnte es keinen besseren als sie für den Job geben. Ein Motorradfahrer, der sich für eine Weile einem anderen anschloss, um eine Strecke gemeinsam zu fahren, war im Taunus nichts Ungewöhnliches.

Während die junge Frau die Sehnen und Muskeln ihrer Beine dehnte, dachte sie über ihre Auftraggeberin nach. Bisher gab es nicht den geringsten Beweis dafür, dass ihr Mann eine andere hatte. Nur das Bauchgefühl. Wie sicher war ein Bauchgefühl? Sams Erfahrung sagte, dass etwa zwanzig Prozent der Männer, die sie überprüfen sollte, zu Unrecht verdächtigt wurden. Mit achtzig Prozent aber war der weit größere Teil tatsächlich untreu. Manche von ihnen mit äußerster Vorsicht. Ohne die Hilfe eines professionellen Detektivs hätten ihre Frauen niemals die Wahrheit erfahren können. Andere agierten völlig unbedacht, als wenn ihnen sowieso nichts passieren konnte.

Manchmal fragte sich Sam, ob es überhaupt gut war, wenn ihre Frauen die Wahrheit erfuhren. Vielleicht würden die Männer bis zu ihrem Lebensende mit ihren Ehefrauen verheiratet bleiben. Solange die nichts von den Seitensprüngen ihrer Männer wussten, würden sie vielleicht sogar glücklich sein.

Auf der anderen Seite bekamen die Frauen durch das Wissen über die Untreue ihrer Männer die Möglichkeit, sich von den Halunken zu trennen, und sich einem neuen Glück zuzuwenden.

Sam hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass für sie eine normale Beziehung zu einem Mann nicht in Frage kam. Zumindest jetzt noch nicht. Jan war der erste Mann gewesen, mit dem sie sich richtig gut verstanden hatte und der keine Annäherungsversuche unternahm, und der ihr erforderlichenfalls half, ohne irgendwelche Gegenleistungen dafür zu erwarten.

Sie hielt einen Moment inne und sah in den Spiegel, der die komplette Wand vor ihr einnahm. Breitbeinig, wenige Zentimeter vor dem Spagat, stand sie mit schweißnassem Gesicht in ihrem Trainingsraum. Ob Jan sie attraktiv fand? Nicht, dass sie etwas von ihm wollte, aber sie fragte sich, ob er in ihr wirklich nur eine Domina und keine Frau sah. Kurzes Nachdenken. Vielleicht war sie ihm zu maskulin? Auch wenn man es nicht unbedingt sah, solange ihr Körper in normale Kleidung gehüllt war: Sie hatte das Kreuz einer Schwimmerin. Zwar hatte sie nicht die Muskeln einer Bodybuilderin, aber der Extremsport hinterließ seine Spuren. Selbst die schlanken Oberarme nahmen gehörig an Volumen zu, sobald sie die Muskeln anspannte. Ihre kurzen, blonden Haare trugen sicher ihren Teil zu ihrer wenig damenhaften Erscheinung bei, obwohl sie selbst nicht fand, dass sie damit wie ein Mann aussah. Außerdem sprach ihre Oberweite eine deutliche Sprache. Die Formen ihrer Brust zeichneten sich klar unter dem eng anliegenden, schweißgetränkten Shirt ab. Wenn sie es sich hätte aussuchen können, wäre ihr eine kleinere Körbchengröße lieber gewesen. Dank ihrer sportlichen Betätigung war ihr Busen aber ebenso fest und in Form wie ihr Hintern. Die schlanke Taille ließ jeden Gedanken an Männlichkeit verschwinden.

Das Piepsen der kleinen Uhr in der Ecke wies sie auf das Ende ihrer Trainingszeit hin und verscheuchte die Gedanken. Auf dem Weg zum Badezimmer sah sie kurz nach draußen. Strahlender Sonnenschein. Es würde Spaß machen, heute mit dem Motorrad durch den Taunus zu fahren.

Schnell duschte sie und zog die weiße Motorradhose an.

Diesen Ledertraum hatte sie vor zwei Jahren in einem kleinen Laden in Mailand gefunden, sich sofort in die robuste, weiße Kombination aus Hose und Jacke verliebt, und ohne zu überlegen eine Unsumme dafür ausgegeben. Das war eine ihrer Schwächen, gegen die sie sich am wenigsten wehrte: Wenn ihr etwas wirklich gefiel, dann kaufte sie es, selbst wenn es völlig überteuert war.

Ihr fehlten zu ihrem Outfit noch die passenden Stiefel. Ihre jetzigen waren rotweiß, und das Rot störte sie dabei. Rein weiße Motorradstiefel hatte sie noch keine gefunden.

Nachdem sie komplett angekleidet war, gelangte sie vom Flur aus direkt in ihre Garage. Hier fanden sowohl ihr 207er Peugeot Cabriolet als auch ihre Kawasaki Z1000 Platz.

Bevor sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte, streichelte sie über den perlmuttfarbenen Tank. Sie liebte dieses Motorrad, das nach dem alten Häuschen wahrscheinlich ihr teuerster Lustkauf gewesen war. Teurer als das Auto. Unvernünftig teuer. Neben der Speziallackierung hatte sie die Maschine von Hennes bei LKM tunen lassen, was ihr einen wunderbar laufenden Motor beschert hatte.

Sie setzte sich auf die mit weißem Leder bezogene Sitzbank und betätigte den Anlasser. Träge drehte der Motor einige Male, bevor die Maschine startete. Sie musste unbedingt die alte Batterie austauschen, bevor es noch kälter wurde. Letzten Winter hatte sie es versäumt, die Batterie auszubauen und zwischendurch zu laden. Seitdem zeigte sie Schwächen.

Ein Druck auf einen weiteren Knopf an den Armaturen des Lenkers öffnete das Garagentor. Wieder einmal war sie fasziniert von dem kleinen Luxus, mit dem sie sich selbst belohnt hatte. Es gab einfach Dinge, die ihr wichtig waren, und dafür tat sie, was eben nötig war.

Seit ihrer Kindheit hatte sie für nichts anderes gelebt als für ihre Unabhängigkeit. Auch wenn ihre geliebten Adoptiveltern gestorben waren, als sie zehn Jahre alt gewesen war, hatten sie ihr doch noch beibringen können, dass sie sich stets nur auf sich selbst verlassen durfte. Wenn sie nichts für sich tat, dann würden es andere auch nicht tun.

Als Sam danach ins Heim kam, erfuhr sie auf sehr direkte Weise, dass ihre Adoptiveltern Recht gehabt hatten. Sam war dem so liebenswerten Paar im Nachhinein unendlich dankbar dafür, dass sie sie von Anfang an zu einer sehr selbständigen Person erzogen hatten. Dass die Beiden sie bereits im Alter von fünf Jahren in einer Kampfsportschule angemeldet hatten, erwies sich im Heim als unersetzliche Hilfe. Sehr schnell waren anfängliche Diskussionen mit den hiesigen Rädelsführern zu ihren Gunsten entschieden gewesen, egal ob es sich dabei um männliche oder weibliche Jugendliche gehandelt hatte. Nach kurzer Zeit hatte Sam sich den allgemeinen Respekt, auch bei Älteren, regelrecht erkämpft. Enge Kontakte hatte sie im Heim nur wenige unterhalten, denn die meisten Kinder dort konnten mit dem Niveau, das die Keuschners ihr vorgelebt hatten und bei dem sie sich wohlgefühlt hatte, nicht mithalten. Sie hatte auch niemanden gebraucht, konnte selbst auf sich aufpassen, und entschied auch selbst, was gut für sie war. Sam war ein sehr selbstbewusstes Mädchen gewesen, und wollte soweit wie möglich von niemandem abhängig sein.

Sie hatte hart dafür gearbeitet und ihr Ziel erreicht – nun arbeitete sie dafür, diesen Zustand zu erhalten.

Das leichte Vibrieren der Maschine erweckte sie aus ihren Gedanken.

Mit Spannung erwartete sie, was der Tag brachte. Hörbar rastete der erste Gang ein. Mit sonorem Brummen verrichtete der große Vierzylinder seine Arbeit. Nachdem sie langsam aus der Garage gerollt war und erneut auf den Knopf der Fernbedienung gedrückt hatte, schloss sich das Tor wie von Geisterhand. Sam fuhr langsam die steile Auffahrt ihrer Garage hinauf und bog nach links auf die Hauptstraße ein. Ein paar Meter weiter fuhr sie an einem roten Jetta vorbei, der zu einem Besucher in der Nachbarschaft gehören musste, denn sie hatte den Wagen hier noch nie gesehen. Sie registrierte noch, wie das Auto sich in Bewegung setzte, als sie fast auf gleicher Höhe war, schenkte ihm jedoch keine weitere Beachtung.

Bald ließ sie ihren kleinen Ort Ehlhalten hinter sich. Sie musste nach Bad Camberg. Zwischen zehn und elf, so hatte die Frau gesagt, fuhr ihr Mann sonntags immer los. Sam hatte das Kennzeichen und wusste, dass der Fahrer einen schwarzgelben Helm mit Rattenkopfdesign tragen würde. Wie man zu einer blauweißen Suzuki GSX-R einen so unpassenden Helm tragen konnte, war ihr ein Rätsel.

Sie würde sich ihm anschließen und einen Motorradfahrer mimen, der einfach keine Lust hatte, alleine zu fahren. Sobald er sein Ziel erreicht hatte, würde sie weiter fahren. Damit wäre der Job für den Tag erledigt. Bei seinem nächsten Rendezvous konnte Sam bereits im Schutze eines Autos am Zielort warten und die Geschehnisse vor Ort beobachten. So war es mit der Kundin abgesprochen.

Bis Heftrich fuhr sie langsam, um den Motor warm zu fahren. Vor dem Ortsausgang beobachtete sie frühzeitig den rückwärtigen Verkehr im Spiegel. Der rote Jetta schien den gleichen Weg wie sie zu haben, denn er war hinter ihr, hielt aber einigen Abstand. Weitere Fahrzeuge folgten nicht. Sobald Sam den Ort verlassen hatte, beschleunigte sie die Maschine und überholte einen Kleintransporter. Vehement zog die Kawasaki nach vorne.

Strahlend blau war der Septemberhimmel, es war angenehm warm, aber nicht mehr so heiß, dass man gleich in der Lederkleidung zu schwitzen begann.

Bald war sie auf der B8 und erreichte nach kurzer Zeit die Ecke zur Pommernstraße in Bad Camberg. Hier stellte sie den Motor ab und öffnete das Visier ihres Helmes.

8 | Tagesgeschäft

Sam zog nur den linken Handschuh aus, öffnete den Reißverschluss ihrer Jacke zur Hälfte, und holte das Handy heraus. Mit offenem Visier blieb sie auf der Maschine sitzen und tat so, als würde sie eine SMS schreiben. Dabei hatte sie stets die nächste Ecke im Blick. Die Zielperson wohnte im Sonnenring und würde über die Pommernstraße auf die Bundesstraße fahren.

Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis das Motorrad auftauchte. Wie beschrieben stach der Helm des Fahrers deutlich vom Design der Maschine ab. Sam steckte das Handy in die Jacke, zog den Reißverschluss hoch und den Handschuh wieder an.

Als sie ihre Kawasaki startete, beschleunigte ihre Zielperson gerade das Fahrzeug. Sam legte den Gang ein und fuhr los. Der GSX-R-Fahrer behandelte seine Maschine offenbar ebenso gut wie sie ihre, denn er drehte den Motor im kalten Zustand nicht hoch. Mit moderaten hundertzehn Stundenkilometern zog er souverän über die Landstraße, nachdem sie Bad Camberg verlassen hatten.

Sein Fahrstil gefiel ihr. Keine unsicheren oder ruckartigen Aktionen in den Kurven. Einfach nur schön rund und gleichmäßig.

In Glashütten mussten sie wegen eines rangierenden Traktors anhalten. Sam stellte sich direkt neben die Suzuki. Eigentlich war Augenkontakt zur beschatteten Person ein absoluter Fauxpas, doch in diesem Fall wäre es noch auffälliger gewesen, wenn sie hinter dem anderen Motorrad stehen geblieben wäre. Nachdem sie nun schon eine Weile zusammen gefahren sind und er sie durchaus im Rückspiegel bemerkt haben musste, hätte er sich vermutlich sehr gewundert, wenn sie ihn nicht wenigstens höflich gegrüßt hätte. So war das nun mal unter Motorradfahrern.