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November 1942. In einer stürmischen Nacht entdeckt der MI6-Agent Quint im Arlbergbahntunnel den Eingang einer streng geheimen, tief im Berginnern gelegenen Militäranlage der deutschen Wehrmacht. Die SOE entsendet daraufhin ein aus den besten Spezialisten für den Einsatz hinter den feindlichen Linien zusammengestelltes Kommando unter der Führung des erfahrenen Armeeoffiziers Captain Sam Burton. Der Auftrag lautet, in die Anlage einzudringen und die Infrastruktur nachhaltig zu zerstören. Doch schon kurz nach der Landung im Zielgebiet stellt sich heraus, dass der Feind von der Ankunft des Sabotagetrupps Kenntnis haben muss. Was zunächst als gewöhnliches, wenn auch brandgefährliches Kommandounternehmen beginnt, entwickelt sich immer mehr zu einem mörderischen Auftrag, bei dem bald niemand mehr weiß, wer auf wessen Seite steht.
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Seitenzahl: 249
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Handlung:
November 1942. In einer stürmischen Nacht entdeckt der MI6-Agent Quint im Arlbergbahntunnel den Eingang einer streng geheimen, tief im Berginnern gelegenen Militäranlage der deutschen Wehrmacht. Die SOE entsendet daraufhin ein aus den besten Spezialisten für den Einsatz hinter den feindlichen Linien zusammengestelltes Kommando unter der Führung des erfahrenen Armeeoffiziers Captain Sam Burton. Der Auftrag lautet, in die Anlage einzudringen und die Infrastruktur nachhaltig zu zerstören. Doch schon kurz nach der Landung im Zielgebiet stellt sich heraus, dass der Feind von der Ankunft des Sabotagetrupps Kenntnis haben muss. Was zunächst als gewöhnliches, wenn auch brandgefährliches Kommandounternehmen beginnt, entwickelt sich immer mehr zu einem mörderischen Auftrag, bei dem bald niemand mehr weiss, wer auf wessen Seite steht.
Autor:
M. S. GLASER lebt in der Ostschweiz. Aufgewachsen in unmittelbarer Nähe einer bis fast zur Jahrtausendwende streng geheimen unterirdischen Militäranlage aus dem Zweiten Weltkrieg, wurde schon früh sein Interesse für Spionageabwehr und Geheimdienste geweckt. «Spione, Soldaten und Verräter» ist sein erster Roman mit Quint.
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
Kapitel
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Kapitel
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Kapitel
Kapitel
Epilog
Vollkommen reglos verharrte die dunkle Gestalt im Regen jener stürmischen Novembernacht des Jahres 1942 unter den windgepeitschten Tannen. Das Rauschen des schneidend kalten Windes, der erbarmungslos durch die Kleidung des heimlichen Beobachters drang, verschluckte jedes andere Geräusch.
Längst brannte in den wenigen Häusern des auf rund 1220 m ü. A. gelegenen Weilers auf der anderen Seite der Gleise der doppelspurigen Arlbergeisenbahn kein Licht mehr. Die Einwohner von Langen waren zeitig zu Bett gegangen.
Gespannt beobachtete der Mann in der schwarzen Kapuzenjacke, wie soeben eine Diesellok der deutschen Wehrmacht das Westportal des über zehn Kilometer langen Arlbergbahntunnels, der die beiden österreichischen Bundesländer Vorarlberg und Tirol miteinander verbindet, verliess, und sich langsam seinem Standort näherte.
Im Abstand von weniger als dreissig Metern rollte die von einem 360 PS starken Sechszylinder-Dieselmotor angetriebene Rangierlokomotive auf ihren drei gekuppelten Antriebsachsen im Schritttempo ohne Licht auf dem von seinem Versteck weiter entfernten Gleis an ihm vorbei. Er zählte die im spärlichen Licht des gelegentlich zwischen den Wolkenbanken auftauchenden, sichelförmigen Mondes nur schwer auszumachenden Umrisse von drei geschlossenen Güterwagen.
Auf der rund fünfzig Meter langen Steinbrücke, unter der siebzehn Meter tiefer die Alfenz dem Ill entgegenströmte, kam die Zugskomposition zum Stehen.
Nach knapp fünf Minuten näherte sich aus der entgegengesetzten Fahrtrichtung Scheinwerferlicht. Fast auf gleicher Höhe mit dem ersten Zug hielt nun ein zweiter auf dem parallel dazu verlaufenden Gleis.
Kaum eine Minute später setzte sich der neue Zug wieder in Bewegung, um im nächsten Augenblick erneut zum Stillstand zu kommen. Die Lokomotive, bei der es sich um ein elektrisch betriebenes Modell handelte, befand sich nun beinahe direkt vor dem aufmerksamen Zuschauer und verdeckte ihm dadurch die Sicht auf die weiteren Geschehnisse. Im Lichtkegel ihrer Scheinwerfer sah er, wie sich erste Schneeflocken unter den Regen mischten. Einmal vernahm er ein durch das Tosen des Sturms gedämpftes, metallisches Geräusch, das für ihn wie das Aufeinanderprallen von Puffern klang.
Nach weiteren fünf Minuten nahm der Zug mit der Elektrolok seine Fahrt langsam wieder auf und verschwand im schwarzen Schlund des Arlbergtunnels.
Nun, da er wieder freie Sicht hatte, stellte der Mann unter den Tannen erstaunt fest, dass sich die Diesellok jetzt auf demselben Gleis befand wie zuvor der andere Zug. Doch die drei ursprünglich angehängten Wagen waren verschwunden. Stattdessen waren jetzt mehrere Wagen an der Frontseite der Rangierlok angekoppelt, die sie nun in langsamer Rückwärtsfahrt in Richtung seines Standorts zog.
Fast an derselben Stelle wie schon der inzwischen verschwundene Zug, kam sie kurz zum Stehen, um gleich darauf die neuen Wagen, eine Überleitstelle passierend, wieder in der Gegenrichtung vor sich her auf die andere Spur zu schieben und erneut zu stoppen.
Von seinem leicht erhöht zwischen Tunnel und Brücke gelegenen Beobachtungsposten aus konnte der heimliche Zeuge erkennen, wie sich im schwachen Lichtschein einer halb abgedunkelten Sturmlaterne eine uniformierte Gestalt am Umstellhebel einer Weiche zu schaffen machte. Der Vorgang wiederholte sich auf der zweiten Fahrspur, bevor sich der Zug rückwärtsfahrend ebenfalls in Richtung Tunnel, von wo er ursprünglich gekommen war, in Bewegung setzte.
Wieder zählte er die Wagen. Drei! Die beiden Züge hatten auf offener Strecke im Schutze der Dunkelheit drei Wagen ausgetauscht! Ein Lächeln huschte über sein regennasses Gesicht. Er war auf der richtigen Spur!
Als der letzte Wagen vom Tunnel verschluckt worden war, lockerte Quint seine verkrampften Muskeln. Das Ausharren hatte sich gelohnt. Noch hatte er das Rätsel nicht ganz gelöst. Aber der Agent des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 war fest entschlossen, dies zu ändern; und zwar jetzt!
Er verliess seinen Beobachtungsposten und stemmte sich gegen den Wind, der ihm ein Gemisch aus Regen und Schnee ins Gesicht peitschte.
Vor dem Tunneleingang zögerte er einen Augenblick lang. Da er sich ihm von der Seite genähert hatte, war er vor allfälligen Blicken der Zugbegleiter geschützt gewesen. Aber in dem Moment, in dem er den Tunnel betrat, würde sich seine Gestalt möglicherweise vom Hintergrund abheben. Wenn er erwischt wurde, konnte er seine Erkenntnisse nicht an London weitergeben. Andererseits wollte er unbedingt wissen, ob er mit seiner abenteuerlichen Vermutung tatsächlich richtig lag. Und ausserdem liess Quint sich nicht so leicht erwischen!
Mit einer raschen Bewegung glitt er dicht an der rechten Tunnelwand in die pechschwarze Finsternis. Kein Schuss fiel, kein erstaunter Ausruf ertönte vor ihm, als er sich mit deutlich spürbarem Herzklopfen im Gestank der Dieselabgase vorwärtstastete. Mit jedem Schritt wurde er sicherer und schneller, mit jedem Meter, den er zurücklegte, wurde das Toben des Herbststurms hinter ihm leiser. Dafür waren die Geräusche des Zugs vor ihm nun deutlich zu hören.
Doch schon nach kurzer Zeit veränderte sich das kraftvolle Brummen des Motors, und die Rollgeräusche ebbten ab, um schliesslich ganz zu verstummen. Stimmen waren zu vernehmen. Offenbar hatte der Zug angehalten.
Plötzlich sah Quint einen schwachen Lichtschimmer vor sich. Erschrocken stellte er fest, dass er sich anscheinend bereits näher am Zug befand als angenommen.
Vorsichtig ging er auf dem Schotterbett zwischen den beiden Schienen des rechten Gleises weiter auf die Lichtquelle zu, den linken Arm vorgestreckt, die Finger der rechten Hand leicht an der Wand entlanggleitend.
Die Stimmen wurden lauter. Quint konnte nun einzelne Worte der zwischen zwei oder drei Männern geführten Unterhaltung verstehen. Die Umrisse des Zugs waren jetzt deutlich zu erkennen, so dass er sich nicht mehr ausschliesslich auf seinen Tastsinn verlassen musste.
Als er bis auf etwa ein halbes Dutzend Meter an das Zugende herangekommen war, blieb Quint stehen. Bereit, sich sofort auf den Boden zu werfen, tastete er mit der rechten Hand nach dem Griff seiner Pistole in der Jackentasche.
«Bei dem Sauwetter würde ich auch lieber wie du hier im Trockenen herumhängen! Stattdessen muss ich im Dunkeln zwischen Güterwagen herumturnen und mir fast die Finger abfrieren lassen!», beschwerte sich gerade jemand.
«Ein bisschen Bewegung tut dir gut!», erwiderte eine andere Stimme lachend. «Sonst rostest du noch ganz ein!»
«Sag mal, hast du auch gehört, dass hier am nächsten Donnerstag angeblich irgend so ein Totenkopf-Heini aufkreuzen soll?», wollte ein dritter Mann wissen.
«Ja, ein Standartenführer vom SS-Führungshauptamt. Krüger, oder so ähnlich. Leutnant Bäcker hat es uns mitgeteilt. Ist anscheinend für Waffen und Munition zuständig. Soviel ich weiss, macht er vorher noch Halt in Lindau oder Bregenz und soll dann gegen Mittag hier eintreffen. Der Alte wird sich freuen, wenn er sich mit einem SS-Oberst herumschlagen muss! Man weiss ja, wie sehr er die Schwarzröcke mag!»
Meckerndes Gelächter ertönte.
«Kommt er allein? Oder bringt er wenigstens eine heisse Blondine mit? Ich würde sie dann schon beschäftigen!» Das war wieder der arme Kerl mit den kalten Patschhändchen, registrierte Quint, der angestrengt lauschte, um sich ja kein Wort entgehen zu lassen.
«Vielleicht ist ja sein Fahrer blond! Oder er setzt sich eine blonde Perücke auf! Du würdest den Unterschied ja sowieso nicht merken!»
Lautstarker Protest vermischte sich mit brüllendem Gelächter. Die Kerle schienen sich ja gut zu amüsieren.
«Nun macht schon vorwärts und bringt endlich den Zug rein! Und lasst ja keine Zigarettenstummel im Tunnel liegen!», befahl eine neue Stimme scharf.
Augenblicklich verstummten die drei anderen Männer. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung – und verschwand durch eine Öffnung in der linken Tunnelwand!
Quint wollte seinen Augen nicht trauen. Obwohl er etwas in der Art vermutet und sich sein Verdacht soeben bestätigt hatte, verblüffte ihn doch die konkrete Umsetzung. Die verrückten Hunde hatten doch tatsächlich den Arlbergtunnel angezapft und eine Abzweigung für militärische Zwecke eingebaut! Ausser dem Personal der Züge, die hier durchfuhren, würde niemand etwas davon mitbekommen, dass sich hier sozusagen der Lieferanteneingang einer der geheimsten militärischen Anlagen in diesem beschissenen Krieg befand.
Während der britische Geheimagent noch seine sensationelle Entdeckung verdaute, verschwand das Heck des letzten Wagens im Geheimstollen. Sofort stellte einer der Soldaten die Weiche auf Durchfahrtsstellung um. Nach einem prüfenden Blick wandte er sich ab und verschwand ebenfalls durch die Öffnung, die sich sogleich ohne grossen Lärm hinter ihm schloss. Augenblicklich herrschte vollkommene Dunkelheit im Bahntunnel. Kurz darauf drang aus dem Stollen ein Geräusch, welches auf das Schliessen eines schweren Tores hindeutete. Dann war Ruhe.
Quint wartete noch ungefähr eine Minute und horchte. Dann holte er aus den Tiefen seiner Jacke eine Taschenlampe hervor und schaltete sie ein. Den Lichtstrahl auf den Boden vor seinen Füssen gerichtet, bewegte er sich in gemächlichem Tempo auf die rund fünfzig Meter entfernte Stelle zu, wo sich der Eingang der Anlage befand.
Als er die Weiche erreicht hatte, liess er den Lichtkegel seiner Lampe langsam über die Tunnelwand wandern. Die Tarnung sah verblüffend echt aus. Lediglich eine schmale Fuge verriet dem geübten Auge, wo das Gestein durch eine geschickt bemalte Attrappe ersetzt worden war.
Es wurde Zeit, von hier zu verschwinden! Eilig trat er den Rückweg an. Die Vorstellung, sich noch im Tunnel zu befinden, wenn der nächste Zug angebraust kam, verursachte ein unangenehmes Kribbeln in seinem Nacken.
Langsam sah sich Sam Burton um und liess seinen Blick über die im Raum versammelten Männer schweifen. Drei der fünf Gesichter waren ihm vertraut: Peter Harrison, Harry Grey und natürlich Tom, der seinen Blick feindselig erwiderte. Die beiden anderen kannte er nicht persönlich.
Keiner der Anwesenden machte einen besonders glücklichen Eindruck, als Major John Williams und Lieutenant Frank Collins aus der offenen Tür des Nebenzimmers traten.
«Bleiben Sie sitzen, Gentlemen!» Major Williams, von imposanter Statur, mit einem mächtigen, neben den Mundwinkeln herabhängenden, grauen Seehundeschnauz, baute sich bedrohlich vor den sechs um einen grossen Tisch herum verteilten Zuhörern auf. Mit grimmigem Gesichtsausdruck, der durch die dichten, buschigen Brauen über den gefühlslos blickenden Augen noch verstärkt wurde, musterte er jeden Einzelnen eindringlich. «Wie ich sehe, sind wir vollzählig», stellte er zufrieden fest. «Also, lassen Sie uns keine Zeit verlieren!»
Mit leicht vornübergebeugtem Oberkörper stapfte er schwerfällig zu einer grossen, an der Wand aufgehängten Landkarte, die Teile Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie das Fürstentum Liechtenstein zeigte.
Eigentlich kaum zu glauben, dass der Mistkerl noch immer einer der Besten bei den Fitnesstrainings war, fuhr es Sam Burton durch den Kopf.
«Ihr Einsatzgebiet liegt im Raum Vorarlberg!» Williams griff nach einem an der Wand lehnenden Zeigestock und kreiste damit über dem Zentrum der Karte. «Dem MI6 liegen Informationen aus verlässlichen Quellen vor, wonach die Deutschen in einer unterirdischen Fabrik eine neue Geheimwaffe produzieren, deren Einsatz den Kriegsverlauf entscheidend beeinflussen könnte – zu unseren Ungunsten, versteht sich! Worum genau es sich dabei handelt, wissen wir nicht. Und da wir es lieber nicht auf die harte Tour herausfinden wollen, werden wir diese Produktionsanlage ausfindig machen und – zerstören!» Beim letzten Wort hieb er den unschuldigen Zeigestock derart hart auf eine Stuhllehne, dass er zerbrach. Drohend zeigte die in seiner Hand verbliebene Hälfte des Stocks auf die betroffen dreinblickenden sechs Männer, als der Major präzisierte: «Sie werden sie zerstören!»
Achtlos liess Williams das gepeinigte Stück Holz zu Boden fallen, als er mit ruhiger Stimme weitersprach. «Wie Sie bereits festgestellt haben, setzt sich Ihre Gruppe aus Angehörigen verschiedener Organisationen zusammen: Army, SAS und Geheimdienst. Die Koordination obliegt der SOE. Captain Burton wird Sie anführen. Seine fachliche Kompetenz für diese Mission dürfte Ihnen allen hinlänglich bekannt sein. Lieutenant Barnes vom Special Air Service Regiment und Sergeant Harrison sind erfahrene Nahkämpfer, Corporal Parker ist Spezialist im Umgang mit Sprengstoffen. Private Grey ist neben seinen Qualitäten als Scharfschütze auch in technischen Angelegenheiten sehr versiert, während Agent Landers vom MI6 über die in Geheimdienstkreisen üblichen Fähigkeiten verfügt. Lieutenant Collins und ich werden Sie nach der Rückkehr von Ihrem Einsatz hier im Hauptquartier erwarten.»
«Falls wir zurückkehren», dachte Ed Parker, und seine Bedenken waren dem erfahrenen Corporal deutlich anzusehen. Trotzdem zog er es vor, zu schweigen.
Stattdessen meldete sich Sergeant Harrison zu Wort. «Habe ich das richtig verstanden, Sir, Sie wissen noch gar nicht genau, wo sich das Zielobjekt befindet?»
Seine Worte sorgfältig abwägend, antwortete Major Williams: «Der MI6 ist sich ziemlich sicher, die Position der unterirdischen Anlage trotz höchster Geheimhaltungsmassnahmen der Deutschen ausfindig gemacht zu haben. Er hat einen Agenten vor Ort, der im Augenblick nach einer Möglichkeit sucht, unbemerkt in das Objekt hineinzugelangen. Der Mann wird Sie nach Ihrer Landung im Zielgebiet einweisen und unterstützen.»
«Warum lassen wir das Ganze nicht einfach von den Jungs der Royal Air Force erledigen, Sir?», fragte Harry Grey zögernd und sah den Major hoffnungsvoll an.
Williams schüttelte mitleidig den Kopf. «Sie mögen ein hervorragender Scharfschütze sein, Private Grey … Mit flächendeckenden Bombardierungen richten wir da gar nichts aus! Die Fabrik befindet sich tief im Berginnern! So, wie wir die Deutschen kennen, werden die Sicherheitsvorkehrungen beträchtlich sein! Ich fürchte, diese Nuss wird nur mit einer Mischung aus tollkühnem Mut, Geschicklichkeit und List zu knacken sein! Eigenschaften also, über die Sie, meine Herren, alle verfügen, wie Sie ja schon mehrfach bewiesen haben!»
Mit beinahe sanfter Stimme fuhr er wohlwollend fort: «Deswegen haben wir Sie ausgewählt; jeden Einzelnen von Ihnen! Sie alle sind mit den örtlichen Gegebenheiten und der Situation vertraut und beherrschen die deutsche Sprache perfekt. Mehr oder weniger», fügte er mit einem Seitenblick auf Corporal Parker hinzu.
«Verzeihung, Sir, weshalb wird ausgerechnet Captain Burton uns führen?», fragte Tom Barnes mit einem leicht aggressiven Unterton.
«Zweifeln Sie etwa an Captain Burtons Qualifikation?» Major Williams Stimme war scharf wie ein frisch geschliffenes Rasiermesser, der freundliche Gesichtsausdruck von vorhin wie weggewischt. Mit kaltem Blick fixierte er den kräftigen SAS-Lieutenant.
«Nein, Sir, das nicht, aber …»
«Dann meckern Sie hier gefälligst nicht herum! Es interessiert mich einen feuchten Dreck, wie Sie zu Captain Burton stehen!», dröhnte der Bass des SOE-Einsatzleiters durch den kleinen Besprechungsraum des Hauptquartiers der Special Operations Executive in der Londoner Baker Street. «Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie professionell genug sind, Ihre persönlichen Animositäten aussen vor zu lassen und Ihren Auftrag ordentlich auszuführen! Denken Sie, dass Sie das hinkriegen werden, Lieutenant?»
«Selbstverständlich, Sir!»
«Oder ist es beim Special Air Service Regiment üblich, über Entscheide der Einsatzleitung zu diskutieren?» Die Stimme des Majors troff vor Sarkasmus. Er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die Spezialeinheit, die ihm seinerzeit die Aufnahme wegen einer Lappalie verweigert hatte. Er war von Anfang an dagegen gewesen, den SAS in die Operation miteinzubeziehen. Aber ausgerechnet Sam Burton hatte darauf bestanden, diesen Barnes dabeizuhaben. Mochte der Henker wissen warum!
«Natürlich nicht! Verzeihung, Sir!» Die Narbe auf Barnes’ rechter Wange zuckte leicht.
«Sie werden mit Fallschirmen über dem Zielgebiet abspringen!», verkündete Major Williams, nun wieder an alle gewandt. «Ihre Ausrüstung wird entsprechend den Anforderungen nach Ihren Angaben zusammengestellt werden. Die Fluchtroute führt über die Schweiz. Captain Burton ist bereits über alle Einzelheiten informiert. Sollten Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich an ihn! Sobald wir Nachricht haben von Quint, dem Agenten vor Ort, und die Wetter- und Sichtverhältnisse es zulassen, wird das Unternehmen starten! Halten Sie sich also bereit!»
Sam Burton begegnete dem – wie es ihm schien – leicht irritierten Blick von Lieutenant Collins, der die ganze Zeit über im Hintergrund gestanden und den Ausführungen seines Vorgesetzten aufmerksam zugehört hatte. Das konnte ja heiter werden!
Die Stimmung war gut, um nicht zu sagen ausgelassen. Es war ein herrlicher Frühlingstag, und der Ausflug mit dem Pferdegespann bereitete den drei jungen Menschen riesigen Spass. Vergnügt sangen sie Billy Jones: «Yes! We have no Bananas». Jenny, die neben ihm auf dem Kutschbock sass und ihn anhimmelte, sah mit ihren blonden Zöpfen und der frechen Stupsnase bezaubernd aus.
Das entgegenkommende Auto fuhr viel zu schnell in die enge Kurve. Sein Lenker verlor die Kontrolle und geriet auf die Gegenfahrbahn.
«Pass auf!», schrie Tom, der hinten auf dem Pferdewagen sass und mit weit aufgerissenen Augen zwischen seiner jüngeren Schwester und seinem besten Freund nach vorn starrte.
Erschrocken riss Sam die Zügel nach rechts, um das Unglück noch im letzten Augenblick abzuwenden. Aber es war bereits zu spät. Der Aufprall, als das Auto den Buggy knapp hinter dem Pferd rammte, war heftig. Jenny wurde vom Bock geschleudert. Abrupt verstummte ihr schriller Schreckensschrei, als sie mit dem Kopf auf einem fussballgrossen Stein neben dem Weg aufschlug.
Mit einem Ruck fuhr Sam Burton aus dem Schlaf hoch. Kalter Schweiss bedeckte seine Stirn. Wieder dieser verdammte Albtraum!
Beinahe zwanzig Jahre waren seither vergangen. Der Unfall hatte ihm auf einen Schlag die beiden wichtigsten Dinge in seinem Leben genommen: seine Geliebte, die ihren Verletzungen noch an der Unglücksstelle erlegen war, und die Freundschaft ihres Bruders, der ihn für Jennys Tod verantwortlich machte.
Und ihm selbst seinen Lebenssinn. Sam Burton wusste nicht, wie oft er sich in all den nutzlosen Jahren seit jenem verhängnisvollen Tag gewünscht hatte, er selbst wäre an Jennys Stelle gestorben. Auch die Flucht in übermässigen Alkoholkonsum hatte seinen Schmerz nicht gelindert. Sie hatte bloss dazu geführt, dass ihn sein Vater enterbt und seinen Vetter James, den er nicht leiden mochte, mit der Leitung des Gestüts betraut hatte.
Irgendwann hatte er sich wieder gefangen und mit der Sauferei aufgehört. Da er in seinem Innersten ein Kämpfer war, hatte er sich seinem Schicksal gestellt und sich mit ihm arrangiert. Er war in die Army eingetreten und hatte sich nach Kriegsausbruch für die gefährlichsten Einsätze freiwillig gemeldet. Dabei hatte er auch Tom wieder getroffen.
Mit einer schwungvollen Bewegung fegte er die Decke beiseite und stand auf. An Schlaf war jetzt ohnehin nicht mehr zu denken.
Exakt neunzehn Stunden später stand er frierend in einer Vickers Wellington der Royal Air Force, die sich über dem Schweizer Ufer des Bodensees befand und in wenigen Augenblicken in den Luftraum des Deutschen Reiches eindringen würde, und wartete auf das Signal zum Absprung. Barnes würde als Erster springen, gefolgt von Grey, Parker und Landers. Harrison, der ebenfalls ein sehr erfahrener Fallschirmspringer war, kam als Letzter nach ihm selbst an die Reihe, bevor dann die beiden Materialbehälter von den Besatzungsmitgliedern so schnell wie möglich aus dem Flugzeug geworfen werden mussten.
Die Maschine folgte nun ein kurzes Stück weit dem Rhein, der die Grenze zwischen der Schweiz und dem seit 1938 zum Deutschen Reich gehörenden Österreich markierte, um ihn schliesslich bei St. Margrethen zu überfliegen und nördlich von Lustenau und Dornbirn auf den Bregenzerwald zuzuhalten.
Das Dröhnen der beiden Bristol Hercules Motoren wurde noch lauter, als ein Sergeant der Bomberbesatzung die Tür öffnete, durch die Captain Burton und sein Team gleich in eine ungewisse Zukunft springen würden. Es war eine sternenklare, kalte Nacht. Im fahlen Licht des zunehmenden Mondes waren die schneebedeckten Berge und die dazwischen eingebetteten Täler gut zu erkennen.
Der Pilot legte die Vickers Wellington in eine leichte Rechtskurve und flog nun in südlicher Richtung genau über einem Tal, das zum Flexenpass hin anstieg.
«Los!» Der Sergeant an der offenen Tür klopfte Barnes leicht auf die Schulter, während seine laute Stimme den Lärm in der Maschine übertönte.
Mit leicht nach vorn gebeugtem Oberkörper stiess sich der SAS-Lieutenant von den beiden Haltegriffen ab und sprang mit ausgebreiteten Armen in die Nacht hinaus. Das an der Metallleine des Flugzeugs eingeklinkte Seil öffnete seinen Fallschirm, während er in waagrechter Haltung dem Ziel entgegenflog.
Sieben Sekunden später schwebten alle sechs Saboteure sowie die beiden Transportbehälter an ihren weissen Schirmen lautlos in der kalten Winterluft des Feindgebietes.
«So ein Mist!», dachte Quint, als der Bomber über ihn hinwegdröhnte. Die Scheisskerle veranstalteten einen Lärm, der Tote aufwecken konnte. Er ahnte nicht, dass keine fünfhundert Meter von ihm entfernt ein Mann in der Uniform eines SS-Offiziers das Geschehen durch ein Fernglas aufmerksam verfolgte.
Da es praktisch windstill war, trieb keiner der Fallschirme ab. Alle kamen im vorgesehenen Gebiet herunter, nahe der Strasse, die zum Flexenpass führte und ganzjährig befahrbar war. Der am Vortag frisch gefallene Schnee über der darunterliegenden festen Decke dämpfte die Landung, so dass sich keiner der sechs Agenten verletzte.
Quint wartete, bis alle ihre Fallschirme zusammengerollt und sich beim ersten Transportbehälter versammelt hatten. Dann setzte er sich in Bewegung. Um keine überflüssigen Spuren zu hinterlassen, legte er den grössten Teil der Distanz auf der Strasse zurück, wo er nicht so tief einsank wie im Tiefschnee daneben. Der Wetterbericht hatte für die zweite Nachthälfte erneuten Schneefall angekündigt, der die Abdrücke bis zum Hellwerden bedecken würde. Aber man musste ja nie.
Barnes bemerkte die sich nähernde Gestalt zuerst. Mit einer fliessenden Bewegung zog er eine Walther P.→ unter der Jacke seines Schnee-Tarnanzugs hervor und brachte sie auf den Fremden in Anschlag, der augenblicklich stehenblieb und vorsichtig die Arme auf Brusthöhe hob.
«Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug!»
«Der Service an Bord liess etwas zu wünschen übrig», entgegnete Sam Burton, der sich wie alle anderen dem Neuankömmling zugewandt hatte. «Quint, nehme ich an.»
«In voller Lebensgrösse.»
«Captain Sam Burton.»
Die beiden Männer schüttelten sich die Hände.
«Na, dann willkommen in der Ostmark! Ich schlage vor, dass Ihre Männer den Krempel möglichst schnell zusammenpacken, damit wir hier wegkommen.»
Nachdem der zweite Behälter geborgen war und sich mit Ausnahme von Quint alle eine Maschinenpistole umgehängt und ihre Fallschirme in die Transportbox gestopft hatten, setzte sich die Gruppe in Bewegung. Quint und Burton übernahmen die Spitze. Hinter ihnen kamen Harrison und Grey mit einem Behälter, gefolgt von Landers und Parker, die sich mit dem zweiten Teil ihres Reisegepäcks abmühten. Barnes bildete mit seiner MP im Anschlag die Nachhut, wobei er von Zeit zu Zeit stehenblieb und sich wachsam umsah.
«Gleich da vorn ist die Passhöhe», erläuterte Quint dem Captain, der an seiner linken Seite auf der schneebedeckten Strasse dahinschritt. «Ein kurzes Stück weiter kreuzt der Flexenbach unseren Weg zweimal. Beim zweiten Mal werden wir die Strasse verlassen und den Abstieg ins Tal im Bachbett fortsetzen. Dort unten liegt ein kleiner Ort namens Stuben.»
«Klingt gemütlich», meinte Burton trocken.
Quint grinste ihn an. «Nun ja, es gibt dort ein paar sehr hübsche Damen. Aber ich fürchte, Sie werden kaum Gelegenheit haben, ihre Bekanntschaft zu machen.»
«Jammerschade!» Sam Burton grinste nun ebenfalls.
Der Abstieg gestaltete sich äusserst unangenehm und schwierig. Schon nach kurzer Zeit drang das kalte Wasser des Bergbachs durch das Leder ihrer Springerstiefel. Besonders für Harrison, Grey, Landers und Parker mit ihren beiden unhandlichen Behältern war es eine grosse Herausforderung, nicht auf den glitschigen Steinen auszurutschen und das Gleichgewicht zu verlieren. Zwischendurch setzten sie ihre Last ein paarmal für einen Moment ab, um neue Kräfte zu sammeln. Burton und Quint halfen ihnen, so gut es ging.
Etwa einen halben Kilometer vor dem Dorf bedeutete Quint den Männern, anzuhalten. Er wies nach links zum Fuss eines bewaldeten Berges.
«Dort drüben gibt es eine kleine Höhle. Eigentlich mehr eine Felsspalte. Darin können wir Ihr Gepäck im Trockenen umpacken und kurz rasten.»
Erleichtert atmeten die schweissgebadeten Männer hinter ihm und Captain Burton bei diesen Worten auf; immerhin hatten sie in diesem verfluchten Bach eine Höhendifferenz von über dreihundert Metern hinter sich gebracht, und das noch dazu mit den beiden Transportbehältern, die von Schritt zu Schritt schwerer zu werden schienen.
Die Gruppe verliess das Bachbett und stapfte durch den Schnee zu der kaum mannshohen Öffnung im Fels. Der Eingang zu ihrem Unterschlupf war weder vom Weg, den sie gekommen waren, noch vom Ort aus zu sehen.
«Warten Sie einen Augenblick!» Ohne zu zögern, trat Quint in die Dunkelheit. Das Geräusch eines über die Reibefläche kratzenden Streichholzes war zu vernehmen, und gleich darauf flackerte eine kleine Flamme auf, mit welcher Quint den Docht einer dicken, weissen Kerze in Brand steckte. «Treten Sie näher, Gentlemen!»
Harrison, Grey, Landers und Parker folgten der Einladung und trugen ihre Lasten in die schmale, aber erstaunlich lange Höhle.
«Captain, kann ich Sie kurz sprechen?» Barnes, der inzwischen wieder zu seinen Kameraden aufgeschlossen hatte, stand dicht hinter Burton, der gerade im Begriff war, ebenfalls die Höhle zu betreten.
«Was gibt’s, Tom?», fragte er freundlich und wandte sich seinem ehemals besten Freund zu.
«Für Sie bin ich Lieutenant Barnes, Captain!» Die Worte klangen hart und unversöhnlich.
Sam Burtons Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. «Na schön, wie Sie wollen, Lieutenant! Also, was ist los?»
«Wir haben einen Schatten.» Barnes murmelte die Worte, so dass keiner ausser Burton sie hören konnte.
«Wo?» Burton zweifelte keine Sekunde daran, dass der Lieutenant recht hatte. Wenn Tom sagte, dass er einen Verfolger ausgemacht hatte, dann war es auch so.
«Oben, am Pass. Dort war ich mir noch nicht ganz sicher. Aber kurz bevor wir das Bachbett verliessen, habe ich ihn gesehen. Seine Silhouette zeichnete sich deutlich gegen den helleren Hintergrund ab. Er stand dort oben und hat unseren Abstieg beobachtet.»
«Dann hat er auch gesehen, wie wir vom Bach weg sind?»
Der Lieutenant schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht. Da war er nicht mehr zu sehen. Aber ganz auszuschliessen ist es natürlich nicht.»
«Gut.» Burton sah zum Himmel hoch, wo grosse Wolken aus Westen dem Mond bedrohlich nahe zu kommen schienen. «Es wird vermutlich nicht mehr lange so hell bleiben. Ausserdem soll es bald wieder schneien. Man wird uns also hier nicht so ohne Weiteres finden.» Er dachte kurz nach. «Halten Sie weiter die Augen offen! Sergeant Harrison wird Sie in zwanzig Minuten ablösen. Ich werde mit Quint und Grey auf Erkundung gehen. Sie halten hier mit den Übrigen die Stellung!» Dann sah er sich kurz zum Höhleneingang um, bevor er mit leiser, eindringlicher Stimme befahl: «Lass mir unseren Cheffeuerwerker nicht aus den Augen! Nicht eine Sekunde!»
Barnes sah ihn erstaunt an, nickte dann aber. Er sagte nicht einmal etwas dazu, dass ihn Burton wieder geduzt hatte.
Als Sam Burton die Höhle betrat, waren seine Männer gerade damit beschäftigt, im flackernden Schein mehrerer Kerzen den Inhalt der beiden verhassten Transportbehälter in weissen Rucksäcken zu verstauen, während Quint aus einer Glasflasche Spiritus in eine kleine Blechschale goss.
«Also, Leute! Wir rasten hier und verpflegen uns! Sergeant Harrison, Sie lösen Lieutenant Barnes in zwanzig Minuten draussen ab!» Burton wandte sich an Quint, der mit einer Kerze vorsichtig den Spiritus in Brand setzte. «Was halten Sie davon, wenn wir einen kleinen Ausflug machen und unser Operationsgebiet inspizieren?»
«Ich liebe nächtliche Spaziergänge!» Der MI6-Agent grinste. «Ausserdem ist die Luft draussen besser als hier drinnen», meinte er mit einem Kopfnicken in Richtung der Männer, die ihre durchweichten Schuhe und Socken auszogen, um sie an dem kleinen, rauchlosen Feuer zu trocknen. Durch den leichten Luftzug in der Felsspalte war eine ausreichende Sauerstoffzufuhr gewährleistet.
«Private Grey, Sie begleiten uns! In einer Viertelstunde brechen wir auf!», ordnete Burton an.
Die Männer setzten sich auf die vollgestopften Rucksäcke und assen schweigend von ihrem Proviant, während Quint dem Captain seine Erkenntnisse mitteilte.
«Die Anlage befindet sich im Innern der Berge westlich von hier. Ich konnte zwei Zugänge ausfindig machen. Der erste Eingang liegt auf dem Gelände einer zwischen Stuben und Langen gelegenen Schottergrube, die von einem Gebirgsjäger-Ersatzbataillon als Ausbildungs- und Schiessplatz genutzt wird. Der andere befindet sich etwa einen halben Kilometer von der Bahnstation Langen entfernt im Arlbergtunnel.»
Sam Burton glaubte, sich verhört zu haben. «Wollen Sie damit sagen, dass die Deutschen mitten in einem Tunnel einer ihrer wichtigsten Eisenbahnverbindungen eine Abzweigung eingebaut haben?»
«So ungefähr. Allerdings scheint diese Abzweigung, von der ausser einer Weiche und Schienen, die vor der Tunnelwand zu enden scheinen, nichts zu sehen ist, nur in der Nacht benutzt zu werden. Das Eingangstor selbst ist hervorragend getarnt. Ausser den Lokomotivführern, die auf dieser Strecke verkehren und sich ihre Gedanken über die seltsame Gleisführung machen werden, bekommt kein Zivilist diesen Eingang zu Gesicht. Und was das Mitteilungsbedürfnis der Lokführer anbelangt, so gehe ich davon aus, dass sich die Gestapo sehr fürsorglich darum kümmert!»
«Sie waren dort.» Es war eine Feststellung, keine Frage.
Quints Gesicht verzog sich zu einem Grinsen, das ihm im flackernden Kerzenschein ein unheimliches Aussehen verlieh. «Ich wollte als Kind Höhlenforscher werden. Ausserdem konnte ich Ihnen doch nicht bloss eine Möglichkeit präsentieren, um in die Höhle des Löwen zu gelangen.»
Keiner ausser Corporal Parker, der wie die übrigen Anwesenden aufmerksam den Ausführungen des Agenten folgte, bemerkte den kurzen Blick, den Steve Landers Sergeant Harrison zuwarf.
«Wie erfreulich, dann haben wir jetzt ja eine echte Auswahl», bemerkte Burton trocken.
Niemand sprach, während er seinen Rucksack packte und ebenfalls etwas ass. Man konnte die Spannung, die in der Höhle herrschte, beinahe körperlich spüren.
«Na schön, dann wollen wir uns mal etwas umsehen.» Sam Burton hängte sich den Riemen eines Fernglases um den Hals und griff nach seiner Maschinenpistole, die neben ihm am Fels lehnte. Gefolgt von Quint, Grey und Harrison, der Barnes ablöste, trat er ins Freie, wo leichter Schneefall sie empfing.
Sie folgten weiter dem Flexenbach bis nach Stuben, diesmal allerdings am Ufer, nicht mehr im eiskalten Wasser. Vorsichtig umgingen sie den in nächtlicher Ruhe versunkenen Ort, um anschliessend beim Zusammenfluss des Flexenbachs und des Rauzbachs zur Alfenz wieder dem Wasserlauf entlangzugehen.
Nach rund anderthalb Kilometern signalisierte Quint seinen Begleitern, dass sie sich nun in unmittelbarer Nähe des in der Schottergrube gelegenen Militärlagers befanden. Der Wald reichte an dieser Stelle bis fast an das westliche Ufer der Alfenz, so dass sie sich mit wenigen Schritten in den Schutz der Bäume zurückziehen konnten.