Spuk im Reihenhaus - Conny Schwarz - E-Book

Spuk im Reihenhaus E-Book

Conny Schwarz

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Beschreibung

Auf dem Vulkan _ Die erste Urlaubsnacht auf einer kleinen Insel mitten im Meer wird für Tobias und seine Eltern zum Alptraum. An den Wänden krabbeln kleine Tiere und draußen raucht und spuckt ein echter Vulkan. Der Fluch der roten Jacke _ Emma hasst ihre rote Winterjacke aus dem Second-Hand-Laden von ganzem Herzen. Denn die ist nicht nur hässlich, sondern bringt ihr auch jeden Tag Pech. Aber schließlich auch coole Freundinnen! Zugfahrt ins Ungewisse _ Da sich die Abfahrt des Zuges verzögert, steigt Timms Mutter noch einmal aus, um für ihren Jungen einen Hamburger zu besorgen. Da fährt der Zug plötzlich ab und Timm sitzt allein im ICE von Hamburg nach Berlin. Spuk im Reihenhaus _ Frieda und Theo, nunmehr Nachbarskinder in einer neuen Reihenhaussiedlung, rächen sich bei ihren Eltern für den Umzug und veranstalten für sie ein schauriges Halloweenspektakel. Party des Grauens _ Marten hat Geburtstagsfeiern noch nie gemocht, dieses Jahr aber ist alles besonders schlimm. Die Gäste sind bereits eingeladen und freuen sich schon – Martens Vater aber vergisst den Geburtstag seines Sohnes und seine Mutter liegt im Krankenhaus. Was nun? Der Hut der alten Hexe _ Da ihre Mutter dringend Mehl braucht, soll Irina ausgerechnet bei der alten Mackowski klingeln, einer schrulligen alten Dame, die zwar im selben Haus wohnt, aber in ihrem eigenen Universum lebt. In das schließlich auch Irina eintaucht. Stimmen aus der Dunkelheit _ In der Nacht belauscht Lukas zwei Männer, die vor seinem Fenster streiten – wegen eines Teddybären! Seine Eltern glauben ihm mal wieder nicht, doch gemeinsam mit seinem Freund stellt Lukas den beiden Ganoven nach.

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Conny Schwarz

Spuk im Reihenhaus

Gruselgeschichten für Kinder

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Auf dem Vulkan

Der Fluch der roten Jacke

Zugfahrt ins Ungewisse

Spuk im Reihenhaus

Party des Grauens

Der Hut der alten Hexe

Stimmen aus der Dunkelheit

Aug in Auge

Der böse Geist

Nachtgestalten

Impressum

Auf dem Vulkan

Ding ding, ding dong... Das fröhliche Läuten der Glocken riss Tobias aus seinem Alptraum. In einem alten Fischerhaus war er gewesen, dessen Wände so weiß getüncht waren, dass man die unzähligen kleinen schwarzen Krabbeltiere darauf prima erkennen konnte. Manche waren länglich, andere eher rund, manche winzig und wieder andere richtige Brummer, manche hatten sechs Beinchen, andere so viele, dass man sie gar nicht zählen wollte. Nur eines hatten alle Krabbler gemeinsam: Ihr Anblick war furchtbar eklig.

Das weiße Häuschen, von dem Tobias geträumt hatte, bildete gemeinsam mit andern Häuschen und einer Kirche ein kleines Fischerdorf, das am Fuße eines großen Bergs lag. Das aber war nicht etwa irgendein Berg, sondern es war ein rauchender Berg. Ein Vulkan nämlich, aus dessen Öffnung Feuersalven in den Himmel schossen. Und weil das alles noch nicht schrecklich genug für einen richtigen Alptraum war, befand sich dieser Vulkanberg, an dessen Hang das kleine Fischerdorf klebte, mitten im Meer, mehrere Stunden vom sicheren Festland entfernt.

Ungeduldig wartete Tobias darauf, dass die Traumbilder endlich verflogen. Damit das schneller ging, wollte er Licht anmachen. Seine Hand tastete neben seinem Bett herum, um die Nachttischlampe anzuknipsen. Doch so sehr Tobias auch herumfuchtelte, seine Hand griff immer wieder ins Leere und fand weder Lampe noch Nachttisch.

Allmählich gewöhnten sich Tobias’ Augen an die Dunkelheit. Doch was er sah, beruhigte ihn nicht. Im Gegenteil. Er war nämlich gar nicht zu Hause. Zu seinem Entsetzen erkannte er das kleine Fischerhaus wieder, von dem er geträumt hatte. Allmählich dämmerte ihm, dass auch alles andere furchtbare Wirklichkeit war. Diese unzähligen Krabbeltiere. Der Vulkan, dessen Rauchfähnchen er von der Fähre aus deutlich hatte sehen können.

Doch die Realität übertrumpfte noch den Alptraum, denn da war auch noch die Sache mit dem Gepäck. Beim Umsteigen mit dem Flugzeug waren alle drei Reisetaschen abhandengekommen. Sämtliche Klamotten samt Waschzeug und Badesachen lagerten nun irgendwo auf dem Festland. Und daran, dass ihr Gepäck hier in den nächsten Tagen mit der Fähre eintreffen würde, schienen nicht einmal seine Eltern zu glauben. Na wenigstens waren die beiden ganz in der Nähe, jedenfalls konnte Tobias deutlich ihre Stimmen hören.

„Es ist um zwei“, hörte er seine Mutter ängstlich sagen.

„Na und“, antwortete der Vater.

„Kannst du mir mal verraten, wieso hier mitten in der Nacht die Glocken läuten?“, fragte die Mutter vorwurfsvoll, als wäre der Vater persönlich daran schuld.

„Nein“, knurrte der als Antwort.

Jetzt bemerkte auch Tobias, dass die Glocken, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten, noch immer läuteten.

„Vielleicht ist das so eine Art Alarm? Geh doch mal raus nachgucken“, schlug die Mutter vor.

„Wieso Alarm, was soll denn los sein?“, fragte der Vater, doch seine Stimme klang unsicher.

„Na was weiß denn ich, vielleicht bricht der Vulkan aus!“, flüsterte die Mutter aufgeregt. „Vielleicht gibt es hier in diesem Nest keine Sirenen für den Notfall, sondern nur diese Kirchenglocken!“

„Meinst du?“, fragte der Vater.

„Geh doch einfach mal gucken“, forderte die Mutter nunmehr nachdrücklich.

„Wohin soll ich denn gucken gehen“, brummte der Vater. „Und überhaupt war es deine Idee, auf einem Vulkan Urlaub zu machen. Geh doch selber gucken!“

„Ich hab aber Angst vor diesen Viechern“, jammerte die Mutter. „Die sind ja überall. Das konnte ich doch nicht ahnen, dass es hier so viele eklige Tiere gibt!“

Wohl oder übel stand der Vater nun also auf und schlich zur Tür.

„Mach bloß die Tür wieder richtig zu!“, zischte die Mutter.

„Ich hab sie doch noch gar nicht aufgemacht!“, gab der Vater zurück. „Außerdem kommen die Viecher sowieso durch die Ritzen.“

Tobias schüttelte sich. Plötzlich spürte er ein zartes Krabbeln an seinem Fuß und zog ihn schnell zurück. Doch da kitzelte es ihn auch schon am andern Fuß. Tobias bemühte sich, so wenig Platz wie möglich auf seiner Matratze einzunehmen. Sobald er aus Versehen die Wand berührte, zuckte er zusammen. Er wusste kaum noch, wie er liegen sollte. Er wusste nur, dass er am liebsten so leicht wie ein Heliumballon gewesen wäre, um über seinem Bett schweben zu können. Oder so klein wie eine Ameise? Doch die letzte Idee verwarf Tobias sofort wieder. Er mochte sich gar nicht ausmalen, wie monstergroß all die Käfer und Tausendfüßer sein würden, wenn er so winzig wäre wie eine Ameise.

Inzwischen war der Vater draußen vor der Tür angekommen. Die Glocken läuteten noch immer. Ding dong, ding dong, ding dong. Ihr schweres Läuten klang nun allerdings gar nicht mehr fröhlich, sondern eher bedrohlich.

Der Vater kam wieder zur Tür herein und setzte sich auf sein Bett.

„Und?“, fragte die Mutter. „Nun tu doch nicht so geheimnisvoll, sag doch was!“

„Also ich kann da draußen nichts erkennen. Es ist alles dunkel. Eine glühende Lavamasse ist also nicht in Sicht. Schlaf jetzt weiter“, sagte er.

„Weiterschlafen, schön wär’s. Im Gegensatz zu dir habe ich doch noch kein Auge zugetan! Ich will hier weg“, jammerte die Mutter.

„Jetzt sofort? Warum nicht! Sachen packen brauchen wir sowieso nicht, weil die Koffer eh weg sind, also los! Müssen wir nur noch Tobias aufwecken! Und das werden wir auch bald geschafft haben, bei dem Lärm, den wir machen!“

Während seine Eltern sich weiter anzischten wie aufgeregte Schlangen, stieg Tobias unbemerkt aus dem Bett. Er huschte schnell hinüber in die Kochecke und verschwand von dort aus leise durch die Terrassentür hinaus ins Freie.

Draußen atmete er erst einmal tief durch. Sofort vergaß er das Gezeter der Eltern und das Gekrabbel an den Wänden und genoss die frische Brise, die vom nahen Meer herüberwehte.

Obwohl es dunkel war, konnte Tobias allmählich die Silhouette des dicken runden Steinofens erkennen, in dem früher Brot und Pizza gebacken wurde. Alles um ihn herum war grau, wie aus Blei gegossen: der Boden der Terrasse, Tisch und Stühle, sogar die grünen Sträucher und der weiße Ofen. Doch über ihm schwebte eine funkelnde Decke, ein so prächtiger Sternenhimmel, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Hier gab es sicher tausend Sterne mehr als zu Hause und alle leuchteten sie viel heller, staunte Tobias.

Als er sich an den Sternen satt gesehen hatte, raffte der Junge sein bisschen Mut zusammen und schlich um das Haus herum. Zögernd betrat er die kleine Straße, auf der nie Autos fuhren, denn auf dieser Insel gab es nur Esel und Mopeds. Doch zu dieser Uhrzeit waren die kleinen Gassen wie ausgestorben. Nur am Wegrand starrten Tobias zwei kleine grüne Augen an. Vermutlich bloß eine Katze, redete der Junge sich ein, atmete tief durch und ging einfach weiter.

Die kleine Straße führte aufwärts, weg vom Meer in Richtung Kirche, deren Glockenturm sich deutlich gegen den Berg abzeichnete. Tapfer setzte Tobias einen Fuß vor den andern, automatisch wie ein Roboter. Ihm war selbst nicht geheuer, was er da tat, aber er konnte nicht anders.

Die Glocken waren inzwischen verstummt. Doch es war nicht etwa still um ihn herum. Die Geräusche der Nacht begleiteten ihn. Von allen Seiten hörte er es rascheln, fiepen, knistern und knacken. Und alles schrecklich nah.

Als Tobias endlich den leeren Marktplatz erreichte, der friedlich im Mondschein lag, setzte er sich erschöpft auf die Stufen, die zum Eingang der Kirche führten. Er war so müde, dass er befürchtete, auf der Stelle einzuschlafen.

Doch plötzlich durchzuckte es ihn. Am Himmel, dicht über dem Gipfel des Bergs, hatte er einen roten Funken gesehen. Oder hatte er etwa schon geträumt?

Im Nu war Tobias hellwach. Er starrte so lange in die Nacht, bis er die Umrisse der Vulkanspitze ausmachen konnte und brauchte gar nicht lange warten: Wieder spritzte es glühend Rot in den nächtlichen Himmel. Tobias erschrak, als ihm klar wurde, was er da sah: Lava war das. Flüssiges Gestein aus den Tiefen der Erde, das aus dem Krater des Vulkans in den nächtlichen Himmel schoss. Wieder und wieder, mal schwach, ein anderes Mal umso kräftiger. Und wenn eine Weile gar nichts passierte, wurde Tobias schon nervös und fieberte dem nächsten Ausbruch entgegen.

Plötzlich erinnerte er sich daran, was die italienischen Kinder an Bord der Fähre gerufen hatten, als sie sich dem Vulkan näherten: „Una eruzione, una eruzione!“ Ihr Ruf hatte überhaupt nicht ängstlich geklungen, sondern fröhlich.

Je länger Tobias dieses unheimliche Schauspiel beobachtete, desto besser gefiel es ihm. Jeder Spritzer glühende Lava ließ sein Herz wild hüpfen, nun aber vor Freude. Es war wie ein kleines Feuerwerk, nur für ihn allein. Stunde um Stunde saß Tobias still da und staunte fasziniert, wie der Berg sein glühendes Inneres gegen den Himmel spuckte.

Erst als die Morgenröte am Horizont des Meeres zu dämmern begann, erhob sich Tobias schwerfällig und schleppte sich zurück in die alte Fischerhütte, die nun ihre Ferienwohnung war. Seine Eltern schnarchten friedlich. Todmüde, aber seltsam zufrieden, fiel Tobias sofort in einen traumlosen Schlaf. Die kleinen schwarzen Krabbler hatte er gar nicht weiter beachtet. Wer einen echten Vulkanausbruch erlebt hatte, konnte über die Furcht vor kleinen Käfertieren doch nur lachen.

Als Tobias am nächsten Morgen aus der Tür in Freie trat, war die Insel wie verzaubert. So musste das Paradies aussehen: Bei strahlend blauem Himmel konnte man bis zum grünen Meer hinuntersehen, die weißen Häuschen leuchteten in der Sonne und alle Wege und Terrassen waren gesäumt von buschigem Grün mit prächtigen rosa- und lilafarbenen Blüten.

Doch nicht nur die Insel, auch seine Eltern waren wie verwandelt. Der Vater brachte vom morgendlichen Strandspaziergang einen riesigen Tintenfisch mit, den er so stolz präsentierte, als hätte er ihn selbst gefangen – und nicht einem Fischer direkt von Boot abgekauft. Und die Mutter lachte darüber und freute sich aufs Kochen, obwohl die Zubereitung ziemlich eklig werden würde. Dann pfiff sie weiter eine flotte italienische Melodie, während sie vergnügt den Frühstückstisch auf der Terrasse deckte. Als sie Tobias erblickte, fragte sie ihn munter: „Na, mein Großer, gut geschlafen?“

„Na klar“, antwortete Tobias. Verstohlen blickte der Junge zum rauchverschleierten Gipfel des Vulkans hinauf und fühlte sich so erschöpft, als wäre er letzte Nacht dort oben gewesen.

„Und einen Riesenhunger hab ich“, ließ er seine Mutter wissen.

Mehr aber verriet er nicht.

Der Fluch der roten Jacke

„Willst du, dass ich Pickel kriege?“, fragte Emma ihre Mutter wütend und sah sie dabei an, als würde sie ihr zumuten, nackt in eine volle Mülltonne zu steigen. Seufzend hängte die Mutter die rote Winterjacke zurück auf den Ständer. Ihre Hände wühlten sich flott weiter durch andere Jacken. Die meisten aber waren zu klein für Emma, die für ihre elf Jahre schon recht groß geraten war. Und auch ziemlich frech, wie ihre Mutter fand.

Trotzdem ließ sie sich nicht entmutigen und suchte weiter nach einer warmen Jacke für die Tochter. Denn von einem Tag zum andern war das Wetter umgeschlagen. Morgens, wenn man aus dem Haus trat, war es bereits so herbstlich kalt, dass man seinen Atem bewundern konnte. Und da Emmas Mutter wenig Zeit und kaum Geld hatte, war sie mit ihrer Tochter gleich nach der Schule zu dem kleinen Geschäft an der Ecke gegangen. Im Second-Hand-Laden „Alter Hut“ gab es gute Kleidung für wenig Geld.

Die rote Jacke sah aus wie neu und war innen gefüttert, also bestimmt mollig warm. Emma wird sich schon an sie gewöhnen, dachte die Mutter, griff noch einmal nach der Jacke und hielt sie ihrer Tochter vor die Nase.

„Probier sie doch wenigstens mal an“, forderte die Mutter und wollte Emma die Jacke in die Hand drücken. Die aber wich zurück, als würde sie sich daran ihre Finger verbrennen, so dass die Jacke auf den Boden fiel.

„Sofort aufheben!“, schrie die Mutter und Emma wusste, dass sie den Bogen überspannt hatte. Um ihre Mutter nicht noch wütender zu machen, probierte sie die Jacke an. Sie passte perfekt. Und wurde gekauft.

Wieder schlug das Wetter um, die Sonne kam noch einmal heraus und lächelte müde vor sich hin. Ein paar Tage hing die rote Jacke achtlos an der Garderobe im Flur. Dann aber kam es umso heftiger: Über Nacht hatte es Frost gegeben und Morgennebel kündigte eine grauen, feuchtkalten Tag an.

Als Emma früh wie immer mit ihrem grünen Kapuzenpulli aus dem Haus huschen wollte, fing ihre Mutter sie an der Tür ab und sagte, sie solle sich bloß warm anziehen! Mürrisch zog Emma die rote Jacke über und verschwand.

Im Klassenzimmer hatte Emma eine ganze Bank für sich allein. Ein paar Mädchen aus der Klasse hatten einen komischen Baum-Club gegründet, in den alle Mädchen aufgenommen werden wollten. Bloß Emma fand diesen Club mit seinen Ausweisen, Anwesenheitslisten und solch bürokratischem Kram einfach nur idiotisch. Auch eine alberne Geheimschrift hatten sich die Mädels ausgedacht – wie im Kindergarten. Nein, da hielt sich Emma lieber an die Jungs. Mit denen kam sie besser aus, zumindest mit Marek und Franz.

Mit Franz ging sie auch an diesem Tag nach Hause. Emma schimpfte über ihre neue Jacke und auf ihre Mutter, bis es „platsch“ machte. Sie war ausgerutscht und lag nun mitten in einer Pfütze. Franz, der ihr beim Aufstehen half, musste sich das Lachen verkneifen. Und Emma, die nun aussah wie ein Matschmonster, gab auf der Stelle ihrer blöden Jacke die Schuld daran.

Am Abend entdeckte die Mutter die Bescherung und stopfte die rote Jacke schimpfend in die Waschmaschine. Dann kramte sie den grauen Wintermantel vom letzten Jahr hervor, dessen Ärmel längst zu kurz waren. Doch das war Emma komplett egal, denn sie liebte diesen Mantel. Und der Tag, an dem sie ihn trug, wurde ein rundum angenehmer Tag, an dem nichts Blödes passierte, nicht einmal die Mädchen stänkerten mit ihr herum.

Bereits am übernächsten Tag aber war die verhasste Jacke wieder trocken und so sauber, dass ihr Rot so grell wie das einer Ampel leuchtete. Auch auf dem Schulhof. Und als eine Lehrerin nach den Schülern suchte, die dauernd Steinchen gegen die neuen Turnhallenfenster warfen, sah sie nur Rot. Emma wurde ins Sekretariat bestellt und bekam einen Tadel – und das, obwohl sie bloß daneben gestanden hatte. Eine Gemeinheit.

Von nun an ging das so immer weiter. Jeden verdammten Tag. Immer wenn Emma die rote Jacke trug, gab es eine Katastrophe. Ihr Fahrrad wurde geklaut, obwohl es vor der Schule angeschlossen war. Sie trat in Hundekacke und musste daraufhin den Boden des Klassenraums schrubben. Oder der Riemen ihrer Schultasche riss, so dass sich deren Inhalt auf dem schmutzig-feuchten Gehweg verteilte und etliche Arbeitsblätter auf nimmer Wiedersehen mit dem Herbstwind davonflogen.

Nach einer Woche reichte es der Mutter. Sie bestellte Emma zu einem ernsten Gespräch ins Wohnzimmer und fragte mit müder Stimme, was in letzter Zeit bloß mit ihr los sei. Jeden Tag gäbe es eine andere Katastrophe und so könne das auf keinen Fall weitergehen.

„Ich kann doch nichts dafür!“, rief Emma und wollte ihrer Mutter sagen, dass diese dämliche Jacke an allem schuld sei. Doch sie ahnte, dass ihre Mutter das nicht kapieren, sondern für eine faule Ausrede halten würde, noch dazu für eine saublöde. Und dann bekäme sie mindestens 50 Monate Fernsehverbot und 100 Jahre Stubenarrest.