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Erzählungen von Spuk- und Geisterhäusern - der große Sammelband
Geister lauern in englischen Herrenhäusern und abgelegenen Ruinen, das weiß jeder. Aber auch in einem Puppenhaus kann sich das Grauen einnisten. Dem Schrecken im »Grauen Zimmer« dagegen kann sich nur der viktorianische Geisterjäger Carnacki entgegenstellen. Das Spukhaus lässt das Grauen ins eigene Heim einziehen, und in spinnwebenverhangenen Spiegeln erblicken wir die Abgründe unserer eigenen Psyche. Diese Anthologie enthält über 20 Spukhausgeschichten, von den großen Namen des Horrors, von klassischen Autor*innen und unbekannten viktorianischen Schreibtalenten.
Mit Geschichten von Eduard Mörike, Sheridan Le Fanu, E. A. Poe, E. T. A. Hoffmann, Charlotte Perkins Gilman, Virginia Woolf, Oscar Wilde, Ambrose Bierce, Edith Wharton, M. R. James, Bechstein, den Gebrüdern Grimm, H. P. Lovecraft, William Hope Hodgson, Algernon Blackwood u.v.m.
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Seitenzahl: 598
Veröffentlichungsjahr: 2025
SPUK
HÄUSER
Klassische Horror- und Geistergeschichten
Ausgewählt von Jochen Veit
Mit Übersetzungen von Alexandra Berlina, Gisela Etzel, Heike Holtsch, Christel Kröning, Florian F. Marzin, Hannes Meyer, Frieda Uhl, Jochen Veit sowie einer Gemeinschaftsübersetzung von Vanessa Chodor, Rebecca Gruttmann, Anna Sophie Lindner, Ken Patrick Seidel und Sarah Zuchowski
Anaconda
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Satz, Layout und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-33692-9V001
www.anacondaverlag.de
Inhalt
Plinius der JüngereDas Spukhaus in Athen
Spukhäuser im Märchen
Howard Phillips LovecraftDie Ratten im Gemäuer
Joseph Sheridan Le FanuEine Schilderung merkwürdiger Störungen in der Aungier Street
Eduard MörikeSpuk im Pfarrhaus zu Kleversulzbach
Ernst Theodor Amadeus HoffmannDas öde Haus
Edgar Allan PoeDer Untergang des Hauses Usher
Charlotte Perkins GilmanDie gelbe Tapete
Bithia Mary CrokerHaus Nr.90
Oscar WildeDas Gespenst von Canterville
Lettice GalbraithDas Blaue Zimmer
Montague Rhodes JamesDas Spuk-Puppenhaus
Edith WhartonDie Glocke der Kammerfrau
Virginia WoolfEin Geisterhaus
William Hope HodgsonDas Portal
Algernon BlackwoodDas belegte Zimmer
Howard Phillips LovecraftDie Träume im Hexenhaus
Quellenverzeichnis
Plinius der JüngereDas Spukhaus in Athen
Die wohl älteste erhaltene Erzählung von einem Spukhaus stammt von Plinius dem Jüngeren (ca. 61–ca. 113), und sie enthält bereits viele der für diese Erzählform typischen Elemente. Das »Athenodorus-Fragment« ist hier wiedergegeben in der Übersetzung von Erich Ackermann.
In Athen gab es ein Haus, das war geräumig und weitläufig, aber verrufen und Unheil verkündend. In der Stille der Nacht vernahm man dort ein Klirren von Eisen, und wenn man aufmerksamer zuhörte, das Rasseln von Ketten, zuerst von Weitem und dann auch ganz von Nahem. Schließlich ließ sich auch ein Gespenst sehen, ein alter Mann, abgemagert und ganz verschmutzt mit langem Bart und struppigen Haaren. An seinen Beinen trug er Fesseln, an den Händen Ketten, die er immer wieder schüttelte. Die Folge davon war, dass die Bewohner in ihrer Angst die grausigen und schlimmen Nächte schlaflos verbrachten, und diese Schlaflosigkeit führte bei ihnen zu Krankheiten und bei zunehmender Angst auch zum Tod. Denn obwohl bei Tag das Gespenst verschwunden war, schwebte ihnen in ihrer Fantasie die Erinnerung daran noch immer vor Augen, und die Furcht hielt sich länger als die Ursachen der Furcht. Schließlich wurde das Haus aufgegeben und der Verödung preisgegeben und auf diese Weise dann ganz und gar jenem Unhold überlassen. Trotzdem wurde das Schreckenshaus immer wieder zum Kauf angeboten, falls jemand es in Unkenntnis der schrecklichen Geschehnisse vielleicht doch kaufen oder mieten wollte.
Da kam eines Tages der Philosoph Athenodor nach Athen, las den Aushang, fragte nach dem Preis, und als er den hörte, zögerte er, weil er ihm verdächtig niedrig vorkam. So hörte er sich also um und erfuhr all jene Umstände; trotzdem mietete er das Haus, nun erst recht.
Als es Abend wurde, ließ er sich im vorderen Teil des Hauses ein Lager herrichten und verlangte auch Schreibtafeln, Griffel und eine Lampe; seine Leute schickt er alle weg in die inneren Gemächer. Er selbst richtete all seine Gedanken, seine Hände und seine Augen mit Aufmerksamkeit auf das Schreiben, damit sein Geist nicht unbeschäftigt bleibe und er ihm Schreckgespenster vorgaukele, von denen man gesprochen hatte, und ihm dadurch unsinnige Furcht einflöße.
Anfangs herrschte wie überall die Stille der Nacht; doch dann hörte man Eisen klirren und Ketten rasseln. Athenodor hob die Augen nicht, ließ den Griffel nicht sinken, sondern blieb fest und zwang sich, nicht hinzuhören. Dann wurde auch gleich das Getöse lauter, kam näher, und es hörte sich an, als sei es schon auf der Schwelle, und dann schon innerhalb des Zimmers. Da blickte er doch auf und erkannte die Gestalt, wie man sie ihm geschildert hatte. Sie stand da und winkte mit dem Finger, als wolle sie ihn zu sich rufen. Er hingegen gab ihr mit der Hand ein Zeichen, sie solle noch ein wenig warten, dann widmete er sich wieder Schreibtafel und Griffel. Da klirrte das Gespenst mit Ketten über dem Haupt des Schreibenden, und als er hinschaute, winkte es wieder wie vorher; jetzt nahm er ohne Zaudern die Lampe und folgte ihm.
Die Gestalt bewegte sich langsamen Schrittes, wie von Ketten niedergedrückt. Sobald sie aber in den Hof des Hauses gekommen war, entschwand sie plötzlich und ließ ihren Begleiter allein. Athenodor aber rupfte Kräuter und Blätter ab und machte damit an dieser Stelle ein Erkennungszeichen.
Am nächsten Tag nun ging er zu den Behörden und suchte darum nach, an jener Stelle aufgraben zu lassen. Und man fand von Ketten umwundene Gebeine, die vom Fleisch entblößt und im Lauf der Zeit im Erdreich verwest und zerfressen übriggeblieben waren. Sie wurden gesammelt und auf Staatskosten begraben. Da diese nun gebührend und nach Sitte beigesetzt waren, blieb das Haus fortan von Geistern verschont.
Spukhäuser im Märchen
Dass Geschichten vom Spuk in Schlössern, Häusern und Ruinen beliebter Stoff für Sagen und Märchen sind, verwundert kaum. In der Romantik wurden diese Sagen und Märchen von den großen Sammlern niedergeschrieben. Johann Gustav Büsching archivierte unter anderem die zwei Volkssagen über den vom »Poltergeist getöteten Knaben« und dem Spuk in »Rauheneck«. Die von Ludwig Bechstein wiedergegebene Sage vom Schwarzen Graf stammt aus Mecklenburg, erstmals aufgeschrieben von Mussäus. Das von Wilhelm Busch erzählte Märchen vom »Geld in der Mauer« gibt es in vielen Varianten bei verschiedenen Sammlern und Autoren. Vom Grimm’schen Märchen über den furchtlosen Königssohn wird ein Auszug wiedergegeben.
Johann Gustav BüschingDer durch einen Poltergeist getötete Knabe
Im Schlosse Loys war lange ein Poltergeist, der friedlich umherging und den man dadurch in gutem Mute zu erhalten suchte, dass man ihm einen Topf mit Milch des Abends hinsetzte, den er nächtlich verzehrte. Ein näschiger Küchenbube aber beneidete dem Geist diese angenehme Speise und trank sie eines Abends aus, das leere Gefäß dem Kobold lassend. Als dieser sein Milchnäpfchen leer fand, erzürnte er heftig, ergriff den frechen Täter, zerriss ihn, hackte ihn in kleine Stücke und steckte ihn in einen irdenen Topf. Lange Zeit ward noch der Topf gezeigt, in den der Kobold die Glieder des Ermordeten gesteckt hatte.
Johann Gustav BüschingDer wandelnde Geist zu Rauheneck
In der Nähe der österreichischen Stadt Baden liegen die Ruinen der Veste Rauheneck. Ein Geist, dem das Schicksal herumzuwandeln gebot, warum meldet die Sage nicht, schleicht hier aus und ein und ächzt und klagt ob seiner Erlösung. Diese aber hängt von dem Bäumchen ab, das jetzt nur noch als Staude aus der Mauer des hohen Turmes emporwächst. Wenn dieses nämlich zu einem solchen Stamme gediehen ist, dass eine Wiege wird daraus gemacht werden können, so wird ein Kind darin geschaukelt werden, das, als Priester, den Geist erlösen kann.
Täglich schleicht nun der arme Geist um den Turm herum, schaut hinauf nach dem Bäumchen, ob es auch noch da sei und zittert, wenn ein Sturmwind saust, der es entwurzeln, oder wenn Blitze die Luft zerschneiden, die es zerschmettern könnten. Denn verdorrt das Bäumchen, so muss das geplagte Wesen warten, bis wieder ein Bäumchen dort oben aufsprießt und jene Stärke erreicht.
Ludwig BechsteinDer schwarze Graf
Einst zog ein Ritter durch den Wald, sein Knappe folgte ihm; es wurde Nacht, doch der Ritter kannte keine Furcht. Verrufen war die Gegend, gemieden der Weg durch den wilden Wald, den der Ritter mit seinem Knappen ritt. Der Weg führte beide vorüber am Schlosse eines befreundeten Ritters, dessen Tochter gerade Hochzeit hielt, und er sprach als Gast dort eine kurze Zeit zu. Die Freunde wollten ihn länger halten, er sollte mit seinem Knappen im Hochzeithause übernachten, aber den Ritter trieb Eile, er lehnte alle freundlichen Einladungen zum Bleiben ab. Man warnte ihn, man sagte ihm, im Walde, den er noch zu durchreisen habe, hause der »schwarze Graf«, ein gespenstiger Ritter, der allen, auf welche er stieße, namenlose Schrecknisse bereite. Selbst die Braut verschwendete ihre Bitten an den Freund ihres Vaters; sie führte ihm das Sprüchwort zu Gemüte: »Die Nacht ist keines Menschen Freund.« Unaufschiebbares Geschäft schützte der Gast vor und entritt. Weg und Wald waren sehr finster. Der Ritter und der Knappe ritten schon drei Stunden lang, noch war ihnen nichts begegnet, der Ritter ritt im Panzer seines Mutes und guten Gewissens gegen den Angriff feindlicher unterirdischer Mächte, gegen Feindesangriff irdischer Art schirmte ihn die eiserne Rüstung, die starke Faust, das blanke Schwert.
Jetzt drängte plötzlich der Knappe sein Ross vor, neben das seines Herrn und flüsterte ängstlich: »Herr! Es reitet einer hinter uns – hohl klingt der Hufschlag seines Rosses – und schaut Euch um, Herr – seht wie Feuerschaum dem Rosse vom Gebisse träuft, seht, wie seine Nüstern Funken sprühen.«
Schnell war der schwarze Reiter, der ihnen folgte, an den beiden. »Hollah! Gesellschaft! Wackere Kumpane!«, rief eine tiefe, hohle Stimme. »Gott zum Gruß!«, antwortete der Ritter, und der Rappe des Fremden stieg bäumend in die Höhe, und schnaubte Ströme Feuers aus den Nüstern – von dessen Schein des schwarzen Ritters Eisenrüstung rot erglühete.
»Für solchen Gruß dank Euch der Teufel, nicht ich!«, versetzte wild der riesige Nachtgesell und hieb wild auf den bäumenden Rappen. »Doch wisst, Ihr seid verirrt! Kommt mit mir auf mein Schloss, ganz nahe liegt’s, dort seht Ihr schon die Fenster schimmern.«
»Ich danke, hab nicht Zeit zur Einkehr!«, antwortete der Ritter – doch jener rief gebietend: »Zeit wird sich finden!«, und lachte, dass es weit im Walde gellte. Eine lange schwarze Mauer zog quer über den Weg, in der Mauer war ein halb verfallenes Tor – der Weg führte gerade hinein, und im Ring der Mauer lag das Schloss, ein gewaltiger vielgetürmter Bau. Droben im Gewirre der Türme und Türmchen kreischten Eulen. Am Tore des Hauses ringelten sich steinerne dickleibige Drachen mit weit vorgestreckten dünnen Hälsen um die Säulen. Nur wenige Fenster waren erhellt – schwarz ragte der ganze übrige Bau empor zum dunkeln Himmel.
Der schwarze Graf schwang sich vom Ross – und dieses Ross sank hinter ihm in die Erde.
»Folget mir hinein!«, rief der schwarze Graf seinen gezwungenen Gästen zu.
»Nicht hinein! Um des Himmels willen nicht hinein!«, flüsterte der treue Knappe seinem Herrn ins Ohr.
»Schweige Knecht!«, schrie der schwarze Graf diesem gebieterisch zu. »Hier herrscht nicht des Himmels Wille, sondern mein Wille! Bleibe in Blendung!«
Da schwand vor des Knappen Augen das Schloss, er stand auf öder einsamer Heide, neben einem alten Gemäuer, drei Türme ragten daraus empor – das war nicht mehr des schwarzen Grafen Schloss, das war ein anderes Haus.
Der Ritter folgte seinem Führer voll Mut die Stufen einer Wendeltreppe hinan. Von Zeit zu Zeit streckte sich eine Greifenklaue aus der Wand, die hielt eine brennende Kerze, die Kerzen waren schwarz und weiß. Die Wände waren kohlschwarz. Des schwarzen Grafen Rüstung war auch ganz schwarz, und ganz nach uralter Art, ein Kettenpanzer umkleidete ihn völlig, nur auf dem Haupte trug er einen Helm seltsamer Form; der Kamm dieses Helmes war nicht gegossen oder geschmiedet, er war lebendig und ward gebildet von einem kleinen salamandergleichen Drachen, der seine Klauen fest an den Helm geklemmt hielt, den Kopf bisweilen drehte und dessen schwarze Funkelaugen wie Demantspitzen blitzten. Lang hing des Drachen Schwanz vom Helme abwärts bis in den Nacken und schlenkerte bald hinüber, bald herüber. Droben stand am Ende der Treppe der schwarze Graf, und wandte sich seinem Gaste zu. Bleich war sein Antlitz, bleich und abgezehrt, seine Augen lagen tief in ihren Höhlen und blickten Mord, sie waren ohne Wimpern und über ihnen wölbten sich keine Brauen. Der schwarze Graf keuchte schwer und sein Atem glühte wie der Hauch der afrikanischen Wüste, feuerheiß.
»Nun folge mir, und schaue, was ich tat und wie ich leide!«, sprach zu dem Ritter der schwarze Graf. »Einem jeden, der mitternachts meinen Weg reitet, muss ich zeigen meine Missetat. Brauchst nicht für mich zu beten, Mann! Meine Tat sühnt nicht Reue, nicht Fürbitte, nicht Gebet.«
Die Türe eines Saales, mit fantastischem Bildwerke verziert, sprang donnernd auf – kalter Eishauch, wie von einem Gletscher, wehete aus dem Saale entgegen. Der große weite Saal war auch ganz schwarz und war ganz leer – nur in der Mitte – da stand etwas, beleuchtet von einer matten trüben Ampel, die darüber von der Decke niederhing. Und was dort stand, das war ein Sarg, und in dem Sarge lag eine Leiche, die Leiche einer alten kleinen Frau, ganz weiß gekleidet, die Hände aneinandergelegt, wie zum Gebete – über den Händen aber, aus der Brust, ragte der schwarze Griff eines Dolches.
»Hier meine Mutter!«, rief der schwarze Graf. »Hier ihr Mörder!«, rief er noch einmal, dass es schaurig im Saale hallte, und brach am Sarge in die Knie. Da hob sich plötzlich die Leiche im Sarge empor und wuchs und wuchs, so riesengroß – so ungeheuer, ein grauser Spuk, und deckte sich über den schwarzen Grafen und füllte mehr und mehr den Raum, und der Ritter wich zurück, bis die Wand ihn hemmte – immer grausiger wurde die entsetzliche Gestalt, immer höher – ihr weißes Antlitz war schon so groß wie der Vollmond im Aufgehen, und ihr Gewand wallete wie Nebel – ihre Hände aber gruben in der Brust des schwarzen Grafen, und gruben ihm das Herz aus der Brust.
Dem Ritter flirrte es vor den Sinnen, wie Nachtflöre einer Ohnmacht! Er zog sein Schwert und schrie: »Unholde! Weicht im Namen des Gekreuzigten!« Da gellte ein entsetzlicher Schrei, da krachte das Gebälk, wankte das Haus, sank Sarg und Wand, sank Graf und Gräfin, sank der Boden samt dem Ritter tief, tief hinab in undurchdringliche Nacht. Aus einer Betäubung erwachte der Ritter. Sein treues Schwert hielt er noch in der Hand. Schwarze Nacht war rings um ihn her, sein Fuß trat auf Moorgrund, seine Hand ertappte Mauerwerk und feuchtes Gras, Nachtluft umwehte ihn kühl und schauernd.
Was war das? Und wo bin ich?, fragte sich der Ritter, und unruhevoll klopfte ihm sein sonst so mutiges Herz. Er rief laut den Namen seines Knappen. Horch! Ein Antwortruf, aber aus weiter Entfernung. Der Ritter rief wieder – der Knappe kam näher – er führte noch die beiden Rosse an den Zügeln.
»Herr, wo seid Ihr?«, rief von Weitem der sich nähernde Knappe.
»Hier! Hier im Moor und unter Trümmern«, rief der Ritter.
Mit Mühe half durch Zusammenknüpfen von Riemen und Strängen der Knappe seinem Herrn aus dem Sumpfe, darüber begann der Morgen zu dämmern – und nun sahen Herr und Diener allmählich, wo sie waren. Auf sumpfiger Heide, neben einem ganz verfallenen Bau am Ende eines Waldes – und eine Strecke davon im Nebeldämmer jenes Gebäu, an dem der Knappe gerastet – ein Galgenrundbau; was drei Türme geschienen, waren drei hohe Steinpfeiler, die verbindenden Balken waren längst verfault und herabgefallen.
Kühl wehte es vom Osten her – feucht schlug der Nebel sich nieder. Still ritten der Ritter und sein Knappe ihres Weges weiter. Nie vergaß der Ritter sein gespenstiges Abenteuer und das Schloss des schwarzen Grafen.
Wilhelm BuschDas Geld in der Mauer
In Lahde starb ein Mann, der konnte im Grabe keine Ruhe finden. Des Nachts kam er wieder und leuchtete mit dem Krüsel in der Stube an der Brandmauer herum und ging dann still wieder weg. Weil nun die Leute im Hause gar nicht wussten, was ihm auf dem Herzen lag, sich auch fürchteten, ihn zur Rede zu stellen, so gingen sie zum Pastor und baten ihn, in der Stube eine Nacht zu wachen und den Geist anzusprechen. Spät am Abend kam der Pastor an, setzte sich dem Ofen gegenüber an einen Tisch, legte seine Bücher vor sich hin und zündete drei Lichter an. Die Leute gingen zu Bett. Da nun die Uhr an der Wand zwölfe schlug, trat der Geist herein, lautlos, mit dem Krüsel in der Hand. Der Pastor konnte vor Schrecken kein Wort herausbringen. Als der Geist nach seiner Gewohnheit mit trauriger Miene an der Brandmauer herumgeleuchtet hatte, trat er an den Tisch, löschte erst ein Licht, dann das andere; als er aber das dritte auch löschen wollte, fasste sich der Pastor und redete ihn an: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn.« – »Ich auch«, sprach der Geist, »aber ich finde keine Ruhe, weil ich in die Mauer bei Lebzeiten mein Geld verborgen habe. Gebt drei Teile meinen Kindern und ein Teil den Armen, dann brauche ich nicht mehr an dieser Stelle zu wandeln.« Der Pastor versprach es. »So gib mir die Hand darauf!«, sagte der Geist. Der Pastor reichte ihm seinen Stock, der wurde ganz schwarz, wie ihn der Tote berührte. Darauf ist der Geist lautlos wieder gegangen. Am andern Morgen erzählte der Pastor, was ihm begegnet war; man brach die Mauer auf, fand das Geld und erfüllte den Wunsch des Toten, der sich von der Zeit an nicht wieder sehen ließ. Der Pastor ist aber bald danach gestorben.
Gebrüder GrimmDer Königssohn, der sich vor nichts fürchtet
(…)
Der Königssohn dankte Gott für die große Gnade und zog mit seinem Löwen weiter in der Welt herum. Nun trug es sich zu, dass er vor ein Schloss kam, welches verwünscht war. In dem Tor stand eine Jungfrau von schöner Gestalt und feinem Antlitz, aber sie war ganz schwarz. Sie redete ihn an und sprach: »ach, könntest du mich erlösen aus dem bösen Zauber, der über mich geworfen ist.« »Was soll ich tun?«, sprach der Königssohn. Die Jungfrau antwortete: »drei Nächte musst du in dem großen Saal des verwünschten Schlosses zubringen, aber es darf keine Furcht in dein Herz kommen. Wenn sie dich auf das Ärgste quälen, und du hältst es aus, ohne einen Laut von dir zu geben, so bin ich erlöst: das Leben dürfen sie dir nicht nehmen.« Da sprach der Königssohn: »ich fürchte mich nicht, ich will’s mit Gottes Hilfe versuchen.« Also ging er fröhlich in das Schloss, und als es dunkel ward, setzte er sich in den großen Saal und wartete. Es war aber still bis Mitternacht, da fing plötzlich ein großer Lärm an, und aus allen Ecken und Winkeln kamen kleine Teufel herbei. Sie taten, als ob sie ihn nicht sähen, setzten sich mitten in die Stube, machten ein Feuer an und fingen an zu spielen. Wenn einer verlor, sprach er: »es ist nicht richtig, es ist einer da, der nicht zu uns gehört, der ist schuld, dass ich verliere.« »Wart, ich komme, du hinter dem Ofen«, sagte ein anderer. Das Schreien ward immer größer, sodass es niemand ohne Schrecken hätte anhören können. Der Königssohn blieb ganz ruhig sitzen und hatte keine Furcht: doch endlich sprangen die Teufel von der Erde auf und fielen über ihn her, und es waren so viele, dass er sich ihrer nicht erwehren konnte. Sie zerrten ihn auf dem Boden herum, zwickten, stachen, schlugen und quälten ihn, aber er gab keinen Laut von sich. Gegen Morgen verschwanden sie, und er war so abgemattet, dass er kaum seine Glieder regen konnte: als aber der Tag anbrach, da trat die schwarze Jungfrau zu ihm herein. Sie trug in ihrer Hand eine kleine Flasche, worin Wasser des Lebens war, damit wusch sie ihn, und alsbald fühlte er, wie alle Schmerzen verschwanden, und frische Kraft, in seine Adern drang. Sie sprach: »eine Nacht hast du glücklich ausgehalten, aber noch zwei stehen dir bevor.« Da ging sie wieder weg, und im Weggehen bemerkte er, dass ihre Füße weiß geworden waren. In der folgenden Nacht kamen die Teufel und fingen ihr Spiel aufs Neue an; sie fielen über den Königssohn her und schlugen ihn viel härter als in der vorigen Nacht, dass sein Leib voll Wunden war. Doch da er alles still ertrug, mussten sie von ihm lassen, und als die Morgenröte anbrach, erschien die Jungfrau und heilte ihn mit dem Lebenswasser. Und als sie wegging, sah er mit Freuden, dass sie schon weiß geworden war bis zu den Fingerspitzen. Nun hatte er nur noch eine Nacht auszuhalten, aber die war die schlimmst. Der Teufelsspuk kam wieder: »bist du noch da?«, schrien sie, »du sollst gepeinigt werden, dass dir der Atem stehen bleibt.« Sie stachen und schlugen ihn, warfen ihn hin und her und zogen ihn an Armen und Beinen, als wollten sie ihn zerreißen: er duldete alles und gab keinen Laut von sich. Endlich verschwanden die Teufel, aber er lag da ohnmächtig und regte sich nicht: er konnte auch nicht die Augen aufheben, um die Jungfrau zu sehen, die hereinkam und ihn mit dem Wasser des Lebens benetzte und begoss. Aber auf einmal war er von allen Schmerzen befreit und fühlte sich frisch und gesund, als wäre er aus einem Schlaf erwacht, und wie er die Augen aufschlug, so sah er die Jungfrau neben sich stehen, die war schneeweiß und schön wie der helle Tag. »Steh auf«, sprach sie, »und schwing dein Schwert dreimal über die Treppe, so ist alles erlöst.« Und als er das getan hatte, da war das ganze Schloss vom Zauber befreit, und die Jungfrau war eine reiche Königstochter. Die Diener kamen und sagten, im großen Saale wäre die Tafel schon zubereitet und die Speisen aufgetragen. Da setzten sie sich nieder, aßen und tranken zusammen, und abends ward in großen Freuden die Hochzeit gefeiert.
Howard Phillips LovecraftDie Ratten im Gemäuer
H. P. Lovecraft (1890 – 1937) steht heute vor allem für den »kosmischen Horror«, der das Horrorgenre wesentlich erneuerte. Sein Einfluss auf die Literatur, den Film, aber auch auf die Popkultur, Musik, Computer-, Brett- und Rollenspiele, Comics usw., ist kaum zu überschätzen. »Die Ratten im Gemäuer«, hier wiedergegeben in der Übersetzung von Florian F. Marzin, ist eine Variation der Spukschlossgeschichte, bei der das Grauen nicht wie sonst häufig bei Lovecraft aus dem Weltall, sondern aus der tiefen Vergangenheit stammt.
Nachdem alle Arbeiten beendet waren, zog ich am 16.Juli 1923 in die Burg von Exham. Die Restauration war eine enorme Aufgabe gewesen, denn von dem verlassenen Gebäude war wenig mehr als Ruinen übrig gewesen, doch es war der Sitz meiner Vorfahren, sodass mich keine Kosten abschreckten. Seit der Zeit James I. war das Gebäude nicht mehr bewohnt, als eine abscheuliche, doch weitgehend ungeklärte Tragödie den Hausherrn, fünf seiner Kinder und einige Bedienstete dahingerafft und den dritten, einzig überlebenden Sohn unter dem Schatten von Aberglauben und Grauen vertrieben hatte, der mein direkter Vorfahr und einziger Überlebender dieses verabscheuungswürdigen Geschlechts war.
Da der einzige Erbe des Mordes bezichtigt wurde, fiel der Besitz an die Krone zurück. Der Beschuldigte hatte keinen Versuch unternommen, sich zu entlasten oder seinen Besitz zurückzuerlangen. Von einem Grauen gepackt, das größer war als Gewissensqualen oder die Angst vor dem Gesetz, hatte er einzig den Wunsch, das alte Gebäude aus seinem Blickfeld und seiner Erinnerung zu verbannen. Aus diesem Grund floh Walter de la Poer, elfter Baron von Exham, nach Virginia und gründete die Familie, die im nächsten Jahrhundert als Delapore bekannt wurde.
Die Burg von Exham blieb unbewohnt, obwohl sie später den Ländereien der Norry zugeschlagen wurde und sie aufgrund ihrer besonderen Architektur häufig als Studienobjekt diente. Die Bauweise beinhaltete gotische Türme, die sich auf angelsächsischen oder romanischen Mauern erhoben, deren Fundamente wiederum noch älter waren und, wenn man den Legenden glauben will, auf römische, druidische oder walisische Ursprünge zurückgehen. Die Fundamente waren etwas Einzigartiges, denn sie waren auf der einen Seite Teil des Kalksteinfelsens, von dessen Kamm die Burg ein ödes Tal drei Meilen westlich von dem Dorf Anchester überblickte.
Architekten und Altertumsforscher untersuchten gerne dieses absonderliche Relikt aus vergessenen Jahrhunderten, doch die Landbevölkerung hasste es. Sie hassten es schon seit Jahrhunderten, als meine Vorfahren noch dort lebten, und sie hassten es jetzt, mit dem Moos und dem Schlamm des Verfalls daran. Es hatte keinen Tag gedauert, dann hatte ich in Anchester schon erfahren, dass es sich um ein verfluchtes Anwesen handelte. Und in dieser Woche haben die Arbeiter die Burg von Exham gesprengt und sind dabei, die letzten Spuren ihrer Fundamente zu zerstören. Die nackten Fakten meiner Abstammung habe ich immer gekannt, auch dass mein erster amerikanischer Vorfahr unter merkwürdigen Umständen in die Kolonien gekommen war. Was die Einzelheiten betrifft, hatte ich nicht die leiseste Ahnung, denn die Delapores waren immer sehr verschwiegen. Ganz anders als unsere benachbarten Plantagenbesitzer brüsteten wir uns nicht mit Kreuzrittern als Vorfahren oder anderen Helden des Mittelalters und der Renaissance, und auch wurde in der Familie kein großes Aufhebens über unsere Abstammung gemacht, außer was in einem versiegelten Umschlag stand, der vor dem Bürgerkrieg von jedem Familienoberhaupt dem ältesten Sohn übergeben wurde und nach seinem Tod zu öffnen war. Unser Ruhm beschränkte sich auf das, was wir uns nach der Einwanderung erarbeitet hatten, der Ruhm einer stolzen und ehrwürdigen, doch reservierten und zurückgezogenen Familie in Virginia.
Während des Bürgerkrieges verloren wir unser Vermögen, und unser Leben änderte sich völlig, als Carfax, unser Anwesen am Ufer des Flusses James, niedergebrannt wurde. Mein betagter Großvater war in dem fürchterlichen Flammenmeer umgekommen und mit ihm der Umschlag, der uns mit unserer Vergangenheit verband. Ich erinnere mich noch heute daran, wie ich im Alter von sieben Jahren das Feuer erlebte, die Rufe der Konföderierten Soldaten, die Schreie der Frauen und das Heulen und Beten der Neger. Mein Vater war bei der Armee, die Richmond verteidigte, und nach vielen Formalitäten wurden meine Mutter und ich durch die Linien gelassen, um uns ihm anzuschließen.
Am Ende des Krieges gingen wir alle in den Norden, von wo meine Mutter stammte, und ich wurde erwachsen, erreichte die mittleren Jahre und wurde als abgestumpfter Yankee reich. Weder mein Vater noch ich erfuhren je, was sich in dem Umschlag unserer Abstammung befunden hatte, und als ich mich dem grauen Geschäftsleben in Massachusetts widmete, verlor ich jegliches Interesse an den Geheimnissen, die offensichtlich weit unten in unserem Stammbaum lauerten. Wenn ich geahnt hätte, welcher Art sie waren, hätte ich freudig die Burg von Exham dem Moos, den Fledermäusen und den Spinnweben überlassen.
Als mein Vater 1904 starb, gab es keine Botschaft mehr, die er mir oder meinem einzigen Kind, Alfred, einem zehnjährigen Jungen ohne Mutter, hätte hinterlassen können. Dieser Junge war es, der die Familientradition wieder aufleben ließ, obwohl ich ihm nur ein paar Bruchstücke über unsere Vergangenheit mitteilen konnte, schrieb er mir von einigen interessanten alten Legenden, als er im Ersten Weltkrieg 1917 als Pilot nach England kam. Augenscheinlich hatten die Delapores eine abwechslungsreiche und auch dunkle Geschichte, denn ein Freund meines Sohns, Hauptmann Edward Norrys vom Royal Flying Corps, der in der Nähe unseres Familiensitzes in Anchester beheimatet war, berichtete vom Aberglauben der Landbevölkerung, den nur wenige Schriftsteller an Wildheit und Unglaublichem zu überbieten in der Lage wären. Norry selbst nahm die Sache natürlich nicht ernst, doch mein Sohn fand Gefallen daran und füllte damit seine Briefe an mich. Zweifellos haben die Legenden meine Aufmerksamkeit auf unser überseeisches Erbe gelenkt und mich dazu gebracht, unseren Familiensitz zu erwerben und zu restaurieren, den Edward Norrys Alfred in seiner bildschönen Abgeschiedenheit gezeigt und angeboten hatte, einen sehr guten Preis dafür herauszuschlagen, da sein Onkel der momentane Besitzer wäre.
Ich kaufte die Burg 1918, wurde aber kurz darauf von meinem Plan, sie zu restaurieren, abgebracht, da mein Sohn als Kriegsinvalide heimkehrte. Während der zwei Jahre, die er noch lebte, kümmerte ich mich ausschließlich um seine Pflege und hatte sogar mein Geschäft meinen Partnern überlassen.
Im Jahr 1921 fühlte ich mich einsam und ohne Ziel, war ein Unternehmer im Ruhestand, nicht mehr jung, und beschloss, meine verbleibenden Jahre meinem neuen Besitz zu widmen. Als ich Anchester im Dezember besuchte, kümmerte sich Hauptmann Norrys, ein fülliger, liebenswerter junger Mann, um mich, der häufig an meinen Sohn gedacht hatte und mir seine Hilfe bei der bevorstehenden Restaurierung zusicherte, indem er Pläne und Berichte über die Burg zusammensuchte. Die Burg von Exham selbst begutachtete ich ohne besondere Gefühle, ein Haufen zusammengefallener, mittelalterlicher Ruinen, von Flechten überwachsen und überzogen mit Krähennestern. Die Mauerreste ragten gefährlich über einen Abhang, ohne Fußböden oder Innenkonstruktionen, lediglich die Steinmauern der frei stehenden Türme waren vorhanden.
Nachdem ich mir langsam eine Vorstellung verschafft hatte, wie das Gebäude vor dreihundert Jahren, als meine Vorfahren es verlassen hatten, ausgesehen hatte, begann ich, Arbeiter für den Wiederaufbau anzustellen. Dazu musste ich außerhalb der näheren Umgebung nach Leuten suchen, denn die Menschen aus dem Dorf Anchester hatten eine fast unglaubliche Furcht vor dem Ort und einen ebenso großen Hass darauf. Diese Vorurteile waren so mächtig, dass sie manchmal ihren Weg zu den Arbeitern von außerhalb fanden und viele von ihnen einfach wegliefen. Dieser Aberglaube schien sowohl das Gebäude als auch unsere Familie zu betreffen.
Mein Sohn hatte mir erzählt, dass man ihn während seines Besuches gemieden hatte, weil er ein de la Poer war, und mir ging es jetzt ähnlich, bis ich die Dorfbewohner davon überzeugte, wie wenig ich von meiner Abstammung wusste. Selbst dann brachten sie mir noch Abneigung entgegen, sodass ich meine Kenntnisse über die Geschichte des Dorfes durch Edward Norrys erhielt. Was mir die Leute nicht verziehen, war, dass ich das Symbol des Abscheus wieder aufbauen wollte, denn, ob nun vernünftig oder nicht, für sie war die Burg von Exham nichts weniger als ein Hort des Satans und der Werwölfe.
Als ich die Erzählungen, die Norrys für mich zusammentrug, in Verbindung brachte und sie mit den Berichten verschiedener Gelehrter, die die Ruinen untersucht hatten, ergänzte, fand ich heraus, dass das Gebäude auf einem Platz stand, wo sich ein prähistorischer Tempel befunden hatte, ein Druidentempel oder etwas noch Älteres, das aus der Zeit von Stonehenge stammte. Dass dort unbeschreibliche Riten durchgeführt wurden, bezweifelten nur wenige, und es gab beunruhigende Berichte, nach denen diese Rituale vom Zybelekult, den die Römer einführten, übernommen worden seien.
Inschriften, die in den unterirdischen Fundamenten noch erkennbar waren, trugen solch eindeutige Buchstaben wie: »DIV … OPS … MAGNA. MAT …«, Zeichen der Magna Mater, deren dunkler Kult einstmals vergeblich den römischen Bürgern verboten wurde. Anchester war das Lager der dritten Augustinischen Legion gewesen, wie man an vielen Überbleibseln noch sehen konnte, und man sagte, dass der Tempel der Kybele prächtig und von Gläubigen überlaufen war, die namenlose Rituale unter Anleitung eines phrygischen Priesters durchführten. Die Berichte besagten zudem, dass mit dem Niedergang der alten Religion die Orgien in dem Tempel nicht aufhörten, sondern die Priester im Gewand des neuen Glaubens ihre alten Riten vollzogen. Außerdem, so hieß es, seien die Rituale nicht mit dem Abzug der Römer verschwunden und dass bestimmte Anglosachsen die Überreste des Tempels wieder in alter Form instand setzten und daraus eine Kultstätte entstand, die in der Hälfte des Siebenkönigreichs gefürchtet wurde. Um 1000 n.Chr. wurde dieser Ort in einer Chronik erwähnt als ein bedeutendes Kloster, in dem ein seltsamer und mächtiger Mönchsorden residierte und das von weitläufigen Gärten umgeben ist, die keine Mauern brauchten, um die eingeschüchterte Bevölkerung davon fernzuhalten. Es wurde nie von den Dänen zerstört, doch nach der Normanneninvasion musste ein dramatischer Niedergang stattgefunden haben, denn als Heinrich III. 1261 die Ländereien meinem Vorfahren Gilbert de la Poer, erster Baron von Exham, übereignete, gab es keinen Einspruch.
Vor diesem Zeitpunkt gibt es über meine Familie keine schlechten Zeugnisse, also musste sich danach etwas Merkwürdiges ereignet haben. In einer Chronik findet sich im Jahre 1307 ein Hinweis auf die de la Poer als »von Gott verflucht«, während die Dorflegenden nichts außer Bösem und einer schrecklichen Furcht vor der Burg berichten, die auf den Grundmauern des Tempels und des Klosters errichtet wurde. Was man sich an den Feuerstellen erzählte, war entsetzlich grauenhaft und wurde noch schlimmer durch die furchtsamen Auslassungen und das unbestimmte Drumherumreden. Meine Vorfahren wurden darin als eine Familie von ketzerischen Dämonen geschildert, gegen die Gilles de Rais und der Marquis de Sade wie blutige Anfänger erschienen, und über viele Generationen machten Gerüchte sie für das gelegentliche Verschwinden von Dorfbewohnern verantwortlich.
Die Schlimmsten sollen die Barone und ihre direkten Nachkommen gewesen sein, zumindest beschäftigten sich die meisten Geschichten mit ihnen. Wenn einer der Erben weniger abseitig veranlagt war, so wurde behauptet, dann starb er auf geheimnisvolle Weise früh, um einem Nachkommen Platz zu machen, der mehr der Art entsprach. Es schien einen inneren Zirkel in der Familie zu geben, der vom Familienoberhaupt angeführt wurde und nur ein paar Mitgliedern zugänglich war. Mehr die Veranlagung als die Abstammung regelte offensichtlich den Zugang zu diesem Zirkel, denn ihm gehörten auch einige an, die in die Familie einheirateten. Lady Margaret Trevor aus Cornwall, Gemahlin von Godfrey, dem zweiten Sohn des fünften Baron, wurde zu einem beliebten Schreckgespenst aller Kinder in der Gegend und die dämonische Heldin einer besonderen, schrecklichen Ballade, die man an der walisischen Grenze immer noch kennt. Ebenso in einer Ballade am Leben erhalten, doch als Beispiel für eine ganz andere Sache, ist die abscheuliche Geschichte von Lady Mary de la Poer, die kurz nach ihrer Heirat mit dem Earl von Shrewsfield von diesem und seiner Mutter getötet wurde, wobei beide Mörder von dem Priester, dem sie erzählten, was sie öffentlich nicht preiszugeben wagten, die Absolution erhielten und gesegnet wurden.
Diese Legenden und Balladen waren typisch für den groben Aberglauben und widerten mich entsetzlich an. Ihr Beharrungsvermögen und ihre Verbindung zu der langen Reihe meiner Vorfahren war dabei besonders abstoßend, während die Andeutung von schrecklichen Gewohnheiten unangenehm an den einzigen bekannten Skandal unter meinen unmittelbaren Vorfahren erinnerte, an meinen jungen Cousin Randolph Delapore aus Carfax, der sich unter die Neger mischte und ein Voodoopriester wurde, nachdem er aus dem amerikanisch-mexikanischen Krieg zurückgekehrt war.
Viel weniger beunruhigten mich die unbestimmten Berichte von Heulen und Stöhnen in dem kahlen, stürmischen Tal unterhalb der Kalksteinklippe, den Friedhofsgerüchen nach den Frühjahrsregen, dem zappelnden, quiekenden Ding, auf das Sir John Claves Pferd eines Nachts in einem einsamen Feld getreten war, und über den Diener, der über das, was er am helllichten Tage in dem Gebäude gesehen hatte, wahnsinnig geworden war. Das waren abgedroschene Gespenstergeschichten, und zu diesem Zeitpunkt war ich ein ausgewiesener Skeptiker. Die Berichte über das Verschwinden von Bauern konnte man nicht so leicht abtun, doch sie waren auch nichts Besonderes, wenn man von mittelalterlichen Verhältnissen ausging. Unverschämte Neugierde bedeutete den Tod, und mehr als einmal wurden die abgeschlagenen Köpfe öffentlich um das Gebäude herum zur Schau gestellt.
Einige dieser Erzählungen waren überaus bildhaft, und ich wünschte, ich hätte mich in meiner Jugend mehr mit den unterschiedlichen Mythologien beschäftigt. Zum Beispiel glaubte man, Legionen von Teufeln mit Fledermausflügeln hielten jede Nacht in dem Gebäude Hexensabbat. Diese Legionen erklärten zum Beispiel die übermäßig reiche Ernte an Feldfrüchten in den weiten Gärten. Am ausgeschmücktesten aber war der dramatische Bericht von den Ratten – dieses wogende Heer ekelhaften Ungeziefers, das drei Monate nach der Tragödie, die in der Flucht endete, aus der Burg hervorbrach – dieses glatte, schmutzige, eklige Heer, das alles vor sich hertrieb und das Geflügel, Katzen, Hunde, Schafe und sogar zwei hilflose Menschen tötete, bevor seine Raserei abgeklungen war. Um diese unvergessliche Nagetierflut hatte sich ein eigener Reigen von Geschichten gebildet, denn sie kursierten zwischen den Dorfbewohnern, und in ihrem Kielwasser schwammen die Flüche und das Grauen.
Mit dieserart von Gerüchten hatte ich es zu tun, als ich mich mit einer durch das Alter bedingten Hartnäckigkeit an die Arbeit machte, das Haus meiner Vorfahren wieder aufzubauen. Man sollte aber nicht einen Moment lang glauben, dass diese Erzählungen meinen psychischen Zustand in irgendeiner Form beeinflussten. Auf der anderen Seite wurde mir von Hauptmann Norry und den Gelehrten, die mir beistanden und halfen, unausgesetzt Beifall und Ermutigung zuteil. Nachdem die Aufgabe zwei Jahre nach ihrem Beginn gelöst war, betrachtete ich die großen Räume, die getäfelten Wände, die hohen Decken, die Sprossenfenster und breiten Treppen mit einem Stolz, der mich für die immensen Kosten der Arbeiten entschädigte.
Jeder Aspekt des Mittelalters war beeindruckend wiederhergestellt, und die neuen Abschnitte verbanden sich perfekt mit den alten Mauern und Fundamenten. Der Stammsitz meiner Väter war fertig, und ich hoffte, dass mir nun doch noch der Ruhm eines Geschlechts zuteilwurde, dessen letzter Vertreter ich war. Ich würde hier wohnen und beweisen, dass ein de la Poer (ich hatte wieder die eigentliche Schreibweise des Namens angenommen) nicht notwendigerweise ein Teufel sein musste. Für meine Bequemlichkeit war natürlich gesorgt, denn wenn auch die Burg von Exham im mittelalterlichen Baustil errichtet war, war innen doch alles neu und frei von Ungeziefer und Geistern.
Wie ich schon gesagt habe, zog ich am 16.Juli 1923 ein. Mein Haushalt bestand aus sieben Bediensteten und neun Katzen, die mir besonders ans Herz gewachsen waren. Meine älteste Katze Blacky war sieben Jahre alt und stammte noch aus meinem Haus in Boston, Massachusetts, die anderen hatte ich mir, als die Burg restauriert wurde, während meines Aufenthalts bei Hauptmann Norrys’ Familie angeschafft.
Die ersten fünf Tage waren geprägt durch außerordentliche Gelassenheit, und ich widmete mich der Auflistung der alten Familiendaten. Ich hatte inzwischen einige ausführliche Berichte von der letztendlichen Tragödie und der Flucht von Walter de la Poer zusammengetragen, von denen ich überzeugt war, dass sie der Inhalt des Umschlags waren, der beim Brand von Carfax vernichtet wurde. Es hatte den Anschein, dass mein Vorfahr zu Recht verflucht wurde, weil er alle anderen Mitglieder des Haushalts, außer vier mitbeteiligten Dienern, im Schlaf ermordet hatte. Dies geschah ungefähr zwei Wochen nach einer schockierenden Entdeckung, die sein ganzes Verhalten veränderte, die er aber niemandem sonst enthüllte, außer vielleicht den Bediensteten, die ihm halfen und danach die Flucht ergriffen.
Dieses Abschlachten, das den Vater, drei Brüder und zwei Schwestern einschloss, wurde ihm von den Dorfbewohnern verziehen und so nachlässig von den Vertretern des Gesetzes geahndet, dass der Verantwortliche geehrt, unbehelligt und offen nach Virginia auswandern konnte, wobei das allgemeine Gerücht die Runde machte, dass er das Land von einem uralten Fluch befreit hätte. Welche Entdeckung zu einer solch schrecklichen Handlung geführt haben konnte, lag außerhalb meiner Vorstellungskraft. Walter de la Poer musste schon jahrelang gewusst haben, was über seine Familie geredet wurde, sodass ihm neue Gerüchte keinen Anlass gegeben haben konnten. War er dann Zeuge eines abstoßenden, uralten Rituals geworden oder war er über ein furchtbares und enthüllendes Symbol in der Burg oder in unmittelbarer Nähe gestolpert? In England hatte er den Ruf eines zurückhaltenden, sanften Jünglings. In Virginia erschien er weniger hart und verbittert als eher gequält und ängstlich. Ein anderer herrschaftlicher Abenteurer, Francis Harley, erwähnt ihn in seinem Tagebuch als einen Mann von beispiellosem Gerechtigkeitssinn, Ehre und Geschmack.
Am 22.Juli ereignete sich der erste Zwischenfall, der, zuerst leicht abgetan, im Licht der späteren Ereignisse seine Bedeutung gewann. Er war so beiläufig und bedeutungslos und unter den gegebenen Umständen völlig unauffällig, aber man muss sich vor Augen führen, dass ich mich in einem, mit Ausnahme der Mauern, völlig neuem Gebäude aufhielt und von gut ausgewählten Bediensteten umgeben war, sodass jegliche Vorahnung, wenn man nicht den Ort in Betracht zog, ganz abseitig war.
Woran ich mich später erinnerte, war Folgendes: mein alter schwarzer Kater, dessen Stimmungen ich gut kannte, war ohne Zweifel in einem Maße, das gar nicht seinem Charakter entsprach, beunruhigt und verängstigt. Er lief ruhelos und verstört von einem Raum in den anderen und schnüffelte unausgesetzt an den Mauern, die noch Teil des ehemaligen Bauwerks waren. Ich weiß, wie abgedroschen das klingt – wie der unvermeidliche Hund in einer Gespenstergeschichte, der immer knurrt, bevor sein Herr die Gestalt im Betttuch sieht – trotzdem kann ich es nicht ändern.
Am nächsten Tag beschwerte sich ein Diener über die Ruhelosigkeit sämtlicher Katzen im Haus. Er suchte mich in meinem Arbeitszimmer, einem hohen, nach Westen gelegenen Raum im ersten Stock auf, der weite Bögen, eine dunkle Eichentäfelung und ein dreigeteiltes spitzbogiges Fenster hatte, von dem man die Kalksteinklippe hinunter auf das öde Tal blickte, und selbst als er sprach, sah ich die schwarze Gestalt von Blacky an der westlichen Mauer entlangschleichen und an den neuen Paneelen kratzen, die die alte Steinmauer verkleideten.
Ich sagte dem Mann, dass es wohl einen Geruch oder eine Ausdünstung der alten Mauern gäbe, die, von Menschen nicht wahrgenommen, von den feineren Sinnen der Katzen aber selbst durch die neue Holztäfelung erfasst würden. Davon war ich wirklich überzeugt, und als der Mann vermutete, dass sich dort Mäuse oder Ratten aufhielten, erklärte ich ihm, dass es hier dreihundert Jahre lang keine Ratten gegeben hätte und man selbst die Feldmäuse aus der Umgebung nicht in diesen hohen Mauern anträfe. An diesem Nachmittag sprach ich mit Hauptmann Norrys, und er versicherte mir, dass es mehr als unwahrscheinlich sei, dass sich Feldmäuse in so kurzer Zeit in der Burg eingenistet hätten.
An diesem Abend, als ich wie üblich den Diener entlassen hatte, zog ich mich in das westliche Turmzimmer zurück, das mein Privatgemach war und über eine Steintreppe und eine kleine Galerie aus dem Arbeitszimmer zu erreichen war, wobei die Treppe teilweise der alten Bausubstanz entstammte, die Galerie aber gänzlich neu war. Der runde Raum war sehr hoch und ohne Täfelung, sondern mit Wandbehängen versehen, die ich selbst in London ausgewählt hatte.
Als ich sah, dass Blacky bei mir war, schloss ich die schwere gotische Tür und begab mich beim Licht der Glühbirnen, die perfekte Imitationen von Kerzen waren, zur Ruhe. Schließlich machte ich das Licht aus und legte mich auf das Himmelbett mit der ehrwürdigen Katze an ihrem üblichen Platz auf meinen Füßen. Ich zog die Vorhänge des Bettes nicht zu, sondern blickte aus dem kleinen Nordfenster, das mir gegenüberlag. Ein heller Schein war am Himmel und ließ das feine Maßwerk des Fensters dunkel hervortreten.
Irgendwann muss ich unmerklich eingeschlafen sein, denn ich erinnere mich, aus seltsamen Träumen erwacht zu sein, als der Kater heftig von seinem angestammten Platz aufschreckte. Im schwachen Lichtschein sah ich ihn, den Kopf vorgereckt, seine Vorderbeine auf meinen Knöcheln und die Hinterbeine weit gestreckt. Er starrte intensiv auf einen Punkt in der Mauer westlich vom Fenster, einen Punkt, wo meine Augen nichts erkennen konnten, doch auf den sich jetzt meine ganze Aufmerksamkeit richtete. Während ich so schaute, wurde mir klar, dass Blacky nicht grundlos aufgeregt war. Ob sich die Wandbehänge nun tatsächlich bewegt haben, kann ich nicht beschwören. Doch ich meine, sie hätten sich leicht bewegt. Was ich allerdings beschwören kann, ist, dass ich ein leises, deutliches Kratzen dahinter vernahm wie von Ratten oder Mäusen. Im nächsten Moment war die Katze mutig an den Wandbehang gesprungen und hatte ihn mit ihrem Gewicht heruntergerissen. Eine feuchte alte Mauer lag jetzt offen, mit einigen Ausbesserungsflecken der Restaurateure und keinerlei Anzeichen von Nagetieren.
Blacky rannte an diesem Teil der Wand auf und ab, zerfetzte den heruntergefallenen Wandbehang und versuchte, eine Pfote zwischen die Mauer und dem Eichenboden zu bekommen. Er fand aber nichts und kam nach einiger Zeit müde zu seinem Platz auf meinen Füßen zurück. Ich hatte mich die ganze Zeit nicht bewegt, aber schlafen konnte ich in dieser Nacht auch nicht mehr.
Am nächsten Morgen befragte ich sämtliche Bediensteten, doch außer dem Koch, der sich an das ungewöhnliche Verhalten einer Katze, die auf einem Fenstersims lag, erinnerte, hatte keiner von ihnen etwas Ungewöhnliches bemerkt. Diese Katze hatte irgendwann in der Nacht geheult und den Koch aufgeweckt, der dann sah, wie sie bedeutungsvoll zur offenen Tür und der dahinterliegenden Treppe starrte. Ich vertrödelte die Zeit bis zum Nachmittag und besuchte dann ein weiteres Mal Hauptmann Norrys, dessen Interesse durch meine Erzählungen geweckt wurde. Diese merkwürdigen Zwischenfälle, so geringfügig, doch auch merkwürdig sie waren, reizten seinen Sinn für das Ungewöhnliche und erinnerten ihn an eine Reihe von Geistergeschichten aus der Gegend. Wir beide waren von der Anwesenheit von Ratten überrascht, und Norrys lieh mir ein paar Fallen und Rattengift, das die Bediensteten nach meiner Rückkehr an passenden Stellen auslegten.
Ich war sehr müde und zog mich früh zurück, wurde aber von schrecklichen Träumen geplagt. Ich schien von einer sehr hohen Warte aus in eine dämmrige Grotte zu blicken, in der knietief der Dreck lag und ein dämonischer Schweinehirt mit weißem Bart mit seinem Stock eine Herde von schwammigen, zuckenden Kreaturen vor sich hertrieb, deren Aussehen mich mit unerträglichem Ekel erfüllte. Als der Schweinehirte dann innehielt, überschwemmte eine mächtige Flut von Ratten den stinkenden Abgrund und tötete sowohl den Mann als auch die Kreaturen.
Aus diesen schrecklichen Träumen wurde ich durch eine plötzliche Bewegung von Blacky gerissen, der wie üblich auf meinen Füßen geschlafen hatte. Diesmal war der Grund für sein Fauchen und Grollen und seine Furcht klar, die ihn, ohne sich des Effekts bewusst zu sein, seine Krallen in meine Füße graben ließ. Aus allen Wänden des Raumes erklang das ekelerregende Geräusch von hastenden, wütenden, riesigen Ratten. Kein Lichtschein erhellte diesmal den Zustand der Wandbehänge, das herabgerissene Stück war wieder angebracht worden, aber ich war nicht zu verängstigt, um das Licht anzuschalten.
Als die Glühbirnen angingen, sah ich sämtliche Wandbehänge in abscheulicher Bewegung, wobei die Muster einen einzigartigen Totentanz ausführten. Die Bewegung brach ebenso wie die Geräusche nahezu sofort ab. Ich sprang aus dem Bett und stocherte mit dem langen Griff des Bettwärmers, der ganz in der Nähe stand, in den Wandbehängen und hob einen Teil an, um zu sehen, was darunter wäre. Da war nichts außer den nackten Steinwänden, und auch die Katze nahm nichts Außergewöhnliches mehr wahr. Als ich die runde Rattenfalle im Raum untersuchte, stellte ich fest, dass alle Öffnungen zugeschnappt waren, doch es keine Spur von dem gab, was dort gefangen und wieder entkommen war.
An Schlaf war nicht mehr zu denken. Ich zündete eine Kerze an, öffnete die Tür und ging, gefolgt von Blacky, über die Galerie zu meinem Arbeitszimmer. Doch bevor wir noch die Steintreppe erreicht hatten, stürmte der Kater an mir vorbei und verschwand die alten Stufen hinunter. Als ich ihm folgte, vernahm ich plötzlich die Geräusche aus dem unter mir liegenden großen Raum, Geräusche, deren Ursprung nicht falsch gedeutet werden konnte.
Hinter den Eichenpanelen tobten und wüteten die Ratten, während Blacky wie ein genarrter Jäger hin und her rannte. Als ich unten angekommen war, schaltete ich das Licht ein, ohne dass diesmal die Geräusche verschwanden. Die Ratten tobten weiter mit solcher Macht und zielgerichtet, dass ich schließlich die Richtung ihres Zuges ausmachen konnte. Diese Biester, deren Zahl unvorstellbar war, kamen von irgendwo weit oben und zogen in ungeahnte Tiefen.
Jetzt vernahm ich Schritte in dem Gang, und kurz darauf stießen zwei Diener die schwere Tür auf. Sie suchten nach der unbekannten Ursache, die die Katzen in helle Aufregung versetzt und sie eine Reihe von Treppen hinuntergetrieben hatte, wo sie sich fauchend vor einer verschlossenen Tür zum Keller versammelten. Ich fragte, ob sie die Ratten gehört hätten, doch sie verneinten. Und als ich sie auf die Geräusche hinter der Täfelung aufmerksam machen wollte, waren diese verstummt.
Mit den zwei Männern begab ich mich zu der Kellertür, doch die Katzen waren inzwischen verschwunden. Ich beschloss, die darunter liegenden Gewölbe später zu untersuchen, doch im Moment beließ ich es bei einer Überprüfung der Fallen. Alle waren zugeschnappt, doch ohne Beute. Mich damit beruhigend, dass niemand außer mir und den Katzen die Ratten gehört hatte, blieb ich bis zum Morgen in meinem Arbeitszimmer und dachte nach, wobei ich mir jedes Bruchstück der Legenden, die ich über das Gebäude, das ich jetzt bewohnte, ausgegraben hatte, vor Augen führte.
Am Vormittag schlief ich ein wenig in dem einzigen bequemen Sessel in der Bibliothek, den mein Vorhaben, alles mittelalterlich einzurichten, verschont hatte. Später telefonierte ich mit Hauptmann Norrys, der herüberkam und mich bei der Untersuchung des Kellers unterstützte.
Wir fanden nichts, was uns weiterhalf, doch konnten wir uns angesichts der Tatsache, dass das Gewölbe von Römern gebaut worden war, eines Schauderns nicht erwehren. Jeder der niedrigen Bögen und massiven Pfeiler war römisch, nicht etwa eine beziehungslose Nachahmung der stümperhaften Angelsachsen, sondern repräsentierte die strenge und harmonische Klassik der Caesaren. Die Mauern trugen tatsächlich Inschriften, die den Gelehrten, die diesen Ort mehrfach erforscht hatten, bekannt waren. »P. GETAE. PROP … TEMP … DONA …« und »L. PRAEC … VS … PONTIFI … ATYS …«
Der Hinweis auf Atys ließ mich erzittern, denn ich hatte Catullus gelesen und wusste etwas über die abscheulichen Riten dieses orientalischen Gottes, dessen Verehrung sich mit dem der Kybele vermischte. Im Licht von Laternen versuchten Norrys und ich, die seltsamen, fast unkenntlichen Zeichen auf bestimmten unregelmäßigen Steinblöcken zu deuten, die im Allgemeinen für Altäre gehalten wurden, doch wir kamen zu keinem Ergebnis. Uns fiel ein, dass ein bestimmtes Zeichen, eine Art Sonne mit Strahlenkranz, von Gelehrten als vorrömisch angesehen wurde, was darauf hindeutete, dass diese Altäre von den römischen Priestern nur übernommen worden waren und von einem älteren, wahrscheinlich von Ureinwohnern an dieser Stelle errichteten Tempel stammten. Auf einem dieser Blöcke befanden sich braune Flecken, die mich erstaunten. Der größte in der Mitte des Raumes trug auf seiner Oberfläche bestimmte Symbole, die auf eine Verbindung mit Feuer hindeuteten, möglicherweise Feueropfer.
Das haben wir in dem Gewölbe entdeckt, vor dessen Tür die Katzen geheult hatten und in dem Norrys und ich nun die Nacht verbringen wollten. Die Bediensteten brachten Liegen herunter und wurden angewiesen, sich nicht um das nächtliche Verhalten der Katzen zu kümmern, und Blacky blieb zur Unterstützung und als Gesellschaft bei uns. Wir entschieden, die schwere Eichentür, eine moderne Nachbildung mit Lüftungsschlitzen, fest zu schließen, und nachdem wir das geregelt hatten, legten wir uns im Licht der Laternen hin und harrten der Dinge, die da kommen würden.
Das Gewölbe befand sich tief in den Fundamenten der Burg und ohne Zweifel tief in der überhängenden Kalksteinklippe, die über dem öden Tal aufragte. Ich zweifelte nicht daran, dass hier das Ziel der tobenden und unerklärlichen Ratten lag, doch warum, wusste ich nicht. Als wir erwartungsvoll auf unseren Liegen ruhten, bemerkte ich, dass ich bei meiner Nachtwache in halbbewusste Träume sank, die von den unruhigen Bewegungen der Katze auf meinen Füßen unterbrochen wurden.
Diese Träume waren nicht angenehm, sondern grauenvoll wie die in der Nacht zuvor. Ich sah wieder in die dämmrige Grotte, wo der Schweinehirt und seine schwammigen Kreaturen im Schlamm wühlten, und diesmal schienen diese Dinge näher und deutlicher zu sein, so deutlich, dass ich fast ihre Gesichtszüge erkennen konnte. Dann erkannte ich die Gesichtszüge einer der zuckenden Kreaturen und erwachte mit einem Schrei, der Blacky aufspringen ließ, während Hauptmann Norrys, der nicht geschlafen hatte, laut lachte. Norrys hätte noch mehr gelacht, oder auch weniger, hätte er gewusst, was mich aufschreien ließ. Doch ich selbst konnte mich erst später wieder daran erinnern. Entsetzliches Grauen lähmt oft das Gedächtnis auf gnadenvolle Weise.
Als es begann, weckte mich Norrys. Sein sanftes Rütteln riss mich aus demselben furchtbaren Traum, und er bedeutete mir, auf die Geräusche der Katzen zu hören. Es gab wirklich viel zu hören, denn hinter der geschlossenen Tür am oberen Ende der Steintreppe heulte und kratzte eine albtraumhafte Katzenversammlung, während Blacky, ohne sich um seine Artgenossen draußen zu kümmern, an den nackten Steinmauern entlangrannte, in denen die gleiche Flut von Ratten tobte, die mich in der letzten Nacht so beunruhigt hatte.
In mir stieg die Furcht hoch, denn hier war etwas Übernatürliches, das durch keine Vernunft erklärt werden konnte. Diese Ratten, wenn sie nicht eine Ausgeburt des Wahnsinns waren, die ich nur mit den Katzen teilte, mussten sich in den römischen Mauern bewegen, von denen ich glaubte, sie bestünden aus massiven Kalksteinblöcken, wenn nicht das Wasser in mehr als siebzehn Jahrhunderten Gänge hineingegraben hatte, die nun von den Nagetieren benutzt wurden. Doch selbst wenn es so war, minderte dies nicht das gespenstische Grauen, denn wenn es sich um lebendes Ungeziefer handelte, warum vernahm dann Norrys nichts von ihrer abstoßenden Gegenwart? Warum zwang er mich, Blacky zu beobachten und auf die Katzen vor der Tür zu hören und stellte weitläufige Vermutungen an, was mich wohl so erschütterte?
Als ich es schaffte, ihm so vernünftig wie möglich mitzuteilen, was ich zu hören glaubte, drang an meine Ohren das letzte verblassende Geräusch der tobenden Ratten, das noch weiter nach unten verklungen war, viel tiefer als dieser tiefste Keller, so als ob die gesamte darunter liegende Klippe vom Zug der Ratten erfüllt sei. Norrys war nicht so skeptisch, wie ich erwartet hatte, sondern schien tief verstört. Er machte mich darauf aufmerksam, dass die Katzen vor der Tür ihre Raserei eingestellt hatten, so als ob sie die Ratten abgeschrieben hätten, während Blacky weiter rastlos herumlief und mit den Krallen wütend auf dem Boden um den großen Steinaltar in der Mitte des Raumes herumkratzte, der sich näher an Norrys’ Liege als an meiner befand.
In diesem Moment empfand ich große Furcht vor dem Unbekannten. Etwas Außergewöhnliches hatte sich manifestiert, und ich bemerkte, dass Hauptmann Norrys, ein jüngerer, kräftigerer und wahrscheinlich viel rationaler eingestellter Mann genauso betroffen war wie ich, möglicherweise aufgrund seiner lebenslangen Vertrautheit mit den Legenden dieser Gegend. Im Augenblick konnten wir nichts anderes tun, als die alte schwarze Katze beobachten, die mit nachlassendem Eifer am Sockel des Altars herumkratzte und von Zeit zu Zeit mich anblickte und in ihrer bettelnden Art miaute, die sie benutzte, wenn ich ihr einen Gefallen tun sollte.
Norrys ging jetzt mit einer Laterne zum Altar und untersuchte die Stelle, wo Blacky herumscharrte. Er kniete sich schweigend hin und kratzte die Jahrhunderte alten Flechten an der Stelle weg, wo der massive römische Steinblock auf dem Mosaikfußboden stand. Er fand nichts und gerade, als er dabei war, seine Bemühungen einzustellen, bemerkte ich etwas ganz Gewöhnliches, was mich erschaudern ließ, obwohl es auf nichts hindeutete, was ich mir nicht schon gedacht hätte.
Ich sagte es ihm, und wir betrachteten die fast nicht wahrnehmbare Manifestation mit der Hingabe einer faszinierenden Entdeckung und Erkenntnis. Lediglich die Flamme in der neben dem Altar abgesetzten Laterne flackerte leicht in einem Luftzug, der zuvor nicht dagewesen war und der eindeutig aus dem Spalt zwischen dem Boden und dem Altar kam, wo Norrys die Flechten entfernt hatte.
Die restliche Nacht verbrachten wir im hell erleuchteten Arbeitszimmer, wo wir aufgeregt unsere nächsten Schritte besprachen. Die Entdeckung einer Gruft, die tiefer lag als der tiefste bekannte römische Teil dieses fluchbeladenen Steinhaufens, eine Gruft, die den neugierigen Forschern über drei Jahrhunderte verborgen geblieben war, hätte uns auch ohne die düsteren Zusammenhänge in Aufregung versetzt. Wie es so ist, war die Begeisterung zweischneidig, und wir waren unsicher, ob wir die Burg aus abergläubischer Vorsicht für immer verlassen oder unserer Abenteuerlust nachgeben und uns mutig jedwedem Schrecken stellen sollten, der uns in den unbekannten Tiefen erwartete.
Am Morgen stand unser Entschluss fest, und wir fuhren nach London, um eine Gruppe von Altertumsforschern und Wissenschaftlern zusammenzustellen, die in der Lage wäre, das Geheimnis zu lösen. Ich sollte noch erwähnen, dass, bevor wir den Keller verließen, wir vergeblich versucht hatten, den Mittelaltar wegzuschieben, den wir als Eingang zu einer weiteren Grube namenloser Schrecken identifiziert hatten. Welches geheime Mittel dieses Tor öffnen würde, müssten klügere Leute als wir herausfinden.
Während unseres längeren Aufenthalts in London präsentierten Hauptmann Norrys und ich unsere Fakten, Schlüsse und Legenden fünf angesehenen Autoritäten, sämtlich Männer, von denen man annehmen konnte, dass sie jegliche Erkenntnisse über meine Familie, die sie vielleicht bei zukünftigen Forschungen erhielten, vertraulich behandeln würden. Wir stellten fest, dass die meisten von ihnen uns kaum belächelten, sondern wirklich interessiert und sehr sympathisch waren. Es ist nicht nötig, sie alle hier aufzuführen, doch ich will erwähnen, dass Sir William Brinton dazugehörte, dessen Ausgrabungen in Troja seinerzeit die halbe Welt begeisterten. Als wir alle im Zug nach Anchester saßen, fühlte ich mich am Rande von furchtbaren Enthüllungen, ein Gefühl, das sich am besten mit der Betroffenheit vieler Amerikaner über den unerwarteten Tod eines Präsidenten auf der anderen Seite des Ozeans vergleichen lässt.
Am Abend des 7.August erreichten wir die Burg Exham, wo die Bediensteten mir versicherten, dass sich nichts Ungewöhnliches ereignet hätte. Die Katzen und selbst der alte Blacky wären absolut ruhig gewesen, und nicht eine Falle im Haus wäre zugeschnappt. Am nächsten Tag wollten wir mit unserer Erkundung beginnen, und ich wies meinen Gästen wohlausgesuchte Zimmer zu.
Ich selbst legte mich in meinem Turmzimmer mit Blacky auf meinen Füßen schlafen. Der Schlaf kam schnell, doch ich wurde von schrecklichen Träumen geplagt. Es war eine Vision eines römischen Festes, wie jene des Trimalchio, mit dem Grauen auf einem abgedeckten Tablett. Dann kam wieder die Sache mit dem Schweinehirt und seiner schmutzigen Herde in der dämmrigen Grotte. Doch ich erwachte im hellen Morgenlicht, und unten aus dem Haus drangen die üblichen Geräusche. Die Ratten, ob nun wirklich oder gespenstisch, hatten mich nicht belästigt, und Blacky schlief immer noch ruhig. Als ich hinunterging, bemerkte ich überall die gleiche Ruhe, ein Umstand, den einer der Gelehrten, ein Mann namens Thornton, dessen Fachgebiet die Psychologie war, ziemlich willkürlich der Tatsache zuschrieb, dass ich jetzt über die Sache geredet hätte, wozu mich bestimmte Kräfte hatten treiben wollen.
Jetzt war alles bereit, und um elf Uhr begab sich unsere gesamte Gruppe von sieben Mann mit starken Taschenlampen und Grabungswerkzeugen ausgestattet in den Keller und wir verriegelten die Tür hinter uns. Blacky war bei uns, denn die Forscher wollten ihn trotz seiner Erregbarkeit nicht ausschließen und waren sogar von seiner Anwesenheit angetan, falls es zu einem merkwürdigen Auftauchen von Nagetieren käme. Wir schauten uns die römischen Inschriften und unbekannten Muster auf dem Altar nur kurz an, denn drei der Forscher hatten sie schon gesehen und alle kannten ihr Aussehen. Unsere Aufmerksamkeit richtete sich auf den großen Mittelaltar, und innerhalb einer Stunde hatte Sir William Brinton ihn dazu gebracht, zur Seite zu gleiten, bewerkstelligt durch eine unbekannte Art von Gegengewicht.
Jetzt lag etwas Schreckliches vor uns ausgebreitet, und wir wären übermannt worden, wenn wir unvorbereitet gewesen wären. Durch eine fast quadratische Öffnung im gefliesten Boden sahen wir eine Steintreppe, deren Stufen so schrecklich ausgetreten waren, dass in der Mitte nur noch eine schiefe Ebene bestand, und einen Haufen von menschlichen und fast menschlichen Knochen. Jene, die noch Skelette formten, zeigten Anzeichen von panischem Schrecken, und an allen sah man die Spuren von Nagetiergebissen. Alle Schädel zeigten Merkmale von Schwachsinnigen, Missgebildeten oder primitiven Halbaffen.
Über die höllisch verunreinigten Stufen wölbte sich ein abfallender Gang, der eindeutig aus dem nackten Fels gehauen war und aus dem ein Luftzug drang. Es war kein plötzlicher, heftiger Luftzug wie aus einer geschlossenen Gruft, sondern eine kühle, frische Brise. Wir hielten nicht lange inne, sondern begannen schaudernd einen Weg die Stufen hinunter freizuräumen. Zu diesem Zeitpunkt untersuchte Sir William die feuchten Wände und machte die merkwürdige Entdeckung, dass die Meißelspuren darauf hindeuteten, dass der Gang von unten herauf in den Fels geschlagen worden ist.
Ich muss jetzt sehr sorgfältig meine Worte wählen.
Nachdem wir ein paar Stufen zwischen den angenagten Knochen hinuntergestiegen waren, sahen wir vor uns ein Licht. Es war kein geheimnisvolles, phosphoreszierendes Licht, sondern gedämpftes Tageslicht, das nur von unbekannten Felsspalten in der das öde Tal überragenden Klippe stammen konnte. Dass solche Spalten von außen nicht entdeckt worden sind, ist nicht ungewöhnlich, denn nicht nur das Tal ist gänzlich unbewohnt, sondern die Klippe ist auch so hoch und überhängend, dass man nur aus einem Flugzeug die Oberfläche hätte genau untersuchen können. Nach ein paar weiteren Schritten verschlug uns der Anblick buchstäblich den Atem, so buchstäblich, dass Thornton, der Psychologe, tatsächlich bewusstlos in die Arme des verwirrten Mannes hinter ihm sank. Norrys, dessen breites Gesicht völlig bleich war, schrie einfach unartikuliert auf, während ich glaube, aufgestöhnt oder gekeucht und meine Augen bedeckt zu haben.
Der Mann hinter mir, der Einzige in der Gruppe, der älter war als ich, krächzte mit der heisersten Stimme, die ich je vernommen habe: »Mein Gott!« Von sieben gebildeten Männern wahrte nur Sir William Brinton die Fassung, etwas, was noch beachtenswerter ist, da er die Gruppe anführte und sich ihm als Erstem der Anblick bot. Im Dämmerlicht lag eine Grotte von enormer Höhe, die sich weiter erstreckte als das Auge reichte, eine unterirdische Welt unzähliger Geheimnisse und grauenhafter Verheißungen. Da waren Gebäude und Überreste von Bauwerken. Mein erschrockener Blick sah eine Anordnung uralter Grabhügel, einen Kreis von Monolithen, die Ruine eines niedrigen römischen Kuppelbaus, ein breites angelsächsisches Hünengrab und eine frühe englische Holzhütte, doch das alles wurde durch den ghoulischen Anblick in den Schatten gestellt, den der Boden bot. Von den Stufen breitete sich meterweise ein grässliches Gewirr von menschlichen Knochen aus, oder zumindest Knochen so menschlich wie die auf der Treppe. Sie wirkten wie ein aufgewühltes Meer, einige waren auseinandergefallen, andere bildeten noch Teile von Skeletten oder ganze Skelette. Die letzteren zeugten alle von einer dämonischen Raserei, entweder hatten sie sich gegen eine Bedrohung gewehrt oder sie umklammerten andere in eindeutig kannibalischer Absicht.
