Stars Upon Us. Arena der Elemente - B.E. Pfeiffer - E-Book
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B. E. Pfeiffer

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Beschreibung

**Die Arena ist eröffnet** Die Erdkriegerin Emaya kennt nur ein Ziel: an der Prüfung der Elemente teilzunehmen, um mehr über das mysteriöse Verschwinden ihres Vaters zu erfahren. Als jedoch nicht sie, sondern ihre sanftmütige Zwillingsschwester für die gefährlichen Duelle ausgewählt wird, fasst sie den waghalsigen Entschluss, unter deren Identität anzutreten und zum Haus der Elemente zu reisen. Dort angekommen zieht Emaya ausgerechnet die Aufmerksamkeit des Alphas der verfeindeten Metallkrieger auf sich. Der gefährlich attraktive Dante scheint mehr über die Hintergründe der Kämpfe zu wissen, als er sollte, und ist gewillt sie einzuweihen – falls Emaya sich bereit erklärt, in der Arena zu seiner Spionin zu werden … »Wie winzige Sterne zog das Funkeln in den Himmel und ließ die Nacht einen Hauch weniger dunkel erscheinen.« Eine willensstarke Erdmagierin und ein verboten gut aussehender Alphakrieger im Bann der Elemente. Magisch romantisch und packend von der ersten bis zur letzten Seite. //»Stars Upon Us. Arena der Elemente« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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B.E. Pfeiffer

Stars Upon Us. Arena der Elemente

**Die Arena ist eröffnet**Die Erdkriegerin Emaya kennt nur ein Ziel: an der Prüfung der Elemente teilzunehmen, um mehr über das mysteriöse Verschwinden ihres Vaters zu erfahren. Als jedoch nicht sie, sondern ihre sanftmütige Zwillingsschwester für die gefährlichen Duelle ausgewählt wird, fasst sie den waghalsigen Entschluss, unter deren Identität anzutreten und zum Haus der Elemente zu reisen. Dort angekommen zieht Emaya ausgerechnet die Aufmerksamkeit des Alphas der verfeindeten Metallkrieger auf sich. Der gefährlich attraktive Dante scheint mehr über die Hintergründe der Kämpfe zu wissen, als er sollte, und ist gewillt sie einzuweihen – falls Emaya sich bereit erklärt, in der Arena zu seiner Spionin zu werden …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

© Tamara Wassermann

Wer die 1984 geborene Bettina E. Pfeiffer nach ihren Geschichten fragt, sollte Zeit mitbringen. Denn neben ihrer Familie sind ihre teils eigensinnigen Charaktere ihre große Liebe. Deswegen verbringt sie viel Zeit in mystischen Welten voller Magie, Dämonen, Göttern und Sagengestalten. Über mangelnde Ideen kann sich die studierte Betriebswirtin nicht beklagen, wohl aber über fehlende Zeit, da Familie, Katzen, Haushalt und Job neben dem Schreiben nicht zu kurz kommen dürfen.

Kapitel 1

Ich riss meinen Kopf zurück und vollführte eine Drehung, um der Klinge auszuweichen. Die Luft vibrierte vom singenden Metall, das sie durchschnitt und dabei die Spitzen meiner Haare absäbelte. Wie Gold schimmerten meine sonst dunkelbraunen Strähnen, als sie zu Boden fielen.

Doch das nahm ich nur aus den Augenwinkeln wahr, denn ich durfte mich nicht ablenken lassen. Auch nicht von meinem viel zu schnell klopfenden Herzen. Beinahe wäre mein Kampf zu Ende gewesen, weil ich in Gedanken versunken war.

Loreen, meine Gegnerin, war mir nicht gewachsen und ich würde nicht vor den Augen meiner Alpha gegen sie verlieren.

Deswegen wirbelte ich herum, zog die zweite Klinge aus meinem Gürtel und ließ die Schwerter auf meine Gegnerin niedergehen.

Eins. Zwei.

Loreen wich dem ersten Schlag aus, wurde aber vom zweiten getroffen.

»Das wird dir nichts nützen!«, rief sie mit vor Zorn bebender Stimme und ging zum Gegenangriff über.

Sie tat genau das, worauf ich gehofft hatte, schlug ziellos zu und tappte in meine Falle. Sie trat auf ein feines Netz, das ich aus Magie gewoben hatte. Sie stieß einen Fluch aus, als Ranken aus dem Sand schossen und sich um ihre Handgelenke legten.

Mir blieb nicht viel Zeit. Loreen rief sofort ihre Magie, um meine Fesseln zu lösen. Die ersten Ranken begannen bereits zu welken. Mit einem schnellen Schritt war ich bei ihr, trat ihr das Schwert aus der Hand und hielt ihr meine Klinge an die Kehle.

Unsere Blicke trafen sich und Wut loderte in ihren Augen auf.

»Gut gemacht, Emaya«, erklang eine vertraute Stimme.

Ich wandte mich ihr nicht zu, rang nach Atem und hielt mich davon ab, mir mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht zu wischen. Innerlich fluchte ich über die dicke, gepolsterte Schutzkleidung, die ich tragen musste. Wir übten mit echten Waffen und dieser Anzug schützte uns vor ernsten Verletzungen. Aber er verhinderte auch, dass wir uns frei bewegen konnten und heizte meinen Körper viel zu sehr auf.

»Loreen, du musst noch viel üben, wenn du eines Tages von der Göttin ausgewählt werden willst«, meinte Aryanna, unsere Ausbilderin und Alpha-Kriegerin, die mittlerweile zwischen uns stand.

Ich musterte Loreen, die mit hängendem Kopf aufstand, ihre Waffen aufhob und die Arena ohne ein weiteres Wort verließ. Sie war ein bisschen jünger als ich und würde somit nicht an den Prüfungen teilnehmen können. Ich lebte seit neunzehn Sonnenumdrehungen und war deswegen alt genug, um als Kriegerin für das Erdelement anzutreten.

»Was dich betrifft«, wandte Aryanna sich an mich und betrachtete mich mit der ihr eigenen Mischung aus Abscheu und Stolz, »kann ich nicht anders, als dich zu loben. Du hast dich in den letzten Mondzyklen deutlich verbessert und deine Nahkampfkraft ist stärker als die der meisten Anwärterinnen für die dritten Ehrenkämpfe.«

Mit einem Nicken nahm ich ihre Worte entgegen und rang mir ein Lächeln ab. Seit vor einer Sonnenumdrehung bekannt gegeben wurde, dass eine neue Prüfung der Elemente bevorstand, hatte ich jeden Tag vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahl geübt und nachts meine Magie gestärkt, indem ich Zauber wirkte, die ich auch im Schlaf halten konnte. Ich hatte nie innegehalten, mich nie geschont, ganz gleich, wie sehr meine Muskeln schmerzten oder wie schwach ich mich nach einer Nacht fühlte, in der ich zu viel Magie verbraucht hatte.

Seit ich zurückdenken konnte, wollte ich von der Göttin ausgewählt werden, um mich in der Prüfung der Elemente zu beweisen. Ich wollte es mehr als alles andere und wurde dadurch zu einer Außenseiterin.

Nur meine Zwillingsschwester Kalliste sorgte sich wirklich um mich. Sie verarztete meine Wunden, wenn ich es mit dem Üben einmal übertrieb, oder deckte mich zu, wenn ich unter dem Sternenhimmel einschlief.

Wir hatten nur einander, seit unser Vater vor drei Sonnenumdrehungen spurlos verschwunden war. Unsere Mutter hatten wir bei den letzten Ehrenkämpfen verloren, als wir noch kleine Kinder waren. Das lag nun fünfzehn Sonnenumdrehungen zurück und jeden Tag vermisste ich sie. Eigentlich hätte mich diese Erinnerung lähmen und einschüchtern sollen. Aber mein Vater hatte stets erzählt, dass Mama nicht nur wegen der Klinge ihres Gegners gestorben war. Papa schien einige Geheimnisse gehütet zu haben, über die er nie hatte reden wollen. Doch über die Vermutungen zum Tod meiner Mutter hatte er häufig gesprochen. Und das war einer der Gründe, warum ich an den Ehrenkämpfen teilnehmen wollte. Nur wenn ich in die Hauptstadt reiste, konnte ich meine eigenen Nachforschungen anstellen.

»Hörst du mir überhaupt zu?«, riss Aryanna mich aus meinen Gedanken.

Wie alle Kriegerinnen des Erdelements hatte sie langes dunkles Haar und die Farbe ihrer Augen glich der des ausgetrockneten Bodens, der unsere Siedlung umgab. Sie war etwa fünf Sonnenumdrehungen älter als ich und erst vor Kurzem zur neuen Alpha gewählt worden. Seitdem trug sie das Wappen unseres Schutztieres, eine Hirschkuh, als Tätowierung auf dem Oberarm.

»Vergib mir, Alpha«, murmelte ich und neigte mein Haupt.

»Ich bin von dem Kampf noch ein wenig ausgelaugt. Es war mein Siebenter heute und die Sonne hat den Zenit noch nicht erreicht.«

»Du wirst deine Kräfte schonen müssen, Emaya«, tadelte Aryanna mich und verzog ihr Gesicht zu einer missbilligenden Miene. »Solltest du tatsächlich erwählt werden, wirst du auch im Haus der Elemente regelmäßig üben müssen, aber bis zu den Kämpfen darfst du dich nicht verausgaben. Besonders nicht deine magischen Fähigkeiten. Du hättest Loreen ohne Zauber bezwingen müssen.«

»Ja, Alpha«, sagte ich und konzentrierte mich auf ihre Erklärung.

Sie erzählte mir nichts, was ich nicht schon wusste, nämlich welche Ehre es für mich wäre, für die Prüfung der Elemente ausgesucht zu werden und dass es keine Garantie gab, aber die Göttin stets nur würdige Krieger erwählte.

Meine Gedanken schweiften längst wieder ab, als sie davon begann, dass noch nie eine Kriegerin unseres Elements unter den drei siegreichen Kämpfern gewesen war. Seit über achtzig Sonnenumdrehungen gab es die Ehrenkämpfe und stets hatten die Elemente Feuer, Metall und Holz den Sieg davongetragen, was daran lag, dass die ruhmreichen Elemente vom Hochkönig mit mehr Magie belohnt wurden und somit immer stärker sein würden als die unterlegenen. Sie erhielten Sonderprivilegien, bekamen mehr Nahrung und ihre Alphas wurden in den Rat des Hochkönigs berufen. Neben meinem Element waren auch Wasser und Luft nie unter den Siegern gewesen.

Mir gefiel die Vorstellung nicht, den Hochkönig der sechs Elemente von Kira zu treffen. Er galt als Geist in seiner eigenen Hauptstadt, weil ihn kaum jemand zu Gesicht bekam. Außerdem war er ein Unsterblicher, um den sich Legenden rankten, die nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wurden. Niemand lebte so lange wie König Leonid.

Die Kämpfe, für die wir trainierten, hatte er ins Leben gerufen. Die Magie, die wir Krieger freisetzten, wenn wir starben, nährte die Sterne, deren Licht uns alle schützte. Es hinderte die dunklen Kreaturen, die vor unseren Siedlungen lauerten, die schützenden Mauern zu zerstören. Diese Wesen besaßen starke schwarze Magie und waren gefährliche Jäger, deren Klauen tödlicher waren als alle Waffen, die wir besaßen.

Deswegen nannte man die Prüfung der Elemente auch Ehrenkämpfe. Selbst unser Tod war bedeutungsvoll. Ohne uns würde auch der letzte Stern, der noch einsam am Himmel stand, erlöschen und die Menschen nicht mehr sicher sein.

»Hast du noch Fragen zur Auswahl?«, beendete Aryanna ihre Ausführungen, wie sie es jedes Mal tat.

Der Blick aus ihren dunkelbraunen Augen bohrte sich tief in mich, während ich den Kopf schüttelte. Ich wusste längst, wie die Auswahl ablief.

»Dann solltest du jetzt gehen und dich erholen«, schlug Aryanna vor. »Wir sehen uns morgen im Tempel der Göttin.«

»Ja, Alpha«, sagte ich und neigte demütig meinen Kopf.

Dann wandte ich mich ab und ging durch die Arena zu den Waffenständen, um die geliehenen Schwerter zurückzubringen.

»Du hast heute gut gekämpft«, sagte Nele zu mir, als sie ihre Waffen ebenfalls abstellte.

Nele war unter den Kriegerinnen wohl am ehesten meine Freundin. Mit ihr wechselte ich zumindest ab und zu ein Wort.

»Du auch«, murmelte ich, obwohl ich ihren Kampf nicht beobachtet hatte.

»Wir sehen uns morgen bei der Auswahl, ich muss noch ein wenig üben«, verabschiedete sie sich und ging in jenen Bereich der Arena, in dem wir unsere magischen Fähigkeiten trainierten.

Einen Moment sah ich ihr dabei zu, wie sie die Luft mit ihrer Magie zum Vibrieren brachte, bevor dünne Ranken aus dem sandigen Boden schossen. Neles Magie war deutlich schwächer als meine, aber ihr Kampfstil war beeindruckend. Nele wirkte noch zierlicher als die anderen Kriegerinnen, aber sie besaß eine Kraft, die selbst Aryanna bei Duellen zusetzte.

Mit einem Schulterzucken wandte ich mich ab und verließ den Kampfring. Ich atmete auf, als ich den Schutzanzug ablegen konnte. Bei der Prüfung der Elemente würde ich eine Rüstung und eine Maske tragen müssen, aber ich stellte mir alles angenehmer vor als diese dicken Anzüge, die mit Federn, Sand und anderen Dingen gefüllt waren, um Verletzungen zu vermeiden.

Jetzt wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und wandte mich der kalten Quelle zu, die vor dem Fenster der Waffenkammer lag. Der Winter war noch nicht vorüber, weswegen es draußen eiskalt war. Aber ich hatte so geschwitzt, dass der Stoff an meiner Haut klebte.

Also zog ich meine feuchte Kleidung aus und warf sie achtlos auf den Boden. Zum Glück hatte ich ein sauberes Gewand zum Wechseln mitgebracht. Fröstelnd rieb ich über meine Arme, während ich nackt hinaustrat. Mein Atem gefror vor meinen Augen, dennoch rannte ich los und sprang in die Quelle.

Gänsehaut überzog meinen Körper. Ich verharrte einen Moment im eiskalten Wasser, dann sprang ich wieder auf und rannte, so schnell ich konnte, zur Waffenkammer zurück.

Die Pfützen, die meine nackten Füße auf dem Steinboden hinterließen, gefroren zu Eis und ich zitterte, als ich die Tür hinter mir schloss und zu einem Feuer trat, das in einem Kohlenbecken loderte. Ich trocknete mich so gut es ging mit einem Tuch ab, dann hockte ich mich vor die Flammen und schloss die Augen.

»Kamana, sei mir gnädig«, flüsterte ich und verschränkte meine Finger für ein Gebet an die Göttin der Jagd, die über unser Element wachte. »Erfülle mir den Wunsch und erwähle mich, um deinem Namen und deinem Element Ehre zu bereiten.«

Und gib mir die Möglichkeit, mehr über den Verbleib meines Vaters herauszufinden, fügte ich in Gedanken hinzu.

Das Verschwinden meines Vaters war zwar rätselhaft, schien aber leider nicht der einzige Vorfall dieser Art zu sein. Immer wieder verschwanden Menschen, die wegen einer Unterredung mit dem Rat des Hochkönigs in die Hauptstadt gerufen worden waren, noch vor ihrem Aufbruch. Dafür blieben seltsame Spuren zurück: Pfützen aus geschmolzenem Silber, einem Erz, dem man unermessliche Kraft nachsagte. Jene Wesen der Dunkelheit fürchteten sich davor. Leider gab es nicht mehr viel Silber und die Kreaturen um unsere Siedlung wurden stärker, je mehr das Licht der Sterne schwand.

Ich senkte meinen Kopf, um das Gebet zu beenden, dann zog ich mich an. Ich schloss den Gürtel meiner Hose und schlüpfte in den dunklen Umhang, den Kalliste genäht hatte. Meine Zwillingsschwester konnte nicht kämpfen, aber sie lernte die Heilkräfte unseres Elements zu nutzen und kümmerte sich um unser Heim.

Ein Gedanke ließ meine Brust eng werden. Sollte ich erwählt werden und in den Kämpfen sterben, wäre Kalliste allein. Sie verdiente zwar Geld mit ihren Heilmitteln, aber ohne meinen Sold von der Kriegergilde würde es für sie schwer werden. Noch dazu, weil sie kaum auf sich Acht geben konnte.

Wir glichen einander äußerlich aufs Haar, aber Kalliste benahm und kleidete sich wie eine Dame, während ich eine Kriegerin war und lieber in hohen Stiefeln und bequemen Hosen herumlief als in lieblichen Kleidern. Meine dunkelbraunen Haare flocht ich mir zu einem simplen Zopf, weil sie mich sonst beim Kämpfen störten. Sie betonte mit ihren aufwendigen Flechtfrisuren ihre grünlichen Augen. Bei mir machte sich niemand die Mühe, die Farbe zu ergründen, noch nicht einmal ich selbst.

Ich schob den Gedanken beiseite und verließ die Arena in Richtung unseres Hauses. Der Weg führte mich am Markt vorbei und ich blieb stehen, um frisches Obst zu kaufen.

Durch die Magie der Erde konnten wir selbst im Winter die süßesten Früchte zum Reifen bringen und mehrmals im Lauf einer Sonnenumdrehung ernten. Obwohl unsere Kräfte nicht vom Hochkönig erhöht wurden, würden wir nie Hunger leiden. Ob das Element Metall wohl in der Lage wäre, genug Nahrung zu ernten, um ihre Siedlungen zu versorgen, wenn sie nicht in den Rat des Hochkönigs einzogen? Sie konnten mit ihrer Magie den Sturm beherrschen, was zwar im Kampf hilfreich war, aber Menschen nicht ernähren konnte.

Ich schnaubte und schob den Gedanken beiseite. Gewissensbisse durfte ich mir nicht erlauben, denn wenn ich die Vorrunden gewann und in die Ehrenkämpfe einzog, standen drei Menschen zwischen mir und dem Sieg. Drei Menschen, deren Leben ich nehmen musste, wenn ich gewinnen wollte. Zu zögern oder Mitleid zu empfinden konnte ich mir nicht leisten, weil es meinen eigenen Tod bedeuten würde. Im Rat des Hochkönigs zu sitzen würde mir die Möglichkeit geben, Antworten auf meine Fragen zu finden. Ich würde meine Schwester versorgen und meine Mutter ehren können. Nichts anderes hatte ich gewollt, seit sie mir genommen wurde.

An einem Marktstand blieb ich stehen und besorgte Äpfel, weil Kalliste sie liebte und ich ihr eine Freude machen wollte. Ich zahlte und setzte den Weg zu unserem Haus fort.

Schon vor der Haustür konnte ich das Essen riechen, weswegen ich gleich die Küche aufsuchte. Kalliste stand mit einer Schürze vor dem Feuer und rührte in einem Topf. Sie war im Gegensatz zu mir eine ausgezeichnete Köchin.

»Du bist früh hier«, meinte sie, ohne aufzusehen.

»Aryanna wollte, dass ich mich schone«, entgegnete ich und stellte die Äpfel ab.

»Das sage ich ständig und du hörst nie auf mich«, brummte Kalliste.

»Du bist auch nicht meine Alpha«, gab ich zu bedenken.

»Du könntest trotzdem auf mich hören«, meinte Kalliste und drehte sich um. »Warst du schon wieder in der Quelle schwimmen?« Ihr Tonfall wurde tadelnd und sie stemmte ihre Hände in die Hüften.

»Ja, ich mag es nicht, wenn ich verschwitzt heimlaufe.«

»Deswegen holst du dir lieber ein Fieber, weil du im Winter mit nassen Haaren herumrennst?«, schalt sie mich.

»Von nassen Haaren bekommt man kein Fieber.«

»Nein, aber sie tropfen auf deine Kleidung und die kalte Luft kühlt dich ab. Dann entzündet sich deine Lunge und du bekommst Fieber.«

»Schon gut, schon gut«, gab ich mich geschlagen und hob abwehrend die Hände. »Wenn ich morgen erwählt werde, wird es ohnehin nicht mehr vorkommen, weil die Kriegerinnen dann bald abreisen.«

Meine Schwester räusperte sich und ihr Gesicht wurde blass. »Ich wünschte trotzdem, du würdest nicht erwählt werden. Was ist, wenn du nicht zurückkommst?«

Ich seufzte und trat auf sie zu. Behutsam legte ich meine Hände auf ihre Schultern.

»Ich komme zurück«, versprach ich. »Und unser Leben wird dann besser sein. Vielleicht finde ich auch heraus, was Papa zugestoßen ist, wenn ich in der Hauptstadt bin.«

Kalliste nickte kaum merklich und rang sich ein Lächeln ab, das angestrengt wirkte. Sie glaubte nicht daran, dass unser Vater noch lebte. Ich wollte ihn nicht aufgeben, doch auch meine Hoffnung schwand. Aber vielleicht konnte ich zumindest erfahren, was ihm zugestoßen war.

»Das Essen ist gleich fertig«, sagte Kalliste und drehte sich wieder zum Feuer um. »Geh dich abtrocknen und umziehen. Danach reden wir.«

»Ja, Mama«, brummte ich, ging jedoch in mein Zimmer.

Kalliste hatte recht, meine Haare hatten eine nasse Spur auf meiner Kleidung hinterlassen und die Kälte fraß sich in meine Haut.

Als ich die Küche in trockener Kleidung wieder betrat, hatte Kalliste den Tisch längst gedeckt. Sie hatte das feine Geschirr herausgenommen. Es hatte unserer Mutter gehört und viele der mit Blumen bemalten Teller waren in der Zeit nach ihrem Tod zerbrochen. Wir benutzten sie selten. Aber heute hatte Kalliste diese Teller gewählt.

Sie lächelte. »Ich dachte, zur Feier des Tages … wer weiß, wann wir wieder gemeinsam essen.«

»In einem Mondzyklus«, erklärte ich entschieden. »So lange dauern die Prüfungen.«

»Ja«, sagte sie und lächelte immer noch. Aber die Sorgenfalte auf ihrer Stirn blieb.

Nachdem sie den Eintopf auf die Teller verteilt und Wein in unsere Gläser geschenkt hatte, ließ sie sich nieder. Ich griff nach ihrer Hand, wie ich es immer tat, und sie sprach das Gebet an Kamana.

»Beschütze Emaya und bring sie zu mir zurück«, beendete sie ihre Bitte.

»Noch bin ich nicht erwählt worden«, murmelte ich.

»Nein, aber es würde mich wundern, wenn die Göttin auf dich verzichtet«, entgegnete meine Schwester. »Du bist die Stärkste unseres Elements. Sie wird dich zu ihrer Kriegerin berufen.«

»Das hoffe ich«, sagte ich.

Denn ich wollte diese Prüfung gewinnen. Für meine Mutter. Meinen Vater. Für Kalliste. Und um mir selbst zu beweisen, dass sich all meine Arbeit ausgezahlt hatte.

Kapitel 2

Der eiskalte Wind trieb mir Tränen in die Augen. Kalliste schob sich ihren Schal vor Mund und Nase und auch ich überlegte einen Moment, es ihr gleich zu tun, ließ es dann aber, obwohl die Kälte in meinen Lungen schmerzte. Ich war eine Kriegerin und ich würde mir keine Schwäche anmerken lassen. Nichts sollte meine Wahl gefährden.

Auf dem Weg zum Tempel, der im Herzen der Erdsiedlung lag, begegneten wir Freundinnen meiner Schwester, die mich mit gebührendem Abstand begrüßten, während sie Kalliste herzlich umarmten. Aber ich war es nicht anders gewohnt.

Vor dem Tempel wartete bereits eine große Menge auf den Einlass. Das Heiligtum wurde nur zu besonderen Anlässen geöffnet, ansonsten war es Priestern vorbehalten, es zu betreten. Gebete an Kamana brachte man am hauseigenen Schrein dar oder warf Blumen in den kleinen Teich vor dem Tempel.

Als die Türen geöffnet wurden, drängten die Menschen sich in das Heiligtum. Nur wenige Feuer brannten, denn Flammen zu nähren kostete Magie, die wir durch das schwindende Licht der Sterne kaum noch besaßen.

Alle Zauber, die nicht mit unserem Element verbunden waren, mussten durch geliehene Magie des Hochkönigs gewirkt werden und je schwächer die Sterne wurden, umso schwächer wurden auch die Kräfte des Königs.

Aber die Wände schirmten uns zumindest vor dem eisigen Wind ab und durch die vielen Leiber, die sich stehend aneinander drängten, wärmte sich der Tempel aus braunem Stein schnell auf.

Kerin, der oberste Priester der Kamana, stand in seinem dunkelbraunen Kaftan und einer dunkelgrünen Schärpe, auf der die Hirschkuh abgebildet war, vor dem Altar. Er war ein gebrechlicher Mann mit lichtem weißen Haar und unzähligen Falten im Gesicht. Seine Miene war so kalt wie der lehmige Fußboden, auf dem wir standen. Hinter Kerin erhob sich ein Baum, dessen Wurzeln den Boden rund um den Altar durchbrachen. Blüten so leuchtend wie die Abendsonne öffneten sich auf seinen zahlreichen Ästen. Jede von ihnen symbolisierte eine von uns. Über diese Blumen würde die Göttin die zehn Kriegerinnen erwählen, die für sie zur Prüfung antreten sollten.

Unser Element entsandte nur Frauen in die Arena. Wir wurden zwar von unseren Gegnern belächelt, aber dennoch schlugen wir uns gut. Bisher hatte es bei jeder Prüfung zumindest eine unserer Kriegerinnen in den letzten Kampf geschafft. Das gelang nicht jedem Element.

Jetzt, da ich hier stand, umringt von all den Menschen meines Elements, begann meine Hand zu zittern. Ich hasste mich für diese Schwäche und hielt den Atem an, als die kühlen Finger meiner Schwester sich um meine schlossen.

»Du wirst gewählt werden«, flüsterte sie mir zu und lächelte.

Ich lächelte zurück. Die Unsicherheit, ob ich hierher zurückkehren würde, machte mir Angst. Aber niemand sollte je sehen, wie sehr ich mich davor fürchtete. Nicht einmal Kalliste. Ich musste meine Mauern höher errichten.

Um uns begannen die ersten aufgeregten Gespräche, auf die Kerin nur gewartet zu haben schien. Er hob gebieterisch seine Arme und forderte Ruhe ein.

Alle verstummten und Kerin trat auf den Baum zu. »O weise Göttin Kamana, Herrin über die Erde und die Jagd, beehre uns mit deiner Gegenwart«, stimmte er seinen monotonen Gesang an.

Ich hörte nicht zu. Das Gebet war stets dasselbe, ganz gleich, zu welchem Anlass es gesprochen wurde. Meinen Kopf senkte ich zwar wie die anderen, sprach aber meine eigenen Worte und bat die Göttin mich zu erwählen. Ich würde ihr Ehre bringen und bekommen, was ich wollte. Wir würden also beide gewinnen.

Die Stille rauschte in meinen Ohren, als Kerins Stimme zwischen den Wänden verklang. Ich blickte wieder zum Altar.

Der Priester wandte sich so langsam zum Baum um, als wollte er ihm die Möglichkeit geben, noch höher zu wachsen.

»Lass uns deinen Willen wissen, o große Göttin«, bat Kerin und breitete seine Arme aus. Die Stickerei der Hirschkuh auf seinem Rücken leuchtete golden im Feuerschein und die Luft knisterte von Kerins Magie.

Eine Blüte fiel herab und landete in seiner Handfläche. Sie zerfiel zu Staub und ein Stück Papier kam zum Vorschein. Laut las der Priester den Namen vor, mit dem jeder gerechnet hatte.

»Die Göttin hat Aryanna erwählt sie bei der Prüfung zu vertreten«, verkündete Kerin und wartete, bis wir alle der Göttin unsere Lobpreisung gesprochen hatten.

Danach wiederholte Kerin das Ritual, bat die Göttin um einen Namen und erhielt eine Blüte. Jedes Mal breitete sich Hitze in meinem Magen aus und ich verkrampfte mich ein bisschen mehr, weil mein Name nicht fiel.

Kalliste drückte meine Hand fester, als neun Kriegerinnen erwählt worden waren und Kerin die letzte Blüte betrachtete.

Sie zerfiel zu Asche. Ich hielt den Atem an. Quälend langsam hob Kerin das Stück Papier an.

Mein Herz schlug so laut, dass ich seine Stimme kaum noch hörte.

»Die Göttin hat gewählt«, verkündete Kerin und wandte sich um. Sein Gesicht wirkte blass und noch faltiger. Er befeuchtete seine Lippen und räusperte sich. »Die letzte Kriegerin für die Prüfung ist … Kalliste Sonnrad.«

Stille legte sich über den Tempel und nur das Keuchen meiner Schwester war zu hören.

»Was?«, entfuhr es mir viel zu schrill und alle Augen richteten sich auf mich. »Das kann nicht sein. Sie ist keine Kriegerin.«

Kerin, der eben noch selbst an seinen Worten gezweifelt zu haben schien, räusperte sich erneut, richtete sich zu voller Größe auf und warf mir einen finsteren Blick zu.

»Wer bist du, dass du es wagst, die Entscheidung der Göttin anzuzweifeln?«, fragte er mich voller Tadel.

»Kalliste ist Heilerin«, erklärte ich aufgebracht. »Sie hat noch nie eine Waffe geführt, nie offensive Magie eingesetzt. Ganz gleich, wie stark sie auch ist, sie kann nicht zu der Prüfung gehen.«

Gemurmel erhob sich um uns und Kalliste zitterte so stark, dass ich meinen Arm um sie legen musste. Meine Schwester heilte Wunden, rettete Leben, sie nahm sie nicht. Die ersten Runden der Prüfung waren harmloser als die letzten drei Kämpfe. Aber auch in den nicht tödlichen Duellen konnte man schwer verletzt werden oder sterben. Und dann musste man noch mit den Kriegern der anderen Elemente zusammenleben. Die Schauermärchen über die Brutalität der Wölfe, wie man die Krieger des Metallelements nannte, und die Hemmungslosigkeit der Bären, die dem Holzelement entstammten, ließen selbst mich zittern. Ich hatte gehört, dass sie sich Gespielinnen aus meinem Element nahmen. Keiner dieser Kerle sollte meine Schwester in die Finger kriegen!

»Fragt die Göttin noch einmal, Priester«, forderte nun auch Aryanna. »Es kann nicht in ihrem Sinn sein, eine der stärksten Kriegerinnen hier zu lassen.«

Kerin biss sich auf die Unterlippe und gab ein Schnauben von sich. Die Priester genossen hohes Ansehen, aber die Alpha stand im Rang über ihnen. Ihr Wille war Gesetz, also neigte Kerin seinen Kopf und wandte sich erneut dem Baum zu.

Doch in dem Moment verwelkten alle Blüten und die ausgedörrten Blätter fielen zu Boden.

Ich schrie auf, mein Herz raste und auch Kalliste gab einen gequälten Laut von sich, als die letzte Blüte auf dem Altar landete und sich zu Asche verwandelte.

»Der Wille der Göttin ist eindeutig«, verkündete Kerin und Triumph schwang in seiner Stimme mit. »Die zehn Kriegerinnen sind erwählt, die Entscheidung gefallen.«

»Aber«, setzte ich an, doch Aryanna packte meinen Arm und drehte mich zu sich um.

»Sei still«, zischte sie. »Es lässt sich nicht mehr ändern. Behalte zumindest deine Würde.«

Sie fletschte die Zähne beim Sprechen und die Wut ließ ihre Augen gefährlich blitzen, als wäre sie ein Raubtier und nicht die Alpha der Hirschkühe. Ich wusste, dass es keinen Sinn hatte zu diskutieren.

Mein Magen verkrampfte sich vor Anspannung und ich musste tief durchatmen, um mich nicht auf die Füße meiner Alpha zu übergeben.

»Bereite deine Schwester vor, so gut du kannst«, sagte Aryanna und ließ mich los. »Es ist der Wille der Göttin, dass sie mich begleitet, also kann ich nichts dagegen tun. Du solltest ihr helfen, damit sie die ersten Runden unbeschadet übersteht und dann zu dir zurückkehrt.«

Die Leute hatten begonnen den Tempel zu verlassen und Aryanna schloss sich ihnen an. Nur Kalliste und ich rührten uns nicht. Ich zog sie näher an mich. Sie schlang ihre Arme um mich und vergrub ihr Gesicht an meiner Schulter. Ihre Tränen drangen durch meinen groben Winterumhang, der mich nicht vor dem Zittern, das auch von mir Besitz ergriffen hatte, schützen konnte.

»Ich kann das nicht«, schluchzte Kalliste, als wir allein waren. »Ich bin keine Kriegerin. Ich kann nicht …«

»Shhhh«, machte ich und strich über ihren Rücken. »Es wird alles gut.«

Sie riss sich los und sah mich verständnislos an. »Wie kannst du so etwas behaupten?«, fuhr sie mich an.

»Lass uns nach Hause gehen«, flüsterte ich und blickte mich verstohlen um.

In meinen Gedanken formte sich ein Plan, der gefährlich für uns beide war und den ich nie gefasst hätte, wenn ich nicht so verzweifelt gewesen wäre. Angst legte sich mit eisigen Klauen auf meine Schultern. Niemand durfte etwas ahnen. Niemand.

»Komm jetzt«, drängte ich Kalliste. »Wir reden zuhause.«

Sie betrachtete mich mit bebenden Lippen, dann nickte sie und griff nach meiner Hand.

***

»Hast du den Verstand verloren?«, keuchte sie und schüttelte heftig den Kopf.

Ich verschränkte meine Finger und hielt ihrem entsetzten Blick stand. Was ich vorschlug, war gefährlich, aber unsere einzige Möglichkeit.

»Wenn irgendjemand den Tausch bemerkt …«

»Wer sollte es bemerken?«, unterbrach ich Kalliste leise. »Die Kriegerinnen kennen dich nicht und deine Freundinnen wissen nichts über mich. Niemand wird zu mir kommen, um sich heilen zu lassen und vor den Prüfungen muss man nicht zeigen, ob man kämpfen kann. Ich werde also nicht auffallen. Und wenn die Vorrunden beginnen, wird ohnehin keiner darauf achten, wie ich kämpfe. Vielleicht werden sie denken, dass die Göttin weise gewählt hat, weil ich tatsächlich Kampfgeschick besitze.«

»Aber Emaya«, sagte sie und griff nach meinen Händen. »Wenn jemand den Schwindel bemerkt, werden sie dich hinrichten.«

Ihre Stimme bebte und ihre Augen glänzten. Sie sorgte sich nur um mein Leben, dabei war ihres ebenso verwirkt, wenn ich mich verriet.

»Niemand wird den Unterschied bemerken«, beharrte ich. »Wir sehen uns so ähnlich, sogar unsere Stimmen klingen gleich. Nur werde ich mich unter den Kriegerinnen etwas schüchterner geben müssen und du selbstsicherer, wenn du das Haus verlässt, während ich weg bin.«

»Aber du bist so ungeschickt darin, deine Haare zu frisieren«, murmelte sie.

Ich lachte. »Das ist deine größte Sorge? Dass meine Frisuren nicht sitzen könnten?«

Kalliste blieb ernst. »Das ist es, was uns am meisten unterscheidet«, erwiderte sie. »Wenn du deine Haare so trägst wie immer, ist das verdächtig.«

»Na schön«, brummte ich. »Dann werde ich sie mir eben jeden Tag anders flechten und behaupten, ich wäre zu nervös, um es ordentlich zu machen.«

Meine Schwester biss sich auf die Unterlippe und wischte sich mit dem Handrücken über die Wangen. »Was ist, wenn du fällst? Wie Mutter?«

Sie flüsterte die Worte nur, dennoch konnte ich ihre Angst deutlich hören.

»Das werde ich nicht«, versprach ich. »Ich komme in den letzten Kampf und werde ihn gewinnen. Dann muss mir der Hochkönig einen Wunsch erfüllen und ich werde ihn bitten nach Vater suchen zu lassen.«

»Willst du deinen Wunsch wirklich dafür verschwenden?«, raunte Kalliste. »Ich denke nicht, dass wir ihn noch lebend finden werden.«

Ich tätschelte ihre Hand. »Wir werden sehen. Vielleicht finde ich auch schon vor den Kämpfen etwas heraus. Immerhin habe ich ein paar Tage Zeit, um mich in der Hauptstadt umzusehen.«

»Emaya«, hauchte meine Schwester. »Sei vorsichtig. Es ist schon ein Risiko, wenn wir die Plätze tauschen. Du musst dich nicht noch zusätzlich in Gefahr bringen.«

»Ich überlege es mir«, murmelte ich und sah ihr in die Augen. »Heißt das, du bist einverstanden, dass wir die Rolle der anderen einnehmen?«

Kalliste zögerte einen Moment und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Allein die Vorstellung, meine sanftmütige Schwester müsste sich gegen einen Krieger des Feuers oder Metalls wehren, bereitete mir heftige Magenschmerzen. Diese Elemente waren nicht zimperlich und in den Vorrunden sammelte man Punkte, indem man seine Gegner verletzte. Wenn dieser sich nicht richtig wehren konnte, schwebte er in Lebensgefahr.

Aber Gefahren lauerten eben nicht nur im Kampfring, sondern auch im Haus. Es gab Geschichten darüber, wie Frauen von den Kriegern der siegreicheren Elemente verschleppt und missbraucht wurden. Wenn jemand das bei mir versuchte, könnte ich mich wehren. Kalliste nicht.

»Es bedeutet dir viel, an dieser Prüfung teilzunehmen«, begann meine Schwester leise.

Ich drückte ihre Hand. »Du bist mir wichtiger als jede Prüfung«, sagte ich.

»Ich weiß«, erwiderte sie mit schwachem Lächeln. »Du willst mich beschützen, wie du es immer machst. Und ich habe Angst, auch nur einen Fuß in die Arena des Hochkönigs von Kira zu setzen. Aber ich sorge mich darum, was aus dir wird, wenn der Schwindel auffliegt. Wir widersetzen uns dem Willen der Göttin.«

»Du sorgst dich um die Falsche«, erwiderte ich. »Denn auch du bist in Gefahr, wenn man mich enttarnt. Und ich glaube nicht, dass die Göttin mich bestrafen würde. Auch sie hat eine Schwester, die sie beschützt.«

Kalliste lächelte bei der Erwähnung der alten Legende. Darin hatte Kamana sich ebenfalls für ihre Schwester ausgegeben, um ihr Leben zu schützen. Nach einem Herzschlag verschwand das Lächeln meiner Schwester jedoch wieder.

»Ja, nur bin ich dann nicht der Gnade eines Tyrannen ausgeliefert«, flüsterte sie. »Sondern unserer Alpha.« Sie seufzte tief und wich meinem Blick aus. »Ist es selbstsüchtig, wenn ich dem Tausch zustimme?«

»Nein«, erwiderte ich und musste schmunzeln. Kalliste war nie selbstsüchtig gewesen. Sie hatte schon als kleines Mädchen ihre Nachspeise mit mir geteilt, nachdem ich meine aufgegessen hatte. »Denn ich habe ihn vorgeschlagen. Lass mich gehen, um dein Leben zu schützen und meine Pflicht zu erfüllen. Ich habe Mama damals versprochen, dass ich mich um dich kümmern werde. Jetzt ist es soweit.«

Ihre grünen Augen bohrten sich in meine, dann nickte sie kaum merklich. Mir fiel eine schwere Last von den Schultern und zugleich schnürte sich meine Kehle zu. Trotzdem sprang ich auf und umarmte meine Schwester.

Wenn ich morgen die Schwelle unseres Hauses überschritt, legte ich mein Leben in die Hände von Kamana. Jener Göttin, die meinen Namen nicht gewählt hatte und deren Willen ich umging.

Meine Hände zitterten, als ich gemeinsam mit Kalliste für die Reise packte. Jetzt gab es kein Zurück mehr und ich musste darauf vertrauen, dass meine Stärke meine Schwester und mich schützen würde, wie sie es immer getan hatte.

Kapitel 3

Der Himmel sah aus, als stünde er in Flammen, als ich das Haus verließ und die Kapuze über meinen Kopf zog. Ich trug ein Kleid von Kalliste. Sie ging in meiner Kriegerinnenmontur neben mir und hielt mein Bündel in ihren Händen. So hätte ich mich verhalten, wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre.

In allen Häusern brannte Licht. Die Bewohner blickten aus den Fenstern und winkten uns. Es war ihre Art, den Kriegerinnen Glück zu wünschen. Nur die engste Familie durfte bis zum Tor, das in die kahle Wüste voller dunkler Kreaturen hinausführte, mitkommen.

Wir verließen unsere Siedlungen nicht. Alles, was wir zum Leben brauchten, erschufen wir mit Magie. Vor den Mauern lauerte nur der Tod. Selbst unsere stärksten Kriegerinnen vermochten es nicht, die Kreaturen, die angeblich aus der Schwärze der Nacht erschaffen worden waren, niederzustrecken.

Der Hochkönig nutzte seine Macht, um diese Wesen zu töten. Aber es schien, als würden sie sich dennoch stärker vermehren. Auch trauten sie sich immer näher an die Mauern heran. Nachts konnte man sie heulen und ihre Krallen wetzen hören.

Das war ein Grund mehr für mich, in der Arena des Hochkönigs zu gewinnen. Wenn er meinem Element mehr Magie verlieh, konnten wir die Kreaturen vertreiben und nachts besser schlafen.

Der Gang zum Tor fiel mir dennoch schwer und mein Herz schlug mit jedem Schritt lauter. Obwohl die Luft sich eiskalt auf meiner Haut anfühlte, schwitzte ich und musste meine Finger in den Stoff des Kleides graben, um sie am Zittern zu hindern.

Aryanna stand in einer Rüstung aus braunem Leder und ohne Umhang am Tor und starrte uns entgegen. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und ihre Miene war finster wie immer. Hatte sie meine Verkleidung bereits durchschaut? Ihre Augen bohrten sich in mich, als wüsste sie, dass ich den Willen der Göttin ignorierte.

Drei andere Kriegerinnen und ihre Familien standen bereits neben der Mauer und beachteten uns nicht. Aber die Aufmerksamkeit der Alpha genügte, um mich ertappt zu fühlen.

»Was denkst du dir?«, zischte sie, als ich sie erreicht hatte.

Mir war heiß und kalt zugleich und meine Hände zitterten noch stärker. Ich musste nicht zu meiner Schwester blicken, um zu wissen, dass es ihr ebenso ging, denn ich konnte ihre Anspannung deutlich fühlen.

»Ich …«, begann ich, doch Aryanna hob eine Hand, um mich zu unterbrechen.

»Dass du keine Kriegerin bist, weiß ich«, fauchte sie und entriss meiner Schwester mein Gepäck, um es mir gegen die Brust zu drücken. »Aber du bist keine feine Dame, die eine Vergnügungsreise in die Hauptstadt macht, um sich neue Kleidung auszusuchen. Benimm dich wie eine Kriegerin, sonst zerfleischen dich die anderen Elemente, noch ehe du die Arena betrittst.«

Ich zwang mich ruhiger zu atmen, dann senkte ich den Blick. »Ja, Alpha«, murmelte ich.

Aryanna hatte mich nicht durchschaut. Noch nicht. Dennoch wollte die bleierne Schwere nicht von meinen Schultern gleiten. Ich musste darauf achten, was ich tat, wie ich sprach und wie ich mich bewegte. Meine Wandlung von der schüchternen Heilerin zur Kriegerin durfte nicht zu schnell stattfinden, obwohl alles in mir diese Tarnung am liebsten sofort abgeworfen hätte.

»Ich kann dich nicht beschützen, Kalliste«, sagte Aryanna leise und sah dabei von mir zu meiner Schwester.

Wieder lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken, als ihr Blick sich trübte und ich Verwirrung darin zu erkennen meinte. Aber vermutlich bildete ich mir das nur ein.

»In der Arena bist du auf dich gestellt und ich weiß nicht, wie viel ich dir in der kurzen Zeit beibringen kann«, fuhr Aryanna fort und seufzte. »Der Wille der Göttin mag Gesetz sein, aber ich wünschte, ich könnte Emaya an deiner Stelle mitnehmen, denn um sie muss ich mir keine Sorgen machen.«

Meine Schwester und ich senkten unsere Blicke tiefer und schwiegen.

»Verabschiedet euch voneinander, wir brechen gleich auf«, meinte Aryanna und entfernte sich von uns.

Ich ließ das Bündel sinken und fiel meiner Schwester um den Hals. Sie keuchte und erwiderte die Umarmung. Ihre Tränen tränkten meinen Umhang und ihre Schultern bebten genauso stark wie meine.

»Ich wünschte, wir müssten das nicht machen«, hauchte sie. »Es tut mir leid, Emaya. Wenn ich nur ein wenig stärker wäre …«

»Würde ich dennoch deinen Platz einnehmen«, unterbrach ich sie leise. »Hab keine Angst um mich. Es wird alles gut.«

Sie nickte und ließ mich los. Dann hob sie ihre Hand und berührte mit ihrem Daumen meine Stirn. Wie von selbst fielen meine Augen zu und ich fühlte das zarte Vibrieren ihrer Heilmagie auf meiner Haut.

»Möge die Göttin dich schützen und deinen Pfad sicher nach Hause lenken«, wisperte Kalliste.

Als sie ihre Hand sinken ließ, hob ich meine und berührte ihre Stirn mit meinem Daumen. »Möge die Göttin über dich wachen, bis wir uns wiedersehen«, murmelte ich.

Dann trat ich zurück und hob mein Bündel auf. Ich presste es fest an mich, weil die Angst mich zittern ließ und ich nicht wollte, dass Kalliste es bemerkte.

Sie verschränkte ihre Arme und sah zu, wie ich zu Aryanna ging. Mittlerweile waren alle Kriegerinnen eingetroffen und hatten sich von ihren Familien verabschiedet. Ich war erleichtert und zugleich besorgt Nele unter ihnen zu entdecken. Hoffentlich durchschaute sie meine Verkleidung nicht.

»Macht euch bereit von der Magie getragen zu werden«, sagte die Alpha mit fester Stimme.

Nur ein einziges Mal war ich mit Magie gereist. Damals, als meine Mutter in der Arena gefallen war und wir zu ihrem Grab in der Hauptstadt gebracht wurden. Ansonsten gab es keine Möglichkeit, zwischen den Siedlungen zu reisen. Nur spezielle Magie ermöglichte es uns, sicher von einem Ort zum anderen zu gelangen.

Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte, wenn sich Magie um die Haut legte und der Körper schwerelos wurde. Eigentlich empfand ich es als angenehm, dennoch schnürte sich meine Kehle zu, während ich zu Kalliste blickte.

Sie wirkte so viel gefasster, als ich mich gerade fühlte. Sie hob ihren Arm zum Gruß und rang sich ein Lächeln ab. Dann löste sie sich vor meinen Augen auf und während ich durch den Himmel flog, fragte ich mich, ob sie nicht doch immer die Stärkere von uns beiden gewesen war.

***

Es dauerte nur wenige Herzschläge, bis der Flug endete und meine Beine den Boden wieder berührten. Stimmen von Menschen, die um Lebensmittel feilschten und ihre Waren anpriesen, drangen an mein Ohr. Rötlicher Staub bedeckte meine Stiefel und den Saum des Kleides und ließ mich husten.

Alerich, die Hauptstadt der sechs Elemente, wirkte schmutziger und die Häuser verfallener als bei den letzten Kämpfen vor fünfzehn Sonnenumdrehungen.

»Die Magie wird immer unzuverlässiger«, brummte Aryanna und stieß scharf den Atem aus. »Kommt, ich führe euch zu unserer Unterkunft. Wir hätten eigentlich dort landen sollen.«

Die Alpha drehte sich um und schritt zügig an den gaffenden Menschen vorbei. Hier war es eindeutig wärmer als in der Erdsiedlung. In unseren dicken Umhängen, die die Farben unseres Elements, also Braun in allen Varianten, trugen, fielen wir auf. Die Kleidung der Menschen hier war weiß.

Aryanna ließ alle neugierigen Blicke an sich abprallen und führte uns zielstrebig an von rötlichem Staub bedeckten Gebäude vorbei zu einem Haus, das groß genug war, um unsere halbe Siedlung in sich aufzunehmen. Es war so hoch, wie vier unserer Häuser aufeinandergestapelt und das Dach glich einer Kuppel. Die weißen Wände waren mit Sand bedeckt und wirkten schmutzig. Es gab nur wenige Fenster und die lagen sehr hoch über meinem Kopf. Außerdem schien es nur eine einzige Tür zu geben.

Wir betraten die Eingangshalle, deren Boden aus Fliesen in den Farben der sechs Elemente bestand. Rot, blau, hellblau, silber, gold und braun. Hohe Säulen trugen die gebogene Decke und Feuerschalen verströmten Wärme und einen würzigen Duft.

Die Decke schien von Magie erschaffen worden zu sein, denn ein Sternenhimmel wie frisch nach den Ehrenkämpfen spannte sich über meinem Kopf, den ich in den Nacken legte, um besser sehen zu können.

Meine Kapuze rutschte herunter und meine misslungene Flechtfrisur kam zum Vorschein. Kalliste hatte mich erst nicht gehen lassen wollen, aber ich hatte ihr erklärt, dass spätestens morgen jeder wusste, dass ich meine Haare nicht mehr so kunstvoll aufstecken konnte wie sonst.

»Wunderschön«, hauchte ich und war wohl nicht die Einzige, die diesen Zauber bestaunte. Auch die anderen Kriegerinnen blickten wortlos hinauf, bis wir von lautem Gelächter gestört wurden.

»Sieh an, unsere Beutetiere sind angekommen«, erklang eine tiefe männliche Stimme.

Ich wandte mich in die Richtung, aus der sie gekommen war, und vergrub meine Finger im Stoff des Kleides. Zehn Männer in silbern glänzenden Hosen und Kaftanen standen in einem Säulenbogen und betrachteten uns so gierig, als würden sie sich jeden Moment auf uns stürzen. Wir waren ihre Beute und genau so sahen sie uns an.

»Wölfe«, keuchte eine Kriegerin neben mir und nutzte mich gleich als lebenden Schutzschild, indem sie sich hinter mich duckte.

Das waren sie also, die berüchtigten Krieger des Metalls, die Wölfe. Das Tier meines Elements war eine Hirschkuh, aber ich wusste, dass uns die anderen Krieger als Rehe bezeichneten. Ob die Jagd auf uns bereits eröffnet war?

Die Männer bewegten sich langsam auf uns zu. Hunger loderte in ihren Augen. Die Luft knisterte. Selbst Aryanna wirkte eingeschüchtert, obwohl sie sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete und ihre Hände in die Hüften stemmte.

»Wie hast du uns genannt, Wolf?«, fragte sie zornig.

Es war nicht schwer zu erkennen, wer der Alpha dieser Gruppe war, denn er führte die Männer an. Und selbst wenn er hinter ihnen gelaufen wäre, hätte ich ihn bemerkt, denn seine Schultern wirkten breiter als die der anderen und er strahlte eine Dominanz aus, die mir den Atem raubte.

Seine Haare reichten ihm bis zu den Ohren, waren dunkelgrau mit schwarzen Spitzen und seine Augen so silbern wie die hellsten Blitze am Horizont.

Die anderen Kriegerinnen zogen die Köpfe ein. Nur ich hielt meinen erhoben wie Aryanna.

»Beute«, sagte er mit einem Grinsen und sein Blick wanderte von meiner Alpha zu mir.

Ich verkrampfte mich, denn seine Mundwinkel wanderten noch weiter nach oben und er machte einen Schritt auf mich zu.

»Was für ein hübsches kleines Reh wir hier haben«, sagte er und der Klang seiner Stimme vibrierte in meinem Inneren.

Gänsehaut überzog meinen Körper, als er noch näher kam, doch ich wich nicht zurück. Trotzig hob ich mein Kinn und hielt seinem intensiven Blick stand.

»Willst du spielen, kleines Reh?«, fragte er und stand nun so dicht vor mir, dass ich mein Kinn noch höher heben musste, um ihm ins Gesicht blicken zu können. »Ich gebe dir auch einen Vorsprung, bevor ich dich jage. Aber wenn ich dich fange, wirst du meine Beute.«

Mein Atem beschleunigte sich und Enge legte sich um meine Brust. Was erlaubte sich dieser Kerl?

»Ich bin weder deine Beute noch die eines anderen«, erwiderte ich mit fester Stimme.

Er hob eine Augenbraue und lehnte sich nach vorn, bis sein Oberkörper meinen berührte.

»Weißt du eigentlich, was für eine Ehre es für dich sein sollte, von mir ausgewählt zu werden, mein Rehlein?«, raunte er nah an meinem Ohr.

Ein Schauer lief durch meinen Körper und meine Haut prickelte. Wie in Trance legte ich meine Hände auf seine Brust und stieß ihn von mir.

Er lachte, wich einen Schritt zurück und baute sich dann wieder vor mir auf.

»Ich mag es, wenn meine Beute widerspenstig ist«, verkündete er und zwinkerte, als seine Krieger in das Lachen einstimmten.

So schnell, dass ich nicht einmal meine Hände heben konnte, stand er wieder vor mir und packte mich an den Armen.

»Wag es nicht …«, setzte Aryanna an, doch als der Wolf bedrohlich knurrte, verstummte sie.

Ich keuchte und verwünschte meinen Körper, der zu zittern begann. Der Wolf hielt mich fest und senkte seinen Kopf, bis sein Gesicht meines berührte. Also stimmten die Geschichten über die Raubtiere, die sich einfach nahmen, was sie wollten. Zum Glück blieb das Kalliste erspart.

»Doch nicht so mutig, kleines Reh?«, fragte er leise und sein Atem strich über meine Haut.

»Lass mich los«, hauchte ich, denn mehr als ein heiseres Flüstern brachte ich nicht zustande.

»Bist du sicher?« Sein Griff lockerte sich, dennoch wusste ich, dass ich mich nicht befreien könnte, selbst wenn ich es versuchte. »Wir könnten uns die Jagd sparen und ich nehme dich gleich mit in mein Lager und mache dir klar, wem du gehörst.«

»Ich gehöre niemandem«, erwiderte ich. »Also lass mich los.«

Seine Lippen schwebten einen Lufthauch entfernt über meinem Hals und ich hielt den Atem an. Meine Haut prickelte, Hitze sammelte sich in meiner Brust, bereit, meinen Körper zu fluten.

Ich schloss die Augen und wünschte mir, er würde mich endlich mit seinen Lippen berühren, weil ich eine Sehnsucht in mir fühlte, die mich um den Verstand zu bringen drohte.

Doch noch während ich das dachte, begann er zu lachen und ließ mich los. Er machte einen Schritt zurück und erst da bemerkte ich, dass die anderen Krieger sich ebenfalls lachend zurückzogen.

»Die Spiele haben begonnen«, sagte der Alpha und zwinkerte mir zu. »Mal sehen, wen von euch wir erobern.«

Damit wandte er sich ab und führte seine Männer durch den Torbogen in ihren Flügel zurück. Ich blieb zitternd mit den anderen Kriegerinnen in der Halle stehen.

»Wir müssen uns vorsehen«, murmelte Aryanna. »Wenn die Wölfe sich jetzt schon auf uns stürzen, werden die anderen Raubtiere nicht weniger zimperlich sein. Ihr wisst, dass es für diese Männer Tradition ist, Frauen unseres Elements und der Luft zu erobern, bevor die Ehrenkämpfe beginnen. Deswegen sollten wir nie allein durch die Gänge dieses Hauses wandern. Habt ihr verstanden?«

Wir nickten und folgten unserer Alpha durch einen anderen Torbogen, hinter dem eine Treppe zu einem Dutzend Türen führte.

»Jede von euch hat ein eigenes Zimmer mit Bad«, erklärte Aryanna. »Es gibt auch ein großes Dampfbad, das wir uns mit den anderen Elementen teilen müssen.« Ein Raunen ging durch die Gruppe, aber die Alpha ließ es mit einer Handbewegung verstummen. »Wir werden auch das Essen mit ihnen einnehmen und im gleichen Raum mit ihnen trainieren müssen. Gewöhnt euch also daran und lasst eure Verteidigung nie sinken. Diese Raubtiere machen vor nichts und niemandem Halt und wie ihr Alpha bereits gesagt hat … die Spiele haben begonnen.«

Kapitel 4

Ich saß vor dem Frisiertisch und kämmte meine Haare aus. Gleich würde Aryanna mich zum Abendessen abholen, worüber ich froh war, denn nach allem, was bei unserer Ankunft geschehen war, wollte ich ganz bestimmt nicht allein auf die anderen Gruppen treffen.

Ich ließ die Bürste sinken, um mich im Spiegel zu betrachten. Meine grünlichen Augen sahen müde aus und das dunkelbraune Haar ließ meine Haut noch blasser wirken. Die vollen Wangen verliehen meinem Gesicht etwas Weiches, das ich immer gehasst hatte. Kein Wunder, dass Männer wie der Wolf-Alpha uns als Beute betrachteten. Aber ich würde mich gegen jeden von diesen Kriegern wehren.

Ich stand auf und ging zum Schrank. Er war voll mit Kleidung, die mir wie auf den Leib gegossen passte. Als hätte jemand gewusst, dass ich dieses Zimmer wählen würde.

Ich strich über den braunen Kaftan, den ich in der Hand hielt. Noch nie hatte ich so edle Kleidung besessen oder so weichen Stoff berührt.

Seufzend fuhr ich mit den Fingern durch mein offenes Haar. Weil ich einfach keine aufwendigen Flechtfirsuren machen konnte, hatte ich mich dazu entschieden, es zu lassen. Außerdem konnte ich es so wie einen Vorhang vor mein Gesicht ziehen, damit mich niemand beobachtete.

Als ich aufstand, zitterten meine Beine und ich überlegte mir eine Ausrede einfallen zu lassen, um nicht an dem Essen teilnehmen zu müssen. Ich wollte dem Wolf-Alpha nicht erneut begegnen. Allein bei dem Gedanken an ihn wurden meine Knie weich.

»Reiß dich zusammen«, brummte ich und strich den Kaftan glatt. »Er spielt mit dir, um dich einzuschüchtern.«

Ich wusste nicht, welche Ziele er verfolgte oder was es ihm und den anderen Raubtieren nützte, uns so zu behandeln. Aber ich würde mich nicht darauf einlassen. Alles, was er damit erreichte, war, dass ich wütend wurde.

Es klopfte, ich ließ die Gedanken ziehen und öffnete die Tür. Aryanna klopfte gerade an eine andere Tür, die sich genau wie meine öffnete, nachdem unsere Alpha weiter gegangen war.

Nele trat heraus und schritt auf mich zu. Sie wirkte blass und verschränkte ihre Finger ineinander. Nele mochte eine unserer stärksten Kriegerinnen sein, trotzdem war sie schüchtern. Ein wenig erinnerte sie mich an Kalliste und vermutlich mochte ich sie deswegen.

»Wie geht es dir?«, fragte sie leise, während wir auf die anderen Kriegerinnen warteten.

Dass sie mich ansprach, überraschte mich. Nele war fremden Personen gegenüber sehr zurückhaltend. Aber vielleicht wollte sie Kalliste schützen und ihr beistehen. Es hätte zu Nele gepasst.

»Ganz gut, denke ich«, murmelte ich und senkte den Blick, wie meine Schwester es getan hätte. »Und dir?«

»Ich habe mich beruhigt«, meinte sie und sah sich verstohlen nach allen Seiten um. »Diese Wölfe sind …«

»Arrogant«, warf ich ein, doch sie überhörte es.

»Gut aussehend«, sagte sie leise und ihre Wangen färbten sich dunkel.

Ich kniff die Augen zusammen. Gut aussehend?

Das Bild des Alphas tauchte vor mir auf und ich hörte seine tiefe Stimme, die selbst jetzt, da ich nur daran dachte, Gänsehaut in mir auslöste.

Ich räusperte mich. Vermutlich lag es an der Magie, die sie besaßen und für die ich irgendwie empfänglich war.

»Aber sie machen mir Angst«, gestand Nele. »Sie sind irgendwie so … roh.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Ich fand es übrigens bewundernswert, dass du ihren Alpha abgewehrt hast. Keine von uns konnte sich rühren, aber du hast ihm die Stirn geboten.«

Ich setzte zu einer Erwiderung an, als Aryanna auf uns zutrat. »Das war mutig und unglaublich dumm«, sagte sie streng. »Du hättest schweigen sollen, dann hätte er schnell das Interesse an dir verloren. Die Raubtiere mögen Beute, mit der sie spielen können.«

»Ich hätte ihm also erlauben sollen mich in sein Zimmer zu schleppen?«, fragte ich und ballte meine Hände zu Fäusten.

»Das hätte er nicht«, meinte Aryanna, aber wirklich sicher klang sie nicht. »Es ist nicht verboten, sich mit Kriegern anderer Elemente einzulassen, solange die Ehrenkämpfe noch nicht angefangen haben. Erst ab dem Moment werden wir streng von den anderen getrennt.«

Ob der Hochkönig wusste, wie manche Männer mit den weiblichen Kriegern umgingen und trotzdem nicht eingriff?

»Aber die Wölfe sind nicht unser größtes Problem«, riss Aryanna mich aus meinen Gedanken. »Sie spielen nur mit uns und schüchtern uns ein. Aber in ihr Lager nehmen sie so gut wie nie jemanden mit, weil es sie ablenkt. Vor den Eulen und den Bären würde ich mich an eurer Stelle mehr in Acht nehmen. Die einen werden euch umschmeicheln, die anderen einfach nehmen, was ihnen gefällt.«