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Sternenleuchten: das höchste Fest in Vindralis. Syn ist froh, die verhasste Arbeit der Magiegewinnung für das Jahr zuende gebracht zu haben und möchte das Sternenleuchten in Ruhe und allein verbringen. Doch mitten im tiefsten Schneegestöber steht Adai vor lyns Tür und bringt ein Angebot mit, das Syn nicht ausschlagen kann, wenn lyn eine hoffnungsvollere Zukunft möchte. Syn verlässt widerstrebend lyns Haus und begibt sich gemeinsam mit Adai auf eine Reise, deren Ziel gar nicht so klar ist, wie es anfangs scheint.
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Seitenzahl: 86
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Für alle, die in einer Welt, in der sie nicht verstanden werden, eine Aufmunterung brauchen.
»Sternenleuchten« ist eine Geschichte, die ein winterliches und gemütliches Gefühl vermitteln soll. Trotzdem gibt es ein paar Content Notes für dich. Diese findest du auf Seite →.
Überraschungsbesuch
Feengläser
Im Schnee
Valevenkacke
Der Eisblumenbaum
Nachwort und ein kleiner Dank
Namens- und Pronomenerklärung
Pronomen
Content Notes & Positive Tags
Vita
Zuletzt von Saskia erschienen
Herausgegeben von Saskia
Saskia im Netz
Vor dem Fenster wiegten sich Schneeflocken. Sie wurden im Wind hin- und hergejagt und schienen sich gegenseitig fangen zu wollen. Versunken ineinander, in einem Tanz, den niemand sonst kannte.
Schneeflocke für Schneeflocke landete auf der festgefrorenen Erde, bedeckte sie, bis sie im Frühjahr von der Sonne wieder aufgeweckt werden würde. Solange würde alles schlummern, starr und kalt.
Syn konnte nur seufzen, als lyn aus dem Fenster sah. »Schnee, Schnee, Schnee … Nichts anderes und das seit Tagen«, brummte lyn und wandte sich damit an einen großen schwarzen Hund, der vor der Feuerstelle lag und lyns Bewegungen beobachtete. »Was meinst du, Tjor, hört es irgendwann auf zu schneien?«
Der Hund verzog keine Miene, sondern sah Syn weiter stoisch an.
Lyn schüttelte den Kopf. »Du könntest mir ruhig antworten. Aber ja … Du hast es gut. Du kannst hier vor dem Feuer liegen bleiben, während ich nach draußen muss, um Holz zu besorgen. Wenn das so weiter geht, dann reicht mir der Schnee bald bis zur Hüfte. Sicher ist der Weg, den ich vor der gestrigen Mondwende freigeschaufelt habe, wieder zugeschneit – und bei der morgigen Mondwende wird es nicht anders sein.«
Mürrisch blicke Syn wieder auf die gegenwärtige Arbeit. Lyn hatte versucht, die Tonkrüge zu bemalen, die lyn vor dem Einsetzen des Schneegestöbers hergestellt hatte. Unzufrieden legte Syn den Kopf schief und betrachtete das Blumenmuster auf einem Krug. Es gefiel lyn nicht. Viel zu grob. Syns Meister hätte lyn dafür beschimpft, doch von Narruz hatte lyn sich schon seit mehreren Sternenleuchten getrennt. Es war nötig gewesen, denn schließlich hatte es in Narruz’ Dorf nicht genug Arbeit für sie beide gegeben. Trotzdem vermisste Syn den merkwürdigen Kauz manchmal. Lyn vermisste es, wie Narruz bei der Arbeit immer schief gesungen hatte und, dass er lyn angenommen hatte, wie lyn war. Ihm brauchte Syn nicht zu erklären, dass lyn keine Frau und kein Mann war. Stattdessen hatte er von den Lyandraden berichtet, die sich alle dem Konzept von männlich und weiblich entzogen und das durch Namen und Anreden deutlich machten. Deshalb hatte Syn den eigenen Namen auch so verändert, dass er in das lyandradische Muster passte. Das mochte in lyns Heimat niemand bemerken, aber für lyn war es wichtig gewesen.
Auch vermisste Syn, dass Narruz Verständnis hatte – sie teilten dasselbe Schicksal. Sie beide konnten Magie gewinnen, und das hatte sie zu Verschworenen gemacht.
Hier in lyns neuen Zuhause, dem Dorf Koart, fühlte sich Syn einsam. Lyn war die einzige Person, die Magie gewinnen konnte – was nicht verwunderlich war, denn Magiegewinnende waren selten. Zwar war lyn damit wichtig für das Dorf, aber auch gleichzeitig ausgestoßen. Mit solchen Leuten wollte die allgemeine Bevölkerung nichts zu tun haben. Sie tuschelten hinter Syns Rücken, sahen lyn beim Sprechen nicht an und versuchten alles, um mit lyn so wenig Kontakt wie möglich zu haben.
»Sie genießen die Vorteile der Magie, aber sie wollen nicht wissen, wie sie gewonnen wird. Die Drecksarbeit, die ist für uns«, hatte Narruz immer gesagt. Und Syn konnte ihm nur zustimmen. Aber was blieb lyn anderes übrig, als die Arbeit zu verrichten, die für lyn vorgesehen war? Es schien nun mal gegeben zu sein, dass Magiegewinnende ihre Arbeit erbrachten und nichts außer einen spärlichen Lohn dafür bekamen.
Gerade als Syn spürte, wie sich dunkle Gedanken anschlichen, sich um lyns Hals legten und zudrückten, klopfte es an der Tür.
Lyn blickte auf und blinzelte. Hatte lyn richtig gehört? Doch wer sollte …? Gerade bei lyn … und noch dazu bei diesem Wetter …
Es klopfte erneut. Kein Zweifel. Syn hatte sich nicht verhört. Trotzdem verharrte lyn noch auf der Bank, wollte nicht aufstehen und nicht wissen, wer zu Besuch kam. Besuch verhieß meistens nur Arbeit – und von der Arbeit hatte lyn genug. Hatte Syn nicht erst vor Kurzem alle magischen Gefäße für das Sternenleuchten erneuert? Lyn war sich sicher, kein Gefäß vergessen zu haben. Schließlich hatte diese Aufgabe mehrere Mondwenden gedauert. Was konnte also wieder jemand von lyn wollen?
Vielleicht geht die Person ja weg, wenn ich mich ganz still verhalte. Vielleicht sieht es dann so aus, als wäre ich nicht da, überlegte Syn und wusste gleichzeitig, dass die Vorstellung Unsinn war – schließlich stieg Rauch aus dem Schornstein. Und das war eigentlich immer ein Zeichen, dass Syn zu Hause war.
Es klopfte ein drittes Mal.
»Valevenkacke!«, fluchte Syn und stand auf. Anscheinend gab die Person vor der Tür nicht auf. Lyn musste sich ihr also stellen. Tjor, wie immer in der Nähe, folgte lyn zur Tür. Syn atmete tief durch und sagte sich selbst: »Es ist ganz einfach: Mach die Tür auf, frage, was die Person von dir will, und mach die Tür wieder zu! Das bekomme ich doch hin, oder?« Dabei wandte Syn sich an den Hund, der lyn ruhig aus seinen braunen Augen ansah. Um lyns Aufregung zurückzudrängen, fuhr Syn über Tjors Fell und vergrub die Hand darin. Lyn sollte die Tür öffnen, denn es klopfte wieder. Das Geräusch hörte sich dabei nicht ungeduldig, aber doch hartnäckig an. Lyn würde reden müssen. Dem konnte lyn nicht ausweichen – so sehr lyn auch wollte.
Also holte Syn nochmals tief Luft und öffnete die Tür ein Stück. Kälte schlug lyn entgegen, stach ins Gesicht und kroch unter die Kleidung.
»Ah, zum Glück seid Ihr Zuhause. Ich hatte schon Angst, umsonst gekommen zu sein!«, rief die Person vor lyn fröhlich aus.
Syn blinzelte und musterte den Besuch. Es war eine kleine Person – sie war sicher kaum größer als Syn selbst -, doch sie trug einen teuren und für das Wetter eindeutig zu dünnen Mantel. Dunkle Locken wehten in ein rotverfrorenes Gesicht.
Was wollte sie hier?
Als Syn auf den Ausruf von lyns Gegenübers nicht reagierte, sagte dieses mit einer leichten Verbeugung: »Es tut mir sehr leid, Syn von …«
Die Person stockte und Syn ergänzte: »Syn de Narruz.«
Warum lyn weder den eigenen Geburtsort nannte noch den Namen von lyns Eltern, konnte allen anderen getrost egal sein. Narruz hatte schließlich angeboten, dass lyn seinen Nachnamen verwenden konnte. »Ich bin stolz auf dich und sehe dich vielmehr wie mein eigenes Kind denn als eine Person, die ich nur ausgebildet habe«, hatte er damals bei ihrem Abschied gesagt. Und seitdem führte Syn diesen Namen mit Stolz. Erinnerungen an früher, an die Zeit vor lyns Lehrjahren, hatte Syn verschlossen – tief in sich, in der Truhe, in der all die Erinnerungen aufbewahrt wurden, die nicht vergessen werden konnten, aber an die sich Syn trotzdem nicht erinnern wollte.
Gleichzeitig war Syn nervös, weil lyn die Reaktionen auf lyns Namen kannte. Wenn es gut lief, dann war es Verunsicherung, sonst herrschte Unverständnis und Ablehnung vor. Namensformen für Menschen, die sich nicht eindeutig männlich oder weiblich einordneten, waren in Vandrulis einfach zu selten – und in einem so abgelegenen Dorf sowieso kaum bekannt.
Tjor schien lyns Anspannung zu spüren, denn sein Nackenfell stellte sich auf und er knurrte leise. Lyns Gegenüber schien erst jetzt den großen Hund zu bemerken, doch statt, wie die Leute aus dem Dorf, vor Tjor zurückzuschrecken, ging er in die Knie und hielt ihm seine Hand hin.
»Du bist ein toller Hund. Beschützt du das Haus?«, fragte die Person und sah von unten wieder zu Syn auf, während Tjor die Hand misstrauisch beschnupperte. »Was ich sagen wollte, Syn de Narruz: Es tut mir leid, dass ich mich nicht vorgestellt habe. Ich war so froh, dass Ihr geöffnet habt und habe deshalb meine Erziehung vergessen.« Nun stand die Person auf und führte eine umständliche Verbeugung vor. »Darf ich mich vorstellen? Ich bin Aeduellodru Hairi Bereremox. Aber Ihr dürft mich gerne Adai nennen, das machen alle – und es wäre leichter gewesen, wenn meine Eltern nicht so eine Vorliebe für lange Namen hätten.«
Adai lachte verlegen auf, während Syn sich versteifte und nur unterbewusst am Mittelnamen registrierte, dass lyn einen Mann vor sich hatte.
Bereremox … So hieß der lokale Adel. Syn spürte, wie sich ein Schatten auf lyns Stimmung legte, als lyn daran dachte, wie oft lyn schon vor den Toren von deren Anwesen abgewiesen worden war. Nicht einmal einen Blick hatten die feinen Leute auf lyns Töpferwaren werfen wollen. Was wollte also ein Bereremox hier? Das konnte nur Ärger bedeuten, oder?
Lyn räusperte sich und trat einen Schritt zurück. Ein Mitglied dieser Familie konnte schlecht in der Kälte stehen gelassen werden. »Nun, dann tretet ein, Aeduellodru Hairi Bereremox. Draußen ist es doch zu kalt, um sich in Ruhe zu unterhalten.«
»Vielen Dank!«, antwortete der Besuch, während er eintrat und Tjor ihn passieren ließ. »Und wie gesagt: Adai reicht vollkommen. Damit fühle ich mich wohler.« Wieder lächelte er, doch Syn hielt nur die Hände hin, um ihm den Mantel abzunehmen. Lyn legte diesen über einen Stuhl und bedeutete Adai, sich hinzusetzen.
»Der Mantel ist doch sehr dünn«, konnte sich Syn einen Kommentar nicht verkneifen, als lyn sich Adai gegenüber niederließ. »Habt Ihr nicht bedacht, dass es seit Tagen schneit?«
Mit einem verwunderten Gesichtsausdruck legte Adai den Kopf schief. »Ja, da habt Ihr recht. Ich habe nicht daran gedacht, dass es so kalt sein könnte, wenn ich hierherkomme. Den Mantel finde ich nur besonders schön. Ihr nicht?«
Syn zog kurz die Augenbrauen zusammen, beschloss, diese Aussage als »Adelsgeschwätz« zu verordnen, und fragte dann: »Und warum habt Ihr euch in die Kälte herausgetraut und seid bis zu mir gekommen?«