Sternenmelodie - Dina Kayser - E-Book

Sternenmelodie E-Book

Dina Kayser

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Beschreibung

Der Liebesroman mit Gänsehauteffekt begeistert alle, die ein Herz für Spannung, Spuk und Liebe haben. Mystik der Extraklasse – das ist das Markenzeichen der beliebten Romanreihe Irrlicht – Neue Edition: Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen erzeugen wohlige Schaudergefühle. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Mystik Romanen interessiert. Die Frauen neigten den Kopf. Daphne tat es ihnen gleich, dennoch beobachtete sie, wie Gwendolyn auf den Druiden zuging und ihm den Krug reichte. Er nahm ihn entgegen und trank aus ihm. Um die Lippen des Mädchens huschte ein Lächeln. Im selben Moment verzerrte sich das Gesicht des Druiden zu ­einer haßerfüllten Fratze. Er ließ den Krug fallen. Eine gewaltige Stichflamme loderte auf. Gwendolyn sprang erschrocken zurück, streckte abwehrend die Hände aus. »Hilf mir… hilf mir…« Daphne warf sich im Bett herum. Sie glaubte sich inmitten einer alles verzehrenden Feuerwand. Verzweifelt versuchte sie ihr auszuweichen. Die Hitze wurde immer unerträglicher. »Hilf mir…« »Daphne!« Rebecca Marlowe rannte mit ausgebreiteten Armen auf ihre Schwester zu. Ihre langen, rotblonden Locken wippten bei ihrem Schritt. »Endlich!« stieß sie hervor, als sie die junge Frau erreicht hatte. »Ich habe dich so vermißt, Daphne.«

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Irrlicht - Neue Edition – 18 –

Sternenmelodie

Betörende Klänge bringen Unheil über Daphne

Dina Kayser

Die Frauen neigten den Kopf. Daphne tat es ihnen gleich, dennoch beobachtete sie, wie Gwendolyn auf den Druiden zuging und ihm den Krug reichte. Er nahm ihn entgegen und trank aus ihm. Um die Lippen des Mädchens huschte ein Lächeln. Im selben Moment verzerrte sich das Gesicht des Druiden zu ­einer haßerfüllten Fratze. Er ließ den Krug fallen. Eine gewaltige Stichflamme loderte auf. Gwendolyn sprang erschrocken zurück, streckte abwehrend die Hände aus. »Hilf mir… hilf mir…« Daphne warf sich im Bett herum. Sie glaubte sich inmitten einer alles verzehrenden Feuerwand. Verzweifelt versuchte sie ihr auszuweichen. Die Hitze wurde immer unerträglicher. »Hilf mir…«

»Daphne!« Rebecca Marlowe rannte mit ausgebreiteten Armen auf ihre Schwester zu. Ihre langen, rotblonden Locken wippten bei ihrem Schritt. »Endlich!« stieß sie hervor, als sie die junge Frau erreicht hatte. »Ich habe dich so vermißt, Daphne.« Mit glänzenden Augen blickte sie zu ihr auf.

»Ich dich auch, Lovely.« Daphne Marlowe drückte die Zehnjährige an sich. »Während der ganzen Konzert­reise verging nicht ein Tag, an dem ich nicht an dich gedacht hätte.« Sie küßte Rebecca zärtlich auf die Stirn. »Ich hätte dich so gern bei mir gehabt«, beteuerte sie.

»Ist das auch die Wahrheit?« forschte Rebecca und versuchte, im Gesicht ihrer Schwester zu lesen. Seit ihre Eltern vor drei Jahren bei einem Busunglück ums Leben gekommen waren, sorgte Daphne für sie. Aber sie konnten nicht zusammen leben, weil Daphne als Pianistin oft auf Tournee ging. Ihre Freundinnen beneideten sie um die vielen bunten Postkarten mit den seltenen Briefmarken, die ihr Daphne aus aller Welt schickte, doch sie wäre bedeutend lieber in ihrer Nähe gewesen.

»Die reine Wahrheit«, gab Rebecca zu. »Ich wollte es gestern tun, doch dann… Ich mußte nachsitzen.« Sie grinste. »Maureen und ich sind während der Studierstunde heimlich im Dorf gewesen. Der blöde Mr. Forster hat uns erwischt und natürlich verraten. Er…«

»Was heißt ›der blöde Mr. Forster‹?«

Daphne umfaßte die Schultern ihrer Schwester und sah sie streng an. »Während der Studierstunde habt ihr nun einmal nichts im Dorf verloren.«

»Du siehst aus, als wolltest du mich übers Knie legen«, meinte Rebecca belustigt. »Ich gehe jede Wette ein, als du so alt warst wie ich, bist du auch keine Musterschülerin gewesen.«

Daphne mußte lachen. Ja, es gab manchen Streich, den sie ihren Lehrern gespielt hatte. »Was soll ich nur mit dir machen?« fragt sie. »Ganz sicher wird mich auch noch deine Direktorin sprechen wollen.«

Rebecca nickte. »Wie immer, wenn du mich besuchst.« Sie hängte sich an den Arm ihrer Schwester. »Meine Sachen sind rasch gepackt. Während du mit Mrs. Johnson sprichst, werfe ich sie schnell in den Koffer, und dann können wir gehen. Ich kann es gar nicht mehr erwarten, mit dir zu verreisen.«

Gemeinsam betraten sie das ehemalige Schloß, in dem das Internat untergebracht war. Es lag am Ufer der Themse, in unmittelbarer Nähe von London. So hatte es Daphne nicht weit, wenn sie ihre Schwester besuchen wollte.

»Bis später!« Wie ein Wirbelwind jagte das Mädchen die gewundene Treppe hinauf.

Daphne wandte sich dem Büro von Mrs. Johnson zu. Sie mußte ein paar Minuten warten, da die Direktorin gerade telefonierte. In aller Ruhe blickte sie sich in dem kleinen Vorraum um. An den Wänden hingen Gruppenfotos. Auf einem erkannte sie Rebecca.

»Es wurde im März aufgenommen.«

Die Pianistin wandte sich um. »Ich habe Sie überhaupt nicht gehört, Mrs. Johnson«, meinte sie und ergriff die Hand der älteren Dame.

»Herzlich willkommen in England, Miß Marlowe.« Edith Johnson schüttelte die Hand der jungen Frau. »Ich hörte, daß Sie erst gestern aus den USA zurückgekehrt sind. Rebecca sprich kaum noch von etwas anderem als Ihrer erfolgreichen Tournee. Sie ist sehr stolz auf Sie.« Die Direktorin schenkte Daphne ein Lächeln. »Es ist schön, daß Sie gleich heute Ihre Schwester abholen.«

»Es hätte keinen Sinn gehabt, Rebecca warten zu lassen. Die meisten Ihrer Schülerinnen sind ja wahrscheinlich schon heute vormittag nach Hause gefahren.«

Mrs. Johnson nickte. »Deshalb ist es so ruhig«, erwiderte sie und führte Daphne in ihr Büro. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Kann ich Ihnen etwas anbieten? Vielleicht ein Glas Limonade?«

»Ja, danke.« Daphne nickte. »Vermutlich hat meine Schwester wieder einiges angestellt.«

»Rebecca macht es uns nicht gerade leicht«, gab Edith Johnson zu. Sie schenkte der jungen Frau aus einem Krug Limonade ein. »Aber da ist noch etwas anderes«, sagte sie und setzte sich Daphne gegenüber. »Ihre Schwester scheint Dinge zu sehen, die nicht existieren oder nicht mehr existieren.«

»Das müssen Sie mir etwas näher erklären.« Daphne beugte sich erschrocken vor. »Wollen Sie andeuten, daß sich Rebecca eine Freundin einbildet, die nicht wirklich ist?«

Die Direktorin schüttelte den Kopf. »Nein, Miß Marlowe, es ist anders. Vor drei Wochen besuchte Rebeccas Klasse den Tower von London. Ihr neuer Lehrer, Mr. Widmark, berichtete später, Rebecca habe plötzlich einen ganz leeren Blick bekommen und dann mit einer fremden Stimme vom Mord an den beiden kleinen Prinzen gesprochen. Er hatte den Eindruck, als sei sie in diesem Moment am Geschehen beteiligt.«

»Wie ich meine Schwester kenne, hat sie sich da wieder einmal einen Spaß erlaubt«, sagte Daphne. »Die Geschichte von Edward V. und seinem kleinen Bruder hat sie schon immer fasziniert.«

»Ich wünschte, ich könnte das auch so sehen, Miß Marlowe«, meinte Mrs. Johnson. »Als mir Mr. Widmark davon erzählte, war auch ich zunächst der Meinung, mit Rebecca wäre die Phantasie durchgegangen, aber eine Woche später ist es wieder passiert.

Miß Sherman war mit den Kindern in Southampton. Natürlich sahen sie sich auch den Hafen an. Rebecca kletterte auf eine Mauer und beschattete die Augen mit der Hand. Miß Sherman befahl ihr, von der Mauer herunterzusteigen, aber Rebecca schien sie nicht mehr wahrzunehmen. Wieder sprach sie mit einer fremden Stimme. Sie erzählte, wie sie gerade mit ihren Eltern an Bord der Mayflower ging, um die Reise nach Amerika anzutreten.«

Mrs. Johnson seufzte auf. »Für Rebecca schien in diesem Moment Wirklichkeit zu sein, wovon sie sprach.«

»Sicher haben Sie meine Schwester später danach gefragt, Mrs. Johnson?«

»Ja.« Die Direktorin nickte. »Nur, Rebecca konnte sich an nichts erinnern. Genau wie beim ersten Vorfall. Sie sah mich an, als könnte sie die Welt nicht mehr verstehen.«

»Haben Sie darüber schon mit einem Psychologen gesprochen?«

»Nein, bisher nicht. Ich wollte Ihnen nicht vorgreifen.«

»Ich wünschte, ich könnte mich mehr um meine Schwester kümmern«, sagte Daphne besorgt.

»So wie ich das sehe, haben Sie keinen Grund, sich Vorwürfe zu machen, Miß Marlowe«, widersprach die Direktorin. »Sie haben seit Ihrer Kindheit hart an Ihrer Karriere als Pianistin gearbeitet. Als Ihre Eltern starben und Sie mit Rebecca allein zurückließen, konnten Sie unmöglich alles aufgeben. Außerdem ist Ihre Schwester bei uns gut aufgehoben. Natürlich vermißt sie die Eltern, aber das ist ganz normal.«

»Ich werde Rebecca während der nächsten Wochen sehr genau beobachten«, versprach Daphne. »Sollten sich diese Vorfälle häufen, dann werde ich mit ihr zum Arzt gehen.« Sie runzelte die Stirn. »Hoffentlich besitzt sie nicht ein sogenanntes zweites Gesicht.«

»Das hoffe ich allerdings auch«, meint Mrs. Johnson.

Wie bestäubt verließ die junge Frau wenig später das Zimmer der Direktorin. Soweit sie wußte, war ein derartiges Phänomen noch nie in ihrer Familie aufgetreten. Aber vielleicht handelte es sich auch nur um eine kurzfristige Störung. Immerhin stand Rebecca am Anfang ihrer Pubertät. Auf jeden Fall durfte sie diese Anfälle nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Rebecca erwartete sie bereits am Fuß der Treppe. »Da bist du ja endlich«, bemerkte sie. »Na, war es schlimm?« Sie machte ein schuldbewußtes Gesicht. »Ich verspreche lieber gleich, mich zu bessern.«

»Gib keine voreiligen Versprechungen«, warnte Daphne und legte den Arm um die schmächtigen Schultern des Mädchens.

Rebecca grinste. »Ich könnte es später bereuten. Es…« Ein Strahlen glitt über ihr Gesicht. »Da ist Mr. Widmark«, sagte sie und wies zu einem dunkelhaarigen, sehr schlanken Mann, der aus dem Aufenthaltsraum kam. »Komm, ich stelle euch einander vor. Du kennst ihn doch sicher noch nicht, Daphne?« Sie wand sich unter dem Arm ihrer Schwester hervor und lief zu dem Lehrer. Aufgeregt sprach sie auf ihn ein.

Daphne hatte ohnehin vorgehabt, mit Rebeccas Lehrer zu sprechen. Sie war froh, ihm hier zu begegnen. »Es freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte sie, als sie einander die Hand reichten.

»Ganz meinerseits, Miß Marlowe«, erwiderte der junge Lehrer. Er machte einen sehr sympathischen Eindruck auf sie. »Rebecca erzählt mir immer wieder von Ihren Konzerten. Sieht aus, als hätten Sie in ihr eine glühende Verehrerin.«

»Meine Schwester ist die beste Pianistin der Welt«, prahlte Rebecca und nahm Daphnes Hand. »Ich wünschte, ich hätte ihr Talent geerbt.«

»An Talent mangelt es dir nicht, höchstens an Fleiß«, widersprach Daphne. Rebecca setzte sich stets voll guten Willens ans Klavier, verlor jedoch schon nach wenigen Minuten die Lust am Spiel.

»Ertappt«, gab die Zehnjährige zu.

»Rebecca, du könntest dich schon von deinen Freundinnen verabschieden«, schlug Daphne vor.

»Es sind nur noch Maureen, Karen und Liza da«, antwortete ihre Schwester. »Aber schon gut, ich verstehe schließlich einen Wink mit dem Zaunpfahl.« Sie rannte in den Aufenthaltsraum.

»Ich nehme an, Mrs. Johnson hat schon mit Ihnen gesprochen«, sagte Robert Widmark und schlug vor, in den Park zu gehen. »Sehr viel mehr werde ich Ihnen auch nicht sagen können.«

»Aber immerhin waren Sie dabei, als es das erste Mal passierte«, meinte Daphne, während sie das Schloß verließen und den schmalen Weg zum Labyrinth einschlugen. »Ich finde, daß jede Einzelheit wichtig ist.«

Robert berichtete ihr, was sie auch bereits von Mrs. Johnson erfahren hatte. »Irgendwie erschien mir Rebecca in diesem Moment weit weg zu sein«, fügte er hinzu. »Sie wirkte entrückt, wie in Trance. Und dann diese Stimme. Sie gehörte nicht mehr einem zehnjährigen Mädchen, sondern einem Mann. Einem Mann, der das ganze Geschehen aus unmittelbarer Nähe beobachtete.«

Der jungen Frau rann ein kalter Schauer über den Rücken. »Rebecca spielt gerne Theater. Sie…«

»Nein, das war kein Theater, Miß Marlowe, obwohl es auch mir bedeutend lieber wäre, diesen Vorfall so zu erklären.« Robert Widmark berührte sanft ihren Arm. »Dennoch sollte man das Ganze nicht überbewerten. Rebecca ist ein fröhliches, kleines Mädchen, das den Kopf voller Streiche hat. Warten wir erst einmal ab.«

»Da bin ich wieder!« rief Rebecca hinter ihnen.

»Es ist kaum zu überhören.«

Daphne drehte sich ihr zu. Sie hätte gern noch etwas allein mit Mr. Widmark gesprochen, doch es sah nicht danach aus, als würde Rebecca es zulassen.

»Ihre Schwester erzählte mir, daß Sie die nächsten Wochen in Cornwall verbringen werden«, bemerkte der Lehrer. »Vermutlich werde ich ebenfalls nach Cornwall fahren. Ich liebe das Urwüchsige der Küstenlandschaft, die sanft geschwungenen Hügel und die Moore.«

»Wer weiß, vielleicht werden wir uns in Cornwall begegnen«, meinte Daphne und reichte ihm zum Abschied die Hand.

»Ja, wer weiß«, erwiderte er. »Ich würde mich jedenfalls freuen.« Mit raschen Schritten ging er davon.

»Ist er nicht nett?« fragte Rebecca.

»Sieht so aus«, antwortete ihre Schwester und blickte dem Lehrer nach. Auch wenn sie nur wenige Minuten mit ihm verbracht hatte, wußte sie bereits, daß sie ihn mochte. Robert Widmark strahlte etwas aus, das eine Seite in ihr zum Klingen brachte, die sie bisher immer zum Schweigen verurteilt hatte. Während sie zum Schloß zurückgingen, um Rebeccas Sachen zu holen, gestand sich die junge Frau ein, daß sie sogar hoffte, ihn in Cornwall wiederzusehen.

*

Whiteflower-House, der Herrensitz der Chamberlains, lag unweit der Klippen inmitten eines Parks, der sich mit seinen Bäumen und blühenden Büschen einen sanftgeschwungenen Hügel hinaufzog. Vom obersten Stock, in dem sich die Gästezimmer befanden, konnte man sogar das Meer sehen.

»Hier würde ich am liebsten für immer bleiben.« Rebecca blickte sehn­süchtig zu den Klippen. »Es ist wunderschön. Fast wie im Märchen.« Sie drehte sich ihrer Schwester zu, die gerade damit beschäftigt war, die Koffer auszupacken. »Soll ich dir helfen?« fragte sie halbherzig.

Daphnes Lippen umhuschte ein Lächeln. »Stell dir vor, ich würde dein Angebot annehmen, Lovely«, erwiderte sie.

»Das wäre übel«, gab Rebecca zu. Sie lief zu ihrer Schwester und umarmte sie heftig. »Ich hasse es, Sachen ein- und auszupacken.«

»Das ist noch lange kein Grund, es nicht zu tun.«

»Du machst das alles viel ordentlicher.« Rebecca schaute in den Kleiderschrank. »Wenn ich die Sachen einräume, bist du die ganzen Ferien mit Bügeln beschäftigt.«

»Ich sollte es darauf ankommen lassen«, meinte die junge Frau und hängte eines von Rebeccas Kleidern in den Schrank. »Geh dich schon waschen. Um fünf wird der Tee serviert. Ich glaube nicht, daß wir gleich an unserem ersten Tag in Whiteflower-House zu spät kommen sollten.«

»Wäre nicht so günstig«, bestätigte Rebecca, machte aber keine Anstalten, das Bad aufzusuchen. Sie setzte sich auf ihr Bett. »Ich finde Mr. und Mrs. Chamberlain ausgesprochen nett. Ob es hier auch Pferde gibt? Ich würde so gern reiten lernen.« Sie sah ihre Schwester bittend an. »Würdest du es mir erlauben?«

»Wenn du einen guten Lehrer hättest, warum nicht?«

Rebecca sprang auf und umarmte Daphne erneut. »Du bist die beste Schwester der Welt«, erklärte sie enthusiastisch. »Einfach wunderbar.«

»Ab mit dir ins Bad«, befahl Daphne. »Sonst könntest du sehr schnell deine Meinung über mich ändern.«

Die Zehnjährige schüttelte den Kopf. »Willst du mich etwa übers Knie legen? Das glaube ich dir nicht. Dazu hast du mich viel zu lieb.« Sie strich mit beiden Händen an ihren

Jeans hinunter. »Umziehen sollte ich mich wohl auch?«

»Ja, das solltest du.« Daphne gab ihr einen liebevollen Klaps. »Nun mach schon.«

»Ich weiche der Gewalt.« Rebecca tänzelte zum Bad.

Daphne wandte sich wieder dem Koffer zu. Sie war sich wohl bewußt, daß sie ihrer Schwester zu viel durchgehen ließ, aber sie liebte sie und wollte die wenige Zeit, die sie miteinander verbringen konnten, nicht mit Ermahnungen verderben.

Sie legte ein Kleid und Söckchen für Rebecca zurecht, dann ging sie daran, ihren eigenen Koffer auszupacken.

Wie es die junge Frau erwartet hatte, war ihre Schwester ganz und gar nicht damit einverstanden, ein Kleid zu tragen, aber schließlich fügte sie sich und setzte sich sogar vor den Frisiertisch, um ihre Locken zu bändigen.

»Maureens Mutter meint, mit meinen Haaren würde ich später mal alle Männer verrückt machen«, sagte Rebecca und ließ langsam eine ihrer rotblonden Locken durch die Finger gleiten. Sie schaute in den Spiegel. »Wir haben die gleichen Haare. Machst du die Männer verrückt?«

»Kaum«, erklärte Daphne errötend. Trotz ihrer vierundzwanzig Jahre hatte es bisher noch keinen Mann in ihrem Leben gegeben, für den sie mehr als Freundschaft empfunden hatte. Sie war auf dem Weg zu Weltruhm und konnte es sich nicht leisten, ihr Herz an einen Mann zu verlieren.

»Aber du verzauberst jeden mit deinem Spiel.«

»Hat das auch Mrs. Fisher gesagt?«

»Nein, Mrs. Johnson.« Rebecca steckte ihre Haare im Nacken mit einer Spange zusammen, dann rutschte sie vom Stuhl. »Du mußt dich auch noch umziehen«, mahnte sie und schaute zur Uhr. »Nur noch zwanzig Minuten bis zum Tee.«

»Keine Angst, ich werde schon rechtzeitig fertig«, versprach Daphne. Sie legte das letzte Wäschestück in den Schrank. Mit einem raschen Blick überflog sie ihre Kleider, dann wählte sie ein pastellfarbenes und verschwand mit ihm im Bad.

Der Tee wurde auf der Terrasse eingenommen, die sich über die ganze Länge des Hauses erstreckte. Wie ihnen Mrs. Chamberlain bei ihrer Ankunft gesagt hatte, waren sie zur Zeit die einzigen Gäste. »So werden wir uns Ihnen ganz besonders widmen können«, hatte sie gemeint und hinzugefügt, daß sie es liebte, Kinder im Haus zu haben.

Als Daphne und Rebecca jetzt auf die Terrasse traten, kam ihnen die Hausherrin entgegen und führte sie zum Tisch. Mr. Chamberlain stand auf, neigte leicht den Kopf und setzte sich erst wieder, nachdem auch sie Platz genommen hatte.

»Gefällt Ihnen Ihre Suite?« erkundigte er sich.

»Hier ist es phantastisch«, sagte Rebecca begeistert, bevor ihre Schwester antworten konnte. »Haben Sie auch Pferde?«

»Ja, wir besitzen Pferde«, bestätigte John Chamberlain. Er wandte sich an Daphne. »Sie stehen Ihnen und Ihrer Schwester selbstverständlich zur Verfügung, Miß Marlowe.«

»Meine Schwester kann noch nicht reiten«, erwiderte Daphne.

»Dann sollten wir schnellstens etwas dagegen unternehmen«, schlug ihr Gastgeber vor und zwinkerte Rebecca zu. »Paß auf, bis ihr wieder abreist, bist du eine passionierte Reiterin.«

»Prima.« Das Mädchen schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Können wir noch heute anfangen?«

»Nein, aber morgen vormittag, wenn du möchtest und deine Schwester einverstanden ist.«

»Was bleibt mir anderes übrig, Mr. Chamberlain?« fragte Daphne.

Ein dunkelhaariges Hausmädchen schob einen kleinen Servierwagen auf die Terrasse. Rebeccas grüne Augen leuchteten auf, als sie die Köstlichkeiten sah, mit denen er beladen war. Am liebsten hätte sie von jedem der Kuchen, dem Gebäck und auch von den hauchdünnen Gurken- und Kressesandwiches probiert.

Mrs. Chamberlain schenkte Tee ein. Sie erwähnte, daß ihr Sohn Brian auf dem Gut aufgehalten worden sei und etwas später kommen würde. Dann fragte sie Daphne nach ihrer letzten Tournee und gestand ihr, daß sie sich erst vor kurzem eine Platte mit einem ihrer Konzerte gekauft hätte.