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Kurz vor Ostern 2020 hat die Corona-Pandemie ganz Deutschland in Schockstarre versetzt. Auch der kleine Küstenort Dangast am Jadebusen wird für Nordseeurlauber und Tagesausflügler gesperrt. Selbst die Besitzer von Ferienwohnungen dürfen ihr Eigentum nicht mehr nutzen. Die Vareler Polizei findet in einem der leerstehenden Ferienhäuser die Leiche eines Unbekannten.
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Seitenzahl: 123
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Der Autor
Manfried Mertens, geboren in Frankfurt am Main, hat Germanistik und Anglistik/Amerikanistik studiert. Er ist verheiratet und wohnt in Niedersachsen.
Eine fantastische Erzählung mit dem Titel „Unter dem Santinihaus“ war 2019 sein Debüt. Als weitere Veröffentlichungen folgten der Kurzroman „Phoebe, Vera & Frank“ und die historische Dokumentation „Der Staatsgefangene“.
https://m-mertens.jimdosite.com/
Prolog
Begegnung im Wald
Am Grenzstein
Touristen im Visier
Ein stiller Gast
Arnos Recherche
Der Ferienhausmörder
Die Shanty Shouters
Dreihundert FFP3-Masken
Gedenke meiner, Sohn
Hausdurchsuchung
Resilienz
Spurensuche mit Trond
Jenny Chen
Zweitausend Tote
Systemrelevante Tätigkeit
Stille Ostern
Küstenkinder
Der Lo-Han
Jeder ein Künstler
Sinophobie
Butjadinger Yachtclub
Der Maschinenbaustudent
Das Seepferdchen
Ein großer Unbekannter
Neue Normalität
Die Dienstfahrt
Welt-Tai-Chi-Tag
Arno schreibt um
Brainstorming
Was das LKA ermittelte
Tempel der Himmelsmeister
Rund Kap Horn
Das AHA-Konzert
Die zweite Welle
Epilog
Wenn die Flut die Steinsäule erreicht, dann wird in Dangast am Jadebusen die Vereinigung von Land und Meer gefeiert. An diesem magischen Ort sollte Arnos Buch spielen. Der kunstsinnige Arno Calvelage hatte sich etwas ganz Großes vorgenommen. In diesem Jahr wollte er wieder einen erfolgreichen Kriminalroman schreiben. Das Jahr 2020 hatte gerade erst begonnen und es sollte ein Küstenkrimi werden.
In der Stadt Varel an der Nordseeküste bekam Lars Olbricht fast nichts mehr mit, auch nicht seinen achtundsechzigsten Geburtstag am siebten Januar. Seit er mit der fatalen Diagnose Alzheimer in das Pflegeheim gekommen war, hatte sich sein Zustand dramatisch verschlechtert. Wenn der ehemalige Maschinenbauer träumte, dann immer nur von seiner ganz großen Liebe, einer Chinesin, die seit 1979 spurlos verschwunden war. In der Gegenwart des Jahres 2020 hingegen war er schon längst nicht mehr beheimatet.
Mit täglichem Training bereitete der Mittzwanziger Edo Janssen, der auf einige Erfolge im asiatischen Kampfsport zurückblicken konnte, seinen jungen Hannoverschen Schweißhund mit dem norwegischen Namen Trond auf die B-Prüfung für Spür- und Suchhunde vor. Beruflich war Edo Streifenpolizist beim Polizeikommissariat Varel.
Dörthe Hagen übte nicht nur die Funktion der Dienststellenleiterin des Polizeikommissariats Nordenham aus, sondern war außerdem die Stellvertretende Vorsitzende des BYC, also des Butjadinger Yachtclubs. Jedermann hatte Respekt vor der resoluten Hauptkommissarin, das heißt, jeder außer Udo Harms, dem Dienststellenleiter des Polizeikommissariats Varel. Hauptkommissar Harms war Edos Chef.
Arno Calvelage kannte weder Lars Olbricht noch Edo Janssen, Dörthe Hagen oder Udo Harms. Sein Ermittler sollte wieder Enno Abel sein, der damals im erfolgreichsten Kriminalroman des Autors den Fall in Worpswede gelöst hatte und nun nach seiner Versetzung an die Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland am friesischen Jadebusen für Wirbel sorgen soll. Arno hatte recherchiert, dass die Polizeiinspektion Wilhelmshaven/Friesland dem Polizeikommissariat Varel übergeordnet ist, in dessen Zuständigkeit das zur Gemeinde Varel gehörende Seebad Dangast liegt, wo nach den Plänen des Krimiautors ein Mord geschehen würde. Eine Stufe höher angesiedelt ist die Polizeidirektion Oldenburg, wo sich auch die Rechtsmedizin befindet. Über allem steht das Landeskriminalamt Niedersachsen in Hannover.
Mit diesen sachlichen Informationen versorgt, lässt sich hoffentlich besser verstehen, welche merkwürdigen Vorgänge sich am Jadebusen einerseits in der Wirklichkeit und andererseits in Arno Calvelages Phantasie abspielten.
Jetzt, Ende Februar, setzte die fahle Dämmerung schon früh am Abend ein. Die knorrigen Eichen im Dangaster Geestwald reckten schwarze, kahle Äste nach oben. Jenny liebte diese Jahreszeit zwischen der Totenstarre des Winters und der Vorahnung eines Neubeginns. Bevor die Schwärze der Nacht vollends hereinbrechen würde, unternahm sie noch einen Spaziergang, ganz für sich allein. Vom Watt her ertönte der schrille Schrei eines Seevogels.
Immer wieder aufs Neue erschien es ihr wie ein Wunder, in dieser Waldeinsamkeit die nahe Nordsee spüren zu können. Der kleine Hafen von Dangast befand sich ganz in der Nähe. Hier im Wald aber hielt sich um diese Zeit im Jahr niemand auf. Jedenfalls war Jenny auf ihrem heutigen Abendspaziergang noch keiner Menschenseele begegnet. Doch als sie sich wieder auf den Rückweg zu ihrer Wohnung begab, erschien ihr ohne jede Vorwarnung eine auf seltsame Weise bedrohlich wirkende Gestalt.
In Taiwan aufgewachsen, hatte sie schon in frühester Kindheit mit Geistergeschichten Bekanntschaft gemacht. Viele Chinesen schenken solchen Erzählungen Glauben. Gerade die Insel Taiwan, das ehemalige Formosa, war in früherer Zeit vor allem wegen der Menschenfresser und Kopfjäger berüchtigt, die in der wilden Berglandschaft Jagd auf ahnungslose Opfer machten, also ein idealer Ort für Horrorfantasien.
Der alte Mann, welcher direkt vor ihr auf dem schmalen Weg im Geestwald auftauchte und sie aus tiefen Augenhöhlen wie gebannt anstarrte, konnte kein Mensch gewesen sein. Davon war Jenny auch nachträglich noch fest überzeugt, obwohl sie sich genau an so profane Details wie eine protzige Armbanduhr und eine dicke Goldkette erinnerte. Bevor das Gespenst wieder in der Dunkelheit verschwand, murmelte der Greis mit unsicherer Stimme einige Worte, die Jenny aber nicht verstehen konnte. Es mochte sich um Dänisch gehandelt haben.
In Dangast kannte man die junge Frau als Jenny Chen, wobei Jenny ihr westlicher Vorname ist. Der chinesische Name der bestens durchtrainierten und gleichzeitig grazilen Kampfsportlerin lautet Chen Hao. Hao ist in diesem Fall der Vorname und bedeutet „Die Gute“. Im Chinesischen wird üblicherweise der Nachname vorangestellt, in diesem Fall also „Chen“. Würde Jenny heiraten, zum Beispiel ihren Chef Dr. Rasmus Oncken, in dessen Dojo sie seit fast vier Jahren als Co-Trainerin arbeitet, und den Nachnamen des Ehemannes annehmen, wäre Chen Hao praktisch verschwunden und eine Jenny Oncken an deren Stelle getreten.
Die schlanke und hochgewachsene Jenny besaß nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch eine Figur, von der Männer jeden Alters mit Begeisterung redeten, wenn sie an Stammtischen oder bei der Chorprobe im Shantyclub von Varel unter sich waren. In dem Gebäude des Dangaster Daoistischen Zentrums bewohnte sie eine Dachgeschosswohnung mit separatem Eingang. Das Haus mit dem gepflegten Garten lag rechts von der Straße „An der Rennweide“, und zwar etwas zurückgesetzt zwischen den Bäumen. Ein schmaler Weg führte dorthin. Niemand konnte sagen, in welcher Beziehung die attraktive Mittzwanzigerin zu dem etwa zwanzig Jahre älteren Dr. Rasmus Oncken stand und weder er noch sie hatten jemals irgendjemandem darüber Auskunft gegeben.
Die Qi-Gong-Kurse mit Jenny Chen waren bei den Teilnehmerinnen, Männer bildeten unter den Trainierenden immer die große Ausnahme, überaus beliebt. Leider würden auch diese Veranstaltungen im Frühjahr der Corona-Krise zum Opfer fallen. Noch aber war es nicht so weit gekommen. Man hatte zwar vom Ausbruch einer neuartigen Viruserkrankung in der chinesischen Provinz Wuhan gehört, doch das alles schien an diesem Februarabend sehr weit entfernt.
Jenny hatte schon vor Jahren eine kleine Broschüre mit dem Titel „Yu Di“ geschrieben, die in einfachen Worten Grundprinzipien des Daoismus erklärt, wie zum Beispiel die Kunst des Wu Wei, Handeln durch Nicht-Handeln, also nichts zu tun und doch alles zu erreichen. Yu Di stellt im Daoismus das höchste Prinzip des Himmels dar und gilt als Gottheit. Yu heißt auf Deutsch Jade, das ist ein kultisch verehrter Schmuckstein, der das lichte, männliche Yang-Prinzip verkörpert, Lebenskraft, Reinheit und Erhabenheit symbolisiert und eine Verbindung zwischen der irdischen und der überirdischen Sphäre ermöglicht.
Die deutsche Übersetzung für Yu Di lautet „Der Jadekaiser“, was in Dangast auf eigentümliche Weise ironisch klingt, denn Künstler haben sowohl eine Statue mit dem Namen „Die Jade“ an das Ufer des Jadebusens gestellt als auch einen überdimensionalen Kaiserthron errichtet. Als hätten sie den extra für ihren Chef gebaut, dachte Jenny, die inzwischen in ihre Wohnung zurückgekehrt war.
Am 20. März 2020 tauchte eine Schlagzeile in den Nachrichten auf: „Dangast und Cuxhaven wollen keine Ausflügler mehr.“ Der Bürgermeister der Stadt Varel, zu der Dangast gehört, forderte in einem offenen Brief: „Auch der Tourismus in Dangast muss nun zum Erliegen kommen. Gäste reisen ab, das Mutter-Kind-Heim wird geräumt. Für die nächste Zeit möchte ich den dringenden Appell äußern, den Tourismusort Dangast nicht zu besuchen, …“.
Das südlichste Nordseebad überhaupt und zugleich das älteste in Niedersachsen bietet freien Blick auf das Wasser des Jadebusens, weil es auf einem bewaldeten Geestrücken liegt. Es ist der einzige Wald, der direkt an einem deutschen Nordseestrand zu finden ist. Infolge des langjährigen Kurbetriebs weist er einen parkähnlichen Charakter auf. Künstler haben diesen Ort schon früh entdeckt, gerne aufgesucht und sich auch dort angesiedelt.
Bereits am 16. März waren die Watt’n Sauna und das DanGastQuellbad geschlossen worden, ebenso der Strandcampingplatz und die Tourist-Info im Weltnaturerbeportal. Sogar die öffentlichen Toiletten standen nicht mehr zur Verfügung. Auch die überwiegende Zahl der Gastronomiebetriebe hatte die Türen zugesperrt.
Ruhig und leer war die kleine Ortschaft am Jadebusen in dieser zweiten Märzhälfte. Selbst die Nutzung einer Zweitwohnung war untersagt. Wer sich dort bereits befand, sollte bis spätestens zum 25. März abreisen. Im Vorfeld gebuchte Aufenthalte in Ferienwohnungen, Hotels und Pensionen mussten storniert werden. Am Wochenende vom Freitag, dem 3. April, bis Montag, dem 6. April, wurde sogar eine Sperrung aller öffentlichen Parkplätze in Dangast angeordnet.
Dr. Rasmus Oncken hatte sein „Daoistisches Zentrum für Körper und Geist“ ebenfalls schließen müssen. In der ländlichen Umgebung der Halbinsel Butjadingen war er als Adoptivsohn eines Landarztes und einer Grundschullehrerin aufgewachsen. Schon äußerlich war zu erkennen, dass die beiden nicht seine leiblichen Eltern sein konnten. An seinem vierzehnten Geburtstag hatte die Adoptivmutter ihm mitgeteilt, dass er der Sohn einer Chinesin, die als verschollen galt, und eines unbekannten Vaters sei.
Rasmus Oncken war „Der Jadekaiser“. Diesen Spitznamen bekam der friesische Eurasier aber erst viel später. Im Rahmen seines Studiums der Sinologie und fernöstlicher Philosophie, aber auch der Sportwissenschaften, hatte er sich während eines mehrjährigen Aufenthaltes in China zum Meister des Qi Gong ausbilden lassen und vor fünfzehn Jahren in Dangast sein Institut eröffnet.
Es war am Donnerstag, dem 2. April, als der Fünfundvierzigjährige beim ersten Licht des jungen Tages mutterseelenallein in der Nähe des alten Kurhauses auf der über dem kleinen Sandstrand gelegenen Promenade stehend beobachtete, wie das in den Jadebusen drängende Morgenhochwasser sich Meter um Meter des Wattbodens zurückeroberte. Als Neunjähriger hatte er bei Badeausflügen einen Oldenburger Künstler dabei beobachten können, wie dieser hier am Ufer des Jadebusens eine wuchtige, direkt an der Flutlinie aufgestellte Säule aus Granit mit dem Meißel und anderen Werkzeugen bearbeitete.
„Was wird das?“, fragte der kleine Rasmus seine Adoptiveltern damals.
Die Mutter antwortete ihm: „Grenzstein, so nennt der Künstler sein Werk. Zufällig heißt der Bildhauer selbst Eckart Grenzer, so passt das wohl.“
Die Grenze zwischen der See und dem Strand sollte markiert werden. Dazu wurde der etwa dreieinhalb Meter hohe Penis, denn als solcher gaben sich die 4,6 Tonnen Granit bald zu erkennen, errichtet.
Phallus, so nannte man ihn denn auch. Die ursprüngliche Bezeichnung „Grenzstein“ konnte sich nicht durchsetzen. Im Übrigen war das im Jahre 1984 ein großer Aufreger. Die Bildzeitung brachte die Aufstellung des Kunstwerks mit einem Foto und der Schlagzeile „Skandal in Dangast“ auf die Titelseite und auch in den Tagesthemen und im Heute-Journal wurde darüber berichtet. Was aber mag sich der Mitarbeiter einer friesischen Lokalzeitung gar bei seiner eindeutig zweideutigen Überschrift gedacht haben: „In aller Munde“? Viele in Dangast zeigten sich wütend und waren entrüstet.
Um das Niveau der Diskussion wieder ein wenig zu heben, überlegte sich der Bildhauer Eckart Grenzer einen neuen Namen für sein Objekt, nachdem der erste Vorschlag „Grenzstein“ sich nicht hatte halten können. Der Strand war schließlich männlich und die See weiblich, wie es in dem schönen Chanson „La Mer“ zum Ausdruck kommt. Was hier also bei jedem Hochwasser und jeder Flut aufs Neue stattfand, das war nichts anderes als eine „Begegnung der Geschlechter“. So sollte dieses Kunstwerk nun heißen.
„Like a lazy ocean hugs the shore / Hold me close, sway me more“ - so sang Rasmus denn auch leise vor sich hin, als er am frühen Morgen des zweiten April das zweimal am Tage auftretende Schauspiel der Vereinigung von Wasser und Land verfolgte. Der massive Penis aus Granit dort unten wurde gerade von den Nordseewellen sanft umschmeichelt, als sich die Kälte oben auf dem gemauerten Steindeich schließlich doch ziemlich unangenehm bemerkbar machte.
Zehn bestätigte Coronafälle gab es aktuell im Landkreis Friesland. Eigentlich wenig, dachte sich Rasmus, aber offenbar ausreichend, um das Leben völlig umzukrempeln. Er schüttelte den Kopf und setzte zu einer weiteren Laufrunde durch die ihm seit langem vertraute und jetzt doch so fremd wirkende Ortschaft an. Es war kühl, nur zwei Grad über null, der Himmel zeigte sich bedeckt und eine beständige Brise wehte.
Seine hochwertige Sportjacke hielt die schneidende Kälte ab und mit jedem der schnellen Schritte in seinen geliebten Trailrunning-Schuhen fühlte Rasmus sich wohler. Am alten Kurhaus vorbei bog er nach links auf eine kleine Straße mit dem Namen „An der Rennweide“ ein. Wo sich an schönen Sommertagen die Menschen auf dem kleinen Kunsthandwerkermarkt im Schatten uralter Bäume nur so drängelten, dort herrschte jetzt gespenstische Leere. Die alten Hotels und Gästehäuser links und rechts der schmalen Straße waren in einen Dornröschenschlaf versetzt und drohten bald ganz unter Efeu und wildem Wein zu verschwinden, wenn die Vegetation erst wieder voll einsetzen würde.
Nein, heute wollte er nicht nach links zum Meer hin abbiegen, das man von hier aus schon wieder gut sehen konnte, sondern er folgte beim Hotel Up’n Dieck der Edo-Wiemken-Straße nach rechts. An einigen Geschäften, der Pizzeria Mamma Mia und einem Barbecue-Restaurant vorbei lief er bis zu der Ampel. Dort hätte er nach wieder nach rechts in die Sielstraße einbiegen können, wo sich gleich am Anfang das Franz-Radziwill-Haus befand.
Heute aber wandte er sich lieber nach links. „Auf der Gast“ lautet der Name dieser Straße, vielleicht der Lage auf einem Geestrücken geschuldet. Leere Gästehäuser und verwaiste Ferienwohnungen säumten den Weg, seitab lagen ein Stück entfernt die Friesenhörn-Nordsee-Kliniken, denen die Beherbergung von Personen durch eine Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung im Zuge der Bekämpfung des Corona-Virus untersagt war. Die Straße führte zum bis auf Weiteres ebenfalls geschlossenen Strandcampingplatz. Dort war der morgendliche Läufer noch längst nicht angekommen, als er ein sich näherndes Polizeifahrzeug bemerkte.
Es war kein Aprilscherz, als am Mittwoch am Vareler Hafen einige Jugendliche ein von Dangast kommendes SUV, das sie aufgrund des Autokennzeichens HS dem durch einen heftigen Corona-Ausbruch im Anschluss an eine Fastnachtssitzung zu trauriger Berühmtheit gelangten Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen zuordnen konnten, mit Steinen bewarfen. In dem Fahrzeug befand sich eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern. Es war klar, Touristen und Ausflügler hatten jetzt auch zu ihrem eigenen Schutz die Gegend zu meiden oder zu verlassen. Überdies galten seit einigen Tagen strenge Verbotsregeln.
Das zuständige Polizeikommissariat Varel war alarmiert. Schon seit Tagen hatten Mitarbeiter des Ordnungsamtes und der Polizei in Dangast kontrolliert. Heute, am Morgen des 2. April, fuhren Etta Frerichs und Edo Janssen dort Streife. Im Schritttempo rollten sie die Straße „Auf der Gast“ entlang und hielten nach links und rechts Ausschau, ob an den Fenstern der Ferienhäuser Gesichter zu sehen waren, irgendwo Licht brannte oder sich gar verdächtigte Gestalten im Freien bewegten.
„Da vorne joggt jemand!“, rief Etta, die am Steuer saß.