Unter dem Santinihaus - Manfried Mertens - E-Book

Unter dem Santinihaus E-Book

Manfried Mertens

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Beschreibung

Wer hat das Thermometer erfunden? Wie ist der Welterfolg des Pilsener Urquell zu erklären? Wer waren die Erbauer der Erdställe? Welches Geheimnis verbirgt sich in den skurrilen Entwürfen des Baumeisters Santini-Aichel? Worin waren die spektakulären Heilerfolge des Doktor Eisenbart begründet? Die Suche nach Antworten auf diese und andere Fragen entführt uns in das Reich von Science-Fiction und Fantasy, als Frank von seinem verstorbenen Onkel ein Haus in der Oberpfalz erbt, zu dem ein unterirdisches Gangsystem gehört. Das Schratzelloch ist der Eingang zu diesem Labyrinth.

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Seitenzahl: 91

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Der Autor

Manfried Mertens, geboren in Frankfurt am Main, hat Germanistik und Anglistik studiert. Er ist verheiratet und wohnt in Niedersachsen.

„Unter dem Santinihaus“ war im Jahre 2019 sein Debüt. Es folgten „Phoebe, Vera & Frank“ (2019), die historische Dokumentation „Der Staatsgefangene“ (2020) und der Kriminalroman „Stilles Dangast“ (2021).

https://m-mertens.jimdosite.com/

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung

Auf dem Planeten Schratt

Oberpfälzer Schratzellöcher

Der Feuerschrack

Künstliche Ernährung

Schratzelwissen

Schratzelbräu

Doktor Eisenbart

Die Albrunen

Topheles

Ein böses Zeichen

Der Schlupf

Schwarzer Hund

Erdstallforscher

Teleportation

Lange Gesichter

Der Forschungsbericht

Johann Blasius Santini-Aichel

Gloewr

Feng-Shui

Der Landeplatz

Zoigl und Regula

Das Mutterschiff

Mandra, Gora und Mallacht

Mein Onkel Karl

Die Alraune

Pflanzenversand

Schratzelpolka

Klassische Archäologie

Das Labyrinth

Schwandorf

Marienbad

Tillyschanz

Haus Murach

Die Schratzel-Chroniken

Lobpreis der Herrscherin

Der Exodus wird geplant

Aufstand der Männer

Melgas

Der Exodus

Ein geheimer Pakt

Konfrontation im All

Hart am Ereignishorizont

Žd’ár nad Sázavou rückt näher

Neues vom Schlupf-Toni

Die Schratzeln bei den Thrakern

Bedrohung aus dem All

Paranormale Aktivitäten

Die Verlobungsfeier

Countdown

Alles ist gut

Wer ist wer?

Vorbemerkung

Die Schratzeln haben mich darum gebeten, dieses Buch zu schreiben. Für sie selbst wäre es ja besser, sie blieben im Verborgenen, aber ein Buch über sich fänden sie auch gut! Also habe ich diese Erzählung mit dem Titel „Unter dem Santinihaus“ geschrieben.

Das Dilemma besteht darin, dass sie sowohl unbekannt bleiben, aber auch berühmt werden wollen. Ich muss also großes Fingerspitzengefühl walten lassen.

Der Schutz dieser liebenswerten kleinen Schratzeln, für die ich mich verantwortlich fühle, steht beim Schreiben, aber auch was die Handlung des Buches angeht, im Vordergrund! Deshalb werde ich nicht alle ihrer Geheimnisse verraten.

Auf dem Planeten Schratt

Seit langem ist der Heimatplanet der Schratzeln nicht mehr bewohnbar, ein totes Gebilde, das um eine sterbende Sonne kreist, die zu schwach geworden ist, um noch genügend Licht, Wärme und Energie zu liefern.

Vor rund 12.000 Jahren, zur Blütezeit der Schratzel-Kultur, war das noch anders. Was wäre unser erster Eindruck gewesen, wenn wir Schratt damals hätten besuchen können? Nicht nur die Bewohner selbst, sondern gleichsam alles auf diesem Planeten wäre uns wie eine Verkleinerung im Maßstab 1:2 erschienen, also halb so groß wie gewohnt.

Wie haben die Schratzeln damals gelebt? Uns wären ihre aus Naturmaterialien errichteten Behausungen aufgefallen, harmonisch eingebettet in die Landschaft. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen hatten die kleinen Bewohner des Planeten Schratt zu einer Lebensweise gefunden, die sich so weit wie nur möglich im Einklang mit der Natur befand. Sie liebten ihre Gärten und Felder, auch die Tiere, welche mit ihnen jene Welt bevölkerten.

Fast alle Schratzeln ernährten sich damals vegan, die Vegetarier waren in der Minderheit. Fleischgenuss war verpönt, ebenso wie Gewaltanwendung jeder Art. Frauen hatten die Leitung übernommen, weil die Männer in der Vergangenheit immer wieder Streit vom Zaun gebrochen hatten. Wir sollten uns also ein streng pazifistisches Matriarchat vorstellen.

Waffen jeder Art waren strikt verboten, die Chroniken berichten jedoch von illegalen unterirdischen Werkstätten, die von einigen der meist im Bergbau tätigen Schratzelmänner betrieben wurden. Heimlich bewahrten sie die Waffentechnologie, welche von den Frauen geächtet worden war.

Die wichtigsten Ämter im Schratzelreich waren das der Königin, die nicht durch Erbfolge bestimmt, sondern von den stimmberechtigten Frauen gewählt wurde, und das der Priesterin. Letztere wirkte als spirituelle Ratgeberin und Hüterin der Rituale, das Volk und auch die Königin respektierten ihr religiöses Oberhaupt in hohem Maße.

Der Himmel auf dem Planeten Schratt war fast ständig trüb und wolkenverhangen, die Kraft des Sonnenlichts schwächer als bei uns auf der Erde.

Das erklärt, weshalb die lichtempfindlichen Schratzeln in unserer Welt zu einer unterirdischen Lebensweise übergegangen sind. Für die Bergleute unter ihnen war das kein großes Problem.

Oberpfälzer Schratzellöcher

Mit dem Wort „Oberpfalz“ verbindet nicht jeder eine klare Vorstellung, dabei ist diese Region landschaftlich sehr abwechslungsreich und für die urtümliche Sprache bekannt, die Nicht-Oberpfälzern weitgehend unverständlich bleibt.

In meiner Erzählung „Das Schratzelloch“ wird aus diesem Grund auf Dialekt verzichtet, trotzdem hoffe ich, auch wenn das bei Science-Fiction nicht das Hauptanliegen ist, ein wenig Interesse an der Oberpfalz wecken zu können.

Bei einem Schratzelloch handelt es sich um einen sogenannten Erdstall, in welchem der Sage nach die Schratzeln wohnen und den Bauern nachts bei der Hofarbeit helfen.

Der Schauplatz der Geschichte liegt im Landkreis Schwandorf, auf dem Gebiet der Gemeinde Oberviechtach. Johann Andreas Eisenbart (1663-1727), der aus dem gleichnamigen Spottlied bekannte Doktor, findet als einer der bekanntesten Söhne der Gegend natürlich auch seinen Platz in der Handlung.

Damit wird bereits deutlich, dass es sich um eine zu großen Teilen in der Vergangenheit verwurzelte Variante des Science-Fiction Genres handelt. Bahnbrechende Neuerungen im Montanwesen, der Augenheilkunde und auch beim Bierbrauen werden thematisiert.

Unweit der Burgruine Haus Murach wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts das Santinihaus im Stil des Gotik-Barock errichtet. Der Eingang zu dem Schratzelloch befindet sich unter eben diesem Gebäude, das Frank von seinem verstorbenen Onkel Karl (1928-2014), dessen umfangreiche Aufzeichnungen dem Ich-Erzähler wertvolle Informationen liefern, geerbt hat. Der Erdstall unter dem Santinihaus spielt eine entscheidende Rolle und natürlich kommen auch Aliens in dieser Geschichte vor.

Onkel Karl hatte herausgefunden, dass die katholische Kirche geheime Aufzeichnungen besitzt, wonach ein Erdstall (A) und ein weiterer, oft kilometerweit entfernter Erdstall (B) eine Einheit bilden können. Diese Theorie kann man auch nachlesen in dem im Jahre 2014 von dem österreichischen Forscher-Ehepaar Kusch veröffentlichten Buch „Versiegelte Unterwelt“.

Außerdem zapfen die Schratzellöcher das Erdmagnetfeld an. Energielinien verbinden die einzelnen Erdställe, die unter anderem als Energietankstellen dienen, und bei A dematerialisiert sich Materie, um sich bei B wieder neu zu materialisieren. Die Kirche hielt die an den Eingängen zu den Erdställen auftretenden energetischen Entladungen für gefährlich, ja für den Odem des Bösen.

Der Feuerschrack

Es war ein sonniger Wintermorgen und der Neuschnee wurde durch die schräg stehende Sonne zum Leuchten und Glitzern gebracht. Von Oberviechtach kommend sah ich schon von weitem die Burgruine Haus Murach auf einem hohen Felsen thronen.

Besonders der beeindruckende Vierkantturm überragt alles und ermöglicht einen grandiosen Rundblick in die winterliche Märchenlandschaft.

Haus Murach liegt auf dem fast 580 m hohen Hauserner Berg, einem Granitfelsen, und wurde im Jahre 1110 zum ersten Mal erwähnt. Es diente zur Sicherung einer südlichen Nebenstrecke der berühmten Goldenen Straße, des Handelsweges von Nürnberg nach Prag.

Unter Herzog Maximilian I, Kurfürst von Bayern (1573-1651) aus der bayrischen Linie der Wittelsbacher, war die Burg in kurbayerischem Besitz und in Wittelsbacher Hand.

Durch den Westfälischen Frieden von 1648 wurde dies endgültig bestätigt. Die Verwaltung der im Dreißigjährigen Krieg stark beschädigten Festung lag zu der Zeit in der Hand eines herrschaftlichen Beamten, welcher durch seine Hartherzigkeit bei der Bevölkerung in einem schlechten Ruf stand.

Am Abend vor Allerheiligen im Jahre 1648 beobachteten die Menschen im gesamten Oberviechtacher Gebiet eine Erscheinung, die alte Schriften in Anlehnung an die in der Alchemie übliche Terminologie als Feuerschrack bezeichnen, so beschrieb auch der Mystiker Jacob Böhme (1575-1624) ein solches Phänomen.

In Sichtweite von Haus Murach, an der Stelle, wo heute das Santinihaus steht, sah man einen hellen Blitz, der in die Erde zu fahren schien und alles in einem Umkreis von einhundert Metern verbrannte, ja sogar Sand und Steine zu Glas schmelzen ließ. In der Nacht, als sich dies ereignete, herrschte ruhiges Herbstwetter, es konnte sich also bei dieser Erscheinung auf keinen Fall um ein Gewitter gehandelt haben.

Was war geschehen? In der gleichen Nacht war der unbeliebte Verwaltungsbeamte gestorben und schnell stand für die Einheimischen fest, dass sie Zeugen einer Höllenfahrt waren. Der leibhaftige Teufel fuhr mit der Seele des Burgverwalters in seinen Klauen hinab und genau an dieser Stelle befand sich eine Pforte zur Unterwelt.

Noch Jahre später glaubten die Menschen, im Vorbeigehen den Odem des Bösen zu spüren, der aus der Tiefe zu ihnen emporstieg und es dauerte eine geraume Weile, bis das Grundstück an einen ahnungslosen Fremden verkauft werden konnte, der zu Anfang des 18. Jahrhunderts an dieser Stelle ein stattliches Gebäude errichten ließ.

Künstliche Ernährung

In Sichtweite der Burgruine Haus Murach wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderte das Santinihaus errichtet. Mein Onkel Karl hatte dort gewohnt, solange ich mich erinnern kann.

Das denkmalgeschützte Santinihaus in Obermurach ist von dem geheimnisumwitterten böhmischen Baumeister Johann Blasius Santini-Aichel (1677-1723) errichtet worden, der ursprünglich Maler und kein gelernter Architekt war.

Es steht auf den Grundmauern und den Kellerräumen eines wesentlich älteren Gebäudes und ist im Stil des Gotik-Barock, in einer bizarren Mischung aus barocker Opulenz und gotischer Strenge errichtet worden.

Als der einzige Erbe meines Onkels muss ich mich nun um das Santinihaus kümmern. Wenn man sich ihm nähert, fällt als erstes der auf der rechten Seite des Hauses errichtete Rundturm mit dem spitzen Dach auf, der aussieht wie die Wohn- und Wirkungsstätte eines Zauberers. Wie ich von den Sachverständigen der Denkmalbehörde erfahren konnte, unterliegen sämtliche Maße und Proportionen des Bauwerks einer okkulten Zahlenmystik.

Mein Onkel hatte Zeit seines Lebens als Lokalredakteur in Oberviechtach gearbeitet und lebte bis zum Alter von fünfundachtzig Jahren ganz selbstständig im Santinihaus. Er hatte nie geheiratet und als er schließlich krank und schwach wurde, musste er in ein Pflegeheim gebracht werden. Ich hatte nur wenig Kontakt zu ihm, aber als Neffe und einziger Angehöriger wurde ich vom Amtsgericht Amberg zum gesetzlichen Betreuer bestellt.

Der Alltag im Pflegeheim wirkt oft schockierend auf Außenstehende, doch was der normale Besucher, selbst wenn er eigene Angehörige dort hat, zu sehen bekommt, ist immer noch der schönere und sogar der lustigere Teil vom Ganzen.

Wenn erst hinter verschlossenen Türen die Pflege rund um die Uhr mit Bettlägerigkeit und künstlicher Ernährung einsetzt, der Höhepunkt des Tages darin besteht, dass sich mal ein Auge öffnet und wenn die letzten drei verbliebenen Wörter aus „ja“, „nein“ und „mmh“ bestehen, dann lässt sich auch keine gute Geschichte mehr darüber schreiben.

„Die Schratzeln haben mich astronautisiert“, sagte mein Onkel völlig unerwartet, als ich ihn zum ersten Mal nach dem Beginn der künstlichen Ernährung besuchte. In seiner Patientenverfügung, die ich mit ihm gemeinsam gerade noch rechtzeitig erstellen konnte, bestand er ausdrücklich auf allen nur erdenklichen lebensverlängernden Maßnahmen. Als dann die Nahrungsaufnahme nicht mehr zuverlässig gewährleistet werden konnte und der Gewichtsverlust immer größer wurde, war künstliche Ernährung alternativlos geworden.

Ein Schlauch wurde durch ein Loch in der Bauchdecke eingeführt und ein spezieller Nahrungsbrei direkt in den Magen gepumpt. Als sie meinen Onkel an den Schlauch angeschlossen haben, muss ihm erzählt worden sein, dass es echte Astronautennahrung sei, die nun aus dem Plastikbeutel an einem Gestell über ihm durch den transparenten Schlauch in seinen Magen gelangen sollte. Mit dem Schlauch, dem Gestell, dem Beutel und der Pumpe ähnelte mein lieber Onkel jetzt ein bisschen einem leicht verschrumpelten Astronauten. Das ist nicht böse gemeint, er sah wirklich so aus.